Kapitel 2 - Möchtest du ein Spiel spielen?

Erst als Alexa an dem Glasverkleidetem Riesen eines Wolkenkratzers angekommen war, verlangsamte sie ihren Schritt. Der Gigant zog sich unheilvoll in die Höhe. Alexa war Telefonistin in einem riesigen Konzern der sich über mehrere Etagen erstreckte. In der Eingangshalle erhaschte sie einen kurzen Blick auf die Uhr die direkt neben den Aufzügen hing. Gut sie hatte noch ganze zehn Minuten. Bei dem Anblick der Aufzüge lief ihr ein Schauer über den Rücken, es kam ganz automatisch und ohne Vorwarnung. Sie hasste Aufzüge. Für einen Moment blieb sie stehen und atmete einmal tief durch und schob dann die Tür zum Treppenhaus auf.

Das Großraumbüro des Callcenter lag inmitten der Stadt, in einem Bürogebäude, das über elf Stockwerke besaß. Alexa befand sich mit vierzig anderen Mitarbeitern auf der fünften Etage.

Ihre Waden brannten als sie endlich die letzte Stufe zum fünften Stockwerk erreichte. Im Foyer angekommen roch sie schon Amber. Ihr Parfüm duftete schwer und der Geruch hing in der Luft. Es war nie ein penetranter Duft, jedoch konnte Alexa sie schon zehn Meilen gegen der Wind riechen. Amber saß gemütlich auf ihrem Bürostuhl, nippte dabei an einem Starbucks Kaffee und blätterte in einer dicken Modezeitschrift.

Die dreißigjährige, brünette Schönheit mit dunklem Teint und einer beneidenswerten Oberweite war die Sekretärin des Abteilungsleiters. Für ihre perfekte Figur würde so manch einer einen Mord begehen kam Alexa, bei deren Anblick, der Gedanke. Auch wenn Amber nur auf ihrem Stuhl herum saß, hatte sie dabei immer irgendwie was an sich, dass sie selbst in so einer banalen Situation sexy wirken ließ. Darauf war Alexa etwas neidisch. Sie selbst fühlte sich oft sehr plump und alles andere als begehrenswert, vor allem seit sie noch mehr abgenommen hatte und ihre Kleidung ihr teilweiße zu groß war.

Ambers Arbeitsbereich befand sich im Vorzimmer wo sie für Akten zuständig war und die Telefonate für Mr. Stone entgegen nahm.

Der Abteilungsleiter schien noch nicht da zu sein, zumindest Amber Verhalten nach zu urteilen, denn diese hatte sich vorerst ihrer zwölf Zentimeter Pumps entledigt und sie lieblos unter ihren Schreibtisch befördert. Sie bemerkte Alexa, dabei löste ihren Blick von der Illustrierten und nickte ihr zum Gruß zu. Amber musterte sie von Kopf bis Fuß, ihr Blick blieb unterhalb ihrer Brüste hängen. Sofort schoß Alexa die Röte ins Gesicht und ihr wurde unangenehm warm, der geringschätzige Blick Ambers verstärkte das ganze noch. Warum starrte diese auf ihre Brüste. Unsicher senkte Alexa den Blick nach unten, bemerkte dabei das Loch auf ihrem Tanktop, das sich nicht weit über dem Bauchnabels befand. Beschämt zupfte sie am Saum ihres Oberteils und verdeckte das Loch mit ihrer Hand. Als ob es dadurch verschwinden würde. Sie nuschelte ein ,,Morgen" und lief immer noch peinlich berührt in Richtung des Großraumbüros. Der Tag hatte sowieso schon beschissen angefangen, warum sollte er nicht so weiter laufen.

Die Luft im Büro war jetzt schon stickig, das würde ein sehr langer Vormittag werden. An sich war es ein relativ angenehmer Job für eine ungelernte Kraft wie sie eine war, dennoch hasste Alexa ihre Arbeit.

Nicht nur weil ihr Vorgesetzter ein chauvinistisches Arschloch war, nein auch wegen der monotonen Arbeiten, die keinerlei Intellekt voraussetzten. Zudem war es eine sehr undankbare Arbeit, ständig musste sie mit genervten, unfreundlichen Menschen telefonieren und sollte dabei immer höflich und professionell bleiben. Ihre Aufgabe lag darin eine Liste an Telefonnummern abzuarbeiten und den unterschiedlichsten Menschen, in Rahmen einer Umfrage für Marktforschung Fragen zu stellen. Das gestaltete sich oftmals als schwieriger als man dachte. Die meisten Menschen waren in ihrem Alltagsstress gefangen und hatten keine Nerven für eine zeitraubende Umfrage.

Die große Glasfront Büros sowie die vielen Mitarbeitern führten dazu, dass es jetzt im Sommer sehr stickig, ja sogar schon fast unerträglich heiß wurde. Es gab zwar eine Klimaanlage, diese wurde, wie Alexa vermutete, aus Kostengründen nicht angeschaltet.

Stone betrat das Büro, sofort huschten die wenigen Mitarbeiter die sich noch nicht an ihrem Schreibtisch befanden auf ihren Platz. William Maximilian Stone war der Name des Abteilungsleiters, dem Alexa unterstellt war, ein schmieriger, arroganter Schnösel, der sich für wichtiger nahm als er war, so empfand sie es zumindest.

,,An die Arbeit meine fleißigen Bienen", sagte er an die Mitarbeiter gewandt. Sein Ton ließ etwas hämisches mitschwingen. Er blieb vor Stephanies Tisch stehen. Stephanie wurde von allen Mausi genannt, was sie vor allem ihrer kleinen spitzen Nase und leisen Stimme zu verdanken hatte. Mausi schaute ihren Chef immer noch ängstlich an. ,,Jetzt Ms. Clark!", brüllte er sie an. Sie keuchte auf. Erschrocken erwachte diese aus ihrer Starre und kramte hektisch durch ihren Stapel Papiere.

Stone wusste genau wen er schikanieren konnte. Wer sich nicht zu wehren wusste und auch wer wie sie auf das Geld angewiesen war und das nutzte er schamlos aus.

Es war nicht so das Mr. Stone zu alt oder nicht attraktiv war, zumindest was das Äußere betraf. Alexa betrachtete seine dunklen Haare, die mit zu viel Gel zurück gekämmt waren, was diese aalglatt schimmern ließen. Er hatte ein markantes Gesicht und eisblaue Augen. Seine stattliche muskulöse Erscheinung die in einen teuren marineblauen Anzug gehüllt war, zeigte deutlich wie viel Zeit er in ein Training investiert hatte. So manch eine Frau würde ihn nicht von der Bettkante stoßen. Wenn Alexa ihm so auf der Straße begegnen würde, würde sie ihn durchaus als attraktiv betrachteten. Das Problem befand sich eher tiefsitzender, denn sein Charakter empfand Alexa mehr als nur widerlich. Weshalb sie auch schon einen Annäherungsversuch von Wiliam Stone unterbunden hatte. Es war ganz am Anfang gewesen, als sie noch ganz neu im Callcenter war. Den Korb hatte dieser nicht gut verkraftet, seither hatte er es sie auch deutlich spüren lassen.

Heute war Montag. Alexa saß wie immer neben Mary, ihrer liebsten Kollegin. Mary war eine etwas übergewichtige, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die sie alle durch füttern musste. Weshalb sie auch den miesen Job im Callcenter begrüßte, da die Arbeitszeiten so lagen, dass es ihr möglich war ihre Kinder rechtzeitig von der Schule abzuholen ohne eine zusätzliche Betreuung zu benötigen. Getrennt waren Alexa und Mary nur durch die dünne grau gefärbten Pressspanplatte, die einem so oder so keine Privatsphäre ließ.

In ihrer Nische, was sich Arbeitsplatz schimpfte, befanden sich ihr Headset, das mit dem PC verbunden war, auf dem sie die Umfrage eintragen musste, ein mehr als nur unbequemer Bürostuhl, auf dem sie nach nur Dreißig Minuten starke Kreuzschmerzen verspürte, sowie ein Familienfoto auf dem sie und ihre Eltern vor zwei Jahren im Urlaub in Kalifornien waren.

Auf dem Bild waren ihre Mutter mit ihren Kurzen roten Haaren, ihr Vater dessen einst braunen Haare, die sie von ihm geerbte hatte, schon länger ergraut waren und sie selbst zu sehen. Im Hintergrund sah man die Goldengate Bridge. Ihre Mutter schaute schmunzelnd, während ihr Vater über das ganze Gesicht strahlte, sie selbst versuchte sich auch an einem Lächeln, aber gekünsteltes Lachen fiel ihr immer schwer auf Fotos, weswegen sie es hasste fotografiert zu werden. Lang schien es ihr her, dass sie ihren Vater so hatte so lachen sehen. Zu lange. Lachen war ihn ihrer Familie ein Fremdwort geworden, seit sie von der Diagnose wussten.

Traurig sah sie auf das Foto.

,,Alles okay, Alex?" Es war Mary die mit ihrem freundlichen runden Gesicht und den Headset auf den Ohren zu ihr rüber spähte, dabei lehnte sie ihren Bürostuhl soweit zurück, dass Alexa angst hatte er könnte kippen. Ihre dunkle Haut schimmerte, wahrscheinlich war ihr auch zu heiß, sie trug eine tunkikaartiges Oberteil, was sie nur noch fülliger wirkten ließ.

,,Ja alles okay, weißt du ich mach mir nur Sorgen um meinen Dad, er scheint die Chemotherapie nicht so gut zu verkraften und meine Mom weiß ihm nicht wirklich zu helfen." Mary schaute sie traurig an und nickte.

,,Ach Süße, ich kenn das Spiel schon von meiner Tante Theresa, die hatte auch das große K. Ich glaub er war in der Lunge. Jedenfalls hat sie auch so eine Chemo gemacht und ja erst ging es ihr wirklich richtig schlecht, aber dann einige Monate darauf ging es ihr wieder blendend," Mary lächelte ihr aufmunternd zu ,,Das Rauchen hat sie trotzdem aufgegeben und sie hat wirklich viel geraucht. Ach viel ist gar kein Ausdruck! Sie war eine richtige Dampflokomotive. Wenn sie das schafft dann dein Dad sicher auch" Ergänzte sie. Mary lächelte sie noch mal an und zeigte dann auf den Bildschirm um zu signalisieren, dass sie nun weiter arbeiten würde. ,,Guten Tag Mr. Smith", hörte Alexa sie sagen ,,Hätten sie ein paar Minuten Zeit?", dann vernahm sie schon das prasseln der Tastatur.

Würde das bei ihrem Dad auch so wie bei Marys Tante laufen, Chemotherapie, ein paar Monate bammeln und dann heute die freudige Gewissheit den Krebs besiegt zu haben? Ihr Vater hatte nie geraucht oder getrunken und trotzdem Lungenkrebs bekommen. Vielleicht hatte Mary recht vermutlich waren seine Überlebenschancen besser. Immerhin hatte das Leben einer Kettenraucherin wie es deren Tante gewesen war eine zweite Chance gegeben, warum nicht dann auch Pieter der eigentlich immer relativ gesund gelebt hatte. Heute würde sie Gewissheit haben.

Alexa band sich ihr langes mittlerweile trockenes, rotbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz hoch, bevor sie sich ihr Headset aufsetzte. In dem Büro war es mehr als nur stickig, weshalb Alexa kurzerhand nochmal aufstand um das Fenster neben sich zu kippen. Ihr Arbeitsplatz am Fenster war auf der eine Seite gut gelegen, so hat sie sogar etwas mehr Privatsphäre als andere, da sie nur Mary als Nachbarin hatte, im Sommer jedoch prallte die Sonne direkt auf sie.

Die vier seitige Liste mit Telefonnummern lag schon vor ihr bereit, doch der Kugelschreiber war nirgends zu erblicken. Suchend fuhr sie mit den Fingern hinter den Bildschirm, konnte ihn aber nichts ertasten. Unter der Tastatur war auch nichts. Sie tippte nochmals Mary an und deutete lautlos an einen Stift zu brauchen. ,,Mr. Smith haben sie Haustiere?", fragt Mary reichte ihr einen Stift und murmelte ein Okay in das Headset, während sie wieder auf ihre Seite der Wand verschwand.

Alexa nahm ihren Stift und wählte über den Computer die erste Nummer, als nach einer Minute immer noch niemand abgenommen hatte markiert sie die Nummer mit der Notiz später anrufen.

Bei der nächsten Nummer hat sie mehr Glück, eine Frauen Stimme meldete sich schon nach dem zweiten Klingeln. ,,Ja hallo, bei López!"

,,Guten Tag Mrs. López hätten sie ein paar Minuten Zeit für eine Umfrage im Rahmen der Marktforschung?"

Die Frau zögerte kurz, lässt sich dann doch auf die Umfrage ein. ,,Wie alt sind sie, zwischen 18 bis 25, 25 bis 35, 35 bis 45 oder älter?"

,,25 bis 35", antwortete sie knapp.

,,Wohnen sie in New York Stadtmitte oder Umgebung?" Alexas Finger lagen schon auf der Tastatur.

,,In Queens."

,,Haben sie Haustiere?", fragte sie weiter und hakte dabei den vorigen Punkt ab.

,,Ja eine Katze." Alexa klickte die Frage ob der Befragte Hundebesitzer sei, mit nein an.

,,Ist es eine Hauskatze?"

,,Ja", die Stimme der Frau klang schon leicht drängend.

,,Welches Katzenfutter geben sie ihrer Katze?"

Sie überlegte kurz und antwortete dann: ,,Das Discounterkatzenfutter von Walmart."

,,Haben sie schon einmal das neue Wiskas Katzefutter Catplus ausprobiert?"

,,Nein!", antwortete Mrs López.

Alexa stellte noch einige Fragen über ihren Lifestyle, bis sie sich höflich nach circa zehn Minuten, von ihr verabschiedete.

Der Vormittag zog sich in die Länge, mehr oder weniger erfolgreich hatte sie einige Umfragen durchführen können.

Während Alexa die nächste Nummer wählte und das Freizeichen tutete, schaute sie Gedankenverloren aus dem Fenster, heute war es nicht nur heiß sondern dazu noch schwül, der Himmel war von Wolken überzogen, es sah so aus als ob es bald ein Sommergewitter geben würde. Genervt legte sie auf, heute hatte sie kein Glück bei ihren Anrufen. Gerade als sie die nächste Nummer anwählen wollte vernahm sie es. Ein Warnsignal, nein es waren Sirenen die Alexa wahrnahm. Vermutlich von der Polizei.

Laut und deutlich, sie mussten hier im Viertel sein. Zwischen den großen Wolkenkratzern hallten sie unerträglich laut, man konnte jedoch nicht vernehmen aus welcher Richtung sie genau stammten. Neugierig schaute sie aus dem Fenster, die Polizei sowie auch die Feuerwehr waren vor ihrem Bürogebäude platziert, einige Schaulustige hatten sich auch schon versammelt.

Alle schienen zu ihr nach oben zu blicken, was hatte das zu bedeuten?

Gab es etwa einen Brand von denen sie nichts mit bekommen hatten, war vielleicht der Feueralarm defekt, sodass sie als einige Abteilung noch im Gebäude waren? Jetzt machte sich langsam Panik in ihr breit.

In diesem Moment flog etwas großes schwarzes an ihrem Fenster vorbei, es ging so schnell sie hatte nichts erkennen können. Dann ein grellender Aufrei, mehrere Passanten schienen zu kreischen. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. War es ein Mensch?

Wie betäubt stand sie da, während draußen immer noch lautes Kreischen zu vernehmen war.

Jetzt erst kamen auch die anderen Mitarbeiter an die Glasfront gelaufen. ,,Was ist da draußen los? Läuft einer Amok?", fragte die kleine, blonde Stephanie besorgt, dabei schoss ihre Stimme noch ein paar Oktaven höher.

,,Nein", sagte Alexa immer noch geschockt. Ihre Stimme zitterte und hörte sich gar nicht mehr nach ihrer an. ,,Ich glaube es ist jemand von unserem Gebäude gesprungen! Er ist direkt an meinem Fenster vorbei geflogen!", fassungslos wendete Alexa den Blick vom Fenster ab, ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Stephanie schlug die Hände auf den Mund und sog erschrocken die Luft ein. Ein Gemurmel ging durch die Menge. Alexa hörte kaum zu, sie war immer noch zu durcheinander um einen klaren Gedanken zu fassen.

,,Wer seinen Job noch behalten will, sollte jetzt ganz schnell seinen Arsch zurück an seine Arbeit bewegen", drohte Mr. Stone. ,,Das gilt auch für sie Ms. Jones!"

,,Aber, aber Mr. Stone", stotterte sie fassungslos, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

,,Aber, Ms. Jones", äffte er sie bösartig nach ,,Es wird nicht das erste und letzte mal sein, dass sich jemand in New York fucking City von einem Hochhaus stürzt, aber dass sind sie Landei noch nicht gewohnt, stimmt's?" Er wartete nicht ihre Antwort ab. Alexa konnte kaum fassen was er von sich gab. Er zeigte keinerlei Mitgefühl.

,,Es reicht Mr. Stone", fauchte Mary ihn an, ihre Augen funkelten zornig. Sie hatte sich vor ihr aufgebäumt wie ein Schutzschild stand sie zwischen beiden. Alexa war Mary dankbar dafür, verspürte jedoch gleichzeitig einen Stich, sie wünschte sich sie wäre auch so mutig Stone entgegen zu treten.

,,Wird schon seine Gründe gehabt haben und jetzt ab an ihren Schreibtisch!" Sein grimmiger Ausdruck, ließ keine Widerworte zu, jedoch schien er auch keine Lust zu haben sich mit Mary anzulegen.

Beschützend nahm diese einen Arm um Alexas Schulter und führte sie zurück an ihren Platz.

,,Gründe gehabt haben", hallte es noch in ihrem Kopf nach. Gründe, wie ihr eigener Vater welche hatte?

In der Mittagspause gab es kein anderes Thema, als des Suizid des noch Unbekannten.

Kimberly die Tratschtante des Büros, Tom ein Mitte vierziger Dauer-Single und Michael lehnten an der Theke beim Kaffeeautomaten.
,,Sie vermuten das es Jordan Sparks war. Mit Gewissheit können sie es wohl noch nicht sagen, man kann wohl sein Gesicht nicht mehr erkennen." schnappte Alexa, Kimberlys Gespräch auf. Ein blutiges Bild von einer aufgeplatzten Schädeldecke schoss ihr in den Kopf. Ihr wurde übel. Schnell schüttelte sie den Gedanken ab. Mit einem Namen kam ihr die ganze Situation noch schrecklicher vor. Jordan so hatte er geheißen. Jordan Sparks. ,,Ich kenne ihn noch aus der anderen Abteilung", fuhr Kimberly fort. Es stimmte, Kim war vorher ein paar Stockwerke tiefer in einer anderen Abteilung gewesen. Trotzdem war Alexa verwundet wie schnell es sich herum gesprochen hatte wer der Unbekannte war. ,,Woher weißt du das es dieser Jordan gewesen sein soll?", mischte Alexa sich nun in das Gespräch mit ein. ,,Ich habe so meine Quellen", sagte Kim verschwörerisch. Das widerte Alexa an. Sie konnte in deren Augen sehen wie sehr sie die Aufmerksamkeit genoß die sich durch diese Situation heraus ergeben hatte. Es waren noch mehr Mitarbeiter dazu gestoßen. Schon jetzt bereute Alexa die Tatsache, Kimberly eine Bühne für ihr Ego gegeben zu haben. ,,Ich weiß aus sicheren Quellen, dass Jordan sich in letzter Zeit wohl sehr seltsam verhalten habe und er war der einige Mitarbeiter der heute morgen unentschuldigt fehlte."

,,Kaum zu fassen, die arme Familie", sagte Michael und Alexa konnte aufrichtiges Mitgefühl in seiner Stimme hören. Er schüttelte traurig den Kopf, als würde es helfen das Geschehene zu verhindern.

Ihr lief ein kalter Schauder über den Rücken, er hatte also Familie. Nochmals flog er, eine schwarze namenlose Gestalt an ihrem inneren Auge vorbei. Doch jetzt war diese nicht mehr namenlos. Jordan Sparks, so hatte er geheißen. Was konnte einen Menschen nur soweit treiben keinen Ausweg mehr zu sehen. Was hatte dich dazu getrieben Jordan? Niemand würde Alexa diese Frage je beantworten können, dennoch hing sie in der Luft.

Nach der Mittagspause war neben Alexa der Platz frei. Mary arbeitete nur halbtags, um ihre Kinder rechtzeitig aus der Schule abzuholen, weshalb sie vor der Pause schon gegangen war.

Alexa verbrachte die nächsten drei Stunden mit mehr oder weniger erfolgreichen Anrufversuchen. Immer wieder sah sie auf das zerbrochene Display ihres Handys, immer noch keine Nachricht von ihren Eltern. Das machte Alexa nervös, hätten sie sich nicht schon längst melden müssen? Der Termin bei Dr. Zwelly war am Vormittag gewesen, da war sie sich sicher. Sie wollte gerade die nächste Nummer auf der Liste wählen, als plötzlich etwas unerwartetes passierte.

Auf ihrem Computermonitor wurde ein eingehender Anruf angezeigt. Eingehend, dies bedeutete doch, dass sie angerufen wurde. Ihr Headset klingelte, sie wurde von jemanden angerufen. War das überhaupt möglich?
Sie war noch nie angerufen worden, nicht einmal in dem ganzen halben Jahr, dass sie jetzt nun schon hier arbeitete.

Alexa beschloss besser abzuheben, es konnte ja schließlich auch Mr. Stone sein, der sie testen wollte, ob sie sich schon wieder rechtzeitig am Arbeitsplatz befanden.

,,Hallo", sagte sie zögerlich.

,,Hallo, wer ist da?", es war eine männliche Stimme.

,,Hier ist Alexa und wer sind Sie?"

,,Manch einer nennt mich Ethan", erklärte der Anrufer.

,,Was für eine seltsame Art sich vorstellen", dachte sich Alexa.

,,Na schön, Ethan und warum rufen Sie mich an?", fragte Alexa mit ruhiger Stimme.

,,Sie haben mich angerufen, ich hatte ihre Nummer auf dem Display", erklärte der Fremde.

Das musste wohl einer von den Nummern sein, bei der keiner ran gegangen war, stellt Alexa fest, wunderte sich jedoch. Noch nie kam es vor, dass jemand zurück gerufen hatte, nicht ein einziges Mal. Mit dem Stift in der Hand überflog sie ihre Liste mit Telefonnummern und Namen.

,,Okay Mister...", sagte sie und zögerte, Alexa wollte den Mann nicht unhöflich beim Vornamen nennen.

,,Sie dürfen mich Ethan nennen", durchbrach er ihre Gedanken.

,,Okay dann eben Ethan, hätten sie ein paar Minuten Zeit für eine Umfrage im Rahmen der Marktforschung?", leierte Alexa ihren Text runter.

,,Zeit spielt keine Rolle für mich! Möchten sie sich denn Zeit für mich nehmen?", fragte der Mann keck.

Flirtete er etwa mit ihr, sie war sich nicht sicher. Aber seine Stimme war ganz sympathisch.

Sie selbst war nie gut im Flirten gewesen, weshalb auch Rachel damals in der sechsten Klasse ihren Schwarm Daniel, gedatet hatte. Sie selbst hatte nie den Mut aufgebracht ihn anzusprechen oder es gar mit Rachel aufzunehmen.

,,Nun ja das ist mein Job, mir Zeit für diese Umfrage zu nehmen. Also gut, wie alt sind Sie, zwischen 18 bis 25, 25 bis 35, 35 bis 45 oder älter?"

,,So ist das also, sie wollen mich in eine Sparte stecken, Alexa", sagte er neckisch ,,Wenn ich ihnen meine Sparte verrate, müssen sie mir auch ihre verraten!", erklärte er ihr. Alexa musste grinsen, so etwas hatte sie noch nie erlebt.

Ein aufgeregtes Kribbeln breitete sich auf ihrer Haut aus.

,,18 bis 25. Und Sie?", fragte Alexa lächelnd, der Typ schien wirklich mit ihr zu flirten.

,,Das ist eine junge Altersgruppe, Alexa", sprach er immer noch in diesem neckischen Tonfall ,,Meine ist wohl die 25-35, ich hoffe das stört sie nicht, Alexa", er hatte echt eine schöne Stimme, fast erotisch. Wer war dieser Typ der so ungeniert mit ihr schäkerte, das konnte doch kaum einer der Probanden sein, das war bestimmt einer der Mitarbeiter, aber wer? Vielleicht der gutaussehende Student Charlie, der sich als Ethan ausgab? Bei diesem Gedanken breitete sich ein wohliger Schauer über ihre Magengegend aus.

Alexa beschloss, wer auch immer es war, sein Spiel erstmal mit zu spielen. Was war schon dabei? Außerdem klang dieser Ethan echt sympathisch.

,,Wohnen sie in New York Stadtmitte oder Umgebung?", fuhr sie mit ihrer Liste fort.

,,Mal hier mal dort, wissen sie ich bin Geschäftsmann, ich habe Kunden überall!" Ein Geschäftsmann also.

,,Was arbeiten Sie, wenn ich fragen darf?", platzte Alexa neugierig heraus und ignoriert ihren Fragebogen in der Hoffnung er würde ihr Eigeninteresse dabei nicht bemerken.

Gelassen lehnte sie sich in dem ungepolsterten Bürostuhl zurück.

,,Das sagte ich ihnen doch bereits Alexa, ich bin Geschäftsmann", sagte er und ging damit nicht auf ihre Frage ein.

,,Okay, sind sie single, verheiratet oder geschieden?", fragte sie, musste schmunzeln und hoffte auf Ersteres.

,,Na, na Alexa, was sind das für Allüren. Solltest sie mich nicht fragen ob ich ein Haustier habe?", fragte der Fremde kess zurück.

,,Also doch jemand aus dem Büro", dachte sie sich. Bei dem Gedanken lief sie rot an, das würde sehr peinlich werden, wenn das heraus kam. Oder war das etwa eine Überprüfung eines Vorgesetzten? Stone war es wohl kaum, ihn hätte sie schon längst erkannt, außerdem war dieser Ethan viel zu charmant.

Der Typ hatte recht, sie sollte professionell bleiben, wenn sie ihren Job behalten wollte. Gerade als sie sich wieder dem Fragebogen zuwenden wollte, fragte der Mann: ,,Haben sie Lust auf ein Spiel Alexa?"

,,Ein Spiel, was meinen sie damit?", fragte sie verwirrt, wollte der Typ sie veralbern?

Er ging gar nicht auf ihre Frage ein. ,,Sie können selbst entscheiden ob sie mitspielen möchten, aber es gibt Regeln", die Stimme von diesem Ethan hörte sich von einem, auf das andere Mal sachlich an, nicht mehr so betörend.

,,Wenn sie mit spielen wollen gehen sie auf die Internetseite der New York Times, auf den ersten Artikel", wies der Unbekannte Alexa an. Sie zögerte, das Gespräch entwickelte sich echt seltsam.
Ohne groß darüber nachzudenken tippte sie die Internetadresse der New York Times in ihrem Browser ein und öffnete den ersten Artikel. Was sollte schon passieren? Die Schlagzeile lautete:

Detektiv Saint deckt Drogenring auf
Der berüchtigte Gangsterboss Rodriges S. in U-Haft.

,,Schön du hast dich also dazu bereit erklärt, mit zuspielen!", Ethan klang zufrieden ,,Ich melde mich wieder. Deine Belohnung liegt unter der Tastatur!" Dann wurde der Anruf abgebrochen, das Freizeichen ertönte drei mal, dann verstummte das Headset. Der Anrufer hatte aufgelegt.

Durcheinander saß Alexa da und starrten immer noch auf den Monitor. Der Zeitungsartikel war noch geöffnet. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Mit einem klick mit der linken Maustaste ließ sie die Website verschwinden.

Es musste jemand aus dem Callcenter sein, jemand musste sie beobachtet haben, schnell stand sie auf und blickte hinter sich. Sie erwarte Jon oder Michael zu sehen die sie nun auslachen würden, so erschrocken wie sie jetzt aussah. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich auf ihre Kosten einen Spaß erlaubten.

Aber hinter ihr war niemand, die beiden waren sich wohl nochmal einen Kaffee holen gegangen, nur vor ihr saß Kimberly und eine neue brünette junge Frau, deren Name sie noch nicht kannte.

Seltsam, woher konnte der Anrufer es sonst wissen? Sie hatte mit keiner Silbe erwähnt auf dem Zeitungsartikel gewesen zu sein.

Unruhig setzte sich Alexa wieder auf den Stuhl. Das musste ein Scherz sein, was anderes war nicht möglich.

Gespannt nahm sie die Tastatur in die Hand. Dabei musste sie fast lachen, weil die Situation so absurd war.

Alexa hob sie an und konnte ihren Augen kaum trauen. Trotz der Hitze lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter und auf ihren Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Das war unmöglich!

Unter ihrer Tastatur lag ein Eindollar-Schein, er war so glatt, als hätte er noch nie ein Portmonee von Innen gesehen!

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