Was für ein Glück
Da saßen wir nun in einer gemeinsamen Wohnung fest, willens der kleinen süßen Amelie eine wahre glückliche Familie zu geben. Doch man konnte so etwas nur eine gewisse Zeit den Leuten vorspielen. Niemand war in der Lage, jemanden so lange an der Nase herumzuführen.
Doch Timothy, inzwischen duzten wir uns ja, beherrschte das Spiel von Täuschung wohl sehr gut, hatte ihm sicher auch seinen versauten Ruf eingebracht. Und nun war ich irgendwie an ihn gebunden, arrangierte mich mit der selbstgewählten Lage. "Scheiße, dass klang schon echt ordinär, musste ich doch jetzt lernen, mich gepflegt und wohl durchdacht auszudrücken.
Und dass alles bis zum Wochenende...aber ich wollte das schaffen! Da war ich wohl so wie meine Mutter, die immer alles erreicht hatte, was sie sich vorgenommen hatte, auch ohne Mann!". Aber auch die hohen Herrschaften sind nackig auf die Welt gekommen und gehen auch wieder nackig, waren also nur von edlen Geblüt der Abstammung her, sonst aber normale Menschen.
Doch was war eigentlich normal? Wer bestimmte das? Wer legte gewisse Verhaltensregeln des Miteinanders fest? Gut da gab es einen gewissen Herrn Knigge, davon gehört hatte ich schon. Mehr aber nicht. "Du machst dir einfach zu viel Gedanken, meine Eltern sind gar nicht so spießig, wie alle immer sagen! Du wirst schon sehen."
Er hatte ja gut reden, aber seine Eltern kannten ihn lang genug, halfen ihm immer wieder aus der Patsche. Für ihn war das das Normalste der Welt. Doch wie würden sie auf mich und ein Enkelkind reagieren, was ganz plötzlich in ihr Leben kommt? Würden sie die Kleine auch sofort in ihr Herz schließen können, wenn sie sie nur einmal angeblickt hatte mit ihren süßen Kulleraugen?
In ein paar Tagen würden wir es wissen. Aber bis dahin musste ich mich von einer sehr aufmüpfigen Person in ein demütiges Frauchen verwandeln, etwas was ich zutiefst hasste. Ich hasste Männer, die ihre Frauen so behandelten. Solche Aussagen wie: "Du gehörst mir und hast mir zu gehorchen!", waren da noch die harmlosesten.
Es gab auch Männer, die ihre Frauen schlugen, wenn sie nach einem ordentliche Saufgelage nach Hause kamen. Ich hoffte, dass Timothy nicht zu dieser Sorte Mann gehörte. Denn dann würde ich mich zu wehren wissen. Wozu hatte ich denn sonst so einige Kampftechniken erlernt?
Caris hatte ihren eigenen abgeschlossenen Bereich und dieser befand sich direkt neben dem Zimmer, was wir eilends in ein süßes Mädchenzimmer verhandelt hatten. Rosa Vorhänge, Kinderbettchen, Wickelkommode, einen Schrank für die vielen Sachen der Kleinen. Alles das, was sie brauchte, wurde eilends besorgt beziehungsweise stand schon auf meiner Einkaufsliste.
Damit wir glaubhaft als ein Paar rüberkamen, mussten wir uns jetzt auch so zeigen. Gemeinsam fuhren wir in die Stadt und suchten die schönsten Kindersachen aus, die wir finden konnten. Alles sperrige, wie Kinderwagen, Stubenwagen, Wickelkommode ließen wir uns per Express nach Hause liefern, das hieß im Klartext am nächsten Tag war alles fertig. Unsere kleine Maus konnte jetzt endlich in ihr eigenes Reich ziehen.
An den Wänden hatte ich zusammen mit Caris ein Blumenmeer gezaubert, kleine Schmetterlinge saßen auf den Blüten, hatten süße Gesichter. Wir ließen da unserer Fantasie einfach freien Lauf, und das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen. Da konnte keiner meckern, es war, nein es ist ein richtig süßes Mädchenzimmer geworden. Selbst Timothy musste zugeben, dass es ihm gefiel. "Das könnte sogar meinen Eltern gefallen!". "Oh, wir wurden gerade gelobt...", sagte ich spöttisch und ausgerechnet von ihm.
Auch Caris kannte Timothys Ruf und wusste, mit welcher Dame er sich in den letzten Jahren so vergnügt hatte, welche Herzen er gebrochen hatte und dass ihm egal war, wie es denen danach ging. Sie wollte unbedingt verhindern, dass mit mir dasselbe passiert. Ich war froh, dass ich sie hatte. Trotz, dass ich auf einer Kinderstation arbeitete, war es doch etwas ganz anderes, so ein kleines Würmchen sein eigen zu nennen.
Obwohl gehören tat sie niemanden. Jeder ist ein freier Mensch, auch dieses kleine süße Würmchen. Wie ich immer auf Würmchen kam, keine Ahnung. Eine Eingebung, vielleicht? Ich musste augenblicklich an eine Geschichte aus meiner Kindheit denken, die mir meine Mutter immer vorgelesen hatte.
Darin ging es um ein kleines Mädchen, was alle in ihren Bann ziehen konnte, nur durch einen Blick in ihre Augen und das Hören ihres Lachen. Und irgendwie war das bei Amelie wohl auch so. Man musste sie einfach liebhaben. Etwas anderes ging nicht. So klein, niedlich, hilflos. Niemals hätte ich es übers Herz gebracht, sie in ein Heim bringen zu lassen. Dann wollte ich lieber mein ganzes bisheriges Leben über den Haufen werfen und mich verändern, für sie, mein kleines Würmchen.
Und komischerweise hatte sich auch Timothy verändert nachdem er sie das erste Mal gesehen hatte. Ein Blick in ihre Kulleraugen hatte genügt und aus einem egoistischen jungen Arzt, der in seiner Freizeit eine Liebelei nach der anderen hatte, wurde von heute auf morgen ein treu sorgender Familienvater. Zumindest spielten wir das allen vor, und zwar so gut, dass wir schon selbst daran glaubten.
Noch ein Tag...und ich würde meine zukünftigen Schwiegereltern kennen lernen. Würden sie akzeptieren, was wir zum Wohle der kleinen süßen Maus auf uns nahmen oder würden sie versuchen, alle Bemühungen, ihr ein schönes gemütliches Heim zu bieten, zu unterwandern, gar zu unterbinden? Morgen endlich würden wir Klarheiten darüber haben, ob sie auf unserer Seite waren.
Immerhin hatten sie ja die Möglichkeit, alles wieder rückgängig machen zu lassen. Und ich würde dann alleine dastehen. Ihren Sohn würden sie niemals fallen lassen. So war es ja schon immer. Er war der jüngste der drei Kinder der Frasers und hatte wohl von Anfang an Narrenfreiheit in jeder Beziehung.
Er war klein, kränkelte oft und man musste sich besonders um ihn kümmern. Doch das alles war Schnee von gestern, interessierte niemanden mehr. Er war jetzt ein erwachsener junger Mann, der jetzt Medizin erfolgreich studiert hatte und sich für das Fachgebiet der Pädiatrie interessierte, sich zum Facharzt ausbilden ließ.
Er hatte immer noch Ziele, wollte hoch hinaus, trotz nun Frau und Kind. Man konnte ja alles regeln, mit den entsprechenden Geldmitteln. Er war immer flüssig, nein besser liquide, alles wurde angeschafft für Klein-Amelie. Da war er wirklich großzügig, obwohl jetzt befand ich mich in einer gewissen Abhängigkeit zu diesem Mann. Etwas, was ich eigentlich nie wieder wollte. Doch hier ging es um die Sicherheit von Amelie, in einer "gesunden Familie" aufwachsen zu können.
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