Keep up with the rest


Half the game is mental; the other half is being mental.

Genervt trommelte ich mit meinen Fingern auf dem Lenkrad meines Vans rum und verfluchte den Stau vor mir. Der erste Schultag und schon ging hier alles den Berg runter. Nicht, dass es mich total stören würde, aber ich hatte meine besten Kumpel versprochen, dass wir noch vor den Tryouts aufs Eis gingen und zudem war mein Direktor sauer auf mich, weil ich fast jeden Kurs verpasste, um zu trainieren. Also wenn ich nicht von der Schule fliegen wollte oder noch schlimmer aus meinem Team, dann sollte ich mal schneller machen. Ein Auto kam über die Ampel, gefolgt von einem lauten Hupkonzert, an dem ich gerne teilnahm. War es denn nicht möglich, dass mehr als ein Auto über diese verdammte Ampel kam? Hinten auf dem Rücksitz begann mein Handy zu klingen und ich seufzte. Ich gab ja mein bestes. Als ich nicht ran ging, sondern den Blick weiterhin nach vorne gerichtet hielt, in der Hoffnung, dass es bald wieder grün wurde und ich endlich vorwärts kam, ertönte die Stimme meines besten Freundes aus den Lautsprechern des Handys. „Klar bin ich pünktlich", äffte er mich nach: „Erster Tag, Tryouts, wieso sollte ich zu spät kommen?" Verärgert haute ich mit der flachen Hand wieder auf die Hupe und brüllte den Fahrer vor mir an, der sich wütend umdrehte und mir nen Vogel zeigte. Wenn ich nicht in einer Minute über diese Ampel kam, dann würde ich dem vor mir so was von hinten reinfahren. Kaum zu glauben, dass die solange brauchten um über eine Ampel zu kommen. „Du hast gesagt, du bist pünktlich, David, wie kann es sein, dass du es nicht einmal auf die Kette bekommst?", redete mein Freund immer noch weiter: „Du bist der Captain, also benimm dich wie einer und tauch verdammt nochmal hier auf, ich meins ernst" „Ich steh an einer Ampel! Was soll ich da denn bitte machen?", knurrte ich, als ein Klicken ertönte und Josh aufgelegt hatte. Schlimmer ging wahrscheinlich nicht mehr, dabei hatte der morgen so gut angefangen. Ich war erfolgreich meinem Stiefvater aus dem Weg gegangen, der gestern Abend erst spät nach Hause gekommen war und der schlechten Laune meiner Mutter zufolge nicht mehr ansprechbar war. Es regte mich auf, dass er so viel trank, wenn es auf der Arbeit nicht gut lief, aber immerhin schloss er sich im Schlafzimmer ein, anstatt meine Schwester und meine Mutter dumm anzumachen. Zu mindestens etwas. Meine Schwester war schon weg, als ich fertig unten in die Küche kam und obwohl sie es nicht zugab wusste ich, dass sie sich mit ihrem neuen Freund traf, der zufälliger Weise in einem der neuen gegnerischen Hockeyteams war. Wurde aber langsam auch mal Zeit, dass ich die Chance bekam, ihn mir vor zuknüpfen. Heute war ich sogar pünktlich im Auto, bereit für das neue Schuljahr und besonders für Hockey, nur um dann an dieser blöden Ampel zustehen. Josh und ich mussten uns zwar keine Sorgen machen, wegen so etwas aus dem Team geworfen zu werden, besonders, weil die Tryouts nur für die neuen Spieler waren, aber wir sollten eigentlich ein bisschen mitspielen und besonders als Captain war es für mich Pflicht heute pünktlich anzutreten. Wieder wollte ich hupen, als das Auto vor mir über die grüne Ampel schoss und ich sofort hinter her. Endlich, endlich, endlich. Erleichtert fuhr ich den restlichen Weg und bog kurze Zeit später auf den Parkplatz der Schule ein. Von weitem konnte ich Josh schon mit seiner Sporttasche und all der Ausrüstung vor der Tür stehen sehen. Immer wieder schaute er auf seine Uhr und als er mich im Auto bemerkte verschränkte er verärgert die Arme vor der Brust. Ruhig parkte ich mein Auto und stieg dann aus. „Beeil dich", brüllte Josh über den ganzen Schulhof, als ich meine Trainingstasche aus dem Kofferraum holte und mich zu ihm begab. Ein paar Schüler drehten sich um und musterten mich interessiert und ich lächelte siegessicher. Das Hockeyteam genoss einen gewissen Status und irgendwie gefiel es mir, dass mich jeder kannte, auch wenn es manchmal anstrengend war. „Wegen dir kommen wir zu spät", zischte Josh, als ich mit ihm zur Eishalle lief. „Ist der Rest denn schon da?", ich schob die Riemen der Sporttasche über meine Schulter. „Ja, natürlich. Der Coach hat schon nach dir gefragt, wo warst du?" Mist. „Ich stand an einer Ampel für geschlagene 10 Minuten", murmelte ich und stieß die Tür auf. Mein Freund starrte mich fassungslos an. „Ich habe schon viele Ausreden von dir gehört, dass war sowas von die schlechteste!", er schüttelte den Kopf und ich hob empört die Hände: „Das ist keine Ausrede. Ich stand wirklich so lange an der Ampel"

„Dann fahr das nächste Mal woanders lang oder fahr früher los, David", ertönte eine tiefe Stimme hinter uns und wir fuhren herum. „Coach" Ich versteckte meine Hände in der Tasche in meinem Pulli und versuchte so auch meine plötzlich aufkeimende Nervosität zu überspielen. Mein Coach war ein hochgewachsener, kräftiger Mann Mitte 40, mit braunen kurzen Haaren. Er hatte schon in der NHL gespielt und sich nach seinem Rücktritt entschieden, junge Spieler zu coachen. Disziplin und auch Pünktlichkeit rechnete er einem hoch an. Wie gut nur, dass ich direkt an Tag 1 zu spät kam. Und das nicht zum ersten Mal. Ich wollte gerade zur Entschuldigung ansetzen, als er sprach. „Joshua, du gehst dich bitte umziehen und sorgst dann dafür, dass die Neuen sich aufwärmen. David, mit dir will ich noch sprechen" Josh warf mir einen mitleidigen Blick zu, dann verschwand er in der Umkleide. Langsam verlagerte ich mein Gewicht auf den rechten Fuß und rückte meine Sporttasche wieder zurecht. Mein Coach musterte mich für eine kurze Zeit streng, dann schüttelte er den Kopf. „Du weißt, dass du dich genauso beweisen musst wie jeder andere heute auch?" „Aber...", wollte ich protestieren, doch er hob eine Hand. „Ich sage nicht, dass du nicht ins Team kommst, aber du hast im Moment noch den Titel des Kapitäns inne. Trotzdem gibt es viele, die das Talent zur Führungsposition haben und die Chance sofort nehmen würden. Denk dran, wenn du nicht 100% gibst und dazu zählt auch jeden Tag pünktlich hier zu sein, dann kann ich dir nicht versprechen, dass du als Kapitän bei den anderen ankommst und für die Position geeignet bist. Ein Kapitän motiviert die Mannschaft, hilft ihnen das Beste aus sich raus zu holen und geht in Krisensituationen voran. Zudem ist er pünktlich und gibt alles auf dem Eis. Und wie jede Saison hat jeder die Möglichkeit dieser Kapitän zu werden, wenn er sich beweist. Also ruh dich nicht auf deinem Erfolg aus" Der Mann legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dieses Jahr könnte dein Durchbruch sein. Versau dir das nicht, okay?" Ich starrte zu Boden, während ein Kloß in meinem Hals steckte. Es war klar, dass ich für den Posten des Kapitäns zu kämpfen hatte, aber es jetzt nochmal vom Coach zu hören zeigte mir, dass ich mich wirklich auf dünnem Eis bewegte. „Aber ich bin der beste Spieler", ich hob zögernd den Blick und erntete ein Lächeln. „Auch ein guter Spieler hat sich an die Regeln zu halten, wie jeder andere auch und muss alles geben" Er drückte meine Schulter, dann machte er einen Schritt zurück. „Und jetzt ab, zieh dich um und dann beginnen wir das Training" Damit drehte er sich um und ließ mich stehen. 

Erschöpft lege ich meinen Kopf in den Nacken und verfluche mich selbst, dass ich es nicht einmal am ersten Schultag schaffte pünktlich zu sein. Seufzend drehte ich mich um und öffnete die Tür zur Umkleide. Lautes Gerede und der Duft von diversen Deos schlug mir entgegen. Ein paar Augen musterten mich neugierig, während der Rest vor Aufregung nichts mitbekam. In dem hinteren Teil des Raums saßen meine Freunde und unterhielten sich gerade angeregt. Als sie merkten, dass ich zu ihnen kam brachen sie das Gespräch ab und nickten mir zu. „David", unser Goalie, Sam, ein braunhaariger Junge mit einem schelmischen Lächeln sagte als erstes etwas: „Hab gehört, du hattest ein Gespräch mit dem Coach? Was hast du jetzt schon wieder gemacht, außer zu spät zu kommen?" Plötzlich waren die Gespräche der Neuen verstummt und alle Augenpaare lagen auf mir. Schlecht gelaunt warf ich meine Tasche auf die Bank und nahm mir vor, Sam noch schön die Meinung zu sagen, dafür, dass er das so offen angesprochen hatte. „Ihr habt zehn Minuten, dann will ich jeden auf dem Eis sehen", knurrte ich bloß und zog meine Jacke aus. Meine Freunde grinsten, während die Neuen verunsichert wirkten. Für ein paar Sekunden machte keiner etwas und das nervte mich unglaublich. Redete ich jetzt schon chinesisch? Sam lachte leise im Hintergrund und ich konnte es mir nicht verkneifen mich zu ihm umzudrehen: „Hast du noch etwas hinzuzufügen? Nein? Super. Die Newbies freuen sich sicher, dass du als erster mit ihnen auf dem Eis bist" Aus den Augenwinkeln sah ich wie Josh die Stirn runzelte, doch ich ignorierte es. Was ich jetzt nicht haben konnte war ein Spieler, der meine Autorität vor den Newbies anzweifelte. Sam musterte mich überrumpelt, dann fand er seinen Humor wieder und salutierte grinsend: „Ay, ay Captain" Ich warf ihm einen bösen Blick zu, bevor ich begann mich umzuziehen.

Mit vor Wut zitternden Fingern schnürte ich meine Schlittschuhe. Wie konnte der Coach meine Position und Hingabe fürs Team anzweifeln, weil ich eventuell ab und zu nicht pünktlich war? Ich gab alles, blieb nach dem Training noch um mich zu verbessern, war für jeden Spieler da und das reichte ihm nicht? Stattdessen fokussierte er sich doch tatsächlich auf die Tatsache, dass ich nicht immer pünktlich war. Der letzte Spieler war aus der Kabine verschwunden als ich aufschaute. Wütend schlug ich auf die Bank, die daraufhin bedrohlich knarzte. „Beruhig dich, David", redete ich mir selbst ein. Dann stand ich auf und schnappte mir meinen Helm. „Zeit, den Newbies und dem Coach zu zeigen, dass ich besser bin als alle denken"

Auf dem Eis hatten sich Josh und die Newbies schon in eine Ecke gestellt, wo er ihnen die Grundlagen unseres Teams und der Liga erklärte. Ein paar Spieler halfen ihm, der Rest wärmte sich auf. Neben dem Eingang stand Sam und kam auf mich zu. „Hey, man, alles okay? Ich wollte dich da eben echt nicht angreifen oder so", besorgt legte er den Kopf schief. Ich nickte und klopfte ihm auf die Schulter: „Alles okay, bin nur etwas gereizt, hätte das nicht an dir auslassen sollen" Meine Finger umschlossen den Helm etwas fester, dann atmete ich tief ein und grinste unseren Goalie an. „Wie ich sehe warst du nicht der erste auf dem Eis. Muss ich dir etwa zeigen, wie das hier abläuft?" Sam hob ergeben die Hände und lachte: „Zeigs mir, Captain" Mit großen Schritten ging ich los und spürte wie alles in mir kribbelte. Ich hatte auch in den Ferien auf dem Eis trainiert, aber jetzt war wieder das richtige Training und bald würde die Eishockeysaison beginnen. Endlich machte mein Leben wieder Sinn. Und wie sehr ich das Team und den Sport über die Sommerpause vermisst hatte merkte ich, als meine Kufen das Eis berührten und ich die kalte Luft einatmete. Es war soweit. Es ging wieder um alles oder nichts. 

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