10. Kapitel

Der Verwendungszweck des Blechs stellte sich als unser Abendessen heraus. Ich beobachtete fasziniert, wie John die Körner aus dem Säckchen mit etwas Wasser aus einem nahen Bach vermengte, zu flachen Klumpen formte und sie sorgfältig auf dem Blech anordnete, ehe er es mithilfe eines Gestells aus Ästen über das Feuer legte. Ob er mein Angebot, ihm zu helfen, als das Friedensangebot wahrnahm, das es sein sollte, wusste ich nicht. Zumindest lehnte er es nicht ab. Die entstandenen Haferkuchen, Will nannte sie Bannocks, schmeckten besser als erwartet — was nicht mit gut gleichzusetzen war — und waren überraschend sättigend.

Merkwürdig war nur, dass John die ersten vier beiseitelegte und es niemand wagte, sie anzufassen. Ich rang eine Weile mit mir, ob ich mich nach dem Grund erkundigen oder es einfach hinnehmen sollte. An diesem ersten Abend brachte ich es nicht über mich, doch nachdem das Ganze auch an den beiden folgenden beibehalten wurde, war ich zunehmend verwirrter. Es hätte Sinn ergeben, wenn wir die Kuchen aufgehoben und später gegessen hätten, doch abgesehen von mir schien niemand auf diesen Gedanken zu kommen.

Nicht nur diese Tradition war beibehalten worden; ganz selbstverständlich hatte Will mir zwei der Seile in die Hand gedrückt, um ihm beim Fesseln der Pferde zu helfen. Ich zweifelte nicht daran, dass er allein nur unwesentlich langsamer als mit mir gewesen wäre, und dennoch bedeutete mir dieses Zugeständnis viel. Mich an der Arbeit beteiligen zu können statt wie eine Fremde – die ich trotz Allem war – stumm abzuwarten, beruhigte mich in gewisser Weise. Es machte mir Hoffnung, mich besser als erwartet an das neue Leben anpassen zu können. Wir hatten noch nicht wieder über Faodail gesprochen und ich war nach wie vor unsicher, was Will von mir erwartete, sobald wir dort ankamen. Laut meiner Mutter musste eine Frau in meinem Stand vor allem Kinder gebären, hübsch aussehen und etwaige Gäste mit belanglosen Themen unterhalten können. Im Zweifelsfall sollte sie ein Auge auf die Dienerschaft haben und sich gelegentlich mit der Haushaltskasse auseinandersetzen. Sie hatte mich in jedem Fall gut darauf vorbereitet, sah man von der Tatsache ab, dass ich mich nun weit unter diesem Stand befand. Nicht weit genug, um allein in einer baufälligen Hütte zu leben und alle anfallenden Arbeiten selbst zu erledigen, doch den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen würde ich nicht können. Oder auch doch, aber damit würde ich mir sicher keine Freunde machen. Ich konnte nur beten, dass sich jemand meiner annehmen und mir die wichtigsten Aufgaben zeigen würde.

Als eine Windböe an meinem Umhang riss, rutschte ich unbehaglich näher an das Feuer. Am vergangenen Tag war es nicht warm gewesen und ich meinte schon, mich daran gewöhnt zu haben, dennoch im Freien zu schlafen. Jetzt begann ich mich zu fragen, wie erschöpft man sein musste, um bei noch niedrigeren Temperaturen nicht die halbe Nacht wach zu liegen. Obwohl mir die Schmerzen vom langen Reiten und einer Nacht auf unebenem Waldboden in jedem Knochen saßen, fielen mir noch lange nicht die Augen zu.

Ich sah quer über die zuckenden Flammen zu John und überlegte, ob es die Kälte vertreiben würde, wenn ich mich ablenkte. Er war dabei, die vier übrigen Bannocks an den Rand des Feuerscheins zu legen, wie er es auch schon gestern getan hatte. Ob er es mir übel nehmen würde, wenn ich nachfragte? Bisher hatte er sein Misstrauen mir gegenüber zwar nicht vollständig abgelegt, sich aber immerhin dazu herabgelassen, mich nicht mehr mit Blicken zu ermorden. Ich fürchtete, mit meiner Frage wieder zum ursprünglichen Zustand zurückzukehren, doch er hob nur eine Augenbraue.

„Sie sind für den Waldgeist, für wen sonst? Einer für jeden von uns, damit er sich nicht betrogen fühlt und auf die Idee kommt, uns nachts zu töten."

„Den ... Waldgeist", wiederholte ich langsam und warf einen prüfenden Blick zu Will und Gawain. Ich war mir sicher, dass John sich über mich lustig machte, doch beide Männer sahen mich ähnlich ernst an.

„Aye, mit denen ist nicht zu spaßen", fügte Will hinzu. „Hinterlistige Biester. Zerren einen im Schlaf in die Untiefen ihres Reichs hinein und töten einen an geheimen Stellen, wo nie eine lebende Seele die Leiche finden wird. Aber wenn man sie an seiner Mahlzeit teilhaben lässt, lassen sie einen meistens in Frieden."

Ich überlegte stirnrunzelnd, ob ich ihnen glauben und damit riskieren sollte, dass sie mich im Nachhinein damit aufzogen. In England erzählte man sich auch Geschichten über Geister und unmenschliche Wesen, doch dort war mir nie jemand begegnet, der mit solchem Ernst daran zu glauben schien. Die einfachen Leute ja, Bauern und Knechte, die in jedem Unwetter eine Strafe Gottes sahen, doch mindestens Will hätte ich als vernünftig genug eingeschätzt, um solchen Erzählungen skeptischer gegenüberzustehen. Sollte es in Schottland tatsächlich mehr Geister geben? Ich würde nicht leugnen, dass in dieser Welt Dinge geschahen, die keinen natürlichen Ursprung besaßen. Doch ein Wesen, das in jedem Wald zu leben schien und Leute umbrachte, wenn es nichts von ihrem Abendessen erhielt, erschien mir weit hergeholt.

„Hat denn einer von euch schon mal einen gesehen?", fragte ich behutsam.

Gawain nickte und warf einen abschätzenden Blick in die Dunkelheit. „Aye, Ian, der Neffe des Nachbarn vom Cousin meines Schwagers ist mal einem begegnet. Er war auf dem Weg vom Loch Lomond zurück nach Hause, weil er dort bis weit nach Sonnenuntergang gefischt hatte und sich unterwegs verstecken musste, um nicht einer Gruppe Camphells in die Hände zu fallen – mit denen wollte er seine Beute nämlich nicht teilen. Er stand also im Schatten von einigen Kiefern und beobachtete, wie sie lärmend über die Straße liefen – es war Vollmond, musst du wissen -, als plötzlich einer von ihnen stehen blieb und geradewegs in seine Richtung blickte. Er hat sich halb zu Tode erschrocken und überlegte schon, ob er hoffen, dass der andere ihn zwischen den Bäumen nicht erkannte, oder doch abhauen sollte. Er wich vorsichtshalber ein gutes Stück zurück und hörte mit einem Mal jemanden hinter sich atmen. Es war ein Geräusch zwischen Rasseln und Keuchen, als würde ein alter Mann kurz davor sein, an seiner Lungenentzündung zu verrecken. Ian ist trotz der Camphells in der Nähe herumgefahren und hat vor lauter Schreck die gesamten Fische fallen gelassen. Der Geist war größer als er und bestand nur aus Schatten, die beständig ihre Form änderten und dennoch immer einem Menschen ähnelten. Er glitt so dicht an Ian vorbei, dass der den süßen Gestank von Verwesung an ihm riechen und ein leises Lachen hören konnte."

Ich holte tief Luft, als er innehielt, und schlang unwillkürlich die Arme fester um meine angewinkelten Beine. „Und dann?"

„Dann hat sich der Geist auf den Camphell gestürzt und Ian ist gerannt, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her." Die drei Männer hoben gleichzeitig die Hände und bekreuzigten sich schaudernd. Ich beließ es dabei, näher ans Feuer zu rücken.

Ob dieser Ian tatsächlich einen Geist gesehen hatte und nur von ihm verschont wurde, weil der Geist eine Abneigung gegen Camphells hatte, konnte ich nicht beurteilen. Vielleicht war er betrunken gewesen oder das Licht hatte ihm einen Streich gespielt. Solange ich nicht selbst einem dieser Geister begegnete, würde ich wohl nie mit einer solchen Intensität wie die Schotten an sie glauben, doch die Geschichte hatte gereicht, um mich dennoch zu beunruhigen. Falls es irgendwo blutrünstige Waldgeister gab, dann in diesen verwunschenen Wäldern. Besser, die Haferkuchen zu opfern, als doch umgebracht zu werden.

„Ich übernehme die erste Wache", sagte Will unvermittelt, während alle noch abwesend ins Feuer starrten. Ich konnte sehen, dass Gawain und John sich im Stillen verfluchten, nicht selbst auf diese Idee gekommen zu sein – wach einem möglichen Waldgeist gegenüberzustehen, war sicher besser, als sich mit dem Gedanken an ihn schlafen zu legen.

Dennoch wickelten sie sich ebenso wie ich in ihre Decken und ich hörte, wie Will sich hinter mir einrichtete, vermutlich einen Baum im Rücken und das gezogene Schwert in der Hand. Bisher war nichts geschehen, was die nächtlichen Wachen rechtfertigte, doch ich gab mich nicht der Illusion hin, dass es nicht dazu kommen könnte. Abgesehen von Wölfen gab es zwar keine nennenswerten Raubtiere, doch man hatte mich mehrmals darauf hingewiesen, dass andere Reisende es nicht zwingend gut mit uns meinen mussten. Ganz zu schweigen von englischen Soldaten.

Nach der Geschichte über den Geist war es umso beruhigender, Wills Gegenwart hinter mir zu spüren, aber schlafen konnte ich dennoch nicht. Es war kälter geworden und obwohl ich mich in Umhang und Decke gewickelt zu einer Kugel zusammenrollte, fror ich. Zu sehr, um wegdämmern zu können, aber auch nicht genug, um die Kälte irgendwann nicht mehr zu spüren. Das Feuer brannte zwar noch, doch die Flamme zwar zu klein, um Wärme zu spenden.

Ich schloss die Augen, in der Hoffnung, den Vorgang so beschleunigen zu können, und lauschte auf die Geräusche des Waldes. Ein ununterbrochenes Brummen und Rascheln ging von ihm aus, gelegentlich vom Schrei einer Eule oder dem Fauchen eines kleinen Raubtiers unterbrochen. Knacken kleiner Äste, wenn sich etwas durch das Unterholz schob, und in der Ferne das Rauschen eines Flusses. Keine Anzeichen für einen Geist.

Wie lange ich wach lag, realisierte ich erst, als Will aufstand. Augenblicklich war ich hellwach und verlor jeden Anschluss an den Schlaf, den ich womöglich gehabt hatte. Ich sah zu, wie er einen neuen Ast auf das Feuer legte und dann zu Gawain ging, um ihn leicht an der Schulter zu rütteln, weil er die nächste Wache übernehmen sollte. Beruhigt, dass wir doch nicht angegriffen wurden, schloss ich wieder die Augen und verfluchte im Stillen meinen Körper, weil er sich von etwas derart Unwichtigem vom Schlaf abhalten ließ. Es änderte nichts daran, dass ich todmüde war.

Als ich wieder jemanden hinter mir hörte, dachte ich mir nichts dabei. Erst, als er sich hinter mich legte und an dem festgestopften Ende meiner Decke zog, zuckte ich zusammen und riss die Augen erneut auf. Es konnte nur Will sein, doch das musste nicht unbedingt gut sein. Die Angst, er würde ausgerechnet jetzt die Hochzeitsnacht nachholen wollen, hielt mich endgültig vom Schlafen ab.

„Mit deinem Zähneklappern weckst du jeden zehn Meilen entfernten Waldgeist auf", raunte er, legte einen Arm um mich und zog mich nah genug zu ihm, um seine Brust an meinem Rücken zu spüren.

Ich stieß die angehaltene Luft aus und zwang mich, nicht wieder von ihm fortzurücken. „Man kann Geister wecken?"

„Aye", antwortete er ebenso leise, „aber mir geht's weniger um die Geister. Wenn du die ganze Nacht so gekrümmt verbringst, wirst du vor Rückenschmerzen kaum reiten können."

Damit würde ich im Zweifelsfall leben können, auch wenn die Aussicht alles andere als verlockend war. Ich bekam schon jetzt einen Vorgeschmack darauf und konnte mich dennoch nicht überwinden, meine verkrampften Muskeln zu lockern, mich auszustrecken und Will damit noch näherzukommen. In den letzten Nächten hatte er mindestens eine Armeslänge von mir entfernt geschlafen und ich hatte nicht den Eindruck gehabt, dass er daran etwas ändern wollte. Es verwirrte mich, dass er sich mit einem Mal umentschieden hatte.

Als sein Arm seine Position um meine Mitte verließ, weiter nach unten wanderte, meinen Widerstand erstaunlich leicht überwand und meine Knie zurück in eine normale Position drückte, biss ich mir auf die Lippe, um keinen Laut von mir zu geben. Stattdessen starrte ich reglos ins Feuer und wartete mit rasendem Herzen, was er als nächstes tun würde.

Entgegen meiner Erwartung schob er nur die Decken wieder zurecht und rührte sich dann nicht mehr. Es dauerte eine Weile, bis ich davon überzeugt war, dass er schlief, und mich soweit an seine unmittelbare Anwesenheit gewöhnt hatte, um die Vorteile dieser Nähe genießen zu können – mir war nicht länger kalt.

Der Gedanke, dass er sich wahrscheinlich nur deswegen zu mir gelegt hatte, erreichte mich kurz bevor mir die Augen zufielen.



Der nächste Tag brachte zum ersten Mal, seit ich schottischen Boden betreten hatte, einen wolkenlosen Himmel und angenehm wärmende Sonnenstrahlen mit sich. Als ich aufgewacht war, war Will schon längst auf den Beinen und ersparte es mir somit, peinlich berührt in seinen Armen die Augen aufzuschlagen. Was Gawain und John davon hielten, ließen sie sich nicht anmerken, doch ich meinte, gelegentlich mehr amüsierte Blicke von Gawain auf Will und unwillige von John auf mir zu bemerken. Ich begann mich zu fragen, ob er sich seiner Frau gegenüber ähnlich abweisend verhielt, verscheuchte den Gedanken jedoch schnell. Abgesehen davon, dass ich nicht wusste, ob er überhaupt verheiratet war, ging mich das nichts an.

Sgui deth, Bark", zischte ich, als er meine Unaufmerksamkeit ausnutzte und den Kopf in Richtung eines armlangen Löwenzahnblattes senkte. Ich hatte in den letzten Tagen oft genug die Gelegenheit gehabt, an ihm meine Gälischkenntnisse auszuprobieren und stellte erleichtert fest, offenbar endlich die richtige Betonung gefunden zu haben. Es war das zehnte Mal in Folge, dass ich das gesprenkelte Pferd auf diese Art von weiteren Verzögerungen abgehalten hatte. In dem Wissen, dass es dennoch nicht halb so fließend klang wie die paar Gelegenheiten, bei denen ich die anderen Gälisch sprechen hörte, achtete ich darauf, von niemandem außer Bark verstanden zu werden. Vielleicht würde sich jemand erbarmen und mich solange korrigieren, bis es wirklich richtig war, doch vorerst war ich zufrieden mit dem, was ich hatte.

Als hätte er meine Gedanken gehört, stoppte Will an einer kaum sichtbaren Kreuzung des schmalen Pfades und sagte nach einem Blick zu mir irgendetwas zu John, von dem ich bezweifelte, es jemals verstehen zu können. Johns Antwort bestand darin, mich ebenfalls kurz anzusehen und dann widerwillig zu nicken. Eine unbestimmte Geste zu Gawain hinter mir, und er entfernte sich auf dem Abzweig, der nach Osten führte.

Ich sah ihm nach und kam zu dem Schluss, dass wir bald Faodail erreichen mussten. Schon die Tatsache, dass wir um die Mittagszeit den Wald verlassen hatten und seitdem auf jenem Trampelpfad über grasbewachsene Hügel unterwegs waren, sprach dafür, doch Johns Aufbruch machte mich sicher. Irgendetwas sagte mir, dass er nicht in einer halben Stunde wieder zu uns stoßen würde. Ich hatte nicht daran gedacht, dass Wills Freunde lediglich in der Nähe, nicht aber auf Faodail leben konnten, doch nun erschien mir die Möglichkeit mehr als wahrscheinlich. Vermutlich war John auf dem Weg zu seiner eigenen Familie.

Unsicher, ob ich das wirklich tun sollte, lenkte ich Bark neben Will und überließ es den Pferden, unter sich auszumachen, wer auf dem Pfad und wer im Gras laufen sollte. Es war offensichtlich, dass ich nicht wissen sollte, über was die beiden sich verständigt hatten, und ich zweifelte daran, dass Will es mir einfach sagen würde. Doch die Neugierde siegte. Versuchen konnte ich es zumindest. „Was hast du gerade zu John gesagt?"

Will sah mich an, milde überrascht, dass ich gefragt hatte. „Ich habe ihn gebeten, allen zu erzählen, dass ich mich freiwillig dafür entschieden habe, auf das Angebot einzugehen und dich zu heiraten, um einen Teil zum Frieden zu leisten."

„Verstehe", antwortete ich trocken und bereute meine Neugierde. „Dein Ruf verträgt es nicht, allen anderen gestehen zu müssen, dass man dich zur Ehe gezwungen hat."

„So ähnlich", murmelte er, stritt es jedoch nicht ab und verteidigte sich ebenso wenig. Er warf mir nur einen unergründlichen Blick zu und wechselte das Thema. „Du solltest etwas über John wissen, Julie. Er ist nicht grundlos so schlecht auf alle Engländer zu sprechen."

Ich schluckte die Bemerkung, ob ich es deswegen weniger persönlich nehmen sollte, herunter und schwieg.

„Vor acht Jahren war er mit seinen Eltern in Kirkintilloch, der nächsten Stadt, um verschiedene Besorgungen für den kommenden Winter zu machen", erklärte Will mit unbewegter Stimme. „Seine kleine Schwester ist nur deswegen nicht mitgekommen, weil sie sich ein paar Tage davor den Knöchel verstaucht hatte. Zur selben Zeit zog eine Gruppe desertierter Engländer mordend und plündernd durch die Gegend – als John und seine Eltern zurückkamen, waren von ihrem Haus nur noch qualmende Ruinen übrig. Von seiner Schwester fehlte jede Spur. Vermutlich ist sie in den Flammen umgekommen."

Ich nagte an meiner Unterlippe und suchte aussichtslos nach einer angemessenen Bemerkung. Zum Teil konnte ich Johns Abneigung verstehen, und doch war sie nicht völlig gerechtfertigt.

„Englische Soldaten sind nicht die Einzigen, die so etwas tun", wandte ich leise ein. So leise, dass ich sicher war, Will hätte mich nicht gehört, als er mehrere Minuten nicht antwortete. Vielleicht wollte er auch nur nicht auf die stumme Anklage hinter meinen Worten eingehen – einfallende Schotten hatten an der Grenze nicht weniger Unheil angerichtet. Selbst wenn vieles von dem, was man darüber hörte, übertriebene Gerüchte waren, musste doch ein Teil davon wahr sein.

„Hast du noch nie Engländer überfallen?", fragte ich gedankenlos und bereute es im selben Augenblick.

Will warf mir einen scharfen Blick zu. „Ich würde mich nie an Kindern vergehen."

Dass er damit meiner eigentlichen Frage auswich, war Antwort genug. „Was ist mit Frauen?"

„Traust mir das zu?", entgegnete er. Die Herausforderung in seinen Augen ließ mich an meiner ursprünglichen Annahme zweifeln. Es war die eine Sache, dass er mich bisher in Frieden gelassen hatte, war ich doch noch immer seine Frau. Bei anderen, die nicht durch diesen Status geschützt waren, und die er nach einem gelungenen Überfall eh nie wieder sehen würde, konnte er sich vollkommen anders verhalten.

„Ich weiß es nicht", gab ich zu. „Aber ich hoffe, dass es nicht so ist."

„Aye, das glaube ich sofort."

Was nun die Wahrheit war, ließ er mit keiner Miene erkennen, und ich hütete mich davor, ihn noch einmal darauf anzusprechen. Die Befürchtung, dass er dann auf seinen ehelichen Rechten bestehen könnte, hielt mich davon ab. Solange die Möglichkeit bestand, gut mit ihm auszukommen, würde ich im Zweifel die Augen vor allem verschließen, das mich entweder nichts anging oder nur unnötig beunruhigen würde.

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