Die prostituierende Selina

Long time so see!

Ich hatte jetzt ganze drei Wochen ohne meine Eltern und mir ging es fabelhaft. Keiner der mich anschreit sobald ein kleines Problem auftritt und kein Bruder auf den ich die ganze Zeit aufpassen muss.
Ich hab mit einem Freund über Discord jeden Abend Anime angeschaut... und mich dabei in den Typen verguckt...
Scheiße daran ist, ist dass er in den Niederlanden lebt und 26 ist...

Daddy Komplex lässt grüßen.

Da ich nun schon mein Abi habe und noch nicht wusste was ich machen will entschied ich mich für ein freiwilliges soziales Jahr in einer Psychiatrie. Da helfe ich als Pflegekraft aus. Die Station auf der ich arbeite ist für Menschen über 65. Sprich: Die meisten Patienten haben Demenz oder Depressionen. Oder beides.
Ich muss die schweren Aufgaben nicht übernehmen, da ich eh nur 420 Euro im Monat bezahlt werde. Meine Aufgaben beinhalten dafür zu sorgen, dass die Patienten immer ein Getränk vor sich stehen haben, Betten zu beziehen, Patienten in das Krankenhaus nebenan zu begleiten und Frühstück für die Patienten herrichten, die sich selbst kein Essen auftun können. Manchmal bin ich auch der Laufbursche.
Arschabwischen und Baden muss ich glücklicherweise nicht machen.
Oft bin ich auch die Person, die den Puls und die Temperatur der Patienten misst und alles in die Akten einträgt.
Von außen betrachtet klingt das nicht wirklich anstrengend aber vier Stunden am Tag rumläuft nur um dann eine halbe Stunde Pause machen zu können ist halt schon anstrengend für die Beine.
Wenigstens ist das Essen gratis und ganz viel Papier schreddern durfte ich auch. Da hab ich zum ersten Mal einen Schredder benutzt und zum Glück war ich die einzige im Kopierraum, weil ich jedesmal wenn das Papier geschreddert wurde vor Freude auf und ab gesprungen bin.

Ich arbeite schon seit drei Tagen dort und langweilig wirds nicht, denn wir haben immer mal wieder Schreipatienten.
In einem Moment fragen die noch ganz lieb nach einer Himbeerschorle und sagen ganz lieb danke und bitte. Im nächsten Moment schreien sie dann herum, dass sie zurück ins Heim wollen und fangen beef mit anderen Patienten an.
Ist schon lustig mitanzusehen, wie sich drei alte Damen, die kaum laufen können gegenseitig über den Tisch anblaffen.

Walking Dead 2.0

Bei einer Patientin hatte ich mich schon erschreckt, als ich ihr in die Augen blickte, weil sie anscheinend einen Grauen Star hatte und ihre Iris wie mit Milch begossen aussah.
Also alles wie immer.
Aber jeden Tag gibt es eine gleiche Prozedur und zwar ein Erlebnis mit jemandem. Da gibt es einen gewissen alten Herren, der ebenfalls dort Patient ist. Ich hab ihn nur einmal zum EKG begleitet, wo wir auf dem Weg über den Eifelturm geredet haben und dann fragte er mich zurück auf der Station ob wir doch einen Kaffee trinken gehen könnten.
Zum Glück trug ich immer eine Maske, sodass er meinen Gesichtausdruck nicht erkennen konnte. Ich kniff die Augen zusammen, sodass es so aussah als würde ich lächeln und sagte "Bald könnte das gehen" in der Hoffnung, dass er ein Patient mit starker Demenz war und es bis morgen vergessen hätte. Dem war leider nicht so, als ich mir später die Akten aller Patienten angesehen hatte, aber er sprach mich am nächsten Tag nicht mehr darauf an. Als ich jedoch gerade Schichtende hatte und gehen wollte beschrieb er mir noch den Weg zu einer Studentenbar und sagte "Dort treffen wir uns dann." Ich lachte und nickte spaßend und ging einfach. Da er sowieso keine Ausgangserlaubnis hatte würde das eh nichts werden.

Am nächsten Tag rief er mich zu sich und erzählte davon, wie eine Schwester ihn mit einem Auto für eine Stunde in ein Café begleitet hat und mit ihm etwas trank. Ich wusste zuerst nicht was er meinte, aber als er sagte, dass er für die Stunde 60 € bezahlt hatte musste ich mir ein ,,Klingt wie 'ne Prostituierte" verkneifen, weil ich tatsächlich darüber nachdenken musste, ob die Pfleger sowas machen durften.

Vielleicht hatte er das Schwesternkostüm verwechselt.

Und dann

Leute

Ach du Scheiße

Dann fragt der Typ mich einfach, ob das bei mir auch ginge und ich musste mit ein lautes Japsen unterdrücken. Ich war so froh, dass ich die Maske aufhatte, denn mein Gesichtsausdruck war sehr unhöflich.
,,Ich werde mal die Kollegen fragen ob so etwas möglich ist.", meinte ich nur und ging erstmal aufs Klo um mich schlapp zu lachen und gleichzeitig richtig offended zu sein.
60 € in der Stunde? Ich war definitiv mehr wert. Als ich das meiner Vorgesetzten erzählt hatte hat die sich auch erstmal schlappgelacht.
Mit mir hält der Typ immer Smalltalk und erzählt von seinem Studentenleben, die anderen Pfleger blafft er immer nur an und beldigt sie.

Hätte er doch wenigstens Geld...

Vielleicht sag ich aber den Demenzpatienten mal, dass sie mir noch jeweils 500 Euro schulden.

~Winemum

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