Kapitel 2 der eisige Palast

Ich brauchte einen Moment, bis ich wusste, wo ich mich befand. An den Wänden hingen große Eiskristalle. Auch der Boden schien aus glattem Eis zu sein, alles spiegelte sich darin. Die Luft war sonderbar kühl, obwohl ich kein einziges Mal das Gefühl hatte, zu frieren.

Um mich herum befand sich endloser, kalter, weißer Glanz. Ich selbst befand mich auf einem weichen Bett, umgeben von Kissen und hellen Vorhängen.

Ganz langsam stand ich auf und machte einen Schritt auf die Eisschicht zu. Der Boden war kein bisschen kühl, obwohl ich noch immer nichts an meinen Füßen trug. Ein Klopfen, an der Türe aus dichtem Eis, ließ mich hochschrecke.

»Herein!«, rief ich.

War das überhaupt angemessen? Immerhin war das nicht mein Zimmer.

Die Türe schwang auf und ein kleiner Junge betrat den Raum. Er hatte dunkles, schwarzes Haar und ebenso dunkle Augen, welche mich ängstlich musterten.

»Die weiße Königin, wünscht euch zu sprechen«, raunte er und verneigte sich vor mir.

»Du musst dich nicht verbeugen", sprach ich lachend und lief auf ihn zu. Ein Rascheln brachte mich für einen kurzen Moment aus dem Konzept. An meinem Körper trug ich ein längeres, schwarzes Kleid. In der Tat, es war wunderschön und dennoch befremdend. Von wo war es gekommen und wer hatte es mir angezogen?

»Folgt mir«, sprach der Junge, den Blick noch immer auf dem Boden gesenkt. Was blieb mir anderes übrig, als ihm zu folgen?

Das alles war nur ein Traum, bald würde ich aufwachen.

Mit schnellen Schritten folgte ich dem kleinen Jungen. Die Gänge glichen einem Labyrinth. Jeder von ihnen sah völlig gleich aus und immer mehr wunderte ich mich darüber, wie der Junge wusste, wo durch wir mussten. Auf einmal blieb er vor einem mit Gold verziertem Tor stehen. Den Kopf noch immer gesenkt. »Tretet ein«, wisperte er und verschwand dann wieder in einem der langen Gänge. Seufzend wandte ich mich wieder dem Tor zu. Ich fühlte mich beobachtet, aber wer sollte mich schon beobachten?

Das war nur ein Traum

Immer und immer wieder ließ ich diese Worte durch meinen Kopf gehen.

Nur ein Traum

Mein Blick glitt langsam wieder zu dem Tor. Allen Anschein musste ich es öffnen.

Ganz langsam umfassten meine Hände die Türklinke. Sie war eisigkalt. Schnell öffnete ich das Tor, ehe die Kälte meine Hände komplett erreicht hatte.

Erschrocken hielt ich die Luft an. In dem Raum welchen ich betrat, schien es um einiges kälter als vorhin zu sein. Schemenhafte Gestalten aus dunklem Eis beugten sich mir entgegen und beobachteten jeden meiner Schritte. Vor mir war ein riesiger Thron aus Eis, in welchem sich jegliche Farben spiegelten.

Auf dem Thron saß eine Frau mit langen weißen Haaren. Den schlanken Kopf hatte sie auf den rechten Arm gestützt und ihr langes blaues Kleid, floss wie eine Art Wasserfall über den Thron. In ihrem Blick lag Langeweile und sie schaffte es nicht ganz, ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken.

»Wo bin ich?«, fragte ich nach einer endlosen Ewigkeit. Meine Stimme hallte durch den Raum und irgendwo schien Eis zu splittern. Erschrocken hielt ich meine Hände vor den Mund.

Ein bitteres Lächeln stahl sich auf das helle Gesicht der Frau. »Du bist in mein Land eingedrungen.« Ihre Stimme zitterte leicht.

»Ich weiß ja nicht einmal, wo ich hier bin!« Wieder zerbrach in meiner Nähe Eis.

»Du bist im Palast der weißen Königin, meiner Wenigkeit«, sagte sie und stützte ihren Kopf ganz langsam auf den anderen Arm. Das Kleid raschelte bei ihren Bewegungen.

»Aber sag mir Kind, wie bist du hier her gekommen?«

»Mein Name ist Taija. Ich bin durch einen Spiegel gefallen. Nein, ich war auf einem alten Dachboden und als Tante...« Ich hielt inne, als sie die Hand erhob und sich langsam aufrichtete.

»Der Spiegel, du bist also ein Menschenskind.«

Misstrauisch beäugten mich die schemenhaften Gestalten. Sie hatten zwar eine menschenähnliche Gestalt und doch wirkten sie unnatürlich. Ihre Körper waren komplett blau und anstelle ihrer Augen, gab es nur tiefschwarze Löcher.

»Ein Mensch, ja und ich heiße noch immer Taija.«, flüsterte ich. Ich hatte Angst, dass wieder irgendwo Eis, wegen meiner Stimme, zerbrechen würde.

»Menschenskind wie ich sagte. Es trifft sich gut, dass du in meine Hände gekommen bist. Der Prinz wird Mühe haben, das Spiel zu gewinnen«, kicherte sie. Ihre blassen, blauen Augen starrten mir entgegen. Kälte rann meinen Rücken hinunter. Es schien sie nicht einmal einen kühle Windhauch zu interessieren, wie mein Name war.

»Welches Spiel ? Wartet, wenn Ihr die weiße Königin seid und es hier um ein Spiel geht und um einen Prinzen. In welcher Stadt bin ich hier genau?«, rief ich ihr entgegen. Krachend brachen weitere Stücke Eis herunter. Das alles kam mir bekannt vor. Ich war also wirklich in einem Traum gefangen.

»In Tarasa, der Stadt aus ewigen Eis, Menschenskind«, sagte sie und lief noch näher. Das lange, blaue Kleid spiegelte sich in dem Eis des Bodens. Kleine glitzernde Eiskristalle bildeten sich dort, wo sie durchlief.

»Das ist nur ein Märchen, das alles hier«, zischte ich und funkelte sie wütend an. Meine Angst war auf einmal wie weggeblasen. Bald würde ich aufwachen. Verwundert blieb die weiße Königin stehen.

»Ein Märchen?«

»Ja, das hat mir meine Mutter immer erzählt. Die Geschichte zwischen der weißen Königin und dem dunklen Prinzen, die ein Spiel spielten. Es ging darum, wer von ihnen der Bessere, Klügere und Stärkere wäre und das alles spielt sich in einer Stadt aus Eis ab. Ein Märchen, um die kleinen Kinder von dem dunklen Wald abzuhalten, hinter dem das ganze liegen sollte, mehr nicht.«

Nur ein Traum, nichts weiter..

»Ach, also bin ich nur eine erfundene Figur und das alles hier ist auch nicht echt? Nun gut Menschenskind, dann sag mir doch, ob du das auch spüren könntest, wenn alles nur ein Traum wäre«, zischte sie und stand mit einem Mal vor mir. Sie grub ihre dunkelblauen Nägel in meinen rechten Arm. Kälte schoss daran hoch und voller Schmerzen verzog ich mein Gesicht.

»Aua!«

»Siehst du, in einem Traum spürt man weder Kälte noch Schmerzen.«

Ein Lachen drang aus ihrer Kehle. Erschrocken fuhr ich zusammen und brachte einige Meter Abstand zwischen mir und ihr.

Auf einmal wurde sie wieder ernst und funkelte mich wütend an. »Du bist meine Spielfigur, meine, nur meine! Sobald das Spiel vorbei ist und du einen Weg findest, darfst du natür-ich wieder zurück. Doch bis dahin, bleibst du bei mir.« Ihre Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen und ihr Mund wurde von einem hämischen Lächeln durchzogen.

»Um welches Spiel handelt es sich?«, fragte ich und hoffte, sie würde sich wieder beruhigen. Es konnte nur ein Traum sein. Das alles hier gab es in der realen Welt nicht. Aber vielleicht lag ich in einer Art Koma, von dem Sturz und würde erst wieder aufwachen, wenn das Spiel vorbei war. Wahrscheinlich irgendetwas psychisches, was hier gerade in meinem Kopf ablief.

»Schach, aber mir fehlen noch ein paar Figuren. Du darfst gerne der Turm sein.«

Kühl sah sie mich an und gähnte erneut gelangweilt.

»Schach?« Jetzt war ich die, welche lachte.

»Das heißt, ihr und der Prinz spielt einfaches Schach, nichts weiter?«, fragte ich. Ich hätte meiner Fantasie ja weit mehr zugetraut als Schach. Irgendwelche Schlachten oder von mir aus Geschicklichkeit-Rennen aber Schach? Dabei konnte man sich ja nicht einmal den Nagel abbrechen.

»Alptraum-Schach meine Liebe. Du wirst es sehen. Ich zeige es dir, sobald es so weit ist. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich bin müde. Der dunkle Prinz wird uns heute beehren, also ruh auch du dich aus. Ich will ihm meine neuste Trophäe zeigen und dafür solltest du nicht aussehen, wie ein abgekauter Lappen«, sprach sie lachend und ihre Augen wanderten besitzergreifend über mich.

Was für kranke Träume hatte ich?

Nun gut, ich musste ja nur dieses Schach spielen und dann würde ich aufwachen. Es war ein Märchen, nichts weiter.

»In den Kerker mit diesem Menschenskind«, rief sie. Zwei der schemenhaften Gestalten packten mich an den Armen und zogen mich durch die eisige Tür. Erst jetzt fiel mir der große zottelige Wolf auf, der neben der Tür schlief. Er öffnete seine Augen und starrte mich an. Sein dunkel, schwarzes Fell zitterte ganz leicht, bevor er ein tiefes Knurren ausstieß. Ich wandte meinen Blick ab und wurde gleich wieder weiter gezogen.

Meine nackten Füße glitten über den Spiegel durchzogenen Bodens aus Eis und nur mit Mühe schaffte ich es, den Blick nach vorne zu richten. Die Gestalten öffneten eine weiße Tür und stießen mich die langen Treppen hinunter. Ich fiel hart gegen etwas und verlor das Gleichgewicht. Schnell sprang ich wieder auf und rannte los, zwei Stufen auf einmal nahm ich, ehe ich zitternd vor der weißen Tür Halt machte. Meine Hände glitten zu dem Tür Knauf und zogen daran. Vergeblich, abgeschlossen

Abgeschlossen und gefangen, in meinem eigenen Traum.

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