Teil 3 - Szene 1

James jagte mit Vollgas den Highway entlang und war in weniger als 30 Minuten wieder in seinem Wohnviertel. Diesmal fuhr er zielstrebig zu seinem Anwesen, ohne weiter auf seine Umgebung und die Anwohner seiner Straße zu achten.

Rasant preschte er auf die Auffahrt, vollzog auf dem halbrund verlaufenden Sandweg eine Vollbremsung. Eilig stieg er aus und eilte zur Eingangstür des Anwesens.

Bei der Haustür blieb er stehen und blinzelte angestrengt zum Riss bei der Türüberdachung. Tatsächlich sah er zwei Wespen in der Nähe davor herumfliegen. William hatte also nicht gelogen. Die Mistviecher waren noch da. Wo aber war sein Gärtner?

Wieder wallte seine Wut hoch. Erst dann fiel ihm ein, dass er selbst William angewiesen hatte, sich von dem Riss fernzuhalten. James ging zielstrebig zur rechten Hausseite. Nahe der Hecke gab es einen Plattenweg, der nach hinten führte. James eilte ihn entlang und rief nach dem Gärtner. Er bekam keine Antwort.

Fast an der Hinterseite des Hauses angekommen, erblickte er endlich William. Dieser stützte sich halb zusammengesunken an der Hausecke ab. Er schien sich nicht recht auf den Beinen halten zu können. ,Hab ich's doch gewusst!' dachte James zornig.

Schnellen Schrittes stürmte James auf den sich abstützenden Gärtner zu, der ihn nicht kommen sah, da er James den Rücken zugewandt hatte. „Was soll das William? Sind Sie etwa betrunken?!", fragte James und klopfte den Gärtner verärgert auf die Schulter, um ihn zum Umdrehen zu zwingen.

Der Körper des Gärtners sackte durch den Klaps von der Hauswand weg. Im gleichen Moment stöhnte William klagend auf, versuchte sich umzudrehen und fiel dann rücklings auf den Plattenweg.

Der ihn sich daraufhin bietende Anblick ließ James zurückprallen. Das Gesicht des Gärtners war stark zerstochen und hatte zwei blutende Wunden auf den Wangen.

James stand wie erschrocken da. Seine Wut war im Nu verschwunden, stattdessen fühlte er eine tiefe Erschrockenheit. Vor ihm lag sein von Wespen gestochener Gärtner, der nun – sowie er James erkannt hatte – langsam seinen Arm zu ihm hin hochhob und versuchte etwas zu sagen. Es war wohl so etwas wie ein Hilferuf. Man konnte aber nichts verstehen, außer ein jammerndes und klagendes Stöhnen, das bei James eine Gänsehaut verursachte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass William auch an den Armen Stichwunden hatte. Sein Gärtner hatte es schlimm erwischt.

James stand noch für einen Moment keuchend da und wusste nicht, wie ihm geschah. Doch endlich gewann sein selbstsicherer Charakter wieder die Kontrolle über ihn. Er kniete sich eilends zu William hinab und fragte ihn: „Wie ist das passiert? Sie sollten doch von den Viechern fernbleiben!"

William versuchte erst was zu sagen, doch sein angeschwollener Mund ließ das nicht zu. Er konnte nur schwerfällig den Kopf schütteln und James verstand so etwas wie „wollte ich ja", war sich aber nicht sicher.

Plötzlich stöhnte William warnend auf. Im selben Augenblick hörte James auch schon die Wespen. Sie schienen irgendwo auf dem Körper des Gärtners gesessen zu haben und wollten nun James attackieren.

Der Immobilienmanager sprang schnell auf und ein paar Schritte von William zurück. Dabei hielt er die Hände schützend vor sich. Jetzt sah er die Viecher. Zwei Wespen flogen im Kreuzflug auf ihn zu. James duckte sich im letzten Moment und wich ihnen ganz gut aus. 

Doch kaum waren sie hinter ihm, wendeten die Insekten und kamen erneut wütend summend auf ihn zu. Die Scheißdinger hatten es offensichtlich auf ihn abgesehen.

James fuchtelte mit dem Armen herum und erhielt prompt einen Stich in die linke Hand. ‚Autsch, verdammt!' dachte er wütend. Die Wespen drehten erst scheinbar ab, kamen aber sogleich wiederum auf ihn zu.

James sah sich hektisch um und erblickte die große Schaufel, die an der hinteren Wandseite des Hauses nahe bei der Hausecke stand. ‚Na wartet!' dachte er zornig, schnappte sich die Schaufel und eilte schnell noch ein paar Schritte zurück. Die Wespen verfolgten ihn und flogen spiralförmig auf ihn zu.

James ließ sie kommen und schwang im letzten Moment die Schaufel vor sich herum. Doch keine der Wespen traf er, sondern verscheuchte sie nur. Als die Insekten zum zweiten Flug ansetzten, versuchte James ihre Flugbahn vorher zu ahnen. Er tat so, als ließe er die Schaufel unten, schwang sie dann aber sehr spät zügig quer vor sein Gesicht. Tatsächlich wurde eines der Mistviecher getroffen. Die andere ließ daraufhin von ihm ab und flog um das Haus herum.

James trat triumphierend zu der getroffenen Wespe am Boden. Sie lebte noch, konnte aber nicht mehr fliegen und zappelte hilflos über den Boden. Der junge Mann holte mit der Schaufel aus und zerdepperte mit einem Wutschrei das hilflose Insekt. Daraufhin war kein Summen mehr zu hören. Die Wespe war tot.

Leicht erschöpft stellte James die Schaufel ab. Sein Blick ging wie von selbst zu William. Der Gärtner rührte sich nicht mehr und lag steif auf dem Plattenweg.

James ging mit böser Vorahnung zu ihm, beugte sich herunter und rüttelte ihn. „William! Ist alles okay mit Ihnen?" Keine Antwort.

‚Oh nein, bitte nicht!' dachte James und hielt an sein Ohr an den Mund des alten Mannes.
Er hörte keinen Atem.

James versuchte einen Puls zu finden, doch wie und wo er seine Hände auch anlegte: es war kein Geräusch auszumachen.

Müde strich sich James übers Gesicht. „Das kann doch nicht wahr sein!", rief er dann laut zum Himmel empor.
William war tot, sein Gärtner war tot! Wegen dieser Scheißwespen!

Wie war das möglich? Wurde William zu oft gestochen? Und wie war das überhaupt geschehen, wenn er sich doch von den Wespen fernhalten sollte?

James stöhnte auf, schüttelte den Kopf und strich sich müde einmal über das Gesicht. Dann betrachtete er seinen Gärtner und spielte die Möglichkeiten durch. Dabei bekam er einen berechnenden Gesichtsausdruck.

Eigentlich müsste er jetzt die Polizei rufen. Und einen Leichenwagen. Aber dann könnten Ermittlungen eingeleitet werden. Fragen und Nachforschungen würden auf ihn eindringen, die alle letztendlich darauf hinausliefen, dass man seine Hausverkleidung untersuchen wollte.
Wegen dieser verfluchten Wespen!

Das durfte nicht passieren. Das konnte er nicht zulassen.

James schüttelte zu sich selbst den Kopf. Dann richtete er sich auf, blickte suchend umher und eilte gleich darauf zu einer größeren Kiste, die etwas weiter im hinteren Garten an der Hecke zum Nachbargrundstück stand.

Williams Arbeitstruhe! Genau, was er brauchte!

James erreichte die Truhe, stieß behänd ihren Deckel auf. Im nächsten Moment fiel sein Blick auf hundert verschiedenste Arbeitsutensilien, die wild durcheinander hier abgelegt worden waren. Zufrieden entdeckte er ein Paar Arbeitshandschuhe. Blitzschnell zog er sie an und ging zügigen Schrittes zum Kopfende von Williams Leiche. 

Von dieser Position aus ergriff die zerstochenen Hände seines bisherigen Gärtners und schleifte den toten Körper Schritt für Schritt ein Stück den Plattenweg entlang und um die Hausecke herum, bis er den verstorbenen Gärtner ziemlich weit auf die Marmorplatten der großen Terrasse hinauf gezogen hatte.

Die Tätigkeit brachte ihn zum Schwitzen, weckte aber auch das Arbeitstier in ihm, den großen Planer, der jede Sache schnörkellos zu einem guten Ende bringt.

Er würde erst diese Dreckswespen verschwinden lassen und dann William. Wäre doch gelacht, wenn wegen irgendwelcher Mistviecher die Sache mit Antiquake platzt!

Er ging zur anderen Seite des Hauses, wo die geräumige Garage angrenzte. Von dort holte er sich die große Autoplane heraus, mit der er seinen Sportwagen im Winter abdeckte. Die Plane war groß genug, um eine Leiche darin verschwinden zu lassen.

James eilte zur Terrasse zurück, breitete die Plane aus und schlug sie über William. Er wollte den Leichnam erst einmal zudecken, um sich in Ruhe den Wespen widmen zu können. Später würde er den toten Gärtner ganz darin einwickeln und in die Garage schaffen.

Mit derartigen Gedanken verdeckte James gerade den Körper des alten McArthur, als er im Gesicht des Toten etwas bemerkte. Aus der offenen Wunde an der linken Wange sah er eine Wespe vorsichtig herauskriechen. Er wich vom Körper des Toten zurück und betrachtete argwöhnisch das Insekt. Dieses schien nach links und rechts zu schauen und flog dann eilig davon. James bemerkte hintergründig, dass ihm irgendetwas am Aussehen dieser Wespe zu schaffen machte, konnte den Gedanken aber nicht recht fassen.

Er beugte sich wieder über William, dessen Körper nun bis auf das Gesicht von der Plane zugedeckt war. James Blick verharrte bei den blutverschmierten Wunden in Williams Gesicht, bevor er sich daran machte, den Gärtner völlig zuzudecken.

Er hatte diese kleinen Wunden völlig vergessen! Jetzt betrachtete er sie genauer und stellte erschrocken fest, dass es Bisswunden zu sein schienen. Das war seltsam. Er wusste, dass Wespen ihre Gegner stachen, von Bisswunden hatte er aber noch nie was gehört. Irgendwie behagte ihn das, er weigerte sich aber, weiter darüber nachzudenken. Schnell zog er die Plane über den Kopf des Toten, der daraufhin völlig verdeckt war.

Er stand langsam auf und hielt inne. Irgendwie konnte er nicht aufhören, an diese Bisswunden zu denken. Aus irgendeinem Grund kam ihm gleichzeitig wieder das seltsame Aussehen der Wespe in den Sinn, das er nicht so recht fassen konnte.

Was ging hier eigentlich vor?

Einer Eingebung folgend wandte sich James von der zugedeckten Leiche ab und ging zu der Stelle zurück, wo er die Wespe mit der Schaufel erschlagen hatte. Sie lag noch da.

James ging in die Knie und betrachtete sie genauer. Er staunte nicht schlecht. Die Wespe sah deutlich anders aus, als man es gewohnt war. Der Unterkörper mit dem Stachel war so wie sonst auch.

Aber der Kopf! Und erst das Gesicht!
Statt des üblichen schwarz-gelb-gepunkteten Kopfes hatte diese Wespe einen durchgehend hellen Kopf. Die beige-gelbe Oberfläche schien sogar eine Art Haut zu sein.

Helle Haut! Wie bei einem Menschen!

Noch unheimlicher war aber, dass die Wespe gar nicht die typischen Facettenaugen besaß, sondern kleine Knopfaugen, die dem Insekt noch stärker das Aussehen eines Säugetiers gaben.

James schüttelte schwer atmend den Kopf. Er konnte nicht glauben, was er sah.
‚Wie kann das sein?', fragte er sich.

Williams Worte kamen ihm wieder in den Sinn: Es scheint da jetzt wieder neue Wespen zu geben. Die Viecher sehen ungewöhnlich aus, solche Wespen habe ich noch nie gesehen!

Verdammt, was soll denn das?

Dann sah er, dass die Wespe sogar kleine Klauen besaß, mit denen sie etwas greifen konnte. Unbeschreiblich!

Schließlich konnte er auch einen starken Beißkiefer an dem hellhäutigen Kopf des Insekts ausmachen. Daher also die Bisswunden! Aber wie konnte das sein?

Irgendwo tief in seinem Inneren kam allmählich eine Stimme in James hoch.
Eine Stimme der Warnung.
Eine Stimme, die ihm sagte, dass mit der Hausverkleidung was nicht stimmte.
Eine Stimme, die ihm verdeutlichte, dass es ein Fehler gewesen war. Ein Fehler, das Mittel ungetestet verwendet zu haben.
Eine Stimme, die Jeff Recht gab.

James sah langsam zu seinem Haus und überlegte. Sollte er nicht doch lieber gleich die Polizei rufen? Irgendwie wurde ihm mit einem Mal unheimlich zumute.
Sollte Jeff etwa Recht gehabt haben mit seinen Bedenken?

Aber der Moment währte nicht lange. Sicherlich, hier stimmte etwas nicht, aber er, James Winter, war nicht so ein Hasenfuß, dass er sich von irgendwelchen veränderten Wespen erschrecken ließ. Herrgott, er war schließlich einer der reichsten Männer von Barrington!

Das Ganze ist einfach nur ein Anfängerfehler. Mehr nicht! Er würde diese Wespen verschwinden lassen und dann würde er mit Dr. Kane darüber reden.

Sie würden Antiquake überarbeiten.
Verbessern.
Und von dieser ganzen Geschichte hier würde nie irgendjemand was erfahren!

James richtete sich auf und betrachtete sein Haus. Seine Unsicherheit verflog, stattdessen kehrte die Wut in ihm zurück.

Verdammte Scheißwespen! Sollen sie doch anders aussehen, wen juckt das schon! Er würde diese Wespen gleich gründlich verschwinden lassen. Ganz gründlich! Und dann werden die Hausrisse einfach neu verkleidet und zugeklebt.
Ende der Geschichte! Keine Löcher und Risse mehr! Keine Insekten!

Mit einem eiskalten Blick aufs Haus nickte James sich selbst zu. Dann fiel ihm der Benzinkanister ein, den er in der Garage zu stehen hatte. Ein siegessicheres Lächeln gesellte sich zu seinen arroganten Gesichtszügen.

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