Frauen unter sich
Nun war es Caris, die ein Gespräch in Gang bringen wollte. Sie fragte die Hausherrin ganz direkt, was sie denn nun über dieses kleine Würmchen dachte. Timothys Mutter begann sofort an von ihrem freundlichen Wesen zu schwärmen. Das war ihr gleich aufgefallen als wir das Haus betreten hatten. Wir unterhielten uns über alles mögliche und nun war sie es, die Ältere, die uns das "Du" anbot. Schließlich waren wir ja jetzt verwandt, irgendwie und was die Leute dachten, war ihr mittlerweile sowas von egal. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet.
"Ich heiße Amanda" und sie reichte uns als Zeichen ihre Wertschätzung die Hand. "Und ich bin Caris und das ist meine Freunde Santina, die mit deinem Sohn in einer Klinik arbeitet. Aber das wusstest du ja sicher schon, bevor wir hierhergekommen waren?", fragte Caris. "Ja, ihr kennt doch die Leute. Irgendwer braucht doch immer etwas zum tratschen und hier gibt es immer jemanden, der meint sich damit bei uns "Einschleimen" zu können. Bitte entschuldigt diesen vulgären Ausdruck, aber anders kann man es nicht beschreiben."
Wir plauderten über alle möglich und ein Außenstehender könnte denken, dass sich drei Freundinnen angeregt unterhalten. Doch dem war ja nun mal nicht so. Amanda war bestimmt froh, endlich mal wieder mit "normalen" Menschen plaudern zu können. Ihre Gesichtszüge waren nicht mehr so streng als noch vor wenigen Stunden. Wir fühlten uns aufgehoben und willkommen. Leise betraten nun auch Timothy und sein Vater wieder das Zimmer, in dem wir noch immer angeregt plauderten.
"Nun meine Damen, wie ich sehe, verstehen Sie sich ja prächtig!" und er trat neben die Wiege: "Was ist sie doch für ein kleines süßes Engelchen" und hatte Tränen in den Augen. Waren es nun Tränen der Rührung oder der Freude. Wir wussten es nicht. Vielleicht hatte es auch einen traurigen Hintergrund. Doch spekulieren wollte ich nicht, irgendwann würden wir es vielleicht noch erfahren. Nachdem er mitbekommen hatte, dass wir uns nun von dem spießigen "Sie" verabschiedet hatten, bot er auch uns das "Du" an.
"Ich heiße Ferdinand" und ich musste mir dann doch ein wenig das Lachen verdrücken. Irgendwie passte dieser Name voll zu ihm. Seine Frau stellte uns nun mit Namen vor und Ferdinand reichte uns nun auch als Zeichen seiner Wertschätzung die Hand und betonte, dass wir jederzeit willkommen wären, natürlich mit dem kleinen Engelchen. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet. Dann ging zu seinem Sohn:
"Komm, lassen wir die Damen noch ein wenig allein" und zusammen verließen sie uns wieder. Von Amanda erfuhren wir, dass die beiden nicht immer so ein herzliches Verhältnis hatten, sie aber froh sei, dass die schwierigen Zeiten wohl endlich überstanden seien. Wir fragten nicht weiter nach, Timothys Ruf war uns ja lang und breit bekannt. Mehr wollten wir nicht wissen.
Vielleicht würde er ja irgendwann später mal den Mund aufmachen und von seiner schwierigen Jugend erzählen. Amanda rief nach dem Personal und eine kleine zierliche Person trat ein: "Wir hätten gern noch ein paar Tassen Kaffee und vielleicht etwas Gebäck dazu!", rief sie freundlich. "Sehr wohl, Madame."
Das war echt wie aus einem alten Hollywoodklassiker mit Herkules Poirot, dem berühmten Detektiv. Doch den Luxus von eigenen Personal wollten sich Timothys Eltern einfach gönnen. Schließlich konnten sie es sich ja leisten, mussten nicht aufs Geld achten.
Trotzdem blieb Amanda vom Wesen her eine sparsame Frau, wie sie es in ihrer eigenen sehr strengen Erziehung erfahren und gelernt hatte. Wir plauderten und plauderten. Dann kam der Kaffee und auch Gebäck und obendrauf für jeden von uns noch ein Stück Torte. Amanda bedankte sich und bat uns endlich zuzugreifen. "Oh, wie köstlich!", rief Caris und ich konnte ihr nur zustimmen. Wir erfuhren, dass die Köchin hervorragend backen konnte. "Vielleicht könnte sie mir das Rezept verraten?", fragte Caris und Amanda sagte: "Dann werden sie nachher danach fragen."
Noch immer schlief unser Engelchen friedlich in der kleinen Wiege. Wir erfuhren, dass darin alle drei Kinder gelegen haben. "Dafür ist sie ja noch wirklich sehr gut erhalten.", rief ich in unsere Runde. "Ja, Ferdinand richtete sie bei jedem Kind neu her. Da hat er wirklich goldene Hände." und sie bekam ein Leuchten in ihre Augen.
Sie musste ihren Mann wohl sehr lieben, auch wenn sie anfangs recht kühl und reserviert wirkten. Im Herzen waren die beiden eigentlich ein absolut harmonisches, liebevoll und ehrfürchtig miteinander umgehendes Paar, was sicher schon einige Klippen umschifft haben wird. Und irgendetwas schien beide zu bedrücken.
Doch ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, war froh über den Verlauf unseres Besuchs. Langsam wurde das kleine Engelchen wieder munter und Caris kümmerte sich um sie, und wir begleiteten sie. Amanda stellte sich dazu und nahm Caris die Windeln weg, stellte sich selbst an die Wickelkommode und versorgte nun Klein-Amelie.
Wir beobachteten sie dabei und wunderten uns, dass ihr dies so leicht von der Hand ging. Da meinte sie nur, dass sie das ja schon in ihrer Jugend erlernt habe und so etwas nicht verlernt habe. Sie wirkte irgendwie erleichtert als die Kleine die Augen aufschlug und sie anlächelte. Klein-Amelie berührte ihr Innerstes und zog uns alle drei in ihren Bann.
Diese Äuglein, dieses Mündchen, dieses freundliche Wesen, dieses herrliche Kinderlachen...es war, nein es ist einfach unbeschreiblich. Und es fühlte sich richtig für uns an. Fortan konnten wir uns der Unterstützung von Amanda und Ferdinand sicher sein. Aus einem Antrittsbesuch mit Mittagessen wurde nun innerhalb weniger Stunden ein Besuch, der nun bis zum Abend ausgedehnt wurde.
Irgendwie verstanden wir uns alle prächtig und hofften, es möge immer so bleiben. Doch da waren wieder diese Zweifel, die ich nicht erklären konnte. Sie waren einfach immer da und ich konnte nichts dagegen tun. Mal sehen, wie das ganze hier wohl weitergeht.
Auf jeden Fall konnten wir nun jederzeit mit Amanda sprechen. Sie würde uns immer helfen, selbst wenn Ferdinand mal nicht zugegen war.Man aß nun also auch noch gemeinsam zu Abend, was zwar nicht geplant war, aber ganz spontan entschieden worden war.
Nachdem wir gemeinsam gegessen hatten, wollten wir nun aber endlich aufbrechen. Die kleine Maus sollte nicht so lange weg sein. Wir versprachen, dass wir uns demnächst sehen würden. Eine Einladung war ja bereits am Mittag ausgesprochen worden.
Nur dass die beiden ein paar Tage später direkt bei uns vor der Tür standen, damit hatten wir nun wirklich nicht rechnen können. Hier zeigte sich nun, dass die Leute die beiden zu Unrecht als altbacken und spießig betitelten. Sie waren wohl eher noch von guter alter Schule, wussten sich zu benehmen, öffneten aber recht schnell ihr Herz, wenn sie spürten, dass es jemand verdiente. Und unsere kleine Amelie, die verdiente es auf jeden Fall. Man musste sie einfach lieben, unser kleines Engelchen.
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