DIE STADT DER TAUSEND FLÜSSE

Die Kutsche rumpelte über das Kopfsteinpflaster durch schmale Gassen und Brücken, immer dem Licht durchfluteten Fluss hinterher. Links und Rechts von und erhoben sich schmale hohe Häuser im viktorianischen Stil. Und dazwischen ein tiefer Kanal aus dem das warme Licht scheint. Es strahlte so stark, dass sogar die Hauswände beleuchtet wurden. Straßenlampen benötigte diese Stadt auf jeden Fall keine.

„Was ist das, Henry? Was lässt den Fluss leuchten?" fragte ich ihn über das klappern der Hufen hinweg.

„Das sind Fische" erklärte er mir, während er die Kutsche in eine weitere Seitengasse lenkt.

Es wunderte mich das die offene Kutsche durch diese schmalen Straßen passte. Die Häuser standen hier wirklich sehr nahe doch wie durch Zauberei flogen die Pferde sprichwörtlich durch die Stadt.

Es war eine klare warme Sommernacht und die Sterne funkelten über uns. Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen und betrachtete die leuchtenden Punkte am Nachthimmel.

„Frierst du?" wollte Henry besorgt wissen. „Irgendwo müsste eine Decke sein, wenn du frierst"

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich wieder zu ihm.

„Nein. Aber warum leuchten die Fische und was machen sie hier in den Kanälen der Stadt?"

Neugierig schaute ich über den Kutschenbock ins Wasser.

Nun da ich wusste was es sind konnte ich die kleinen Fische erkennen die Flosse an Flosse durch den Kanal flitzten.

„Sie finden hier das was sie am liebsten fressen" erklärte Henry. „Fluoreszierende Algen"

„Was? Algen die in Dunkelheit leuchten? Leuchten die Fische deshalb?" Als ich nun genauer hinsah, sah ich wie sie sich am Kanalrand tummelten und an einer leuchtend Gelben Pflanze knabberten.

Doch Henry schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur ihre Leibspeise"

„Warum leuchten sie dann?" Ich wurde immer ungeduldiger. Was konnte die Fische noch zum leuchten bringen?

„Du bist sehr neugierig, weißt du das?" neckte er mich. „Am Tag speichern ihre Schuppen das Licht und so kommt es das sie bei Nacht leuchten. Damit schrecken sie ihre Feinde ab"

„Was für Feinde hat den dieser kleine Fisch? Haie?" lachte ich.

„Unteranderem" sagte er, während er die Kutsche anhielt. Er schwang sich aus der Kutsche, umrundete sie und öffnete mir die Tür. Ganz der Gentlemen der er war, bat er mir seine Hand an und half mir von der Kutsche.

„Haie haben doch nie in diesem Kanal Platz" sagte ich und schaute skeptisch in den Kanal.

Henry lachte. „Ich spreche von den kleinen Katzenhaien und nicht den großen Ungeheuern aus der Menschenwelt"

Da huschte ein dunkler Schatten durch das Wasser. Erschrocken erkannte ich, dass es sich wirklich um einen Hai handelte, in Miniatur. Wie in einem Buffett schien er sich die Fische auszusuchen.

„Das ist erstaunlich" hauchte ich, während ich verzaubert dem Treiben der Fische zu sah.

„Ja" stimmte mir Henry zu. „Du musst wissen das auch der Jäger wichtig ist. Er hält das System im Einklang. Außerdem isst er nie mehr als er braucht"

Das hatte ich auch schon bemerkt das der kleine Hai nicht wie ein Monster alle Fische verschlang, sondern aussortierte.

„Wolltest du mir das hier zeigen?" wandte ich mich wieder zu ihm und hakte mich bei ihm ein.

„Ich dachte das dir die Stadt gefallen würde" sagte er lächelnd, während wir einige Schritte entlang des Kanals gingen. „Bevor wir morgen in das Herbstreich reisen, solltest du noch etwas von der Stadt sehen" fügte er nachdenklich hinzu. „Es ist eine meiner Lieblingsstädte im Reich der vier Jahreszeiten"

„Was ist deine allerliebste Stadt?" wollte ich von ihm wissen.

Henry lächelte. „Die zeige ich dir ein anderes Mal"

„Sagst du mir wenigstens was es für eine Stadt ist?"

Er zwinkerte schelmisch. „Dann wäre es doch keine Überraschung mehr"

Ich schmollte spielerisch. „Sag wenigstens in welchem Reich sie ist"

„Im Winterreich" gab er nach.

Für einige Minuten gingen wir schweigend nebeneinander dem Kanal entlang. Als wir in der Mitte einer der Brücken ankamen blieben wir stehen und schaute auf das Wasser hinunter.

„Freust du dich nachhause zu kommen?" fragte ich schließlich, um die Stille zu unterbrechen.

Unsere Arme berührten sich und so spürte ich seinen Seufzer. „Ich freue mich auf mein Land aber nicht auf das was man zuhause nennt, denn dort bin ich nicht zuhause"

Ich ließ die Worte auf mich einwirken. „Du sprichst von deinen Eltern" stellte ich fest.

Er nickte. „Nun, eigentlich meinen Vater den meine Mutter lebt nicht mehr"

„Ist er grausam?" bohrte ich nach.

Er schüttelte nachdenklich seinen Kopf. „Nein, nur sehr herrisch"

„Er setzt dich unter Druck"

Er nickte wieder. „Er will mir helfen ein guter König zu werden"

„Vielleicht solltest du ihm sagen das du seine Hilfe zu schätzen weißt aber du deinen eigenen Weg gehen willst" schlug ich vor.

Henry lachte höhnisch. „Das wird leider nicht helfen, Emilia"

„Versuch es doch wenigstens, Henry. Was schadet ein Versuch? Vielleicht geht es dir danach sogar besser?"

Er seufzte. „Weißt du, es ist nicht nur der Sommerhof, auf dem ein Fluch liegt"

Mir rutschte das Herz in die Hose. „Was willst du damit sagen? Auf dem Winterhof liegt auch ein Fluch?"

Er nickte.

„Und das bedeutet?" murmelte ich.

„Das ich wahrscheinlich nie glücklich werde" antwortete er mit stockender Stimme.


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