10. Arcaul und Sindrak

Soundtrack : Hans Zimmer - Tai Lung Escapes aus dem Kung Fu Panda OST. Die nächsten beiden Kapitel bestehen aus sehr viel Blut, Tod, einer Prise Sass, alten Geschichten und einer ordentlichen Fuhre Angeberei. In einer Überarbeitung werde ich sie zu einem Kapitel zusammenfassen, aber das war mir bisher zu anstrengend.

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Stählerne Riegel schlossen sich hinter uns, ein endgültig wirkendes Krachen beendete Arcauls wütenden Protest.

„Verzeiht, doch es ist nur zu Eurer Sicherheit", entschuldigte sich der Shinaru höflich und drehte die Schlüssel im Schloss um.

„Ihr traut uns nicht! Verdammt, wir haben deiner Kaiserin das Leben gerettet und..."

„Und Ihr wolltet sie töten", unterbrach der Kitsune meinen Bruder bedauernd. „Natürlich trauen wir Euch nicht. Wie mit Euch verfahren wird, werden wir morgen entscheiden." Seine leisen Schritte verloren sich in den steinernen Korridoren.

Ich lauschte dem Geräusch, lehnte mich gegen das Gitter und lächelte träge. Meine Finger strichen über das kalte Metall meiner Diebeswerkzeuge.

Wutschnaubend wandte Arcaul sich zu uns um. Selbst durch das winzige Fenster in seiner Zellentür sah ich, wie Funken aus seinem Fell stoben. „Und jetzt?"

„Selbst wenn diese Zellen die bequemsten und saubersten sind, die ich je gesehen habe, lege ich es nicht darauf an, länger als nötig hier zu verweilen." Ich grinste diabolisch und hob die Werkzeuge. „Zu praktisch, dass die Kitsune miserabel im Durchsuchen sind."

Farraday lächelte milde überrascht, doch nicht im Geringsten beeindruckt. Arcaul lachte bellend. „Kannst du immer noch so gut Schlösser knacken wie früher?"

„Noch besser. Ich bin einige Zeit mit ein paar Leuten durch die Gegend gezogen, bei denen ich nichts anderes getan habe als Töten und Schlösser öffnen und Fallen entschärfen." Ich begann, mit den Metallstiften im Schloss zu stochern.

Arcaul musterte seine Tür. „Ich könnte sie ganz einfach öffnen. Aber ich denke, es würde eine Menge Lärm machen."

Klickend gab mein Schloss nach, und ich schritt fort zu Arcauls. „Wenn wir nicht leise sind, rufen wir alle Shinaru in diesem Palast auf den Plan." Seines war wesentlich schwieriger. Mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen fühlte ich nach den Widerständen, bis sich die Stifte meinen Versuchen fügten. „Und bevor wir verschwinden, müssen wir unsere Waffen holen. Vor allem das Schwert des Caligár."

Das Schloss sprang auf, und Arcaul trat aus seiner Zelle. Er war schon immer größer als ich gewesen, doch die dämonische Kraft in seinem Körper ließ mich nun wie einen Zweig neben einem Baum erscheinen. Muskeln spielten unter seinem Fell, die dunklen Runen wellten sich, als er die Schulter kreisen ließ. Beinahe eingeschüchtert trat ich einen Schritt zur Seite. Er würde eine hervorragende Deckung abgeben, fiel mir auf.

Vor Farradays Zelle zögerte ich. Er war nicht mein Freund. Ohne weiteres hätte er mich an die Piraten verraten, wenn er sich davon etwas versprochen hatte. Und so, wie ich ihn einschätzte, hatte er seine Jagd nach dem Schwert noch nicht aufgegeben und wartete nun auf seine Gelegenheit. Er war nur ein Risiko. Doch andererseits verdankte ich ihm eine Menge, und, das musste ich neidlos anerkennen, seine Pläne waren wesentlich besser als meine. Mit ihm waren unsere Chancen, zu entkommen, noch größer. Ebenso wusste ich immer noch nicht, wie ich das Schwert benutzen konnte. Ich wollte nicht erneut enden wie auf der Banshee's Wrath.

Bevor ich mich dagegen entscheiden konnte, schloss ich seine Zelle auf. Er trat an mir vorbei und bedachte mich mit einem scheelen Blick, doch schwieg. Verlegen verstaute ich meine Werkzeuge und griff nach meinem Dolch.

Arcauls Blick flog von ihm zu mir. „Wie habt ihr euch kennengelernt?", fragte er skeptisch.

„Er hat mich angeheuert. Er wollte das Schwert des Caligár finden, und ich half ihm", erklärte Farraday.

„Das Schwert des Caligár", echote Arcaul. „Es ist es also wirklich. Wie bist du daran gekommen?"

„Ich bin zu Caligárs Insel gesegelt, habe es mir geholt, und kurz darauf wurde es mir wieder abgenommen. Bis ich es mir heute zurück gestohlen habe." Ich sah den Gang hinab. Unsere Waffen waren in die magischen Labore der Kaiserin gebracht worden, so hatte ich es aus den Gesprächen der Shinaru herausgehört. „Und ich werde es wieder stehlen."

„Und dann?"

Farraday und ich wechselten einen schnellen Blick. „Wir verschwinden aus diesem Palast, schlagen uns bis zu den Türmen im Norden der Stadt durch, wo die Dragon's Pride angelegt hat, und kapern sie", sagte ich. Meine Hände zitterten vor Aufregung. Dennoch fühlte ich mich sicher, in dem Wissen, dass mein Bruder hinter mir war. Ich legte einen Finger auf die Lippen und schlich vor, auf das flackernde Kerzenlicht am Ende des Ganges zu. Vorsichtig lugte ich um die Ecke.

Drei Wachen und ein Shinaru saßen in der Wachstube, zwei der Männer waren in ein schnelles Kartenspiel verstrickt, die anderen beiden schienen sich wegen irgendetwas zu streiten. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein weiterer Gang, an dessen Ende eine Treppe lag. Den Weg hatte ich mir gemerkt, in dem Wissen, dass ich nicht lange in meiner Zelle bleiben würde.

„Die was?", zischte Arcaul ungläubig, als ich wieder zu ihnen zurückkehrte.

„Du erinnerst dich doch sicherlich an Darron Stingray und sein verfluchtes Schiff, das die Lady Indestructible aus dem Himmel geschossen hat? Nun, ich habe Stingray getötet und jage seitdem seinem Schiff nach. Viel ist mir dazwischen gekommen, und nun ist es so nahe, dass ich es mir nur noch nehmen muss." Ich zuckte mit den Schultern. „Zuerst wollte ich dich damit aus der Festung von Noxus holen, aber als ich erfahren habe, dass du nicht mehr dort bist, sondern im Bauch eines Schiffes, in dem ich ebenfalls gefangen war, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. In der Stube sind vier Wachen, davon ein Shinaru", wechselte ich das Thema.

Arcaul warf mir einen letzten skeptischen Blick zu, dann sah er an mir vorbei und ballte die Hände zu Fäusten. Dämonisches Glühen flackerte um seine Finger, seine Runen begannen zu glühen. „Darf ich etwas ausprobieren?", fragte er rau, die Stimme voller Hunger.

Das Feuer in seinen Augen ließ mein Fell sträuben. „Aye", sagte ich zögerlich.

Mit einem heiseren Fauchen stürmte er vor, ein schwarzer Schatten, umgeben von Funken und der Aura von Glut und Dunkelheit. Wie Rauch getrieben von einem Sturm schoss er durch den Gang. Im Widerschein sah ich gerade noch, wie er wieder materielle Gestalt annahm, hörte ein leises Fauchen, einen erstickten Schrei und das Klirren eines halb gezogenen Schwerts. Dann herrschte Stille.

Ich blickte hilfesuchend zu Farraday, ohne einen Laut von mir zu geben. Der Noxer lächelte dünn.

„Sindrak?", rief mein Bruder leise. „Kommt ihr?"

Zögerlich trat ich auf das Licht zu, in Angst vor dem, was mich erwarten würde. Doch ich musste daran vorbei, wenn ich fliehen wollte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und schritt vor.

Die Wachen schienen wie von brennenden Klingen zerschlitzt, die Ränder der Wunden glühten noch immer. Einer stieß ein rasselndes Husten aus, Arcauls Hand fuhr vor und das Schwert in seiner Hand durchtrennte seine Kehle. Ruß malte dunkle Streifen auf die Wände. Inmitten der Toten stand Arcaul, zwei Katanas, offensichtlich die der Wachen, in den Händen, umwogt von Rauch und Funken. Die Symbole glühten heller, seine Augen schimmerten beinahe wahnsinnig.

„Wie hast du das gemacht?", fragte ich zugleich abgestoßen und fasziniert. Mein eigener Bruder jagte mir Angst ein. Nicht nur Respekt. Echte Angst.

Das Schimmern verließ seine Augen, und Unsicherheit machte sich in ihnen breit, ein merkwürdiger Zug in seinem furchterregenden Anblick. „Ich weiß nicht, was ich alles vermag. Meine Feinde mit Klingen aus brennenden Schatten zu töten gehört wohl dazu", meinte er beinahe entschuldigend.

„Ebenso wie dich in Rauch aufzulösen und dich schnell wie ein Geist zu bewegen", ergänzte Farraday trocken.

Mein Bruder besaß nun dämonische Fähigkeiten. Es hätte mich nicht erschrecken sollen, nicht, da ich das Hex besaß, doch unbehaglich wurde mir dennoch. „Ich bin gespannt, was du noch alles kannst", sagte ich nervös.

„Aye." Arcaul ließ sein Katana kreisen. „Warum hast du mich nicht befreit, als du mich auf dem Schiff gesehen hast?"

„Du wolltest mich umbringen!"

Er zuckte mit den Schultern. „Das wollte ich schon oft."

„Nicht nur aus Spaß."

„Oh." Er nickte verlegen auf den Gang vor uns. „Nach dir, Kleiner."

Ich lächelte giftig und schlich voran.

Vier weitere Wachstuben ließen wir hinter uns. Kein Alarm zerriss die angespannte Stille des Palasts. Ich huschte vor, hob so viele Finger, wie Männer im Raum waren, und im nächsten Moment flog Arcaul an mir vorbei und hinterließ den Geruch von Schießpulver und Kupfer. Selten drang mehr als ein überraschter Aufschrei oder das Klirren seiner Schwerter zu mir. Farraday humpelte angestrengt hinter uns her, ein verzerrtes Lächeln im Gesicht. Ich bemühte mich, ihm nicht mit allzu viel Skepsis zu begegnen, doch ich ahnte, dass Arcauls Anwesenheit ihn von Verrat abhielt. Das, und die Tatsache, dass er ohne uns nie wieder auch nur in die Nähe des Schwerts kommen würde.

Die Flure des Palasts waren dunkel und still. Wachen kreuzten unsere Wege, doch innerhalb weniger Augenblicke lagen sie in Blutlachen zu unseren Füßen, ohne dass sie einen Moment zum Schreien gehabt hätten.

Ich hob zwei Finger, und Arcaul schoss wie ein Sturm aus Schatten an mir vorbei. Seine Arme mit den Schwertern waren kaum materiell, doch die silbernen Klingen fuhren durch die Körper der beiden Wachen wie ein heißes Messer durch Butter. Seine Runen warfen ein unheimliches Licht auf die mit Wandteppichen und bemalten Holzverkleidungen bedecken Wände. Arcaul nahm Gestalt an und sah sich zu mir um. Ich warf Farraday einen zugleich beeindruckten und ängstlichen Blick zu, er erwiderte ihn, und wir beeilten uns, meinen Bruder einzuholen.

„Langweilst du dich, Kleiner?", fragte Arcaul amüsiert, seine Stimme flackerte aufgeregt. Ich hörte den Dämon in ihm.

Ich hob abwehrend die Hände. „Oh nein. Mach nur. Ich halte mich aus allen Auseinandersetzungen heraus und hoffe, dass uns nichts von hinten angreift, denn Farraday kann nicht einmal einen Hund besiegen." Der Noxer lächelte schief und stützte sich auf sein Schwert.

„Viel mehr muss man nicht können, wenn man diese Füchse besiegen muss", meinte Arcaul verächtlich.

„Wenn man das kann, was du kannst, wahrscheinlich nicht."

„Du kannst bestimmt auch mehr, als du behauptest. Du musst etwas dazu gelernt haben, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben." Er betrachtete skeptisch mein Hex. „Wer hat dir das überhaupt angetan?"

„Ein Freund von mir. Ein Artificier, wie Myazi, nur nicht so stark." Ich schnaubte. „Aber wesentlich wahnsinniger. Er hat Nadeln in mein Rückgrat gejagt, durch die das Serum in meinen Körper fließen kann. Die Energie dieses Kerns", ich wies auf den grünlich glühenden Stein an meinem Rücken, „gibt dem Serum und so auch mir seine Macht und betreibt außerdem die Blitze an meinem Handschuh." Ich winkte mit meiner nun bloßen Hand. Das Gefühl von schwerem Leder und Metall fehlte mir entsetzlich.

„Und die Schlote?" Er schnippte gegen die metallenen Rohre.

„Leiten die Hitze ab. Sonst würde es sofort explodieren. Zusammen mit mir."

Arcaul bleckte angeekelt die Zähne. Ich war froh, dass kein Feuer von ihnen tropfte. „Zeig es mir."

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich wog meinen Dolch und mein Schwert, die ich den Wachen abgenommen hatte, in den Händen und schlich vor.

Die nächsten Wachen ließen nicht lange auf sich warten. Ahnungslos plaudernd marschierten sie durch den Flur, ihre Rüstungen knarzten leise.

Mein Fell sträubte sich vor Vorfreude. Überdeutlich spürte ich echtes Adrenalin in meinen Venen, wie warmer Wind vor dem Sturm, den das Hex entfesseln würde. Ich aktivierte es.

Die Macht fuhr mir in den Körper, als wäre ich in die aufgepeitschte See gesprungen. Ich knurrte genießerisch, genoss das Gefühl der Macht für einen Moment, dann schnellte ich vor. Die Wachen bemerkten mich nicht. Dem ersten zog ich das Schwert über die Kehle, der zweite schnappte nach Luft, wahrscheinlich für einen Schrei, doch ich versenkte meinen Dolch in seinem Auge, und er sackte zusammen. Der erste röchelte. Mein zweiter Stoß brachte ihn zur Ruhe.

Arcaul materialisierte sich neben mir aus den Schatten, und beinahe hätte ich ihn angesprungen. „Sehr elegant, Kleiner", spottete er.

Mit hämmerndem Herzen deaktivierte ich das Hex und stolperte zur Seite, doch mein Bruder hielt mich auf den Beinen. „Oh, vielen Dank."

„Aber du musst zugeben, dass sich dein Serum nicht mit einem Dämon messen kann."

„Mag sein. Dafür will mein Hex mich nicht umbringen."

„Das will mein Dämon auch nicht."

„Er wollte dich in den Wahnsinn treiben und die Kontrolle über deinen Körper übernehmen, und währenddessen wollte er mich umbringen. Mein Hex wollte weder das eine noch das andere."

Arcaul zuckte überlegen mit den Schultern. „Dafür bin ich sowohl schneller als auch stärker als du."

„Ich bin genauer. Wenn ich dich nicht erkannt hätte, als du eben aus dem Nichts erschienen bist, hätte ich dir mit einem Schnitt die Kehle durchgeschnitten, und du wärst wie diese Wachen auf den Fliesen ausgeblutet. Dämonisches Blut hin oder her."

„Dich müsste ich nur treten, und du würdest mit gebrochenen Rippen, die deine Lungen aufspießen, durch diesen Flur fliegen." Schatten tanzten um seine Finger.

„Wie hast du es überhaupt geschafft, von den Noxern für ihre Arkanen ausgewählt zu werden? Ausgerechnet du." Ich musterte ihn verächtlich.

Arcaul stieß ein freudloses Lachen aus. „Das frage ich mich auch. Ich kann mich an nichts mehr erinnern, außer, dass mir alles wehtat, und ich gefesselt im Bauch von Darron Stingrays verfluchtem Schiff lag. Ich denke, ich hatte mir alle Gliedmaßen und diverse Rippen gebrochen. Vielleicht auch ein paar Wirbel, wer weiß. Immer wieder habe ich das Bewusstsein verloren. Ich habe mich immer gefragt, warum sie mich nicht einfach umgebracht haben, aber vielleicht brauchten sie einfach einen Entbehrlichen, den sie benutzen und dann töten konnten."

„Wahrscheinlich hat es etwas mit ihren ewigen Intrigen zu tun", überlegte ich.

„Wie Nox nun einmal ist."

„Wo haben sie dich hingebracht?"

„Zuerst haben sie mich nach Noxus gebracht."

„Dann hat der Priester also nicht gelogen."

„Der Priester?"

„Ich habe einen Priester des Gottes der Verlorenen Dinge gefragt, wo ich dich finden kann. Er sagte, du seist in Noxus."

„Die Priester der Gnome reden eine Menge Unfug. Es ist überraschend, dass du überhaupt einen definitiven Ort erfahren hast." Arcaul wirkte milde beeindruckt. „Von Noxus aus haben sie mich nach Kasien gebracht. An die Fahrt kann ich mich nicht erinnern, sie haben mir Flüssigkeiten eingeflößt, die mich wie erschlagen haben. In einem Yuan-Ti-Tempel tief in den Dschungeln von Botreiga haben die Beschwörer einen Dämon in mich gebannt. Das letzte, an das ich mich erinnere, ist, dass meine Schmerzmittel nachgelassen hatten. Ich bin in einem Bannkreis gelegen und der Dämon ragte über mir auf, eine riesige Bestie aus Glut und Schatten, wie ein Drache ohne Flügel. Ich habe mich gegen meine Fesseln gewehrt, und es tat so verflucht weh, dass ich fast wieder ohnmächtig geworden bin. Dann hat sich der Dämon auf mich gestürzt." Er löste sich in Rauch auf und materialisierte sich eine Handbreit vor mir, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen.

Ich stolperte rückwärts, fing mich wieder und strich nervös meine zerrissenen Hosen glatt. „Was ist dann passiert?"

„Es hat kurz so sehr geschmerzt, dass ich geschrien habe, und danach weiß ich von nichts mehr. Nur noch einzelne Bilder. Als hätte ich viel zu viel getrunken und mich dabei geprügelt, und am nächsten Morgen wache ich in einer Pfütze zwischen leeren Flaschen auf und halte einen schlafenden Tengu im Ballkleid im Arm, und frage mich, wie zur Hölle das passieren konnte", sagte er amüsiert.

Unter meinem Fell brannte meine Haut. „Das ist so nie geschehen!"

„Oh, ich kann mich so gut erinnern. Du in dieser Gasse und neben dir die Krähe im rosa Kleid. Und ihr habt so schön getanzt in jener Nacht."

„Das kann nicht sein! Ich kann nicht mal tanzen!" Die Erinnerungen an die Nacht mit den Banditen von Tarensvault, die Ströme von Bier und Rum, und den peinliche Morgen danach hatte ich stets aus meinem Gedächtnis löschen wollen.

„Erst hast du geholfen, dieser Hure ihr Kleid für den Tengu zu stehlen. Die Schlägerei, die ihre Verehrer mit euch angefangen haben, hat wahrscheinlich allen Flaschen jener Bar das Leben gekostet." Arcaul seufzte wehmütig. „Gute alte Zeiten der Unterwelt, bevor wir uns der Flotte verpflichteten."

„Ich habe immer gedacht, alle, die sich daran erinnern können, seien tot", murmelte ich resigniert. „Und dir wollte ich sogar das Leben retten!"

„Und, bereust du es schon?"

„Mit jeder Sekunde mehr!"

„Könntet ihr eure Diskussion beiseite lassen und eure magischen Kräfte dazu nutzen, eure Waffen wiederzufinden?", unterbrach Farraday unser Geplänkel. „Rotchcaft wird die Dragon's Pride für einige Zeit aufhalten können, aber nicht für ewig."

„Natürlich." Ich bedachte meinen Bruder mit einem finsteren Blick und wandte mich wieder dem Schleichen zu.

Weitere Kitsune kreuzten unseren Weg, und sie alle fielen unter unseren Schwertern. Arcaul hatte entsetzlich viel Spaß an seinen Morden, und auch ich fand Gefallen daran, zu töten, ohne, dass mir Gefahr drohte. Mein Bruder würde mich schützen, dessen war ich mir sicher.

Ich hatte den Überblick verloren, wie viele Flure und Treppen wir hinter uns gebracht hatten, bis auf den Weg hinaus in die Stadt. Einzig unsere Waffen warteten auf uns, danach war nur noch Freiheit. Hoch in der Luft würde nicht einmal Erraxa uns etwas anhaben können.

Die letzten Wachen fielen unter Arcauls rußigen Klingen, dann lag nur noch der schwache Schein des Labors vor uns. Ich hatte gehofft, dass uns keine wahnsinnigen Wissenschaftler erwarten würden, doch die jadenischen Magieforscher kannten anscheinend keinen Schlaf. Kaum jemand, der sich mit Magie befasste, kannte Schlaf. Sowohl Myazi als auch Dandelo hatten stets übernächtigt ausgesehen.

Ich lugte um die Ecke und erblickte fünf Magier und drei Shinaru. Goldene Magie schimmerte um ihre Hände, und ich ahnte, dass sie schwerer zu besiegen sein würden als alle, die uns zuvor begegnet waren.

Arcaul erschien neben mir, gehüllt in Schatten. Dämonisches Feuer blitzte in seinen Augen. Die Schwerter in seinen Händen waren dunkelrot, das Blut verschmierte seine Arme und war bis in sein Gesicht gespritzt. Schon immer war sein Fell dunkler gewesen als mein schmutzig sandfarbenes, eher bräunlich, doch nun, mit dem Dämon in ihm, schien es beinahe anthrazitfarben. Die dunkelbraunen Flecken auf meinem Fell waren bei ihm fast schwarz, ebenso wie seine Mähne. Er wirkte wie ein finsteres Abbild seiner früheren Gestalt, ein stolzer, schlanker Karr in noxischer Uniform

Mein Bruder sah nicht so aus, zuckte es mir durch den Kopf, doch ich verscheuchte den Gedanken. Arcaul war immer noch mein Bruder, selbst wenn er von finsteren Mächten besessen war.

Still beobachteten wir, wie die Wissenschaftler und die Shinaru gemeinsam das Schwert des Caligár untersuchten, das in einer Halterung auf dem schweren Tisch aus dunklem Holz stand. Kerzen und Laternen beleuchteten den Raum, Marmor bildete die Wände und spiegelte das Licht. Es war ohne Zweifel das edelste Labor, das ich je gesehen hatte. Einer der Magier drehte meinen Handschuh in den Händen und kratzte an dem Hex-Splitter herum. Beinahe hoffte ich, er möge ihm einen Stromschlag verpassen, doch nichts geschah. Unsere restlichen Waffen lagen unbeachtet auf leeren, sauberen Arbeitsflächen.

Arcaul lächelte bedrohlich. „Auf in den Kampf", raunte er.

Ich packte meinen Dolch fester. „Nach dir, Bruder."

Er zerstob zu Rauch und schoss in den Raum. Speere aus Asche und Glut flammten um ihn auf, flogen in alle Richtungen, und die ersten Wissenschaftler sackten, erstickend an seinem eigenen Blut, mit zerschlitzten Brustkörben, zusammen. Schwarze Streifen aus Ruß verunzierten die Wände.

Doch die Shinaru waren fähiger als jene, die uns bisher begegnet waren. Flink wichen sie den Speeren aus. Goldenes Licht strahlte um ihre Hände, der erste schnellte auf Arcaul zu und rammte ihm die Faust in die Rippen. Die Runen glühten auf. Arcaul wirbelte herum, seine Kiefer schnappten einen Fingerbreit vor der Schnauze des Kitsune zu. Feuer spritzte auf. Der Shinaru hob erneut die Faust und ließ sie auf seine Stirn krachen.

Ich nutzte seine Ablenkung aus. Beflügelt von grünem Serum stürzte ich mich auf den Krieger des einäugigen Gottes und rammte ihm zugleich Schwert und Dolch in den Körper. Er taumelte und versuchte einen fahrigen Tritt in meine Magengrube, doch Arcaul riss ihn zu Boden. Katanas blitzten auf, Blut befleckte die sauberen Marmorfliesen.

Doch die anderen Shinaru warteten bereits. Der eine, mit nur einem Ohr, hatte zwei kurze Dolche mit gebogenen Parierstangen gezogen, der andere, eine Frau mit hellem Fell, hielt Wurfmesser bereit. Kaum war Arcaul für einen Moment mit ihrem Kameraden beschäftigt, warf sie vier Messer in die Luft, schlug einen schnellen Salto und schleuderte die Klingen auf meinen Bruder zu.

Mit dumpfen Geräuschen schlugen sie in seine Schulter ein, und er fuhr brüllend herum. Schwarze Energie sammelte sich um seine Hände, umzüngelte seine Schwerter, und er rammte eines mit der Spitze voran in den Boden.

Die Fliesen brachen auf wie zuvor im Thronsaal. Marmor spritzte in alle Richtungen, der Stein wellte sich und brach auf, als kämpfe sich eine unterirdische Kreatur an die Oberfläche. Der Shinaru mit den Dolchen taumelte, doch die Frau behielt das Gleichgewicht. Sie zog weitere Wurfmesser und blickte Arcaul grimmig entgegen. Die wenigen noch lebenden Magier stürzten zu Boden, und Arcaul fiel wie ein Fluch über sie her. Die Katanas blitzten auf, Feuerbälle flammten und wurden von seiner Haut wie verschlungen. Weitere Messer regneten auf ihn ein, ohne, dass er es zu bemerken schien.

Ich nutzte die Gelegenheit, um hinter dem Tisch zu verschwinden. Der letzte Magier, der einzige, der Arcauls Angriffe überstanden hatte, sammelte Magie um seine Hände und sah sich um, offensichtlich auf der Suche nach mir, doch der Tisch war breit und wuchtig, und in seinem Schatten hatte ich mehr als nur genug Platz. Er war derjenige, der zuvor mit meinem Handschuh gespielt hatte. Nun lag die Waffe unbeachtet neben dem Schwert auf der Marmorplatte.

Flink setzte ich über den Tisch hinweg, griff im Sprung nach meinem Handschuh und dem Schwert des Caligár, und rammte ihm die Waffe von hinten in den Hals. Röchelnd brach er zusammen, und ich zog mich wieder in meine Deckung zurück. Ein Wurfmesser schlug hinter mir gegen die Wand und rutschte über den Boden.

Es war ein wundervolles Gefühl, das ungewohnte Katana gegen das Entermesser einzutauschen. Die Klinge wisperte mir hinterhältig ins Ohr, und beinahe hätte ich es wieder hingelegt, doch allein der Gedanke, ich müsste wieder mit dem Schwert der Kitsune kämpfen, war mir so zuwider, dass ich es behielt. Ich legte meinen Handschuh an, das speckige Leder schmiegte sich an meine Hand. Blitze züngelten, der Stein summte, sein grünliches Glühen ließ das Schwert des Caligár wirken, als hätte ich es persönlich aus den Tiefen des Meeres gezogen.

Neben mir nahm ich eine Bewegung wahr, und entdeckte den Shinaru mit den Dolchen. In dem Moment, in dem er suchend in eine andere Richtung blickte, schlüpfte ich unter dem Tisch durch und sprang ihn von hinten an.

Er war schnell genug, dass er mir den Dolch quer über den Körper ziehen konnte, trotz meines Hex. Ich spürte die Wunde kaum. Mein Schwert schoss vor und schlitzte ihm den Arm auf, er trat mir in die Magengrube, und ich stolperte hustend zurück. Erneut schnellten die Dolche vor, und der zweite schnitt mir schmerzhaft ins Bein.

Er nahm eine elegante Kampfhaltung ein, bereit für jeden meiner Angriffe, und ich beschloss, ihn zu überlisten. Ich sprang auf den Tisch zu, rollte unter ihm durch und packte mit meiner von Blitzen umzüngelten Hand sein Fußgelenk. Tausende Volt zuckten durch seinen Körper, und er taumelte hart gegen die Arbeitsflächen hinter ihm.

Sofort war ich auf den Beinen. Ich spürte das Serum des Hex in meinen Adern pulsieren, bemerkte am Rande meines Bewusstseins, wie die Nadel auf der Anzeige in den roten Bereich rutschte, doch einen Moment hatte ich noch. Triumphierend stürzte ich mich auf den Shinaru, schlug seine Dolche beiseite und hackte ihm das Schwert des Caligár den Hals durch.

Ich deaktivierte das Hex und sackte erschöpft über dem toten Kitsune zusammen. Ein wenig vermisste ich mein Schwert mit den zwei Klingen. Es hätte den Shinaru bereits bei meinem ersten Angriff getötet. Sein Eigenleben machte mir zuweilen Angst, doch es hatte mir schon oft schrecklich gute Dienste geleistet.

Ich sah mich nach meinem Bruder um. Die Shinaru ließ nun Schläge auf Arcaul niederregnen. Ihre Hände wischten seine Schwertschläge beiseite, Tritte brachten ihn für Augenblicke aus dem Konzept. Doch auch er setzte ihr zu. Die Katanas waren kaum zu sehen unter den wogenden Schwaden aus schwarzem Rauch, glühende Runen züngelten über die Klingen. Jeder Schnitt auf ihrem Körper zischte, die Ränder glommen verkohlt. Er spielte mit ihr, stellte ich schließlich fest. Er lächelte, Feuer rann über seine Lefzen und sprühte bei jedem Fauchen auf ihr Fell.

Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht und schlich um ihn herum, duckte mich hinter Möbel, aufgeworfene Fliesen und Leichenteile, bis ich hinter ihr stand. Beinahe zeitgleich hoben Arcaul und ich unsere Waffen. Das Schwert des Caligár und das Katana fraßen sich in die Kitsune, Blut spritzte auf uns. Mit einem dumpfen Geräusch kam die Leiche auf dem Boden auf.

Arcaul bog den Rücken durch und knurrte, jeder Muskel war angespannt. Ich hielt meine Waffen bereit, doch das Glühen seiner Runen ließ nach, bis sie nur noch die üblichen dunklen Male auf seinem Fell waren.

„Warum hast du sie getötet? Ich hatte Spaß!", beschwerte er sich schwer atmend.

Ich nahm seine Metallklauen von einem Tisch und hielt sie ihm hin. „Weil wir es eilig haben. Nicht, dass die Noxer Wind von dem, was mit Issai und Saundern passiert ist, bekommen und unser Schiff ohne uns absegelt."

Arcaul legte seine Handschuhe an, zog die Riemen fest und griff nach seinen Katanas. In der Ferne waren schnelle Schritte zu hören, Rufe erhoben sich. „Es scheint, als würde ich noch eine Menge Spaß haben."

„Das wirst du ohne Zweifel", schnaubte ich.

Farraday stieß sich von dem Türrahmen ab, an dem er gelehnt hatte, und blickte uns, blutverschmiert und schwer bewaffnet, entgegen. Kurz huschte sein Blick zum Schwert des Caligár. „Nun. Dann gehen wir."

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