Kapitel 6, das dunkle Schloss


Kapitel 6

Das leise Gezwitscher eines Vogels holte mich aus dem Traum zurück. Ich fühlte mich wie nach 20 Jahren Schlaf. Müde streckte ich mich und suchte nach Hinweisen, wo ich war. Zuhause war ich nicht. Und dann fiel mir wieder alles ein, der Spiegel auf dem Dachboden, Farrun und die anderen, die weiße Königin und wie ich eingeschlafen war.

Seufzend erhob ich mich aus dem Bett. Eine schwarze Decke lag zu meinen Füßen. Eigentlich alles war in diesem Zimmer schwarz. Das ganze Bett war schwarz, die Wände waren schwarz, der kleine Spiegel in der Ecke war schwarz, die Kommode neben dem Bett war schwarz, ja sogar der Teppich zu meinen Füßen, war schwarz. Einzig und alleine das winzige Fenster durch das gerade mal mit Mühe und Not mein Kopf gepasst hätte, beleuchtete den Raum und verhinderte, dass nicht alles hier in dieser Dunkelheit unter ging.

Ich hatte Kopfschmerzen. Es fühlte sich an, als ob eine ganze Elefantenherde dort oben Walzer tanzen würde. Mühsam presste ich mir die Hände an die Stirn, aber auch das machte es nicht besser. Wenigstens war es erstaunlich warm. Noch immer trug ich das einfache schwarze Kleid, was komischerweise perfekt zur Innenausstattung passte.

Neugierig öffnete ich die schwere Holztür vor mir, die ebenfalls in ein totales schwarz getaucht war. Vor mir tat sich ein langer Gang auf. Der Gang wurde schwach beleuchtet durch vereinzelte kleine Fackeln. Ein roter Teppich war auf dem Boden ausgebreitet.

Mit leisen Schritten huschte ich den Gang entlang. Kein Laut war zu hören. Man hätte wahrscheinlich sogar das Fallen einer Feder in dieser Stille gehört. Der Gang erwies sich als länger als gedacht. Irgendwann endete er vor einer Wendeltreppe, welche steil hinunter führte. Zögerlich warf ich einen Blick nach hinten. Noch immer flackerten die wenigen Fackeln im Gang. Wo war ich hier? Und wo waren die anderen?

Ich hielt mich an dem steinigen Geländer der Treppe fest und lief Schritt für Schritt hinunter in die Dunkelheit, die sich vor mir auftat.

Unten angekommen, erschien ein neuer Gang vor mir. Wieder war ein langer roter Teppich ausgebreitet, aber diesmal schienen es weniger Fackeln zu sein.

Geschwind lief ich den Gang entlang, ehe die Fackeln ausgingen. Es war nicht die nahende Dunkelheit, welche mich in einen Angstzustand versetzte, sondern die vielen offenen Fragen. Zum Beispiel wie ich hier her gekommen war.

Der Gang wurde wieder ein wenig schmaler und eine neue Wendeltreppe tat sich vor mir auf. Mit schnellen Schritten huschte ich auch über die Treppe und den nächsten Gang. Dieses Spiel wiederholte sich ganze fünf Mal bis endlich am Ende des Ganges anstatt einer neue Wendeltreppe ein großes Tor in Sicht kam.

Ich kam mir vor wie in einem dieser Gruselfilme, in denen die Hauptperson alleine auf Entdeckungstour ging. Ein leises »Knack«, erklang hinter mir. Überrascht schrie ich auf und drückte mich gegen das schwere Tor.

»Verzeihung«, meinte Besart, der langsam aus der Dunkelheit geschlichen kam.

»Wieso schleichst du dich an?«, fuhr ich ihn wütend an.

»Du schleichst hier durch die Gänge, nicht ich«, gab er zurück. Kopfschüttelnd sah ich ihn an. »Wo sind wir hier?«

»Im Schloss des Dunklen.«

»Sehr lebhaft«, kam es von mir. Ich musste mir ein leises Lachen unterdrücken.

»Warts ab«, murmelte Besart nur und öffnete das schwere Tor, welches sich direkt vor uns befand.

Verwundert blieb ich stehen. Vor mir war eine riesige Halle.

Mindestens vier Dutzend lange Tische waren aufgestellt auf denen sich die herrlichsten Speisen befanden. An jedem Tisch saßen Leute und tranken, lachten oder sangen. Ein paar liefen durch die Halle oder lagen schon auf dem Boden. Es wimmelte nur so von festlich gekleideten Leuten. Am Ende des Tisches hockte Farrun, die Füße auf dem Tisch, ein Weinglas erhoben. Er nickte mir grinsend zu.

Seufzend betrat ich die Halle und wich den Blicken der Leuten so gut es ging aus. Alle schienen innezuhalten und nur auf mich zu starren. Mit schnellen Schritten lief ich zu Farrun. Besart war inzwischen wieder irgendwo in den Gängen verschwunden. Ganz hinten angelehnt an einer Ecke entdeckte ich Tarif, welcher mich missmutig musterte.

»Auch schon wach?«, raunte mir Farrun zu, das Weinglas noch immer erhoben. Ein Teil der roten Flüssigkeit schabte über das kelchartige Glas und verteilte sich neben ihm auf den schwarzen Boden.

»Nette Feier, Prinz«, sprach ich und versuchte mich hinter seinem Stuhl zu verstecken. Er lachte nur.

»Das ist noch gar nichts.«

Ich seufzte. Ein älterer Herr kam schwankend zu uns. Dieser verbeugte sich vor Farrun und zeigte dann auf mich. Farrun fing an zu lachen und schüttelte den Kopf. Der Herr schien verärgert zu sein. Wütend ballte er die Fäuste und torkelte wieder in die Mitte des Saales.

»Was wollte er?«, flüsterte ich zu dem Prinzen.

»Dich kaufen«, antwortete er lächelnd und nahm noch einen Schluck von dem Glas.

»Mich kaufen? Lieben dank auch, dass ihr so teuer wart, mich nicht zu verkaufen.«, zischte ich. Er packte mich am Arm und zog mich zu sich. »Das nächste Mal verkaufe ich dich«, sprach er so laut, dass es sicher jeder im Saal gehört hatte und ließ mich wieder los. Wütend funkelte ich ihn an.

Er rollte mit den Augen und erhob sich aus dem Stuhl. Das Weinglas noch immer in der Hand zeigte er zu einer kleinen Türe am Ende des Saales. »Wenn ihr erlaubt«, sprach er und zwinkerte mir zu. Was sollte das jetzt? Ich folgte ihm quer durch den ganzen Saal. Vor der Türe blieb er stehen und warf noch einmal einen Blick zu der tosenden Menge.

»Hast du Lust ein Spiel zu spielen, Taija?«

Fragend sah ich ihn an. »Welches Spiel?«

Wieder lachte er. »Komm«, raunte er und öffnete die Türe. Verwundert blickte ich in das Innere des Raumes.

»Wie außergewöhnlich«, antwortete ich und betrat die große Halle vor mir. Wo war ich jetzt schon wieder gelandet?

-

Der Prinz feiert ausgelassen, während die Weiße vor Wut kochte. Immerhin hat er ihre Figur gestohlen. Das Mädchen mit den roten Haaren, die aus einem Spiegel kam. Der Spiegel ist zerstört, zerbrochen in tausend Scherben. Doch das ist den beiden Streithähnen egal. Immerhin ist es nicht ihre Sache, wie das Mädchen Nachhause kommt. Wenigstens feiert der Dunkle nicht alleine, ein Teil des weißen Hofes versteckt sich unter den Gästen.


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