8. Der Schlächter von Bikoyo

Soundtrack! Mit etwas östlichem Piratenflair. Deswegen - Ilan Eshkeri - Shogun aus dem 47 Ronin OST (so mies der Film war, so gut war er visuell und von der Musik her) und natürlich

Hans Zimmer - Singapore aus dem PotC: At World's End OST.

https://youtu.be/TjpwQyuXlFM

und ein Bild von Sindrak in Full Attack Mode.

~

Ich hatte nur zweimal zuvor in meinem Leben edle Kleidung getragen. Das erste Mal war, als ich zum Leutnant der Luftflotte von Tarensvault erhoben worden war. Meine Uniform war sauber gewesen, das erste und letzte Mal. Noch am selben Tag spritzte das Blut eines sterbenden Katzenbluts darauf, und ich wurde unverzüglich entlassen. Das zweite Mal war bei der Ankunft Gnomdons in Triport gewesen. Meine Kameraden und ich wurden zu der Soiree eines wichtigen Hauses der Stadt eingeladen – es war mir bis heute ein Rätsel, warum wir es gewesen waren, die als offizielle Vertreter bezeichnet wurden, und nicht die tatsächlichen Stadtherren. Diesmal blieben meine Kleider sauber, bis auf die Soßenflecken, die das köstliche Essen dort hinterlassen hatte.

Das Hemd hatte ich nun ausgetauscht, doch der bunte Gehrock, mit geschlitzten Ärmeln und Epauletten, war der gleiche geblieben, ebenso wie die dazu passenden Kniehosen. Die Rohre meines Hex lugten durch den violetten Stoff, und ich bereute es, mein Fell nicht erneut golden gefärbt zu haben, wie es nach einem verirrten Zauber geschehen war. Goldene Flocken rieselten durch meine Finger, als ich durch meine saubere Mähne fuhr, die letzten Reste der mysteriösen Magie.

Ebenso fehlte mir meine Ausrüstung. Meine Hex-Klauen hatte ich angelassen, ebenso hatte ich das Schwert mit den Opalen an der Scheide bei mir behalten, in der stillen Hoffnung, dass keine Elfen auf dem Fest waren, die mich darauf ansprachen. Ich hatte schon genug Glück gehabt, dass Vailorne es mir nicht abgenommen hatte. Mein Dolch wartete zusammen mit meinen Diebeswerkzeugen, verborgen in den Stoffen meiner Kleidung. Den Rest verwahrte Rotchcaft.

Farraday hatte die Insignien seines noxischen Schwerts mit protzigen Glasedelsteinen überklebt, ein Geschenk des Kaufmanns, zu dem Rotchcaft uns geschickt hatte, und trug dazu eine der den Rüstungen der Kitsune nachempfundene Uniform, zusammen mit einem albernen Dreispitz mit einer großen Feder. Sein Haar war dunkelbraun getönt.

Der Händler, ein streichholzdünner Kitsune namens Eshari, war entgegen aller Erwartungen ganz und gar begeistert von der Idee gewesen, uns auf den Ball zu schmuggeln. Nun traten wir auf als Marvon Holway, Kaufmann aus Palm-Paria, und sein Partner und Beschaffer von ungewöhnlichen Gegenständen, sprich, gestohlenen magischen und potenziell heiligen Artefakten, Skardu Pyozane. Ich hatte unsere Tarnung zunächst für arg lächerlich gehalten. Niemals würde die Kaiserin Schmuggler und Diebe auf ihre Soiree lassen. Doch ich irrte mich. Holway und Pyozane wurden mit offenen Armen empfangen, zumindest in der Gesellschaft, in der Eshari sich zumeist herumtrieb.

Ich hatte schnell begriffen, dass die Soiree sich in Adel und Geldadel teilte. Auf der einen Seite jene blauen Blutes, mit strenger Kleidung, wenig Schmuck und erhabenem Verhalten, auf der anderen Seite jene, die ihren Reichtum offen zur Schau stellten, mit bunter Seide und Juwelen, unter denen auch unsere prachtvolle Kleidung kaum auffiel. Einige wenige, gekleidet wie die hohen Herren, blickten hinüber zu den Herrschenden, doch wagten sich kaum in ihre Nähe. Einer von ihnen versuchte es, und wurde mit sanfter Verachtung zurück zu den Kaufleuten getrieben.

An der Stirnseite lag auf mehreren Stufen der Thron der Kaiserin, ein nun leerer, schlichter Stuhl, über dem eine kugelförmige, goldene Glocke und eine schwarze Laterne hingen. Dahinter war eine Flagge mit einem rotweißen, stilisierten Kitsune-Kopf, das Wappen der Kaiserin. Von ihm aus schien eine gerade Linie bis zur Eingangstür zu führen, eine unsichtbare Grenze zwischen blauem und goldenem Blut.

Soldaten in Rüstungen, mit Katanas an den Seiten, patrouillierten durch Thronsaal, den angrenzenden Garten und standen wie Statuen Wache in den Schatten, unterstützt von jenen, die Eshari als Shinaru bezeichnet hatte. Sie waren schlanke, athletische Krieger, in leichter Kleidung, scheinbar unbewaffnet. Einige wenige trugen Gürtel mit Wurfmessern und Wurfsternen, ein einziger führte einen Speer mit sich. Jeder von ihnen hatte mehrere Schweife, die wie Schleppen aus seidigem Fell hinter ihnen her zu wehen schienen. Sie wirkten weniger bedrohlich als die Soldaten, und doch jagten sie mir deutlich mehr Respekt ein. An ihren Bewegungen, leichtfüßig und elegant, erkannte ich, dass sie nahezu perfekte Kämpfer waren.

Milde Abendluft strömte durch die offenen Türen, die auf den Balkon führte, und vermischte sich mit den Gesprächen und dem Gelächter der Kitsune. Es roch nach den süßen Fruchtweinen, die an einem Buffet ausgeschenkt wurden, zwischen erlesenen Speisen und anderen exotischen Getränken.

Ich hielt mich abseits der Mengen, hielt mich an meinem Weinglas fest und versuchte, mir Mut anzutrinken und zugleich nicht betrunken zu werden. Farraday hatte mir eingeschärft, wenig zu sprechen, und so mimte ich den schweigsamen Abenteurer, zu ungehobelt, um mich mit dem Adel der Kitsune zu unterhalten, durch einen ungewöhnlichen Zufall zu Gast bei Hofe. Es war erstaunlich, wie gut diese Rolle zu mir passte.

Ziellos streifte ich durch den Garten, der Ort, an dem die Grenzen zwischen Adel und Händlern aufgehoben schienen. Wie Paradiesvögel gekleidete Männer und Frauen sprachen mit solchen, deren steife Krägen ihnen die Luft abzuschnüren drohten. Diener brachten Erfrischungen in dem geschmackvollen Gewirr aus Teichen, Bambuswäldchen und exotischen Pflanzen. Statuen eines Pferds mit einem einzelnen Auge auf der Stirn und Krallen statt Hufen an den Hinterbeinen sowie eines Drachen mit langer Mähne bewachten die Kieswege, ein weiteres Bildnis des Pferds wachte aus dem Schutz eines Schreins über die Gäste. Im Schein von Fackeln, Papierlaternen und Kerzen wirkte es, als beobachteten die Statuen uns.

Ich sah die Kaiserin, eine schlanke Gestalt, ganz und gar in weiß. Es war fast unmöglich zu sagen, wo ihre Kleidung aufhörte und ihr Fell begann. Ihre neun Schweife wallten hinter ihr her wie die Federn eines weißen Pfaus. Sie sprach fröhlich mit den Gästen, ihr silbernes Lachen klang durch den Garten und wob sich um die Musik, die eine Gruppe Spielleute zu besten gab.

Die Anspannung perlte durch meine Adern, kalt und ekelhaft wie der Fruchtwein. Myazi hatte ich bereits gefunden. Er stand, in traditioneller jadenischer Kleidung, allein neben einer Statue der Banshee und spielte nervös mit seinem Glas. Das Schwert des Caligár hing an seiner Hüfte. Immer wieder zuckte seine Hand zum Heft, als wollte er sich vergewissern, dass es noch dort war. Ich musste an mich halten, um ihm nicht nachzuschleichen und das Schwert einfach an mich zu nehmen. Doch zuerst musste ich Arcaul befreien. Wo auch immer er war. Farraday wollte es in Erfahrung bringen.

„Pyozane."

Mein falscher Name, mit einem Hauch von Spott in der Stimme. Ich neigte den Kopf zu Farraday. „Holway."

„Ich hoffe, du hast niemandem etwas gesagt?"

„Eine Frau wollte mit mir sprechen, aber ich habe wohl zu wenig geantwortet."

„Sehr gut." Farraday nahm ein Glas mit Wein vom Tablett eines vorbeigehenden Dieners und scheuchte mich sanft hinauf auf das Podest, auf dem der Schrein stand. Seine dunkel getönten Haare ließen ihn bleich erscheinen. Von hier aus hatten wir einen hervorragenden Blick über die Menge. Der Shogun, der einige Schritte entfernt einer jungen Frau etwas über den König Schellen erklärte, übertönte seine geflüsterten Worte. „Siehst du den Tiefling und die Yuan-Ti dort drüben?"

Ich folgte seinem Blick zu einem Tiefling in der Farbe von Karneol, gekleidet in eine noxische Uniform, und einer Yuan-Ti. Goldbraune Schuppen bedeckten ihren Körper, von der Hüfte abwärts der einer Python, schimmerten an ihren Armen und ihren Wangenknochen. Sie hatte sich bei ihm untergehakt und wich nicht von seiner Seite. „Sie sind es?"

„Der Mann heißt Morrow Saundern, er ist der Botschafter. Einer der besten Diplomaten von Nox. Was in jenem Fall bedeutet, dass er nicht nur mit freundlichen Worten agiert. Sie ist die Beschwörerin, die Arcaul wahrscheinlich unter ihrer Kontrolle hält. Ich habe sie vor Jahren bei Hofe in Noxus getroffen. Sie ist es, die mir von den Praktiken der kasischen Beschwörer und den Arkanen erzählt hat. Ihr Name ist Saré Issai. Eine der besten ihres Fachs."

Das Leder meiner Handschuhs fühlte sich kalt an. „Was müssen wir tun?"

„Wir werden sie töten. Wenn sie stirbt, verliert sie die Macht über den Dämon, und so auch über deinen Bruder. In diesem Moment kann Arcaul den Dämon unter seine Kontrolle bringen."

„Kann", echote ich.

„Aye."

„Was, wenn er es nicht schafft?", fragte ich. Ich fürchtete die Antwort.

„Wenn der Dämon zu stark für ihn bleibt, wird er Arcaul töten und sich befreien", sagte Farraday nüchtern. „Falls das geschieht, werden wir das Schwert nehmen und verschwinden. Dann kannst du ihn nicht mehr retten."

Ich wagte kaum, an diese Möglichkeit zu denken. Alles, Göttinnen, Stürme, Schwerter, alles nur dafür, dass ich mit einem Messer und einem Schiff davonflog. Ohne das, weswegen ich tatsächlich auf dieses Abenteuer gezogen war. Heftig verbot ich mir diesen Gedanken. „Das wird nicht geschehen", sagte ich fest.

Farraday lächelte beinahe traurig und schwieg.

Ich begriff, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Dämon Arcaul besiegte, nicht allzu gering war. Unbehaglich versuchte ich, die Vorstellung aus meinem Kopf zu bannen. „Und Myazi?", fragte ich, um mich abzulenken.

Farraday sah zu dem Piraten, der noch immer verloren neben seiner Statue stand. Sein Glas war wieder voll. „Gehen wir und stellen ihm ein paar Fragen", schlug er vor.

„Warte. Warum verraten wir die Noxer nicht einfach bei der Kaiserin?"

„Weil sie uns nicht glauben würden. Sieh dich nur an." Er zupfte mit spitzen Fingern an meinem Gehrock. „Wir sind Ausländer. Zwielichtige Händler aus Kasien. Unser Gönner ist nicht weniger zweifelhaft. Wenn wir jetzt auf uns aufmerksam machen, haben wir keine freie Hand mehr. Wir sind auf uns allein gestellt." Ungeduldig winkte er mich hinter sich her.

Ich folgte dem Noxer. Auf sein Zeichen bog ich ab und nahm einen anderen Weg, bis wir Myazi neben der Statue eingekesselt hatten. Seine einzigen Wege von uns fort führten durch einen Teich oder ein kunstvolles Blumenbeet. Seinen hektischen Blicken zufolge schien er das Beet als besser zu erachten.

„Ich denke nicht, dass es der Kaiserin gefallen würde, wenn du durch ihre Blumen trampelst", sagte ich freundlich. Ich meinte, das Schwert des Caligár raunen zu hören.

Myazi riss die Augen auf. „Wie habt ihr es von dieser Insel geschafft?", zischte er.

„Wir baten Erraxa um einen Gefallen. Sie wartet vor der Küste auf dich", antwortete Farraday, die Hand locker auf dem Säbel. „Warum so nervös?"

Der Pirat rang nach Worten. Seine Hand öffnete und schloss sich um den Schwertgriff. Die steinerne Banshee neben ihm schien ihn auszulachen.

„Was ist das Geschenk für die Kaiserin, das du von Kasien hierher gebracht hast?", fragte Farraday.

„Ein gesuchter Verbrecher", antwortete Myazi beinahe erleichtert. Die Nervosität des zuvor so ruhigen und sanften Captains beunruhigte mich ebenfalls, obwohl ich nicht wusste, warum. Niemals konnten es nur Farraday und ich sein, die ihm solche Angst einjagten.

„Oh, die Kaiserin ist sicher dankbar, dass du ihr den Schlächter von Botreiga gebracht hast." Farradays Stimme war eisig. „Ebenso wie die Noxer, dass du ihnen bei ihrem Putsch hilfst."

Myazi sog tief Luft ein, erste bläuliche Blitze schimmerten an seinen Fingerkuppen, doch er überlegte es sich anders. Er seufzte, die Blitze versiegten. „Es gibt wohl immer jemanden, der alles hört."

„Und auch immer jemanden, der das Gehörte zu nutzen weiß. Was tust du noch hier, Myazi? Wenn du schon nicht bei deinen noxischen Freunden bist."

„Es ist eine große Ehre, dass ich hier sein darf", sagte Myazi. „Nachdem ich bei der Kaiserin in Ungnade fiel." Zorn schimmerte durch seine mühsam errungene Fassung. „Die Noxer baten mich, dieser Festlichkeit beizuwohnen. Ich konnte ihnen den Wunsch kaum abschlagen. Schließlich ist es Nox. Ihr, Farraday, solltet das wissen."

„Nicht, da du so mitansehen kannst, wie die Kaiserin stirbt, nicht wahr? Dann bekommst du also, was du willst. Deine Rache an der Kaiserin", fuhr Farraday fort. „Wie ein eingeschnappter Jüngling, dessen Auserwählte ihn nicht zu einem Bett am Flussufer begleitet."

Ein rätselhafter Ausdruck huschte über Myazis entstellte Züge. „Wer spricht denn vom Tod der Kaiserin?"

„Die Noxer, die in Botreiga zu dir kamen. Die den Schlächter von Botreiga an Bord deines Schiffes brachten. Und glaube mir, Myazi, in ihren Plänen wirst du nicht überleben."

„Ich überlebe viel. Alles. Jeden."

„Ich habe Zweifel. Wo ist der Schlächter von Botreiga jetzt?", wollte ich wissen. Meinen Bruder bei diesem Namen zu nennen kam mir entsetzlich falsch vor.

„Was wollt ihr von ihm?"

„Ihn. Und das Schwert, wenn es beliebt." Der Stein an meiner Hand glomm stärker.

„Oh nein." Myazis träges Lächeln wurde ehrlich entschuldigend wie in dem Moment, als wir das Schiff des Knochensammlers zum ersten Mal betreten hatten. „Es ist meins. Ich habe es rechtmäßig errungen."

Das konnte ich nicht abstreiten. „Erlaube mir, es zurück zu stehlen."

„Du wirst es nicht behalten können", sagte Farraday müde. „Erraxa wartet in Marres Körper, vereint mit den Kräften ihrer Schwester, vor der Küste auf dich. In dem Moment, in dem du in See stichst, wird sie dich finden."

„Sie mag mich finden. Doch ich werde sie zurück auf den Grund des Ozeans, in ihr Gefängnis schmettern." Wahnsinn flackerte in Myazis Augen auf wie seine Blitze.

„Du kannst sie nicht besiegen."

„Und ob ich das kann!", fauchte Myazi. Beinahe erschrak ich beim Klang seiner Stimme. „Rha'Ytuns Macht ist in diesem Schwert, zusammen mit Caligárs Dämonen", fuhr er leiser fort. „Es ist eine gewaltige Kraft. Ich habe es gespürt. Niemand wird sich mir entgegensetzen. Auch nicht Erraxa."

„Wo ist der Schlächter von Botreiga?", wiederholte ich.

„In den Verliesen des Palasts. Wo auch sonst?" Er musterte mich mit ausgesuchter Verachtung.

Stimmen erhoben sich, jemand rief eine Warnung in einer fremden Sprache. Etwas explodierte donnernd, und ich meinte, den Boben erbeben zu spüren.

„Vielleicht ist er nicht mehr dort", meinte Farraday nervös. Es war das erste Mal, dass ich den Noxer beinahe ängstlich sah, und es jagte mir entsetzliche Angst ein.

Ein Brüllen ließ die Weingläser erbeben. Es klang, als leide ein Mann schreckliche Schmerzen, solche Höllenqualen, die ihn zu wahren Gräueltaten antrieben. Heftig versuchte ich, das Zittern in meinen Händen zu unterdrücken. Die Shinaru und Wachen tasteten nach ihren Waffen, die Gäste sahen sich unwohl nach der Quelle des Geräuschs um.

„Der Schlächter!", durchbrach ein Schrei die angespannte Stille. „Der Schlächter von Botreiga ist ausgebrochen!"

Den Wachen blieb kaum Zeit, um sich um die Kaiserin zu formieren, als Arcaul in einem Regen aus Splittern durch das Tor brach. Nachlässig wischte er die Wachen beiseite, als wären sie nichts weiter als Stoffpuppen. Die Symbole auf seinem Fell glühten wie Lavaströme, die sich durch sein dunkles Fell fraßen. Feuer triefte von seinen Zähnen, seine Augen schienen in Flammen zu stehen. Wie ein Fluch schoss er durch den Garten, riss Statuen und Kitsune gleichermaßen mit sich und hinterließ eine Spur aus Feuer und Blut. Seine metallenen Klauen klirrten auf den Bodenfliesen.

Ich wich zurück, bis ich gegen die Statue der Banshee hinter mit stieß. Nun schien sie mich auszulachen. „Farraday?", fragte ich, meine Stimme klang höher, als ich sie in Erinnerung hatte. „Was machen wir nun?" Ein Teil in mir hoffte, er würde sagen, wir sollten schnell und so unauffällig verschwinden, doch meine Hand tastete bereits nach dem Opalschwert. Ich wollte verflucht sein, wenn ich den Palast ohne meinen Bruder verließ. Und ohne Myazis Schwert.

Panik brach unter den Gästen aus. Die Menge wich zurück, versuchte sich, in Sicherheit zu bringen, doch es gab keinen Ort, der sicher vor Arcaul war. Magische Blitze zuckten durch die Luft, goldener Schein bildete sich um die Waffen der Shinaru. Mit einem Kampfschrei stürzte sich der erste auf Arcaul, sein Speer riss eine tiefe Wunde in seine Schulter, doch die brennenden Kiefer schlossen sich noch im gleichen Moment um seinen Hals. Verkohlt und blutend wurde der Kitsune gegen eine Mauer geschleudert. Gemeinsam stürzten sich die Kriegerpriester auf meinen Bruder. Bei jedem Treffer zuckte ich zusammen, doch flüssiges Feuer schien die Wunden so schnell zu schließen, wie sie entstanden waren.

Farraday hatte seinen Säbel gezogen. „Du musst ihn aufhalten. Er wird die Kaiserin töten wollen. Ich kann ihm nichts entgegensetzen, aber wenn das, was du darüber", er tippte gegen mein Hex, „erzählt hast, wahr ist, dann solltest du ihn aufhalten können."

Ich zweifelte daran, doch legte meinen teuren Mantel ab. Er würde mir nur im Weg sein. „War wirst du tun?"

„Ich finde Issai und töte sie."

„Wird sie nicht beschützt?"

Farraday biss die Zähne zusammen. „Aye. Von Saundern. Er ist einer der besten Fechter von ganz Nox." Er straffte die Schultern.

„Ich kann sie töten. Ich kann mich an ihn anschleichen und...", begann ich, doch Flammen unterbrachen mich.

Hektisch warf ich mich zur Seite, riss mein Schwert aus der Scheide und sah mich um. Sie waren nicht aus Arcauls Richtung gekommen. Ein Summen ließ meine Gedanken verschwimmen. Mein Hemd brannte, und ich schlug das Feuer fahrig aus. Das Geräusch in meinem Kopf wurde lauter, schien mir die Kehle zuzuschnüren. Beinahe hätte ich das Schwert fallen gelassen, so schwach fühlte ich mich plötzlich.

Mein eigener Bruder rettete mich. Er sprang vor, ein unheilvoller Schein spielte um seine Krallen, und als sie den Boden berührten, schienen Lavaströme den Boden von unten aufzureißen. Brennendes Gestein spritzte in alle Richtungen. Shinaru und Gäste stürzten zu Boden, ihre Kleidung stand in Flammen. Ein weiterer Sprung, und Arcaul hatte den Zugang zum Thronsaal erreicht. Mit einem triumphierenden Knurren, das beinahe ein wenig nach meinem Bruder klang, verschwand er darin.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Myazi von einem Brocken an der Seite getroffen wurde, das Feuer fraß sich in seinen Arm, und plötzlich war mein Kopf wieder klar. Ein Verwirrzauber, erkannte ich. Farraday, der einige Meter von mir entfernt zwischen Lotusblüten lag, schüttelte sich die Reste des Zaubers aus dem Kopf.

Zorn wallte in mir auf. Dieser elende Myazi. Er würde sehen, was er davon hatte, mir das Schwert abzujagen und mich davon abhalten zu wollen, meinen Bruder zu retten, nur, damit er seine alberne Rache bekam.

Bevor Myazi mich wieder entdecken konnte, duckte ich mich hinter die Überreste einer Statue und lugte dahinter hervor. Farraday rannte in die Richtung, in der wir zuletzt die Noxer gesehen hatten, und verschwand hinter einem Wäldchen aus Bambus.

Blitze spielten um Myazis Hände. Beunruhigt sah er sich um, scheinbar auf der Hut vor Arcaul, doch ich ahnte, dass er auch den jüngeren Bruder fürchtete. Allein die Vorstellung, jemand könnte Angst vor mir haben, stachelte mich an.

Leise, beinahe unsichtbar hinter Trümmern und Büschen, gedeckt durch das Chaos, schlich ich mich näher und näher an Myazi heran. Seine Blitze ließen die Luft summen.

Doch ich konnte das Gleiche. Ich aktivierte das Hex.

Es fühlte sich an, als drückte jemand Säure durch meine Adern. Ich schmeckte Metall und das prickelnde Gefühl von Unbesiegbarkeit. Das Serum schien mich zerreißen zu wollen mit seiner Macht. Die Leitungen um meinen Arm wurden heiß, so sehr, dass ich sie durch das Leder hindurch fühlen konnte. Ich spürte, wie mein Herzschlag beschleunigte, wie meine Muskeln sich anspannten, fühlte die Luft durch meine Adern strömen.

Ich schnellte auf Myazi zu. Der Magier wirbelte herum, und mir kam es vor, als bewegte er sich lächerlich langsam. Ich sah jedes seiner rauen, verkohlten Haare auf seinem Gesicht, den Beginn des Narbengewebes unter seiner Maske, die Angst in seinen dunklen Augen und die Spiegelung meiner selbst in ihnen. Grünes Licht flammte auf meiner Hand auf, als ich die Energie in den Stein an meinem Metallhandschuh leitete, ein Splitter des von geheimnisvoller, okkulter Energie vollgesogenen Steins, der das Herzstück meines Hex bildete. Blitze ließen die Luft erzittern. Myazis Wutschrei klang zugleich ohrenbetäubend laut und seltsam dumpf.

So nachlässig, wie Arcaul die Wachen beiseite geschlagen hatte, packte ich mit meiner Metallklaue Myazis von Blitzen umzüngelte Hand. Es roch stechend nach Ozon, es knisterte und summte, jedes meiner Haare schien sich aufzustellen, und die Energie drohte ihn aus meinem Griff zu schleudern. Meine Hand schoss vor und riss das Schwert des Caligár aus der Scheide.

Seine zweite Hand traf mich in dem Moment, in dem ich das Schwert unter seinen Arm rammte. Mein gesamter Körper zog sich zusammen, reißender Schmerz breitete sich in mir aus. Ich wurde heftig gegen eine Statue geschleudert. Etwas Schweres landete auf mir und trieb jegliche Luft aus meinen Lungen.

Schwärze kroch in den Rand meines Blickfeldes, und ich schnappte nach Luft. Heftig stieß ich das Gewicht von mir und kämpfte mich auf die Beine. Noch immer ließ das Serum meine Adern zittern. Dann sah ich, was mich zu Boden geworfen hatte. Vor mir lag Myazi in einer Blutlache, das Schwert des Caligár in seiner Achselhöhle. Ich hatte es wohl nicht für angebracht gehalten, es loszulassen.

Ein dunkles Knurren riss mich aus meiner Selbstzufriedenheit. Helles, goldenes Licht flammte aus den Zugängen zum Thronsaal auf, gefolgt von dem hässlichen Flackern von Arcauls Runen. Der zweite Grund, warum ich hier war, rief nach mir.

Schnell sah ich mich nach Farraday um, doch fand ihn nicht. Nun. Ich hoffte, er würde sich nicht umbringen lassen. Ohne ihn hätte ich keine Chance gegen Arcaul. Nicht, bis er Issai getötet hatte. Ich straffte die Schultern, zog das Schwert des Caligár aus Myazis Körper und griff nach der Kraft des Hex. Dann stürzte ich vor, einer Kaiserin zur Hilfe.

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