𝟷𝟾. 𝙱𝙸𝚂 𝟸𝟺. 𝙳𝙴𝚉𝙴𝙼𝙱𝙴𝚁 𝟷𝟾𝟿𝟿

Einige Wochen sind seit meinem letzten Eintrag in dieses Buch vergangen, Wochen, in denen so wenig, doch innerhalb meines Berufs so viel passiert ist.
Sowohl Sheriff Allison als auch Sheriff Miller waren teilweise gar nicht mehr im Dienst, was bedeutete, dass ich alleine da stand, weil Emma Cohen und Jax Holloway mittlerweile durch den gesamten Staat reisen, um sich einen Überblick über die allgemeine Lage zu verschaffen.
Seit wenigen Wochen ist zumindest Mister Miller wieder etwas regelmäßiger anzutreffen. Zwar trifft man ihn meist nicht pünktlich an, aber dass er überhaupt zur Mitte oder zum Ende der Woche im Dienst ist, ist immer noch besser als Allison, von dem ich seit Wochen nichts gehört habe.

Wo steckt der nur?

Eigentlich war er doch immer der Zuverlässigere von beiden.

Ich denke, ich werde nächste Woche ein Telegramm nach Blackwater schreiben, ihn freundlich bitten, er solle seinen Arsch zurück in den Dienst schwingen und hoffen, dass er es erhält, falls er sich doch hin und wieder einmal dort aufhalten sollte.
Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

Als ich diese Woche vor dem Sheriffbüro von Rhodes saß, sprach mich ein Herr an.
Er stellte sich als Jack Ryan vor und eröffnete mir, dass er in diesem Staat einmal Deputy Marshal gewesen ist.
Aus privaten Gründen, so sagte er, habe er diese Position jedoch aufgegeben und sei zurück nach Washington gegangen, wo er Sheriff gewesen sei.
Ich muss gestehen, dass mich seine Aussage, er wolle sich auch hier wieder in den Dienst stellen lassen, sehr erfreute, denn Verstärkung kann ich gerade gut brauchen. Schließlich sind meine einzigen Leute ein durchaus kompetenter Sheriff, von dem man allerdings seit Wochen nichts hört, und ein Anderer, der sich zwar bemüht, sich aber nicht wirklich beliebt macht.

Tja, und zu allem Überfluss kommt jetzt nicht nur die abgebrannte Gudri-Farm dazu.

Ryan und ich kamen dort an, als gerade ein paar Leute dabei waren, sie zu löschen.
In diesem Moment funktionierte ich trotz der lodernden Flammen, doch merkte ich, dass ich mit dem Verstand nicht dabei war, denn die menschliche Hülle, in der er steckt, arbeitete ganz von alleine.

Später, als ich die Akte schrieb und das Foto, das von der Farm gemacht worden war, als sie noch brannte, in den Händen hielt, starrte ich es einfach nur an. Ich starrte es an, wie ich vor all diesen Jahren mein Elternhaus angestarrt hatte, und als wäre es das noch nicht gewesen, war es gerade Ryan, der mich dabei sah.

Zusätzlich zu diesem Vorfall kommt auch die Tatsache, dass Francis in diesem Staat nie wieder als Marshall agieren wird.

Letzte Woche bekam ich ein Telegramm von ihm.

Wegen bürgerkriegsähnlichen Zuständen ist er nach North Dakota versetzt worden. Ich solle diesen Flohzirkus an Sheriffs zusammenhalten, schrieb er, und bat mich, seine Tiere bei mir aufzunehmen.

An das Letzte, was er schrieb, erinnere ich mich noch genau:
»Ich kann mir keine andere FRAU vorstellen, die dieser Aufgabe so gut gewachsen ist wie du es bist.

In Liebe Francis«

Ich bin ihm dankbar, dass er das so sieht, und auch wenn ich bei allem, was schiefgeht, nicht wirklich daran glaube, bedeutet es mir viel.
Nein, eigentlich nicht viel, sondern alles.

Sowohl Allison als auch Miller schrieb ich am Anfang der Woche ein Telegramm und habe sie angewiesen, pünktlich zu sein, denn ich hoffte, dass Francis es, wie in seinem Telegramm angekündigt, tatsächlich schaffen würde, noch einmal vorbeizuschauen, bevor er aufbrechen würde.
Ich habe die beiden also angewiesen, pünktlich zu sein, da er jederzeit kommen konnte.

Miller war erst eine Stunde nach Dienstbeginn da und Allison hat sich auch diese Woche nicht blicken lassen.

Ich glaube, wäre Francis tatsächlich plötzlich durch die Tür gekommen, hätte ich mich geschämt, vor allem dann, wenn weder Allison noch Miller da gewesen wären.

Zum Ende der Woche war Miller schließlich doch aufgetaucht, doch hatte sich schon lange verabschiedet und von Mr. Ryan fehlte auch jede Spur, beschloss ich schließlich, Francis' Tiere mitzunehmen.

Ich ritt hin und wollte gerade in den Stall gehen, als ich ihm meinen Namen sagen hörte.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht mehr damit gerechnet, ihn noch zu sehen, aber ich bin froh, dass er nicht gleich von Washington aus nach North Dakota aufgebrochen ist.

Ein letztes Mal habe ich ihn über die neuesten Geschehnisse hier informiert und mich noch lange mit ihm unterhalten.

Er erzählte mir, warum er einmal so plötzlich weg in die Heimat musste.

Ich weiß nicht, was er gefühlt haben muss, als er die Nachricht bekommen hat, dass seine Eltern bei dem Abbrennen ihrer Farm ums Leben gekommen sind, aber ich kann es mir denken.

Aber am Besten kann ich wohl den Schmerz nachempfinden, den er in sich haben musste, als er sein abgebranntes Elternhaus gesehen hat.

Ich habe zu ihm gesagt, dass ich genau weiß, wie das ist, und habe kurz mit dem Gedanken gespielt, ihn einfach zu umarmen.

Im Nachhinein frage ich mich, ob ich es nicht einfach hätte machen sollen, und darüber hinaus verfluche ich mich förmlich dafür, dass er nie alles erfuhr.
Hätte ich komplett mit offenen Karten gespielt und ihm bis ins kleinste Detail erzählt, was sich in dieser Nacht zutrug und mich seitdem umtreibt, vielleicht wäre er dann...

Nein, es ist absurd und töricht, das zu denken!

So viel wie in den Wochen, in denen Francis da war, an Dingen geschehen ist, hatten wir kaum Gelegenheit, uns sonderlich privat zu unterhalten.

Und die eine Situation, die wir bei mir auf der Ranch hatten...

Irgendwo weiß ich noch immer nicht, was ich über all das denken soll, andererseits...

Dieser Kuss...

Ich kann es nicht erklären.

Einerseits ging mir in dieser Situation so viel durch den Kopf, wobei der Hauptfaktor: »Er ist mein Vorgesetzter, das kann nicht gut gehen.«

war, und andererseits, wenn ich mir das jetzt so durch den Kopf gehen lasse...

Es hätte funktionieren können - zumindest habe ich das vielleicht irgendwo im Unterbewusstsein gehofft.

Die Frage ist nur: Warum?

Was habe ich mir davon versprochen oder erhofft?

Jemanden zu haben, dem ich mich anvertrauen kann, egal was es ist, der mir beisteht, auf eine Art, die nicht nur darin besteht, meine Geschichte zu kennen, jemanden, der hinter mir steht, egal wie groß der gemachte Fehler auch sein mag?

Vermutlich...

Aber jetzt ist das ohnehin Vergangenheit, jetzt, da er nach North Dakota aufgebrochen ist.

Ich hoffe nur, dass er überlebt, nicht so wie der vorherige Marshall von North Dakota und seine Männer.

Vermutlich ist es gut, dass Francis nun dorthin aufgebrochen ist, denn wenn er die Situation dort nicht in den Griff bekommen würde, hätte man ihn nicht geschickt.
Doch andererseits hätten wir ihn nicht nur hier gebraucht, als er wochenlang nicht da war. Wir brauchen ihn hier immer noch.

Aber, wie viel ich hier auch niederschreibe, ich kann ja doch nichts an der Entscheidung des Ministeriums ändern.

Ich kann nur hoffen, dass ich mit Mister Ryan die Unterstützung habe, die ich brauche. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht irgendwann einen gravierenden Fehler mache (oder ist »noch einer« besser ausgedrückt? Denn wenn es nach meiner Einschätzung geht, dann mache ich nur ebensolche.)
Ich kann nur hoffen, dass ich den Staat nicht noch mehr zugrunde richte, als er ohnehin schon zugrunde gerichtet ist...

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