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Verschreckt weiche ich nach hinten, gegen einen Stuhl. Claire muss ihn absichtlich dort hin geschoben haben, zum mich am fliehen zu hindern. Wer dort in der Tür steht ist niemand anderes, als ein steinalter Mann in einem Anzug, der ihm viel zu groß ist, und ihn gammelig erscheinen lässt. Sein Aussehen scheint ihn völlig kalt zu lassen, seine eiskalten weißen Augen blicken nur mich an. Mit entschlossener Miene mustert er mich, als scheine er alles über mich zu kennen und jeden kleinsten Verstoß gesehen zu haben. Seine Stirn ist zusammengezogen, was ihm zwei große Furchen auf die Stirn zaubert. Hätte er nicht diese unheimlich weißen Augen, würde ich ihn definitiv für einen älteren, durchgeknallten Herrn halten, den es nicht besonders interessiert, was andere über ihn denken. "Schau nur. Siehst du, siehst du, was ihr all die Jahre lernen mussten. Wir brauchen euch nicht. Wir brauchen nur eure Körper, dass ist das worüber ihr euch doch immer den Kopf zerbrecht, nicht wahr? Aber was ist, wenn das äußere nur eine Fassade ist und dich trügt. Ihr seid dumm. Das ist das Geheimnis, was uns zur Macht Geführt hat. Das Geheimnis, das keiner zu kennen scheint, und das doch so einfach ist. Und wenn du versuchst, es anderen zu erklären, wirst du nicht die passenden Worte finden. Denn auch dafür seid ihr leider nicht geboren." Er kichert und wendet sich kurz ab. Die Wände scheinen näher zu rücken, mit einer Hand wische ich mir über die Stirn. Er hat recht. Wir waren dumm, und jetzt ist es schon längst zu spät. Die äußere Hülle-in gewisser Hinsicht hat er Recht. Ich weiß nicht, wie sie eigentlich aussehen, das ist wirklich egal, aber sie haben den Menschen umgebracht, in dessen Hülle sie jetzt hausen und das würde ich keinem Menschen wünschen, egal was er mir angetan hat oder nicht. Er wendet sich wieder mir zu und mustert mich mit zusammengekniffenen Augen. verlegen versuche ich mir meine Wut, genauso wie meine Angst nicht anmuten zu lassen, denn das würde ihn natürlich nur freuen und ihm beweisen, dass ich genau so wie alle anderen wäre. Doch ich bin hier, weil ich gezogen wurde, und das Gefühl, dass dies kein Zufall ist übersteigt alles andere in meinem Kopf hier. Bin ich hier um etwas zu bewirken, oder zu beweisen? Oder war alles tatsächlich nur echter Zufall? „Warum bin ich hier?", will ich wissen. „Warum habt ihr es mir verraten, wo ich doch nur eines der vielen unbedeutenden Mädchen auf dieser Welt bin? Konntet ihr niemand anderes für eure Zwecke finden, oder hattet ihr einen anderen Grund?" Meine Stimme bebt, ich werde von allen Seiten angestarrt. „Bleibe ruhig. Wir wollen dir nichts tun.", meint einer der Wachmänner in beruhigendem Ton, der mich nur noch mehr sauer werden lässt. „Mädchen, du hast durchaus recht. Und genau deswegen mussten wir dich hierher holen, verstehst du. Dein Gehirn ähnelt unserem mehr, als du erahnen willst. Du bist nicht gewöhnlich, deine Absichten beziehen sich nicht darauf uns umzubringen, wie die der anderen, deren Gedächtnis ich zu ihrem eigenen Schutz löschen musste. Du könntest mehr bewirken, als du dir denken kannst, und das könnte für uns äußerst schmerzhaft werden, wenn du aus einem Grund auf die falsche Seite geraten würdest. Bisher konnten unsere Forscher noch keinen deiner art entdecken, der auch nur ansatzweise die Wissensquelle hat, wie du. Diu magst das jetzt als merkwürdig bezeichnen, aber für uns würde es einen großen Verlust bedeuten, dich gegen uns zu haben. Deshalb haben wir deinen Bruder; wie heißt der Junge noch einmal Nummer 332? Egal, auf jeden Fall haben wir ihn trotz seiner rebellischen Aktivitäten verschont." „Erpressung!", murmle ich. „So kannst du es natürlich auch auffassen, wir würden es eher als fairen Deal bezeichnen. Er bleibt unversehrt, wenn du unserer Seite treu bleibst. Nenne es, wie du meinst. Mir persönlich gefällt das Wort Einigung besser, verstanden?", Fragt er in dem Tonfall, den ich von meiner früheren eigenen Mutter gut kannte, wenn sie wollte, dass ich mit etwas aufhören würde. „Warum habt ihr die Familien voneinander getrennt?" Meine Hände zittern. Das bin ich meinen Eltern und auch meinen jetzigen Aufsichtspersonen, die für mich genauso wie Eltern sind, schuldig. Ich muss es wissen, allein deshalb, weil meine Erinnerungen an meine Eltern schon fast verblasst sind. Alleine wegen Ihnen - und trotzdem muss ich mit ihnen zusammenarbeiten. Für einen normalen Menschen wahrscheinlich unvorstellbar; am liebsten würde ich mir den Anführer vorknöpfen und ihm gehörig meine Meinung sagen, doch dann könnte er mir keine Antworten mehr geben, obwohl er sie mir schuldig ist. Zumindest denke ich, dass Ehrlichkeit zu einem Deal gehört.
"Du magst es vielleicht nicht verstehen, aber die Menschen sind immer am Engsten in kleinen Gruppen verknüpft, den sogenannten Familien, und diese sind zusammen unheimlich stark in dieser Welt. Deshalb müssen wir euch trennen, verstehe uns nicht falsch, denn eine Mutter, die von ihrem Kund getrennt wird ist voller Trauer, was sie zerstört und uns gegenüber harmlos macht. Das war und ist der Anfang unserer Macht, und er musste so sein, denn sonst lägen wir ein ganzes Stück zurück, verstehst du? Natürlich verstehst du. Ich vergesse immer, dass die Hülle nichts über den Wert des inneren aussagt, zumindest übst das in der heutigen Zeit so. Jetzt sind wir aber schon wieder vom Thema abgeschweift.
Also gut. Es schien uns das beste, euch einfach kurz nach eurer Geburt einem neuen Paar zuzuteilen. Und so ist es bis heute." Er blickt auf seine Uhr. "Schon viel zu spät. Wir müssen wohl morgen weiter machen. Lass dir alles durch den Kopf gehen, denn morgen wirst du einiges über dich und das, was du für uns Bist lernen. Ich muss mich hier leider verabschieden, da draußen wäre ich für dich nur eine Last, denn wir wollen unser Geheimnis doch bewahren, nicht wahr, mein kleiner Schatz?" "Ich bevorzuge Mac.", murmle ich leise, sodass nur ich es hören kann. Die Türen zu beiden Seiten öffnen sich. Während er weiter das Gebäude betritt trete ich durch den langen Tunnel nach draußen und betrachte die Landschaft um mich herum. Alles kommt mir so unwirklich vor, so verlogen und einsam - trostlos. Das ganze scheint sich verwandelt zu haben, oder "Das System" hat einfach einige Tatsachen in meinem Kopf freigelegt. Als ich zuhause die Türe öffnen will fällt mir ein Zettel entgegen. Vorsichtig hebe ich ihn auf und werfe einen kurzen Blick darauf. "Pass auf, wer auf der falschen und auf der richtigen Seite spielt. Es könnte eine Rolle spielen." Meine Lippen beben, der ganze Tag war einfach zu viel. Wütend beiße ich meine Zähne zusammen. Es spielt keine Rolle, ob es mir gut geht oder nicht. Wer auch immer den Zettel geschrieben hat will mich verunsichern, oder warnen. Was auch immer, gerade jetzt habe ich dafür keine Zeit, stattdessen sollte ich mich lieber auf die Fakten konzentrieren, die mir geliefert wurden. Oder wie das System sagen würde - benutze dein Gehirn. Langsam schließe ich die Haustür auf, registriere mich in unserem Netz und werde zu unserem Esszimmer durchgelassen. Der Tisch ist bestückt mit den Magazinen, die Margot, meine Ersatzmutter für ihre Arbeit benötigt. Auf einem Stuhl schläft Tassimo, unser gechipter Kater, den uns natürlich das System zur Verfügung gestellt hat, wegen Margots guter Arbeit. Sie erledigt ihre Arbeit stets regelmäßig und ist dahinter her einen besseren Beruf zugestellt zu bekommen. Sie sortiert die Lebensmittel den einzelnen Familien zu und sorgt dafür, dass jeder genug, aber nicht zu viel Essen hat. Es ist fünf Uhr. Automatisch schaltet sich unser Radio ein uns berichtet von den Ereignissen des späten Nachmittages. Desinteressiert mache ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer, um mich ein wenig hinzulegen, bis Margot oder Steve, mein Ersatzvater eintrifft. Die Klinke liegt kalt in meiner Hand, ehe ich weiß, wie mir geschieht wird mir ein Tuch vor den Mund gepresst. Verzweifelt versuche ich mich loszureißen, eine Hand in der Luft, die andere wird von meinem Fänger festgehalten. Während ich den Versuch aufgebe höre ich ein Splittern - die Kamera - und plötzlich spricht mich eine bekannte Stimme an. "Ruhig, okay? Kennst du mich noch?" Ich erstarre.
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