Dinnerabend 4

19.869 Wörter

Montag, 27.11.2023, der Tag nach Harrys Dinner

Mein rechter Arm kribbelte. Ein Lockenkopf war darüber gebeugt und puste meinen Arm vorsichtig an. Mit seiner warmen Zunge leckte er über meine Hand und eine leichte Gänsehaut breitete sich von dort aus über meinen ganzen Körper aus. Erneut pustete die Person auf die feuchte Stelle auf meiner Hand, was das Gefühl nur noch verstärkte. Er stupste mit seinem Kopf meine Hand an und automatisch legten sich diese auf seine Haare und begannen meine Finger durch die Locken zu streichen. Auf einmal stießen sie an zwei behaarte Ohren und ich hörte ein leises „Wuff". Ich schlug die Augen auf und blinzelte. Neben mir saß Cliff an meinem Bett und stupste wiederholt meine Hand an, um mich aufzufordern, mich mit ihm zu beschäftigen. Ich schüttelte kurz meinen Kopf um ihn aus der Zwischenwelt zwischen Traum und Realität zu befreien. Was war das denn bitte für eine Vorstellung gewesen? Meine Gedanken wanderten zum gestrigen Abend und unweigerlich zu Harry. Hatte ich ihn damit überfordert, dass ich ihn auf die Wange geküsst hatte? Und dann hatte ich ihm auch noch wie ein Teenie meine Telefonnummer auf den Arm geschrieben. Ging es noch peinlicher, Tomlinson? Hoffentlich fand er mich jetzt nicht lächerlich und albern. Damn, ich musste mir wirklich mal angewöhnen, erst zu denken und dann zu sprechen oder zu handeln.

Erneut machte Cliff sich bemerkbar. Gestern Abend als ich nach Hause gekommen war, hatte ich ihn gar nicht wahrgenommen. Aber offenbar hatte Daisy ihn im Laufe des Abends irgendwann zurückgebracht und jetzt schien er doch mal raus zu müssen. Ich streckte mich noch kurz und stand seufzend auf - so richtig fit war ich noch nicht. Das war gestern ein langer und emotional durchaus anstrengender Abend gewesen - nein, Tommo, du regst dich jetzt nicht wieder über Blondie und seine Rotzbremse Kirk auf - und der Alkohol hatte sein Übriges dazu getan, dass ich jetzt alles andere als wach und bereit in den Tag zu starten war. Im Bad entleerte ich schnell meine Blase, zog mir dann lediglich eine Boxershorts und ein Shirt über und ließ Cliff in den Garten, damit auch er seinen Bedürfnissen folgen konnte. Ich zündete mir auf meiner kleinen Terrasse eine Zigarette an und erschauerte kurz. Es war verdammt kalt. Ich müsste bei Gelegenheit mal Harry fragen, woher er seinen Heizpilz hatte. Der machte eine angenehme Wärme. Spontan griff ich nach meinem Handy um nach der Uhrzeit zu schauen und sah, dass ich drei neue Nachrichten hatte. Die eine war von Daisy, die mir schrieb, dass sie Cliff gerne auch am Mittwoch übernehmen würde, wenn ich Bedarf hätte. Die anderen beiden Nachrichten waren von einer unbekannten Nummer und heute Nacht gegen 1 Uhr gekommen. Neugierig öffnete ich den Chat.

Zuerst erwartete mich ein Foto: zwei Füße, die in einem Pool hingen, der offenbar warm war, so wie das Wasser dampfte, daneben wurde eine Bierflasche ins Bild gehalten

Unbekannt: Ich genieße noch ein wenig Frieden und Bier am Pool um runter zu kommen. Vielleicht leistest du mir ja mal Gesellschaft dabei? War schön, dich heute hier zu haben. Schlaf gut – H.

Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus und mein Herzschlag beschleunigte sich merklich. Schnell speicherte ich die Nummer ab. Harry nahm mir meine Aktion von gestern Abend also nicht übel, im Gegenteil: offenbar hatte er sich sogar darüber gefreut, sonst hätte er mir ja nicht so schnell geschrieben.

Ich tippte rasch eine Antwort.

Louis: Von Nudes dieser Art geweckt zu werden, hatte ich auch noch nie. Immer etwas Neues.

Louis: In dem Sinne, guten Morgen erstmal, Harry. Danke für den schönen Abend gestern. Ich war so k. o., dass ich direkt ins Bett und eingeschlafen bin. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Louis.

Ich nahm noch einen letzten Zug von meiner Zigarette, drückte diese aus und pfiff dann nach Cliff, der auch direkt angelaufen kam. Irgendwie war mir jetzt doch wirklich kalt geworden. Ich ging zurück in die Küche und kochte mir einen Tee. Während ich darauf wartete, dass mein Teewasser heiß wurde, füllte ich Cliffs Trinknapf ebenfalls auf. Mit der dampfenden Tasse ging ich zurück ins Schlafzimmer und legte mich noch einmal ins Bett, wo meine Decke noch eine Restwärme bereithielt. Ich stellte leise Musik an und beschloss noch ein wenig zu dösen.

Kurze Zeit später gesellte sich mein Hund zu mir und fungierte als Wärmflasche. Zu zweit lauschten wir der Musik und schauten dem erwachenden Tag vor dem Fenster zu. Heute schien es doch tatsächlich noch einmal ein sonniger Spätherbsttag zu werden. Außer einem Telefontermin mit meinem Manager lag auch nichts an, so dass Cliff und ich den Tag noch einmal nutzen konnten, bevor ich kurz nach dem nächsten Dinner einen regelrechten Promo-Marathon für mein Album vor mir hatte und dann Mitte Dezember noch nach New York und L.A. fliegen würde um die Promo-Termine mit einem längst überfälligen Besuch bei Freddie zu verbinden. Ich vermisste mein kleines Mini-Me und überlegte, ihn heute Abend anzurufen. Kurz wurde die Musik unterbrochen und ein Tonsignal zeigte mir eine neue Nachricht an.

Harry: Guten Morgen, Louis. Danke, Nacht war okay, viele Eindrücke, dadurch viele Träume :P

Oh, da war wohl jemand gerade aufgewacht und ganz gut drauf. Sonst hätte er mir wohl nicht die Zunge rausgestreckt, oder? Was er wohl geträumt hatte, vielleicht hatte er an das Ende des gestrigen Abends gedacht? Ich beschloss, sofort zu antworten.

Louis: Hoffentlich nur schöne?

Harry: Sehr schön, sehr... intensiv.

Ohlala, intensiv also. Irgendwie wirkte das auf mich flirty und ich erinnerte mich unseren Abschied am Klavier zurück. Gemeinsam mit ihm auf der Klavierbank zu sitzen und Tequila zu trinken hatte ich schön angefühlt. Und gerne hätte ich gemeinsam mit ihm in die Tasten gehauen. Mein Pulsschlag beschleunigte sich leicht. Alles klar, Mr. Styles, flirty kannst du haben...

Louis: Verstehe.

Harry: Jetzt hat mich allerdings die Sonne geweckt, wie kommt's dass du schon wieder fit bist?

Louis: Ich wurde von meinem besten Freund geweckt, der es nicht erwarten konnte, endlich raus zu kommen und Dampf abzulassen.

Louis: Er tut immer so, als hätte ich ihn gestern vernachlässigt, deswegen fordert er auch gerade noch eine extra Runde Streicheleinheiten ein. Dabei ist er gestern eigentlich ausgiebig auf seine Kosten gekommen. Er freut sich immer, wenn er außer Haus ist und dort Aufmerksamkeit bekommt.

Louis: Also bin ich zwar theoretisch wach, liege aber immer noch im Bett und verwöhne meinen besten Freund.

Ich lehnte mich zurück an mein Kissen und ließ Harry Zeit, meine Nachrichten sacken zu lassen. Ich fühlte quasi, wie er beim Lesen der Nachrichten in seinem Bett unruhig hin und her rutschte. Dann setzte ich nach.

Louis: Falls es nicht klar ist, ich rede von meinem Hot Dog ;)

Ich konnte mir schon gut vorstellen, wie sein hübsches Köpfchen errötete und er verlegen überlegte, wie er mir antworten sollte. Schnell machte ich ein Selfie von Cliff und mir, wie wir aneinander gekuschelt im Bett lagen und ich seinen Kopf kraulte und sendete dieses an Harry. Die Nachricht wurde schnell gesendet, aber es dauerte, bis die beiden Häkchen sich blau färbten. Erwischt, mein Freund, erwischt! Als die Nachricht gelesen war, kam ich nicht umhin, eine weitere an Harry zu schicken.

Louis: Ich weiß, was du gedacht hast, Styles. Stell die schweinischen Gedanken ab. :P

Wahrscheinlich hatte er jetzt nicht nur rote Ohren. Es dauerte einen Moment, bis er antwortete.

Harry: Hübscher Hund ;)

Harry: Und ich habe nicht versaut gedacht.

Ganz genau Harry. Hast du nicht. Also bitte. Ich hoffte doch sehr, dass er versaut gedacht hatte und der Gedanke daran ließ auch meine Lendengegend kribbeln. So war das zwar nicht geplant, aber ich konnte auch nicht sagen, dass ich das unangenehm fand.

Louis: Hast du wohl.

Louis: Als wenn ich Lil' Lou Hot Dog nennen würde.

Louis: Und Lil' Lou im Übrigen auch nicht.

Danach tauschten wir noch einige Nachrichten aus, bis Cliff erneut der Meinung war, ich sollte doch jetzt bitte wieder ihm meine Aufmerksamkeit widmen und nicht nur auf dem Handy tippen. Unserem Chat folgten im Laufe des Tages noch viele weitere Nachrichten und ich beobachtete mich selbst dabei, wie ich bei jeder eingehenden Nachricht hoffte, dass diese von Harry war. Vielleicht war ich doch wie ein Teenie. Ein Teenie, der zum ersten Mal Nachrichten mit seinem Schwarm austauscht. Und auch wenn das irgendwie peinlich klang, fühlte es sich in meinem Inneren warm und gut und irgendwie richtig an.

Mittwoch, 29.11.2023, der Tag von James Dinner

Die letzten beiden Tage waren hauptsächlich für Planungen und Absprachen der nächsten Wochen vergangen. Matt hatte meinen Terminplan gut vollgepackt. Zunächst standen etliche Termine wie Interviews, Fototermine, Auftritte in Radio- und Fernsehshows hier in England an, dann flog ich rüber in die USA, zuerst nach New York, wo ich unter anderem mein neues Musikvideo drehen sollte, das im Februar erscheinen würde und dann weiter nach L. A.. Erst an meinem Geburtstag würde ich zurück mit Freddie nach London fliegen, um Weihnachten mit meiner Familie zu verbringen. Neben den Terminplanungen waren die Nachrichten von Harry eine schöne Abwechslung, jeden Morgen wünschten wir uns einen schönen Tag und abends eine gute Nacht. Heute Abend würde ich ihn wieder sehen und freute mich schon darauf. Allerdings war heute das letzte Dinner und ich hoffte, dass es nicht unsere letzte Begegnung war. Oh und ich hoffte, dass James sich nicht zu viel Blödsinn ausgedacht hatte und wir trotz allem etwas Vernünftiges zu Essen bekommen würden und nicht eine weihnachtliche Version von Spill Your Guts spielen mussten. Davor und allem anderen, was James sich so ausdenken könnte, hatte ich nach den Erzählungen von Harry und David ein wenig Angst. Deswegen hatte ich Matt auch immer noch nicht darauf angesetzt, einen Termin für die Late-Late-Show mit James auszumachen.

Das Interview fand heute in einem anderen Café statt, das gar nicht so weit von meinem Haus entfernt war. Deswegen beschloss ich, die Morgenrunde mit Cliff damit zu kombinieren. Cliff war ja im Großen und Ganzen umgänglich und würde sich bei dem Interview schon benehmen können. Dementsprechend wählte ich auch meine Kleidung so aus, dass sie spaziergangstauglich war: eine weite Jeans mit großen Löchern an den Knien, ein weißes Band-Shirt mit einem schwarzen Hoodie aus meiner eigenen 28-Clothings-Kollektion darüber und dazu eine schwarze Trainingsjacke und weiße Sneaker. In meine Jackentasche steckte ich noch schnell ein paar Hundekotbeutel und Leckerlis, sowie meine Zigaretten, Feuerzeug und natürlich mein Handy. Dann liefen Cliff und ich los.

Auch heute hatten wir Glück und die Herbstsonne verdrängte die typischen englischen Regenwolken, dennoch war es etwas frisch. Wir liefen los und Cliff hatte großen Spaß, die verbliebenen Pfützen der letzten Tage zu finden und ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, sich in einer besonders schlammigen zu wälzen. Das käme in dem Café wahrscheinlich doch nicht so gut an. Cliff schaute natürlich total unschuldig und ich kam nicht umhin, ein Foto von ihm zu machen und ich beschloss, das Foto an Harry zu schicken.

Louis: [style]Mr. Hot Dog möchte heute lieber ein Slum Dog sein. Das konnte ich aber doch verhindern. Offenbar braucht er heute wieder besonders viel Aufmerksamkeit, weil er gemerkt hat, dass ich heute Abend unterwegs bin. Btw. ich freue mich auf dich heute Abend ;)[/style]

Anders als sonst reagierte Harry dieses Mal nicht gewohnt schnell auf meine Nachricht, aber wahrscheinlich saß er schon im Interview. Mein Blick fiel auf die Uhrzeit auf dem Handy und ich forderte Cliff auf, weiterzulaufen, damit wir pünktlich bei meinem Interview ankommen würden. Vor dem Café trafen wir auf Antje, die gleichzeitig mit uns ankam.

„Hallo Louis, ist das dein vierbeiniger Freund? JP hatte mir schon erzählt, dass er viel Spaß mit ihm beim Dreh bei dir hatte."

„Hallo Antje, darf ich vorstellen, das ist Clifford, aber er besteht darauf Cliff genannt zu werden. Cliff, das ist Antje, die möchte heute mit uns sprechen. Sei ein bisschen lieb zu ihr. Antje, Cliff darf doch mit rein, oder? Wenn er etwas Wasser zum Trinken hat, wird er auch brav unter dem Tisch liegen bleiben. Er kennt solche Situationen."

„Klar darf er mit. Komm rein, wir suchen uns schon mal einen guten Interview-Spot. Das Kamerateam ist schon da."

Wir gingen hinein und unterhielten uns noch ein bisschen über die letzten Dinnerabende. Antje war ein bisschen traurig, dass sie abends nie dabei war, weil wir laut Aussage ihres Kollegen eine lustige Truppe seien. An einem großen Holztisch nahm ich auf der Bank Platz und sie setzte sich mir schräg gegenüber auf einen Stuhl. Als die Kellnerin fragte, was ich trinken wolle, brachte sie direkt eine Schale Wasser für Cliff mit, der sich zu meinen Füßen niederlegte. Heute wählte ich einen schwarzen Kaffee und ein Glas Wasser dazu und Antje entschied sich für eine Apfelschorle. Während die Kameraleute noch die Kameras und Scheinwerfer ausrichteten, quatschten wir über meine kommenden Pläne und Antje erzählte mir, dass sie Matt die erste Folge vor dem finalen Schnitt morgen schicken würde, damit die Folge dann auch am Sonntag ausgestrahlt werden könne. Falls wir noch irgendwelche Einwände hätten, könnte das dann berücksichtigt werden.

Plötzlich sprang Cliff auf und lief in Richtung Türe. Da gleichzeitig unsere Getränke gebracht wurden, nahm ich aber erst meinen Kaffee entgegen, bevor ich ihn zurück pfiff und aufblickte, um zu schauen, wer ins Café gekommen war. Cliff reagierte überhaupt nicht auf meinen Pfiff. Stattdessen begrüßte er schwanzwedelnd die eingetretene Person, die es sich nicht nehmen ließ, ihn kräftig durchzuknuddeln. Mein Blick wanderte von meinem Hund zu der Person und mein Herz setzte einen Schlag aus. Harry. Ich hatte nicht erwartet ihn heute Vormittag schon zu sehen. Ich stand von der Bank auf, um ihm einen Schritt entgegen zu gehen und mein Herzschlag beschleunigte sich merklich. Harry zog mich direkt in eine feste Umarmung, die ich nur zu gerne erwiderte. „Hey, schön dich jetzt schon zu sehen, Harry."

„Hey, Lou" erwiderte er und nutzte schon wieder unbewusst meinen Spitznamen. Ich drückte mein Gesicht kurz in seine Halsbeuge und atmete einmal seinen Geruch ein. Mein Herz begann noch schneller zu schlagen und ich hatte schon Angst, dass es sich überschlug. Dann wurde mir bewusst, wo wir waren und ich räusperte mich kurz und löste die Umarmung. Während ich mich zurück auf die Bank setzte und Cliff wieder zu meinen Füßen Platz nahm, begrüßte Harry Antje und zog dann seinen Mantel aus und hängte diesen über einen Stuhl. Dann setzte er sich neben mich auf die Bank. Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee und musterte ihn kurz. Heute war er wieder deutlich farbiger unterwegs als an seinem eigenen Dinnerabend, auch den abgeplatzten Nagellack von Sonntag hatte er mittlerweile entfernt. Er trug ein buntes Ringelshirt, das ihm wirklich gut stand und sein fröhliches Wesen unterstrich. Die Kette mit den bunten Perlen hätte es meinetwegen nicht gebraucht, aber auch sie passte zu Harry und brachte einen guten Kontrast zu seinen schwarzen Tattoos auf den Armen. Ich musste mich zusammenreißen, nicht zu seufzen und nahm noch einen schnellen Schluck von meinem Kaffee.

Kurz darauf wurde eine Tasse mit heißem Wasser vor Harry gestellt, der prompt den Teebeutel hineinhängte. Hatten wir heute getränketechnisch die Rollen getauscht? Während Antje auch Harry kurz nach seinen letzten Tagen fragte, nahm er quasi sofort, nach maximal 30 Sekunden den Teebeutel wieder aus seiner Tasse.

„Da kannst du auch gleich heißes Wasser trinken!", platzte es aus mir heraus.

Harry schüttelte nur den Kopf und fuhr fort, den Teebeutel auszudrücken: „Mir reicht es, wenn er ein bisschen Geschmack hat."

„Harry, das kannst du nicht machen. Was bist du denn bitte für ein Engländer? Ich glaube, wir müssen noch einmal gemeinsam richtigen Tee trinken!"

Harry grinste nur und zwinkerte mir einmal zu. Dann richtete er sich auf der Bank auf und rutschte dadurch noch ein Stückchen näher zu mir. Unsere Knie berührten sich und von dort breitete sich eine Hitze in meinem Körper aus. Wie sollte ich mich nur auf das Interview konzentrieren, wenn Harry mich berührte? Cliff hatte sich mittlerweile auf unser beider Füße gelegt, so dass ich mein Bein nicht einmal unauffällig wegziehen konnte. Ich atmete einmal durch und trank einen großen Schluck Wasser, um mich zu beruhigen.

„Sollen wir dann jetzt beginnen?", richtete Antje das Wort an uns und während ich nur nickte, strahlte Harry Antje an: „Sehr gerne."

„Harry, Louis, heute ist der letzte Dinnerabend und James hat eine Überraschung angekündigt, könnt ihr euch vorstellen, was euch erwartet?"

Harry blickte in die Kamera: „Nun ja, ich hoffe, dass die Überraschung nichts mit dem Essen zu tun hat und ich am Ende wieder Kabeljau-Sperma essen muss, darauf kann ich verzichten." Er lachte kurz auf und mein Blick fiel auf sein Gesicht. Grundsätzlich hatte ich ja nichts dagegen, zuweilen Sperma zu schlucken... Ich spürte weiterhin Harrys Knie an meinem und merkte, dass mein Blut von meinem Gehirn sich in südlichere Gefilde wanderte. Ob er wohl grundsätzlich abgeneigt war? Ahhh, ich musste meine Gedanken umlenken. Fischsperma? Nein, danke. Meine Stirn legte sich in Falten und ich brachte nur ein „äh, also auf Sperma könnte ich jetzt auch verzichten" raus. Harry trank seelenruhig weiter sein heißes Wasser, Tee konnte man das ja beim besten Willen nicht nennen, und schaute mich kurz an. Himmel, hoffentlich konnte er keine Gedanken lesen. Statt das Thema zu vertiefen, sprach er weiter: „Ich denke allerdings, dass er irgendwelche Kostüme vorbereitet hat. Vielleicht passend zum Thema Weihnachtsessen."

Ich hatte schon genug seltsame Kostüme bei YouTube gesehen, als ich nach James Show gesucht hatte und lachte auf: „Meinst du, es gibt Truthahnkostüme? Oder Knödelkostüme?" Die Vorstellung von James als Knödel und David als Truthahn ließen mich glucksen.

„Nun, auf meiner Love On Tour Tour habe ich so einiges gesehen", entgegnete Harry prompt, „Bananenkostüme, Erdbeeren, Melonen, Kirschen, Toastbrotscheiben und Spiegeleier."

Ich hatte schon gelesen, dass seine Shows oftmals aus Sicht der Fans einer Karnevalsshow oder einer CSD-Parade glichen und freute mich, dass die Fans dort einen sicheren Raum hatten, alles zu sein, was sie wollten. Ich hob meine Kaffeetasse, um einen weiteren Schluck zu nehmen, bevor dieser zu sehr abkühlte. Unbewusst streifte mein rechter Arm dabei seinen linken Oberarm. Warum musste er auch so verflucht nah an mir sitzen? Ich trank noch einen großen Schluck und stellte die Tasse dann ab. Ich grinste Harry an. „Aber keine Avocado, oder?"

Er erwiderte mein Lächeln und bestätigte. „Nein, keine Avocados. Zumindest habe ich keine gesehen."

Mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen und mehr oder weniger unbewusst platzte ich heraus. „Gut, sonst könnte ich mir nämlich nie ein Konzert von dir anschauen." Wahrscheinlich wäre es eh eine dumme Idee, eines seiner Konzerte zu besuchen, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren, mir vorzustellen, ihn von der VIP-Loge aus zu beobachten, wie er mit seinen Fans interagierte und einfach in seinem Element war. Auf den Videos, die ich von seinen Konzerten gesehen hatte - ja, ich hatte danach gesucht - wirkte er so glücklich und gelöst auf der Bühne, dass es ein Vergnügen sein musste, ihm dabei zuzusehen. Ob ich jemals die Chance bekam, ihn live performen zu sehen? Plötzlich durchbrach Antjes Stimme meinen Gedankenstrudel: „Ich unterbreche euer amüsantes Wort-Pingpong ja nur sehr ungerne, aber könnten wir uns wieder auf den heutigen Abend konzentrieren?" Sie unterstrich ihre Aussage durch ein Lächeln, aber irgendwie fühlte ich mich wieder wie der kleine Schuljunge, der getadelt wird. Harry schien es ähnlich zu gehen, denn er veränderte seine Sitzposition und schlug seine Beine übereinander, so dass unsere Beine sich kaum noch berührten. Reflexartig schaute ich ihn an, ich wollte nicht, dass die angenehme Wärme weniger wurde. Er räusperte sich: „Klar, natürlich."

Antje drehte sich zu jemandem aus ihrem Team, der ihr zwei gut verpackte Päckchen hinhielt: „Also, die Überraschung befindet sich hier in den Paketen", sie reichte sie uns jedem eines der Päckchen und ich konnte meine Neugierde kaum zügeln und begann es abzutasten und wollte gerade den Tesafilm lösen. Was konnte man schon von James erwarten? „Dürfen wir jetzt schon auspacken?" Ich drehte das Paket hin und her und hoffte, so etwas genaueres erahnen zu können. Es fühlte sich ein bisschen weich an, war aber nicht ganz leicht. Das Papier knisterte ein bisschen unter meinen Fingern.

„Nein, Louis, da muss ich dich enttäuschen. Von James kam die Antwort, dass ihr das Paket erst öffnen dürft, wenn ihr euch fertig macht."

Ein bisschen unwillig verzog ich das Gesicht und hob das Paket neben meinen Kopf um es vorsichtig zu schütteln. Vielleicht konnte ich ja durch die Geräusche erahnen, was darin war? Leider hörte man nahezu gar nichts. „Bestimmt sind da irgendwelche albernen Kostüme drin." Ich wog das Päckchen noch einmal auf meinen Händen, ob es sich am Gewicht erraten ließ? Offenbar wurde Cliff durch das Geraschel ein wenig abgelenkt und drehte sich auf meinen Füßen, wodurch ich meine Beine ein wenig nach rechts schob und dadurch zwangsläufig näher an Harry heran rutschte. Dadurch, dass Harry sein linkes Bein über sein rechtes gelegt hatte, berührten sich jetzt sein linker und mein rechter Oberschenkel fast auf der ganzen Länge. Außerdem stieß meine Schulter an seinen Arm und ich hatte fast das Gefühl, dass er sich an mich lehnte. Oder war das nur Einbildung? Diese - durchaus angenehme - Berührung lenkte meine Aufmerksamkeit ein wenig von dem Paket weg. Bevor ich jedoch noch näher zu Harry rutschen konnte, hörte ich Antje wieder sprechen: „Gut, mal genug von den mysteriösen Päckchen, was denkt ihr, gibt es heute zu essen?"

Ich legte mein Päckchen neben mich auf die Bank: „Gute Frage. Also irgendwie habe ich inzwischen Angst vor dem was er uns heute kredenzt", mein Blick wanderte zu Harry, „du auch?"

Irgendwie bestätigend zuckte er mit den Schultern, eine Bewegung, die sich direkt auf meinen Körper übertrug und mir einen Schauer über den Rücken jagte. „Leider kann man James alles zutrauen. Von Molekularküche bis Sushi könnte alles dabei sein."

Ein erneuter Schauer schüttelte mich, allerdings dieses Mal wegen des Sushis. Bekanntermaßen mochte ich nicht gerne Fisch, aber rohen Fisch zu essen war nun wirklich eine dumme Erfindung. Wozu hatte der Mensch denn bitte damals Feuer entdeckt, doch sicherlich nicht, um weiterhin Tiere roh zu essen?

„Sushi?"

„Ja, ihm ist es zuzutrauen, dass er sich vorher richtig professionellen Unterricht geholt hat und uns da wer weiß was auftischt", bestätigte Harry.

Ich lachte kurz auf und stupste ihn mit meinem rechten Ellbogen an: „Du hast dir auch Unterstützung geholt", zog ich ihn auf. Sein Ehrgeiz war eine von Harrys Schwachstellen und nur zu gerne bohrte ich dort ein wenig nach.

Prompt grummelte er und verschränkte die Arme vor seiner Brust: „Von Sarah, meiner Tourköchin, das kann man nicht vergleichen!"

Er war ziemlich niedlich, wie er schmollte und ein breites Grinsen erschien automatisch auf meinem Gesicht: „Warum hab' ich eigentlich gerade Bilder vor Augen, wie James nur mit einer Schürze bekleidet Sushi zubereitet?"

Der Schmollmund verließ Harrys Gesicht, als er losprustete. Kichernd antwortete er: „Du hast vielleicht ein Kopfkino..."

„Oh, wenn du wüsstest...", mein Blick suchte seinen und ich ließ meine Augenbrauen provozierend wackelnd. Dabei war es wahrscheinlich besser, wenn er nicht wusste, welche Bilder sich alle in meinem Kopf befanden. Harry, lediglich mit der kleinen Schürze bekleidet, die er sich bei seinem Dinner umgebunden hatte, wie er sich über seine Kochinsel beugte, um Essen anzurichten, ach doch, das war eine attraktive Vorstellung.

James hingegen wollte ich mir eigentlich gar nicht nur in Schürze vorstellen. Mir hatte sein Angebot des gemeinsamen Nacktbadens mit Harry und mir am Sonntag schon gereicht. Antje schien diese Vorstellung ebenfalls nicht ganz so gut zu gefallen: „Jungs, Jungs, Jungs, bitte nicht noch mehr Kopfkino für mich ich muss hier meinen Job machen", lachte sie.

Wir schauten sie an und kniffen zeitgleich unsere Lippen zu schmalen Linien zusammen, was uns einen musternden Blick von Antje einbrachte: „Okay, kommen wir wieder auf das Essen zurück. Harry vermutet Molekularküche und Louis Strip-Sushi", fasste sie kichernd unser vorheriges Gespräch zusammen und reichte die Papierrolle mit dem Menü an Harry. „Nun, dann lest doch mal vor, ob einer von euch Recht hat."

Harry rollte das Papier auseinander und ich rutschte noch näher an ihn heran und legte mein Kinn auf seine Schulter, um mitlesen zu können. „Und?", fragte Antje immer noch lachend. Ich warf einen Blick auf die Menükarte. „Als Aperitif gibt es Manhattan, das verrät noch nicht ganz so viel", ich drehte meinen Kopf zurück in Harrys Richtung, im Versuch, ihn erneut ein bisschen zu ärgern, „magst du Manhattan?"

Er nickte mir bestätigend zu: „Schon, ja."

„Auch wenn das kein Wein ist?" Immerhin hatte er einen eigenen Kühlschrank für Wein und seine Erfahrung im Bierflaschen-Öffnen war ja auch eher vernachlässigbar.

Er verdrehte die Augen, aber ich merkte, dass es ihn eher amüsierte: „Als wenn ich nur Wein trinken würde", prompt erschien das Foto, das er mir zu allererst geschickt hatte vor meinem geistigen Auge, „ich mag Wein, aber ich bin auch einem guten Bier oder einem Cocktail nicht abgeneigt."

Verdammt, warum hatte ich an das Bild gedacht? Harry, wie er die Bierflasche ansetzte und trank. Das war ein deutlich rustikaleres Bild, als wenn er ein Weinglas in der Hand hielt. Ich mochte beide Bilder, aber das Foto, bei dem er alleine abends am Pool noch ein Bier trank, hatte sich in mein Gehirn gebrannt. Hatte ich ihm eigentlich auf seine Einladung diesbezüglich schon zugesagt? Erneut wurde mein Gedankenkarussell von Antje beendet: „Was sagt denn die Vorspeise? Molekularküche oder Sushi?"

Mein Blick fiel erneut über Harrys Schulter auf die Karte: „Weder noch. Es gibt Erbsensuppe – knallgrün!", hm, sowas ähnliches hatten wir doch schon bei Harry. Mein Gesicht zog automatisch eine Grimasse, „oh nee, das sieht doch wieder aus wie Ko... -Erbrochenes von Freddie!"

„Schmeckt aber nicht so", versuchte Harry mich zu beruhigen und legte zur Unterstützung seine große warme Hand auf mein Knie, „versprochen". Seine Hand fühlte sich angenehm an und hatte tatsächlich irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich. Also auf Teile von mir, mein Herzschlag beschleunigte sich automatisch und ich hatte schon Angst, dass er ins Stolpern geriet. Schnell las ich auf der Karte weiter: „Aber hey, dazu gibt es Wein."

„Und der Hauptgang", grätschte Antje wieder dazwischen und versuchte unsere Aufmerksamkeit zurück zum Interview zu ziehen. Dieses Mal übernahm Harry die Aufgabe, den Hauptgang vorzulesen: „Auch kein Sushi in Sicht. Es gibt Ente mit Rotkohl und dazu Kürbis und Kartoffeln vom Blech. Das klingt lecker."

„Klingt vor allem klassisch und weit weg von Sushi", stimmte ich ihm zu.

Fragend sah Harry mich an: „Und magst du dieses Mal alles?" Offenbar hatte es ihn am Sonntag doch mehr gekränkt, dass ich nicht alles aufgegessen hatte, als ich gedacht hatte.

„Ich bin kein riesen Kürbis-Fan, aber es gibt schlimmeres."

„Zum Beispiel Avocado?", zog er mich auf. War ja klar, dass er das erneut zur Sprache bringen musste. „Fookin' Avocado", wisperte ich ihm zu und er lachte auf, was Antje dazu brachte, uns belustigt zu mustern.

„Louis hat ein kleines Problem mit Avocados. Aber er kann das gut verbergen und hat es im Griff", versuchte Harry zu erklären. Ich war mir jedoch sicher, dass man mir meine Abneigung am Gesicht ablesen konnte. Harry setzte noch einen drauf und ich krauste meine Lippen. „Er geht zu den AAH. Den Anonymen Avocado Hassern. Und ich habe diesen armen Kerl gezwungen, Avocados zu essen." Er tätschelte doch tatsächlich meinen Kopf. Ich hasste es, wenn jemand meine Haare anfasste und meine Frisur durcheinanderbrachte, denn auch wenn es nicht so aussah, die lagen schon absichtlich so wie sie lagen. Aber Harrys Hand auf meinem Kopf, die hasste ich nicht... Aber bitte, das mit den Avocados musste nun wirklich nicht sein oder war das die Retourkutsche für den Wein eben?

„Wie oft kann ein Mensch Avocado sagen? Harry: ja", kommentierte ich seine Rede.

Kopfschüttelnd, aber immer noch lächelnd unterbrach Antje unser Geplänkel: „Und die Nachspeise?" Harry schien aber immer noch im vorangegangenen Thema festzuhängen: „Die ist Avocado-frei!"

Auch wenn wir sie offenbar amüsierten, schienen wir Antje vielleicht doch ein wenig auf die Nerven zu gehen: „Irgendwie habe ich das Gefühl, das Interview heute mit einem Haufen Flöhe zu führen, die ich immer wieder auf den richtigen Weg zurückbringen muss."

Um das Avocado-Thema zu beenden las ich vor, was James als Dessert vorgesehen hat. „Als Nachspeise gibt es Bratapfel-Tiramisu", oh, das klang gut. Ich mochte Tiramisu sowieso sehr gerne und Bratäpfel gehörten zur Weihnachtszeit irgendwie dazu. Wahrscheinlich verzichtete James auf die Vanille-Soße zum Bratapfel, aber dennoch konnte ich mir das gut vorstellen und leckte mir bei der Vorstellung über die Lippen, „das klingt extrem lecker."

Antje atmete erleichtert auf: „Gut. Dann habt ihr es jetzt geschafft. Inzwischen kennt ihr ja das Prinzip, ihr werdet abgeholt und zu James gebracht", sie blickte mich an, „und Louis?".

Ich erwiderte irritiert ihren Blick, „ja?"

„Finger weg vom Paket, bis du zuhause bist", zwinkerte sie mir zu. Harry schien das lustig zu finden und kicherte leise. Schön, wenn er nicht neugierig war, aber ich wollte schon wissen, ob ich heute Abend als Bratapfel bei James auftauchen müsste. Soweit ging meine Liebe dazu dann nämlich doch nicht.

„Ich danke euch beiden für dieses äußerst interessante Interview", sie reichte jedem von uns die Hand, „schade, dass das heute schon unser letzter Termin war, ihr wart eine sehr, sehr angenehme Truppe." Damit trank sie ihre Apfelschorle leer, schnappte sich ihre Notizen und klippte das Mikro von ihrer Kleidung ab. Sie winkte uns noch einmal freundlich und auch ein bisschen wehmütig zu. Ein bisschen schade war es tatsächlich, dass unsere Zeit mir ihr jetzt vorbei war, auch wenn ich beim ersten Kennenlernen dachte, dass sie eine Plaudertasche sei.

Ich schnappte mir mein Paket und wollte schon aufstehen, aber Harry versperrte mir noch den Weg von der Bank. Er nahm seine Teetasse, trank den Rest seines Wasser-Milch-Gemischs und verzog unwillig sein Gesicht.

„Na? Doch nicht lang genug gezogen, was?", konnte ich mir nicht verkneifen.

„Nee, aber kalter Tee schmeckt immer wie krank sein, wenn man nachts wach wird und in einem Anfall von Durst den Tee austrinkt, den Mum Stunden vorher für einen gemacht hat."

Ach, das war wieder irgendwie niedlich, dass er von seiner Mutter gepflegt wurde, wenn er krank war. Da waren wir wahrscheinlich alle gleich und wurden wieder zu kleinen Jungs. Wenn Man(n) krank war, war das Beste, was einem passieren konnte, die Fürsorge der eigenen Mutter. Leider musste ich darauf verzichten, vielleicht sollte ich, wenn ich das nächste Mal krank war, Harry bitte, sich um mich zu kümmern. Er konnte bestimmt gut Hühnersuppe und Erkältungstee kochen. Apropos Tee: „Was ist mit Eistee? Magst du den dann auch nicht?" Er erhob sich von der Bank und ich konnte auch endlich aufstehen.

„Eistee ist was anderes, der zählt nicht als Tee", erwiderte er, was ich nur mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte. Dann pfiff ich nach meinem Hund, der sich schwerfällig erhob, wahrscheinlich hatte ich ihn aus seinen schönsten Träumen geweckt. Cliff schüttelte, reckte und streckte sich und ließ sich dann von mir an die Leine nehmen. Mit der Leine in der einen und dem Paket in der anderen Hand ging ich dann in Richtung Türe, während Harry und Cliff mir folgten. Abrupt blieb ich an der Türe stehen, was zur Folge hatte, dass Cliff mir von hinten gegen die Beine rumste. „Ernsthaft?"

Harry blieb neben mir stehen und schien nicht zu verstehen, was los war. Er schaute mich ebenso ratlos wie Cliff an. „Was denn?", fragte er nach.

Ich deutete nach draußen. So schön es heute Morgen gewesen war, jetzt fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel. Und verursachten einen grauen Matsch. „Da."

„Es schneit, und?", Harry sah mich immer noch fragend an.

„Cliff und ich sind zu Fuß", ich hob selbigen und deutete auf meine weißen Sneaker, „das bedeutet nasse Füße und du willst gar nicht wissen, wie Cliff danach aussieht. Und mein Haus erst." Immerhin hatte ich Cliff vorhin nur mit Mühe davon abhalten können, sich in den Schlammpfützen zu wälzen. Das würde noch schwieriger, wenn jetzt noch Schneeflocken dazu kamen. „Am besten ruf ich mir ein Uber", ich griff in meine Hosentasche, um das Handy rauszuholen, „aber die nehmen Cliff nicht immer mit."

„Ich kann euch fahren", kam es spontan von Harry und ich blickte erstaunt zu ihm. „Ernsthaft?"

„Klar, warum nicht?", war seine Antwort, „so ein großer Umweg ist das nicht."

Ich kannte meinen Hund und auch wenn es vorhin kein Schlamm war, durch Regenpfützen war er durchaus gehüpft: „Aber Cliff wird dir das Auto einsauen."

Harry ging vor Cliff in die Hocke und wuschelte seinen Kopf. Cliff schaute Harry erwartungsvoll an. „Du wirst dich benehmen, nicht wahr, Cliffy?" Cliff schnaubte kurz, was Harry als Zustimmung deutete und sich wieder an mich wendete: „Na komm schon, Lou. Oder willst du bei dem Wetter zu Fuß gehen?"

„Na gut, aber wenn er was dreckig macht, zahl ich die Rechnung."

„Wenn dich das glücklich macht", brummte er zustimmend.

Harry zog seinen Mantel enger und ging durch die Türe. Cliff und ich folgten ihm zu seinem Auto, einem schwarzen SUV, den er quasi direkt um die Ecke geparkt hatte. Natürlich hatte Harry keine Hundebox, weswegen ich zunächst die Türe zur Rückbank öffnete. Und quasi sofort wieder zurückschreckte. Helles Leder. War ja klar.

„Äh, ist dein Auto neu?", das Auto sah aus, als wäre es noch nie benutzt worden, kein Staub, kein Fleck, kein irgendwas. Auf die Rückbank würde ich Cliff nicht setzen können, zumal das auch nicht ganz sicher war.

„Nein, wie kommst du drauf?", war Harrys irritierte Rückfrage.

„Naja, ich kann Cliff doch hier nicht auf deine hellen Sitze lassen, Harry." Da das Schneetreiben aber zu nahm und in Schneeregen überging, war zurücklaufen auch keine Option. Ich legte mein Päckchen auf die Rückbank und öffnete die Beifahrertüre. Dann setzte mich auf den wirklich gemütlichen Vordersitz und platzierte Cliff im Fußraum vor mir. So hatte ich wenigstens ein bisschen Kontrolle darüber, was er anstellte.

Harry schmunzelte und startete den Motor und gab meine Adresse ins Navi ein. Ich fragte mich kurz, woher er diese auswendig wusste, zu meinem Dinner war er doch gefahren worden, doch dann fuhr Harry auch schon aus der Parklücke. Das Radio spielte leise klassische Musik – wenn ich selbst am Steuer saß und das kam echt selten vor, hörte ich ja eher Oasis oder Green Day, aber jeder wie er mag. Kurze Zeit später merkte ich, wie mein Hintern und mein Rücken ganz warm wurden.

„Oi, oi, Sitzheizung", freute ich mich.

Harry lächelte mich kurz an: „Ist es warm genug für dich?"

„Das ist wunderbar. Danke." Cliff schnaubte zustimmend und legte seinen Kopf auf rechtes mein Bein. Harry schaute wieder auf die Straße und konzentrierte sich auf den Verkehr. Seine linke Hand hatte er entspannt auf der Mittelkonsole abgelegt und seine Finger schienen die Melodie mitzuspielen. Ich genoss kurz die ruhige Musik und die angenehme Wärme. Meine Hand legte ich zwischen Cliffs Ohren und kraulte sie, damit er möglichst still sitzen blieb.

„Huch", quietschte Harry plötzlich. Soviel dazu, dass Cliff ruhig bleiben sollte. Mein Vierbeiner hatte prompt begonnen, Harrys Hand abzulecken. Um Harry nicht weiter vom fahren abzulenken, zog ich Cliff wieder zwischen meine Beine und sah ihn tadelnd an. Er versuchte sich dort zusammenzurollen und es sich ein wenig gemütlicher zu machen.

„Sorry, eigentlich weiß er, dass er nicht jeden abschlecken soll", versuchte ich Cliffs Verhalten zu entschuldigen.

„Ich hoffe, ich bin nicht jeder", entgegnete Harry mit samtener Stimme, die sofort in meine Ohren kroch und mir trotz der Sitzheizung einen leichten Schauer bescherte.

„Äh, nein. Bist du ganz sicher nicht...", stammelte ich, „er kennt dich ja schon, aber er darf trotzdem nicht immer und überall die Leute abschlecken."

„Das ist okay für mich, Lou." Harry lächelte mich kurz an und blickte dann wieder auf die Straße. „Ich war nur im ersten Moment überrascht, weil ich gerade nicht damit gerechnet hatte. Hast du dir schon überlegt, was du heute Abend anziehen willst?", lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung.

„Öh, nö. Wenn da eh ein dummes Kostüm in dem Päckchen ist, muss ich mir das ja auch gar nicht überlegen. Aber egal was da drin ist, ich werde weder eine Strumpfhose noch Flügelchen anziehen, damit das mal klar ist."

Ich drehte mich kurz um, um einen Blick auf mein Paket zu werfen. Ein Weihnachtsengel wollte ich wirklich nicht sein. Das passte besser zu Harry mit seinen sanften Locken. Wobei sich das Paket vorhin nicht so angefühlt hatte, als ob da Flügel drin seien. Ach verdammt, ich wollte jetzt wissen, was James Überraschung war.

„Meinst du, ich kann mal kurz reinschauen?"

„Lou, nein. Du hast doch gehört, was Antje gesagt hat. Wir sind doch gleich bei dir zuhause. Dann kannst du von mir aus reinschauen, aber jetzt hör mal auf, hier auf dem Sitz rumzuhampeln."

Ich schob schmollend meine Unterlippe vor und setzte mich wieder richtig hin. Die Musik war gerade weiter zu „Last Christmas" von Wham gewechselt. Das mochte ich als Weihnachtslied nicht so wirklich, aber George Michael und seine Musik gefielen mir durchaus. Meine Gedanken wanderten kurz zu Careless Whisper seinem ersten wirklichen Hit und von da aus weiter zu den Fotos von Harrys Füßen, die von einer Zeile aus dem Lied geziert wurden. Ein weiteres Tattoo war auf seinem dicken Zeh zu sehen gewesen. Mitten aus meinen Gedanken platzte ich heraus: „Sag mal, hast du eigentlich alle wichtigen Teile beschriftet?" Ich kicherte.

Harry schaute mich mehr als irritiert an und fragte nur: „Was?"

„Naja, weil du doch ‚big' auf deinem Zeh stehen hast. Und ich habe ja noch nicht alle deine Tattoos gesehen."

Jetzt lachte auch Harry. „Das wüsstest du wohl gerne?"

„Vielleicht", zwinkerte ich ihm zu, „möglicherweise habe ich ja auch geheime Tattoos?"

Bevor Harry antworten konnte, meldete sich Cliff und schlabberte über das Armaturenbrett. „Cliff, stopp!", wies ich ihn zurecht. Das fehlte noch, dass er das helle Leder hier versaute. Cliff schien das nicht zu stören und er wollte gerade anfangen, an einer Zierleiste zu knabbern. Ich beugte mich also zu ihm runter und hielt ihn mit beiden Armen fest. „Cliff, mach hier nichts kaputt, bitte." Während mein Kopf noch bei Cliff im Fußraum steckte, ruckte es kurz und der Wagen kam zum Stehen.

„Wir sind angekommen, Lou." Ich richtete mich wieder auf und schaute aus dem Fenster. Tatsächlich standen wir vor meiner Einfahrt.

„Oh. Dann äh, danke fürs Fahren. Und wenn Cliff hier die Leiste kaputt gemacht hat, sag mir bitte Bescheid. Er hat manchmal eine komische Art, sich für Freundlichkeit zu bedanken." Ich löste meinen Anschnallgurt und öffnete die Türe. Zuerst ließ ich Cliff aussteigen, dann erhob auch ich mich. Ich nahm mein Paket von der Rückbank, schloss die hintere Türe wieder und steckte meinen Kopf noch einmal durch die Beifahrertür.

„Harry, nochmals danke, dass du uns gefahren hast. Bis später, dann. Und Harry... das mit den Tattoos ist noch nicht ausdiskutiert", ich wackelte kurz mit den Augenbrauen und schenkte ihm ein Lächeln. Dann schloss ich die Türe und ging mit Cliff auf mein Haus zu. An der Haustüre drehte ich mich noch einmal um und winkte ihm zu, bevor wir ins Haus gingen.

Kaum war ich drinnen, trat ich mir die Schuhe von den Füßen und warf meine Jacke in Richtung Garderobe, um dann auf direktem Wege ins Wohnzimmer zu gehen. Dort angekommen, riss ich das Papier von dem Päckchen und zog einen grünen Pullover heraus. Als ich den Pulli auseinanderfaltete, fiel ein Zettel auf den Boden, den ich aber erstmal liegen ließ, um den Pullover zu betrachten. Es war eine Art Weihnachtssweater, jedoch mit einem absurden Aufdruck: statt wie üblich mit Rentieren, großen Tannenbäumen, Lichterketten und Weihnachtsmännern bedruckt, zog sich ein riesiger Schriftzug über die gesamte Brust „All I want for Christmas is HIM". Was für ein hässliches Teil. Was sollte ich bitte damit? Das war doch sicherlich ein Versehen. Ich überlegte, Antje anzurufen, um ihr zu sagen, dass sie mein Paket vertauscht hatte, aber als ich mein iPhone in der Hand hatte, schrieb ich fast von selbst eine Nachricht an Harry.

Louis: Sag mal, hast du auch sowas seltsames in deinem Paket gefunden?

Ziemlich sofort erschienen zwei blaue Häkchen und ich sah, dass Harry schrieb.

Harry: War klar, dass du direkt auspacken musstest. :P

Harry: Aber definiere „seltsam" bitte.

Ich wusste nicht, wie viel ich verraten durfte. Schließlich hatte Antje uns mehrfach dazu angehalten, nicht zu früh die Pakete zu öffnen. Wahrscheinlich durfte ich also nichts sagen. Und so gerne ich wollte, ein Spielverderber wollte ich dann doch nicht sein.

Louis: Na seltsam halt. Pack es aus, dann siehst du, was ich meine.

Harry: Oh, na danke, Mr. Kryptical, das hat mir sehr weiter geholfen.

Harry: Nicht.

Harry::P

Bevor ich zu viel verraten würde, legte ich mein Handy lieber zur Seite und schaute den Pulli noch einmal genauer an. Es musste sich wirklich um einen Scherz von James handeln. Und zwar um einen richtig schlechten. Rund um diesen absurden Schriftzug tummelten sich dann doch die üblichen Motive wie Tannenbäumchen, Schneeflocken, Rentiere und kleine Schlitten. Ich warf den Pullover auf meine Couch und mein Blick fiel auf den Zettel, der eben auf den Boden gefallen war. Ich hob ihn auf und las.

Liebe Mitstreiter,
mein heutiger Dinnerabend steht unter dem Motto „Ugly Sweater Party", deswegen habe ich ein wenig im Fundus der LateLate Show gekramt und für jeden einen Pulli organisiert. Ich bitte euch, euren Pulli auch wirklich anzuziehen, ja, ich gucke gerade besonders dich an, Louis!
Ich freue mich schon auf einen bunten, lustigen Abend mit euch.
Euer
James.

Also „ugly" traf den Nagel wirklich auf den Kopf. Ich schüttelte meinen Kopf und ging erstmal auf meine Terrasse, um meine Nerven mit einer Zigarette zu beruhigen. Während ich draußen rauchte, rief ich meine Schwester an.

„Hey Lottie!"

„Hallo Lou, schön dass du auch mal anrufst. Ich warte schon seit Sonntag auf deinen Anruf oder deine Nachricht. Du wolltest mir doch sagen, wie der Abend gelaufen ist."

Oh Mist, das hatte ich an den letzten beiden Tagen irgendwie vergessen. Zu sehr waren meine Gedanken mit den kleinen Chats zwischen Harry und mir beschäftigt gewesen. Und dann hatte Matt auch noch einen ganzen Teil meiner Zeit für die anstehenden Planungen beansprucht.

„Sorry, Lotts. Es war, hm, gut?"

„Gut? Lou-Lou, lass dir hier jetzt nicht alles aus der Nase ziehen. Du bist ja schlimmer als Ernie, wenn man ihn fragt, wie es in der Schule war. Also komm, ein paar Details bitte. Bitte. Bitte. Du schuldest mir auch eigentlich ein Foto."

Ich erzählte Lottie also in groben Zügen von Sonntagabend, ohne jedoch zu erwähnen, bei wem ich gewesen war. Und auch den heutigen Vormittag, insbesondere die Autofahrt ließ ich bei meinen Erzählungen aus. Das ging meine kleine Schwester - noch - nichts an.

„Also rufst du mich an, damit ich dich heute wieder style, damit du auch heute wieder gut ankommst?"

„Nee, also eigentlich im Gegenteil. Ich wollte dir absagen. Wir haben für heute ein Outfit vom Gastgeber bekommen. Und das ist so fucking hässlich, da holt das beste Styling nichts raus."

„Übertreibst du vielleicht ein bisschen? Oder musst du da verkleidet im Kostüm auftauchen?"

„So ähnlich. Lottie, du glaubst gar nicht, wie scheiße der Pullover aussieht, den ich anziehen muss. Ich ziehe einfach irgendeine Hose dazu an und dann passt das schon."

„Okay, wie du willst. Aber Großer, ich erwarte, dass du mir morgen bei unserem Treffen berichtest, wie der Abend war. Und dieses Mal ein bisschen mehr Details. Bis Morgen, Lou."

„Bis morgen, Lottie!"

Ich legte auf. Meine Schwestern und ich wollten uns morgen noch einmal treffen, bevor es für mich auf große Promo-Tour ging und bevor Phoebe erstmal mit meiner zukünftigen Nichte beschäftigt war. Wie ich meine Schwestern kannte, würden sie mich morgen wirklich ausquetschen. Während des Telefonats hatte mein Handy kurz vibriert und eine Nachricht angekündigt.

Harry: Wenn du mit seltsam einen Weihnachtspulli meinst, dann ja.

Okay, keine weitere Reaktion. Bestimmt hatte er einen coolen Pulli mit Pinguin bekommen. Ich rauchte noch eine zweite Zigarette und ging dann ins Schlafzimmer. Cliff hatte es sich ausnahmsweise in seinem Körbchen im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Offenbar war unser vormittäglicher Ausflug für ihn doch anstrengender gewesen, als ich angenommen hatte oder er war eingeschnappt, weil ich ihm verboten hatte, Harrys Auto anzuknabbern.

Ich zog mich aus und ließ meine Klamotten vor mein Bett fallen. Im Badezimmer stellte ich die Dusche an und wärmte mich unter dem heißen Wasser auf. Nach der üblichen Prozedur fand ich mich in Briefs vor meinem Schrank wieder und streifte mit der Hand durch meine Hosen. Mein Blick fiel auf die letzte Hose auf der Kleiderstange: eine schwarze, etwas weitere Hose aus Breitcord, der leicht glänzte. Ich hatte die Hose irgendwann mal beim Shopping mit einer meiner Schwestern gekauft, sie aber tatsächlich nie getragen, weil sie eigentlich überhaupt nicht mein Stil war und ich mich mehr zum Kauf hatte überreden lassen. Heute war ihr Tag gekommen, wenn schon hässlich, dann halt richtig. Ich zog ein weißes T-Shirt und Tennis-Socken mit dem Aufdruck ‚the floor is lava' an. Die Socken hatte ich mal in einem Promopaket und ebenfalls nie getragen, aber zum heutigen Motto schienen sie mir passend. Dann schlüpfte ich in meine Hose und ging noch einmal ins Bad. Mit ein wenig Haargel zupfte ich meine Haare in ihr übliches Chaos, bevor ich ein paar Spritzer Parfum auf meinem Hals verteilte. In der Küche trank ich noch eine Tasse Kaffee und stellte Cliff sein Futter hin.

Dann ging ich ins Wohnzimmer und schnappte mir den Pulli. Ich betrachtete ihn noch einmal und schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte James mir, aufgrund meiner Größe, einen Sweater gegeben, der ursprünglich für eine Frau gedacht war. Deswegen dieser seltsame Aufdruck. Ja, das musste es sein. Manchmal hasste ich meine Körpergröße wirklich. Beispielsweise in solchen Momenten wie jetzt gerade. Ich hoffte nur, dass der Sweater nicht auch noch tailliert war, sonst würde man aufgrund meiner eher weiblichen Hüfte, direkt sehen, dass es ein Frauen-Pulli war. Ich wusste, dass Harry manchmal Kleidung aus der Damenabteilung trug, die Blumen-Bluse am ersten Abend war das beste Beispiel dafür, aber nein, mein Fall war das nicht. Also an mir. Ich schlüpfte in den Pullover und hatte Glück, dass dieser doch etwas oversizig war.

Ich schnappte mir mein Handy - keine Nachricht mehr von Harry, wahrscheinlich hatte er wirklich einen normalen Weihnachtspullover in seinem Paket gefunden und verstand gar nicht, was ich daran seltsam fand - und steckte es in meine Hosentasche. Im Flur zog ich schwarze Turnschuhe und meine leicht gefütterte Jeansjacke mit dem Fellkragen an. Im Rausgehen steckte ich noch meinen Schlüssel ein und zog mir eine dunkelblaue Strickmütze über den Kopf. Es sah schon wieder nach Schnee aus und noch einmal wollte ich heute nicht davon überrascht werden.

Der Fahrer lieferte mich nach einer etwas längeren Fahrt, während der es tatsächlich angefangen hatte zu schneien, vor James Haus ab und ich klingelte. Begleitet von einem Kameramann öffnete James mir die Türe.

„Louis! Schön, dass du da bist. Muss ich einen Outfit-Check machen?", empfing er mich schmunzelnd.

„Hallo James, nein, ich habe mich an alles gehalten", grummelte ich zurück.

„Komm erstmal rein, aber lass die Jacke an. Ich dachte, wir nutzen das weihnachtliche Wetter und trinken den Aperitif draußen auf der Terrasse."

James führte mich durch den Flur und zeigte mir kurz, wo ich das Gäste-WC für den Fall des Falles finden würde. Dann machten wir noch einen Abstecher ins Esszimmer, das entsprechend des Mottos weihnachtlich geschmückt war, unter anderem hing über der Türe ein Mistelzweig mit einer dicken roten Schleife und ich vermied es tunlichst, gemeinsam mit James durch die Türe zu gehen. Aus dem Esszimmer führte er mich ins Wohnzimmer, das ebenfalls ein bisschen weihnachtlich dekoriert war, insbesondere fielen mir die großen Adventskalender der drei Kinder ins Auge. Ich hoffte, mein Paket mit dem Adventskalender war pünktlich bei Freddie. Wohn- und Esszimmer bildeten eigentlich einen großen Raum, der durch einen Wanddurchbruch entstanden war. Die Außenwand war - ähnlich wie bei mir - eine große Fensterfront, die den Raum nach außen öffnete. Schemenhaft konnte ich draußen eine andere Person stehen sehen.

„Komm, wir gehen nach draußen", zog James mich am Arm mit sich. Kaum waren wir durch die Tür getreten, signalisierte mir mein Körper, dass es sich bei der Person um Harry handeln musste. Wie ferngesteuert ging ich auf ihn zu und nahm gar nicht wahr, was James mir noch zu seinem Garten und der Terrasse erzählte.

„Hey Harry." Er lächelte mich an, entgegnete „Lou" und trat einen Schritt auf mich zu. Wie ich es doch liebte, meinen Spitznamen aus seinem Mund zu hören. Ich streckte mich ihm entgegen, als er mich in eine sanfte Umarmung zog. Er beugte sich ein wenig zu mir hinab und drückte sich noch enger an mich, bevor er mich wieder freigab. Ich trat einen kleinen Schritt zurück.

„Bist du schon lange hier?", neugierig wanderte mein Blick scannend an ihm entlang. Vielleicht konnte ich entdecken, wie sein Pullover aussehen würde? Allerdings trug er darüber einen gemusterten Mantel, wahrscheinlich von Gucci - was auch sonst - und hatte sich einen schwarzen Schal um den Hals gewickelt. Auf seine Locken hatte er eine Schiebermütze gesetzt, die wahrscheinlich keine wärmende Wirkung hatte, die Locken aber vor der Feuchtigkeit des Schnees schützte. Meinetwegen könnten die sich aber gerne noch ein bisschen mehr kringeln. Zu gerne würde ich mir mal eine der Locken um den Finger wickeln und diese springen lassen.

„Nein, ich bin auch vor ein paar Minuten erst gekommen", antwortete er mir mit einem leichten Kopfschütteln.

Ich nickte. Eine leichte Kälte kroch über meinen Körper und unbewusst zog ich meine Schultern hoch. „Ganz schön kalt geworden, oder?"

„Liegt vielleicht an der dünnen Jacke", schmunzelte er und betrachte mich nun seinerseits.

„So dünn ist die gar nicht", versuchte ich davon abzulenken, dass es mir doch kälter war, als ich zugeben wollte. Und das trotz des Heizpilzes, den James aufgestellt hatte. Vielleicht lag das aber auch an der Körperwärme, die er bei unserer Umarmung ausgestrahlt hatte und die mir jetzt fehlte.

Harry lächelte mich an: „Dafür siehst du aber ganz schön verfroren aus", er kam näher und wickelte seinen Schal ab, um ihn mir um den Hals zu legen. Ich konnte gar nicht anders, als ihm dabei in seine wunderschönen, grünen Augen zu blicken und instinktiv legte ich meine Hände auf seine Oberarme. Harry zupfte den Schal zurecht und strich mir langsam mit dem Daumen über meine Wange. Elektrische Blitze zuckten durch meinen Körper. Unwillkürlich benetzte ich meine Lippen mit meiner Zunge. Mein Blick fiel auf seine Lippen, als er seinen Kopf zu mir neigte und mein Atem beschleunigte sich. Ich streckte meinen Kopf weiter in seine Richtung und meine Hände klammerten sich fester ihn den Stoff seines Mantels. Ich blickte zurück von seinen Lippen in seine Augen und holte mir so stumm sein Einverständnis. Mein Atem und mein Puls lieferten sich derweil ein Wettrennen.

„So, dann sind wir komple- oh", ich sprang zurück und schaute in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Dort rumpelte David in James Rücken, der dadurch auf die Terrasse stolperte. Zwei Kameraleute hielten das Ganze auf Film fest. Fuck, was war hier gerade passiert. Ich konnte doch nicht einfach vergessen haben, dass wir uns hier mitten in Fernsehaufnahmen befanden. Ich merkte, wie ich rot wurde und traute mich nicht zu Harry zu schauen. Stattdessen blickte ich zu James und David, der fragend zwischen uns hin und her blickte. Hoffentlich hatte er nicht mitgekriegt, was hier gerade fast passiert wäre.

„Man, findet ihr auch, dass es hier wärmer geworden ist", wurden meine Gedanken von James unterbrochen. Ich starrte ihn an und räusperte mich. Eine passende Antwort lag mir schon auf den Lippen, bevor ich jedoch etwas sagen konnte, klatschte James in die Hände: „Wer möchte einen Manhattan?"

Wir stimmten nickend zu und James machte sich auf den Weg zurück ins Haus. Mein Blick wanderte zu Harry, der mich schüchtern, fast fragend anlächelte. Ich erwiderte sein Lächeln. Gerne hätte ich auch wieder einen Schritt auf ihn zu gemacht, doch einerseits war das hier nicht die passende Situation und andererseits begrüßte er dann schon David mit einer kurzen Umarmung. Ich atmete noch einmal tief ein, um mich zu sammeln. Leider verfehlte die kühle Luft ihre Wirkung, da gleichzeitig auch Harrys Geruch durch den Schal noch intensiver in meine Nase kroch. Ich versuchte mich dennoch zu konzentrieren und wendete mich in Davids Richtung und wir begrüßten uns mit einem kurzen High-Five.

In dem Moment kam James auch schon mit einem Tablett nach draußen, das er auf dem Stehtisch neben dem Heizpilz abstellte. Mit den Worten „so, kann losgehen", drückte er jedem von uns ein Glas in die Hand. Wir bedankten uns und stellten uns rund um den Stehtisch und wie es der Zufall wollte, stand Harry mir gegenüber und mein Blick ruhte auf ihm. James erhob sein Glas und hielt es in die Mitte: „Ich mach's kurz und knapp heute. Schön, dass ihr alle da seid, ich freue mich auf einen lustigen Abend mit euch, auch wenn ich ein wenig traurig bin, dass es schon der letzte Abend ist, den wir gemeinsam verbringen."

Wir stießen alle an, während Harry meinen Blick suchte und fixierte, bevor er sein Glas an die Lippen hob. Ich trank ebenfalls einen Schluck und war positiv überrascht: „Sehr lecker. Und das, obwohl ich eher ein Wodka Trinker bin", nickte ich in James Richtung. Dieser lachte und schlug mir auf den Rücken: „Soso, da fühle ich mich doch glatt mal geehrt."

Da der Schneematsch mittlerweile deutlich mehr geworden war und es dadurch – trotz des Heizpilzes – kälter und vor allem feuchter wurde, bat James uns recht schnell, nachdem wir unsere Gläser geleert hatten zurück ins Haus. Kurz kuschelte ich mich noch einmal in den warmen Schal und genoss den Geruch, der davon ausging. Dann zog ich mir die Mütze vom Kopf und stopfte sie in meine Jackentasche. Mit meinen Fingern zupfte ich meine Haare zurecht, soweit es ohne Spiegel möglich war. Ein Blick ins Wohnzimmerfenster musste als Alternative reichen. Dadurch wandte ich den anderen gerade den Rücken zu, als David auch schon fragte, ob wir die Jacken ablegen durften. Nach James Zustimmung wickelte ich mir den Schal vom Hals und knöpfte meine Jacke auf. Durch die Reflexion in der Scheibe sah ich, dass James immer wieder zwischen Harry und mir hin und her schaute. Ich drehte mich um und zog die Arme aus der Jacke und reichte Jacke und Schal an James. In dem Moment drehte Harry sich zu James und mir und ich starrte auf seinen Pullover. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? Harry hatte exakt den gleichen Pullover an wie ich. Lediglich war seiner blau. Ich schüttelte kurz den Kopf und James fing laut an zu lachen.

„Was soll das?", fuhr Harry ihn an. Oh, er schien nicht gerade erfreut zu sein. Klar fand ich die Pullis auch scheiße, aber ich hatte mich heute Mittag schon genug darüber aufgeregt. Und besser so als blinkende Lämpchen und Glocken.

James schaute Harry mit einem Blick an, die jedes Unschuldslamm Lügen gestraft hätte: „Was denn? Ich hab' doch gesagt, ich hab' meinen Fundus geplündert und das hier war sozusagen die Resterampe."

Harry schien immer noch angefressen zu sein. Ich wollte ihm im wahrsten Sinne des Wortes zur Seite stehen und verschränkte meine Arme vor meiner Brust, während ich näher an ihn rückte: „Du willst uns also erzählen, dass du zufällig diese beiden Pullis gefunden hast?" Ich merkte, wie Harry innerlich aufatmete und die Spannung von ihm abfiel. Was hatte er denn gedacht, dass ich jetzt hier wie Rumpelstilzchen rumspringen würde?

James grinste mich wissend an: „Was denn? Hättest du lieber auch kleine Kätzchen gehabt? Vielleicht tauscht David ja mit dir?" Ich schaute David an, der einen schwarzen Pulli voller kleiner Kätzchen anhatte, die alle Weihnachtsmannmützen trugen. Ach nee, ich mochte eh keine Katzen, dann lieber diesen absurden Schriftzug. David schien der gleichen Meinung zu sein, also was das Tauschen anging und rief schnell „Was? Nein!" Das kurze Schweigen, was auf seinen Ausruf folgte, unterbrach er sofort mit der Ergänzung, dass er seine Kätzchen mögen würde und begann demonstrativ eine der Katzen am Kinn zu kraulen.

Der Anblick war so skurril, dass wir alle in lautes Lachen ausbrachen. James sammelte auch von den anderen beiden die Mäntel ein. Bevor er sie zur Garderobe brachte, forderte er uns noch auf, schon mal Platz zu nehmen und bat darum, dass wir die gleiche Sitzordnung wie an den vergangenen Tagen behalten sollten. Ein wenig körperlicher Abstand zu Harry war bestimmt nicht die dümmste Idee. Außerdem hatte ich so die Chance, den ganzen Abend über seine wilden Locken anschauen zu können. Ob diese sich genauso weich anfühlten, wie sie aussahen? Um die Gedanken nicht zu sehr zu vertiefen setzte ich mich hin und ließ meinen Blick noch einmal über die Weihnachtsdekoration wandern. Das sah schon nett aus. Durch die bevorstehende Promo-Tour würde ich in diesem Jahr komplett darauf verzichten, ich wäre ja eh nicht zuhause und an den paar Tagen nach Weihnachten würde ich sie wahrscheinlich auch nicht vermissen.

James trat an den Tisch, stellte sich neben mich und hielt mir ein kleines Weidenkörbchen hin, um dessen Griff eine Tannengirlande mit Lichterkette geschlungen war. „So, wie ich euch ja schon geschrieben hatte, steht mein heutiger Abend unter dem Motto ,Ugly Sweater Party' und da zu einem ordentlichen Ugly Sweater auch ein passender Kopfschmuck gehört, habe ich hier etwas vorbereitet. Jeder greift jetzt bitte hier rein und setzt es auf", er schob den Korb noch näher in meine Richtung, „ja, auch du, Mr. Tomlinson, auch du. Ich weiß, dass du es hasst, aber mein Abend, meine Regeln."

Ich nahm ihm den Korb ab und stellte ihn vor mir auf den Tisch. „Wie du willst, Corden. Dein Abend, deine Regeln. Meine Punkte, meine Macht." Ich streckte ihm den Mittelfinger entgegen, griff dann in den Korb und zog einen Kopfschmuck heraus. Ich steckte den Haarreifen mit den Elfenohren und der kleinen grünen Wichtelmütze zwischen meine Haare und grinste. Dann war ich heute eben der „Elf on the shelf". Harry kicherte.

„Lach du nur, Styles", sprach ich in seine Richtung und wackelte elfengleich mit den Augenbrauen. „Greif rein und setz auf", ich hielt ihm den Korb herausfordernd entgegen ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Harry neigte seinen Kopf leicht zur Seite und zog seinerseits nun einen Haarreifen heraus. Er wuschelte kurz durch seine Locken und setzte dann das süßeste Rentiergeweih auf, das ich je gesehen hatte. „Zufrieden?", grinste er mich an.

Ich warf einen prüfenden Blick auf das Geweih und blieb dann erneut an seinen Augen hängen. „Fast", fixierte ich seinen Blick und erhob mich von meinem Stuhl. Harrys Hände umklammerten währenddessen fest den Griff des Korbes. Ich ging langsam auf die andere Tischseite, streckte meinen Arm in Richtung seines Kopfes und beugte mich zu ihm hinab. Sanft strich ich eine seiner Haarsträhnen, die ihm vorwitzig in der Stirn hing, nach hinten und fixierte die Locke unter dem Haarreif. OMG, die Locken fühlten sich ja noch weicher an, als in meiner Vorstellung! Rasch zog ich meine Hand wieder zurück, um nicht in Versuchung zu geraten, sie komplett in seinen Haaren zu vergraben und warf erneut einen prüfenden Blick auf das Geweih. Ich war versucht, einen Finger unter sein Kinn zu legen, um seinen Blick wieder einzufangen, verzichtete aber darauf und zwinkerte ihm nur kurz zu. „So, jetzt sitzt alles perfekt." Er schenkte mir ein schiefes Grinsen und ich machte mich wieder auf den Weg zu meinem Platz, während Harry irgendwie verträumt schaute.

„Guys, seid ihr dann fertig", James ließ Harry aufschrecken und deutete auf das Körbchen, dass Harry noch fest umklammert hielt. Stammelnd gab dieser das Körbchen an David weiter. Dieser zog den letzten Haarreifen aus dem Korb und schmückte seinen Kopf mit zwei Zuckerstangen, die an zwei Sprungfedern befestigt waren. David drehte den Kopf zuerst zu Harry, dann zu mir, was die Zuckerstangen wild wackeln und hüpfen ließ. James fing an schallend zu lachen.

Ich sah James an, der einen Mordsspaß aufgrund unseres Aussehens hatte. „Jaja, lach du uns nur aus! Wo ist dein Kopfschmuck?"

„Na, ich bin der Chef."

„Das befreit dich nicht von der Kopfschmuckpflicht", pflichtete Harry mir bei.

„Das habe ich auch gar nicht gesagt", James setzte sich eine Weihnachtsmannmütze auf den Kopf. An deren Bommel waren zwei kleine Glöckchen befestigt, die passend zu seinem Lametta-geschmückten Tannenbaum auf dem Bauch, hohe Töne von sich gaben. Fehlte nur noch, dass seine Mütze oder sein Pulli anfingen wild zu blinken.

„So, wenn dann jetzt alle herausgeputzt sind, kann's ja losgehen. Ich kümmere mich mal um die Vorspeise", James machte sich auf dem Weg aus dem Wohnzimmer, begleitet von leisen Glöckchengeklingel.

David beugte sich zu mir und legte mir kurze eine Hand auf den Arm. „Ach, da fällt mir ein, Louis, ich hab' da noch was für dich." Er sprang auf und ging in Richtung Flur. Als er wieder zurück zu uns an den Tisch kam, überreichte er mir einen signierten Fußball: „Hier, ich hatte ja gesagt, ich versuche daran zu denken. Wie es aussieht, war der Versuch erfolgreich. Ich hoffe, dein Sohnemann wird sich freuen." Ich merkte, wie sich meine Mundwinkel bis zu den Ohren zogen und strahlte David an, als ich den Ball entgegennahm: „Danke, Freddie wird sich sicher riesig freuen, wenn ich ihm den gebe." Ich schaute mir den Ball genauer an und versuchte, die Unterschriften zu entziffern. Auf den ersten Blick konnte ich Gary Neville, Wayne Rooney und Teddy Sheringham entziffern. War das hier David Seaman? Der Torhüter hatte ewig für die Three Lions im Tor gestanden und manche Niederlage verhindert. Sah das hier aus wie die Unterschrift von Gazza? Ja, das musste Paul Gascoigne sein. Während ich nach weiteren bekannten Namen suchte, meldete sich Harry zu Wort.

„Ich fürchte, David, sein Sohn wird den Ball nie zu Gesicht bekommen, weil er ihn ab sofort mit ins Bett nimmt", er grinste mich frech an.

„Ich teile mein Bett nicht, auch nicht mit Bällen", gab ich ebenso schelmisch zurück.

„Keine Ausnahmen?", wollte Harry herausfordernd wissen. Oh doch mein Lieber, es gibt Ausnahmen. Du dürftest sehr gerne mein Bett wärmen. Ich zwinkerte ihm zu. „Doch, manchmal schon." Mein Blick bohrte sich in seine Augen und fixierte ihn. Er schien meine Antwort kurz zu überdenken und wechselte dann abrupt das Thema. „Louis, hast du eigentlich Bilder von Freddie?"

„Oh, klar", selbstverständlich hatte ich Fotos von meinem Kleinen. Schließlich sah ich ihn schon viel zu selten und musste mit den wenigen Bildern leben, die Brianna und hauptsächlich ihre Mutter mir ab und an schickten. Ich konnte kaum erwarten, ihn in wenigen Wochen wiederzusehen und dann auch über Weihnachten mit zur mir nach London zu nehmen. Die paar Tage nach Weihnachten waren seit ein paar Jahren traditionell zur Dad-Freddie-Zeit geworden und Freddie freute sich immer darauf, mich mal für sich ganz alleine zu haben. Ich zog mein Handy aus der Tasche und klickte mich kurz durch meine Fotogalerie. Dann öffnete ich das Freddie-Album und schob mein Handy zu Harry hinüber. „Kannst dich durchswipen. Ich bin es so gewohnt, nicht mit Bildern von ihm hausieren zu gehen, dass ich manchmal vergesse, welchen Personen ich vertrauen kann."

Während Harry sich mit aufmerksamen Gesichtsausdruck die Fotos von Freddie und mir anschaute, fragte ich David nach weiteren Autogrammen auf dem Ball. Darüber landeten wir recht schnell bei Anekdoten aus seiner aktiven Zeit und er erzählte, dass Paul Gascoigne ihn immer mit seinem metrosexuellen Image aufgezogen hatte. Richtig harte Fußballer legten nicht so viel Wert auf ihr Äußeres. Mein Bauch zog sich schmerzhaft zusammen und ich war froh, dass die Welt sich in den letzten 20 Jahren doch ein wenig weiterentwickelt hatte. Auch wenn andere Sexualitäten im Spitzensport immer noch eher ein Randthema waren und oftmals totgeschwiegen wurden. Im Frauenfußball war das irgendwie anders, aber bei den Männern trauten sich tendenziell eher Sportler in Sportarten zu outen, die nicht dem Mainstream angehörten. Der Turmspringer Tom Daley war eine der wenigen Ausnahmen und ich bewunderte ihn ein bisschen dafür. In meinem Teil der Glamourwelt war es da doch etwas einfacher, nicht dem Mainstream zu entsprechen. Dafür hatten Ikonen wie Freddie Mercury, Elton John und George Michael gesorgt. Dennoch neigte ich immer noch dazu, meine Sexualität nicht an die große Glocke zu hängen, kein öffentliches Label an mich zu pappen und mein Privatleben möglichst privat zu belassen. Ebenfalls einer der Gründe, warum ich mit Fotos von Freddie zurückhaltend war. Er sollte möglichst unbeschwert aufwachsen können. Ich warf kurz einen Blick auf Harry, der immer noch die Fotos betrachtete und gespannt auf den Handybildschirm starrte, während er seine Zungenspitze zwischen den Lippen eingeklemmt hatte. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder David zu, der eine lustige Geschichte davon erzählte, wie sie einmal im Trainingslager die Handschuhe von David Seaman mit Sekundenkleber eingeschmiert hatten und dieser sich wunderte, dass ihm keinerlei Abwürfe mehr gelangen und die Bälle im wahrsten Sinne des Wortes an seinen Händen klebten. Wir lachten kurz auf. So anstrengend das Leben als Profifussballer gewesen sein musste, solche Geschichten waren doch die Würze darin. David setzte gerade an, eine weitere Story aus dem Trainingslager zu erzählen, als Glöckchengebimmel James ankündigte und er sich von der Zimmertüre aus meldete. „So! Dann wäre hier die Vorspeise."

Harry schob mir rasch mein Smartphone rüber und wenn mich nicht alles täuschte, waren seine Ohrenspitzen leicht rötlich geworden. Bevor ich jedoch genauer darüber nachdenken konnte, lächelte er mich schon an, „danke für dein Vertrauen." Ich konnte gar nicht anders als „immer" zu erwidern und ihn ebenfalls anzulächeln.

James stellte vor jeden von uns einen Teller mit einer wirklich leuchtend grünen Flüssigkeit. Daneben lagen kleine Tannenbäumchen aus Blätterteig. Er zog das Weihnachtsthema wirklich konsequent durch. Dann füllte er unsere Gläser mit einem kühlen Weißwein und hob sein Glas. „Dann nochmal auf einen schönen letzten Abend."

Zum Anstoßen forderte er jeden von uns zu einem Starr-Duell heraus. Harry war der erste und verlor lachend. Ich hatte keine Lust auf ausgedehnten Augenkontakt mit James und wendete meinen Blick ab und hielt stattdessen lieber mein Glas in Harrys Richtung. Diese Augen boten sich doch viel eher für ein Blickduell an. Ich schaute in das strahlende Grün und unsere Gläser klirrten leise aneinander. Neben mir hatte offenbar David das Duell mit James gewonnen und hielt mir jetzt auffordernd sein Glas entgegen. Nachdem wir alle angestoßen hatten, begannen wir einträchtig die Suppe zu essen. Erstaunlicherweise schmeckte diese - für eine Suppe - überraschend lecker. Ich drehte mich kurz zu David und erklärte ihm, dass sowohl seine, als auch die heutige Suppe gut waren, mich aber dennoch nicht zu einem Fan von flüssiger Nahrung machten. David nickte verstehend und nahm einen Bissen von seinem Tannenbäumchen. Ich schob mir einen weiteren Löffel Suppe in den Mund und ergänzte nach dem Schlucken: „Allerdings entwickle ich scheinbar ein Faible für grüne Dinge", nach einem Blick auf meinen Pullover grinste ich Harry an und erlaubte mir einen weiteren Blick in seine grünen Augen.

Mehr oder weniger stillschweigend aßen wir weiter und es schien allen zu schmecken, denn die Teller waren recht schnell leer und nur ein paar Krümel erinnerten an die Tannenbäumchen. James begann den Tisch abzuräumen und schenkte David und mir noch einmal Wein nach. Harrys Glas war noch recht gut gefüllt, dabei war er doch eigentlich Weintrinker. Seltsam. Harry erhob sich und wollte den Raum verlassen, stieß aber in der Wohnzimmertüre mit James zusammen, der gerade aus der Küche zurückkam. „Sorry, Kumpel", wollte er sich an James vorbeidrücken, um den Raum zu verlassen. Dieser hielt ihn jedoch am Arm fest und rief „Stopp, Stopp, Stopp!" und deutete auf Harrys fragenden Blick auf den Mistelzweig, der über den Köpfen der beiden baumelte. Prompt stimmte David ,All I want for Christmas is you' von Mariah Carey an und sang „I'm just gonna keep waiting underneath the mistletoe." Auch wenn ich über Davids angenehme Singstimme überrascht war, vor allem hatte ich nicht erwartet, dass er einfach lossingen würde, war mein Blick fest auf die beiden Männer in der Wohnzimmertüre gerichtet. Harrys Hand legte sich sanft auf James Wange und ich fühlte mich an unsere Berührung vorhin draußen erinnert. Ein kurzer Stich fuhr durch mein Herz. James Hand legte sich auf Harrys Hüfte und die Lippen der beiden berührten sich. Ich wollte nicht hinschauen, wollte nicht sehen, wie Harry einen anderen küsste. Gleichzeitig war es wie bei einem Unfall, bei dem man nicht wegsehen konnte. Mein Mund wurde trocken und ich wollte nach meinem Weinglas greifen, doch in dem Moment öffnete Harry seine Augen und schaute mich an. Unsere Blicke verhakten sich ineinander, während er seine Lippen vorsichtig auf denen von James bewegte. In mir flammten widerstreitende Gefühle auf: einerseits hatte ich ja schon in ,my Policeman' gesehen, wie unglaublich heiß und sexy es aussah, wenn Harry jemanden küsste und dass er dabei mich fixierte, ließ meine Handflächen feucht werden und mein Puls beschleunigte sich. Anderseits sollten Harrys Lippen keinen anderen Mann berühren. Ich war derjenige, der an James Stelle sein wollte, ich wollte spüren, ob seine Lippen so weich waren, wie sie aussahen. Mein Herz krampfte sich zusammen. Harry hatte in den vergangenen Tagen ungewollt viel zu viel Platz in eben diesem eingenommen. Der Kuss der beiden endete unter Davids Applaus und Harry verschwand im Badezimmer. Ich nahm mir rasch mein Weinglas und leerte es in einem Zug. Ich musste meine innere Unruhe in den Griff bekommen. Schließlich würden wir hier noch Stunden miteinander verbringen und das unter den Augen der Fernsehwelt.

James schenkte mein Glas wieder nach und setzte sich gerade auf seinen Platz, als Harry zurück in den Raum kam. „Du kannst gleich stehen bleiben, du bist jetzt nämlich unser erster Freiwilliger", forderte er ihn auf.

„Für... äh... was?", blieb Harry irritiert stehen.

„Karaoke", rief James erfreut und klatschte auffordernd in die Hände.

„Dein Ernst?", erwiderte Harry, schien aber weniger verwundert zu sein, als er sollte. Aber wahrscheinlich kannte er James dafür zu gut und war ja auch bereits mehrfach zu Gast beim Carpool-Karaoke gewesen.

„Mein voller Ernst, wie ich vorhin schon sagte, mein Abend, meine Regeln. Ganz einfach", James deutete auffordernd in Richtung der Karaoke-Maschine.

„Sollte nicht der Gastgeber beginnen", mischte sich jetzt David in den Schlagabtausch ein und Harry stimmte ihm direkt zu.

„Aber du stehst doch grad eh schon, von daher, leg los", forderte James erneut von Harry und zeigte keinen Widerspruch zulassend in Richtung der Maschine. Ich verfolgte zwar das Wortgefecht zwischen den beiden, hatte anders als David, aber keine Lust, mich daran zu beteiligen. Das klang in meinen Ohren schon wieder viel zu vertraut. Und wenn ich die Eifersucht von eben gerade erst niedergekämpft hatte, bahnte sie sich wieder den Weg an die Oberfläche. Ich schaute auf den Tisch vor mir und versuchte, nicht zu viel von dem, was dort vor sich ging zu verfolgen. Allerdings war das kaum möglich, da Harry offenbar dazu übergangen war, das Wohnzimmer umzuräumen. Was hatte er denn jetzt vor?

„Hey, du sollst hier nicht umdekorieren", ließ sich auch prompt James Stimme vernehmen. Harry ließ sich jedoch nicht beirren und schob zwei Sessel an den Rand. „Wenn ich das richtig machen soll, brauche ich Platz." James stimmte ihm dann lachend zu und ich versuchte wieder, mich auf das Besteck vor mir zu konzentrieren. Derweil schien Harry die Karaoke-Maschine gestartet zu haben, denn ein Gitarrenintro war plötzlich zu hören. Ich blickte auf. Harry stand dort, als würde er mitten auf der Tourbühne stehen und begann mit dem Fuß im Takt zu wippen und die ersten Zeilen zu singen. Er schien recht textsicher zu sein, auch wenn mir das Lied spontan nichts sagte. Ich mochte aber den Gitarrensound sehr gerne. Dann begann ich auf den Text zu achten, den Harry mit klarer, deutlicher Stimme sang oder besser gesagt performte. Er lebte die Musik, atmete sie und wurde eins mit ihr. Er schloss die Augen, begann seinen Körper im Takt der Musik zu bewegen und sang weiter. Sein Tanz spiegelte den Text 1:1 wieder - er wiegte seine Hüften und - nein, das hatte er jetzt nicht getan, oder? Doch, hatte er. Langsam hatte er an seinen Fingerspitzen geleckt und seine Hand dann mit immer noch geschlossenen Augen über seinen Oberkörper immer tiefer wandern lassen, bis sie über seinen Schritt strich. Mir wurde heiß, mein Atem stockte und mein Herzschlag schien sich selbst überholen zu wollen. Ich schloss kurz meine Augen, um mich auf den Text konzentrieren zu können und nicht von seinem Tanz abgelenkt zu werden. Allerdings half der Text keineswegs dabei, meine innere Ruhe wiederherzustellen, denn Harry sang:


„You climb onto the bonnet
and you're licking the windscreen
I've never seen anything so obscene.
It's enough to make a boy blush
it's enough, it's enough to make a boy blush"

Ich öffnete meine Augen wieder und konnte nicht anders, als Harry anzuschauen, der wie in seinem Element durch das Wohnzimmer fegte und sich gerade um sich selbst drehte. David pfiff und James applaudierte. Ich konnte jedoch nicht anders als Harry stumm anzustarren und jede seiner Bewegungen mit meinen Blicken zu folgen. Harry kam derweil immer weiter auf mich zu. Wie als wäre zwischen uns eine Gummi-Schnur gespannt, die sich zusammenzog und so den Abstand zwischen uns immer weiter verkürzte. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Sein Blick bohrte sich in meine Augen und ich hatte Angst, dass mein Herz seinen Dienst einstellen würde. Er hob noch einmal das Mikro an seine Lippen und sang provozierend „Let's begin". Mit diesen Worten drehte er das Mikro und hielt es mir auffordernd entgegen.

Die Musik endete und reflexartig griff ich mit zitternden Händen nach dem Mikrofon. Verdammt, jeder schien sehen zu können, welcher Sturm in meinem Inneren tobte. Harry ließ das Mikro los und für einen winzigen Moment berührten sich unsere Fingerspitzen. Erneut breitete sich ein Feuer in meinem Körper aus und ich nahm nur am Rande wahr, wie die anderen beiden und auch die Kameraleute Harry applaudierten.

Harry nahm wieder Platz und ich erhob mich langsam und stellte mich neben die Karaoke-Maschine. Verdammt, so würde ich nicht singen können. Ich war ein Sänger, der schon unter widrigsten Umständen aufgetreten war, aber jetzt mit zitternden Händen, trockenem Hals und einem Körper, der innerlich verglühte, würde ich nicht einen Ton herausbekommen. Ich wünschte mir eine Zigarette, aber leider war jetzt nicht der Zeitpunkt, auf die Terrasse zu verschwinden.

„James? Hast du einen Wodka für mich?", vielleicht würde der Alkohol wenigstens das Feuer in mir löschen, „wenn ich das hier durchziehen soll, brauche ich was Hartes."

James warf grinsend den Blick zwischen mir und Harry hin und her und erwiderte dann süffisant: „Bei was Hartem kann dir sicher Harry behilflich sein."

Erneut fragte ich mich, wie viel James von der Situation vorhin auf der Terrasse mitbekommen hatte und ob unsere Pullis doch eine Art - wenn auch höchst skurriler - Kuppelversuch waren. Harry erhob sich erneut von seinem Platz und hielt mir einen Moment später ein volles Shotglas hin. Ich setzte das Glas an meine Lippen, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Flüssigkeit in meinen Rachen fließen. Für meinen Geschmack war der Wodka deutlich zu warm, dennoch spürte ich, wie sich meine Nerven im gleichen Maße beruhigten, wie die Flüssigkeit meine Speiseröhre hinab in meinen Magen floss. Harry neben mir schüttelte sich und ich lächelte ihn kurz an. Der Tequila am Sonntag schien ihm besser geschmeckt zu haben. Er nahm mir mein Glas aus der Hand und schob mich leicht in Richtung der Karaoke-Maschine.

Ich schaute kurz auf die verschiedenen Knöpfe, aber außer bei der Zufallsauswahl und dem Lautstärkeregler leuchte nirgendwo ein Lämpchen, so dass ich kurzerhand auf den Knopf für die Zufallsauswahl drückte. Die anderen schauten mich gespannt an als auch schon die ersten Töne von ,Wrecking Ball' von Miley Cyrus aus der Anlage erklangen. Hm, also nee, ich hätte doch deutlich lieber einen rockigeren Song gesungen. ,505' von den Arctic Monkeys wäre super gewesen. „Och nö, nicht das Lied", meine Hand suchte schon erneut den Knopf für die Zufallsauswahl. „Nein, nein, nein. Das Gerät wählt den Song aus, du singst", wurde ich von James gestoppt während Miley schon die ersten Zeilen sang. Ich warf einen Blick auf den Bildschirm mit dem Text und stimmte ein. Und ja, auch wenn Mileys Musik nicht zu meinen Favoriten zählte, hatte ich das Lied häufig genug bei meinen Schwestern hören müssen, so dass ich den Text auswendig kannte. Ich schloss die Augen und versuchte mich auf die Musik zu konzentrieren.

Ich merkte, wie das passierte, was immer geschah, wenn ich auf einer Bühne stand und sang: die Musik wurde Teil von mir, ich wurde - gefühlt - selbstbewusster als ich eh war, ich war mehr der Louis, der ich eigentlich in meinem Inneren war: ein Vollblutsänger. Meine Stimme hatte ihre gewohnte Sicherheit wiedergefunden und mit voller Kraft sang ich:

„I came in like a wrecking ball
I never hit so hard in love
All I wanted was to break your walls
All you ever did was wreck me
Yeah, you, you wreck me"

Ich öffnete meine Augen und schaute mein Publikum an und verlagerte mein Gewicht, als ich weitersang. Ich stellte mich breitbeinig hin und hielt das Mikro noch näher an meinen Mund. Meine Lippen berührten die raue Oberfläche und meine Stimme fand ihre übliche Klangfarbe. Erneut schloss ich meine Augen, konzentrierte mich und sang weiter. Beide Hände legten sich um den Mikrofongriff, ich öffnete die Augen und schaute Harry direkt an.

„Don't you ever say I just walked away,
I will always want you."

Der Text floss wie selbstständig aus meinem Mund und ich löste die linke Hand wieder vom Mikro. Langsam machte ich einen Schritt nach vorne, öffnete beide Arme, senkte kurz meinen Kopf und schloss erneut die Augen. Dann hob ich den Kopf an und schaute auf mein Publikum, während ich die letzten Zeilen ohne die Unterstützung des Mikros sang. Als die Musik endete, ließ ich das Mikro aus meiner rechten Hand auf den Boden gleiten, legte mir den rechten Unterarm vor die Brust und deutete eine Verbeugung an.

Wie schon bei Harry begannen alle, inklusive der Kameraleute zu applaudieren. Ich grinste in die Runde und nickte allen zu. James erhob sich, um das Mikro einzusammeln und quasi zeitgleich sprang auch Harry von seinem Stuhl auf und verließ den Raum.

Was war das denn? Hatte ich so schlecht gesungen, gefiel ihm mein Gesang nicht? Oder meine Performance? Natürlich hatte ich deutlich weniger getanzt als er, aber ich neigte nicht dazu, wild über die Bühne zu fegen. Ich wollte mit meiner Stimme und meiner Musik überzeugen. Fand er meine Art zu singen doof? Gefiel ihm etwa meine Stimme nicht? Ich hatte keine typische Singstimme, aber meine Fans hatten mir schon häufig gesagt, dass gerade die ungewöhnliche Stimmfarbe ihnen gefiel und meinen Gesang so außergewöhnlich machte. Von Zweifeln geplagt setzte ich mich zurück auf meinen Platz neben David und trank erstmal einen großen Schluck Wasser.

Harrys überstürzter Aufbruch hatte uns eine kurze Pause beschert. Ich tastete in meiner Hosentasche nach meinen Zigaretten, die Pause konnte ich vielleicht endlich zum Rauchen nutzen. Hm, in meiner rechten Hosentasche war nur mein Handy. Links waren die auch nicht. Ich überlegte, ob ich die Zigarettenpackung in meine Jeansjacke gestopft hatte. Aber nein, vorhin draußen, als ich die Händen in den Jackentaschen hatte, waren die Taschen ansonsten leer. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Also keine Raucherpause für mich. Mir die Blöße geben und die Kameraleute fragen, ob einer von denen eine Zigarette für mich hätte, wollte ich dann auch nicht.

James hatte mittlerweile das Mikro auf die Karaoke-Maschine gelegt und war zurück zu uns an den Tisch getreten. Wir blickten uns kurz an, aber keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Davids wackelnde Zuckerstangen und James' Glöckchen machten die Stille fast fühlbar.

„Meint ihr, Harry fühlt sich irgendwie krank oder so? Er war doch gerade schon im Bad", wollte ich von den beiden wissen. Hoffentlich ging es Harry gut. Heute beim Interview und auch vorher hatte er eigentlich einen recht munteren Eindruck gemacht. Aber dieser überstürzte Aufbruch gerade machte mir ein wenig Sorgen, vielleicht hatte er irgendwas vom Essen oder den Aperitif nicht vertragen? Er hatte ja auch schon weniger Wein als sonst getrunken. Mittlerweile waren ein paar Minuten vergangen und er war noch nicht wieder zurückgekehrt.

„Ich gehe mal nach ihm gucken", meinte James und ging in den Flur. Ich atmete kurz durch, James kannte Harry schon lange und ihm als Freund würde Harry bestimmt verraten, wenn etwas nicht stimmte. Ich hörte James Stimme aus dem Flur, konnte aber nicht verstehen, was er sagte und wollte dann doch nicht lauschen. Stattdessen drehte ich mich zu David und er verriet mir, dass er früher immer mit Harper ,Sing-Star' spielen musste und seine Tochter und er keine Chance gegen seine Frau hatten. Insofern hatte er ein wenig Erfahrung mit Karaoke und freute sich schon auf seinen Auftritt gleich. Okay? Das war eine Seite, die ich an dem Fußballer eher nicht erwartet hatte. Aber nach der spontanen Gesangseinlage eben sollte mich das eigentlich nicht wundern. Bevor ich noch weiter nachfragen konnte, kam James auch schon zurück.

„Er kommt gleich wieder", beruhigte er uns. Er stellte Harrys Stuhl neben Davids, damit wir ihn gleich gut im Blick hatten und blieb direkt neben der Karaoke-Maschine stehen. Offenbar war nichts Schlimmes mit Harry und der Abend konnte voraussichtlich wie geplant weitergehen. Kurz darauf trat dieser auch schon durch die Tür. Wir drei starrten Harry an und ich musterte ihn besorgt. Er wirkte fast normal, vielleicht ein kleines bisschen blasser als vorhin und ein paar Wassertropfen hingen an seinem Haaransatz. Im Großen und Ganzen schien er aber okay zu sein und ich musste an mich halten, nicht erleichtert aufzuseufzen.

„Und? Konntest du Abhilfe schaffen?", fragte James ihn mit einem wissenden Grinsen, woraufhin Harry wie angewurzelt stehen blieb. „Was?", fragte er mit viel zu hoher, sich überschlagender Stimme.

„Na mit dem, was da in deinem Auge war, konntest du es beseitigen?", bohrte James weiter nach. „Ähm, ja", seufzte Harry und setzte sich neben David.

„Gut, dann kann die Show ja weitergehen", James machte sich bereit für seinen Auftritt und drückte den Knopf für die Zufallsauswahl. Mein Blick wanderte an David vorbei zu Harry, um ihn weiterhin zu mustern. Nicht, dass mir eben doch etwas entgangen war. Als ich merkte, dass auch Harry mich ansah, drehte ich den Kopf wieder in James Richtung. Er sollte meine Sorge nicht bemerken. Die Musik begann und die ersten Takte von ,Best song ever' liefen. Wenn ich mich nicht irrte, war das ein Lied von Harrys Band, bevor er solo durchstartete. Ich schaute wieder zu Harry und sah, dass auch sein Blick erneut auf mir lag. Schnell blickte ich wieder zu James, der mit vollem Körper- und Stimmeinsatz eine Show lieferte. Ich grinste. Und drehte mich erneut zu Harry um. Unsere Blicke trafen sich kurz und vor Schreck drehte ich mich abrupt zurück nach vorne und stieß dabei gegen Davids Weinglas, das seinen Inhalt prompt über den Tisch verteilte.

„Fook!"

James unterbrach seinen Gesang und blickte mich funkelnd an: „Tomlinson, mir scheint, du möchtest mich heute Abend sabotieren!"

Hektisch griff ich nach meiner Stoffserviette und begann die Pfütze aufzuwischen. „Ich mach das schon weg."

„Halt, du machst das alles nur schlimmer", unterbrach James meinen unbeholfenen Versuch, legte sein Mikro endgültig beiseite, während die Musik weiterlief und kam auf mich zu, „warte, ich helfe dir. Ich hatte mich so auf meine Performance gefreut, stattdessen darf ich jetzt die Putzfrau für ungeschickte Partygäste spielen", tadelte er mich, lächelte aber gleichzeitig. Dann lief er aus dem Raum, um ein Handtuch zu holen. David hatte derweil sein Glas wieder aufgestellt und klopfte mir kurz auf die Schulter, „alles gut, Mate, ist ja nichts passiert."

Mir war die Sache dennoch sehr unangenehm. Harry schaute mich mitleidig an und versuchte, mich mit einer Grimasse aufzumuntern. James trat wieder zu uns an den Tisch und legte diesen mit dem Handtuch trocken. Außerdem reichte er David ein neues Weinglas und füllte dieses wieder.

„Sorry, James, das wollte ich nicht. Wenn du jetzt hier irgendwelchen zusätzlichen Aufwand hast, sag mir, wie ich das gut machen kann, ich wollte das wirklich nicht. Das war keine Absicht", stammelte ich an James gerichtet.

„Kein Problem. Du bist nicht der erste, der hier was umwirft und wirst auch nicht der Letzte sein, schließlich habe ich mehrere Kinder", er reichte mir eine neue Serviette, „aber du kannst tatsächlich was machen, um das wieder gut zu machen."

„Äh ja, was denn? Ich mache alles", entgegnete ich.

„Alles?", fragte James grinsend nach, „dann singst du gleich ein zweites Lied. Aber damit es für uns ein bisschen Abwechslung ist, wird es ein Duett und zwar mit...", ein Kopf wanderte zwischen Harry und mir hin und her und es kam mir vor, als ob er irgendeinen Hintergedanken hatte, „... und zwar wirst du mit Harry zusammen singen. UND das Lied suche dann ich aus und nicht mehr der Zufallsgenerator."

Erschrocken schnappte ich nach Luft. Dummerweise hatte ich ja schon zugesagt, alles zu tun. Ich nickte ergeben und ließ meinen Blick dann zu Harry wandern. „Okay, aber ich kann das nicht für Harry mitentscheiden."

Ich suchte unsicher in Harrys Augen nach einer Antwort. Doch er lächelte mir aufmunternd zu. „Klar, bin dabei."

„Super, Jungs, da meine Performance ja leider etwas unschön beendet wurde, ist jetzt unser Ballkünstler an der Reihe. David, darf ich dich ans Mikro bitten?", freute sich James. Und als David aufstand, um sich seinerseits für ein Lied bereit zu machen, setzte James sich zwischen Harry und mich. Er legte uns jeweils eine Hand auf den Oberschenkel: „Harry, Louis, ich bin gespannt auf euer Duett. Und Jungs, das hier ist MEIN Abend, ruiniert den nicht", er drückte kurz meinen Oberschenkel und wendete sich dann an David, „leg los!"

Das ließ David sich nicht zweimal sagen und drückte auf den Zufallsgenerator. Als die ersten Töne erklangen brachen wir alle in Gelächter aus. David hatte ausgerechnet ,say you'll be there' von den Spice Girls erwischt. Das sollte ihm wirklich wenig Probleme bereiten. Und erwartungsgemäß legte er enthusiastisch los. Er traf zwar nicht jeden Ton, hatte aber eine Menge Spaß dabei, das war ihm direkt anzusehen. James hatte mittlerweile seine Hände wieder von unseren Oberschenkeln genommen und wippte im Takt der Musik mit. Als David beim Refrain angekommen war, begann James leise mitzusingen, ebenso konnte er seine Arme nicht unter Kontrolle halten und schien das Video das Spice Girls nachspielen zu wollen. Harry und ich sahen uns über James hinweg schmunzelnd an. Offenbar hatte James mir das Wein-Malheur tatsächlich nicht übel genommen.

David sang sich sicher durch das Lied und als es endete applaudierten wir frenetisch. Im Gegensatz zu uns anderen war er es schließlich nicht gewohnt, vor Publikum zu singen und konnte nur auf die Erfahrung zuhause bauen. David verneigte sich vor uns und legte dann das Mikro auf der Karaoke-Maschine ab. James erhob sich zwischen uns und trat an den kleinen Bildschirm. Er scrollte durch die Liederauswahl, schüttelte zwischendurch immer mal den Kopf, weil er offenbar nichts passendes für uns fand. Auf einmal bildete sich ein verschlagenes Lächeln auf seinen Lippen, „die Herren, darf ich euch auf die Showbühne bitten?"

Harry und ich gingen langsam nach vorne und er drückte jedem von uns ein Mikro in die Hand, wo auch immer er das zweite so schnell hergezaubert hatte. „Zum Abschluss unserer kleinen Gesangs-Session dachte ich, dass wir, passend zum Motto des heutigen Abend, ein Weihnachtslied genießen können", er drückte auf den Startknopf und huschte dann schnell auf einen der Plätze neben David. Harry und ich sahen uns fragend an, doch dann erklangen schon die ersten Takte von Mariah Careys ,all I want for Christmas is you'. Ich stöhnte kurz auf, aber da ich uns die Sache hier eingebrockt hatte, konnte ich jetzt nicht kneifen. Ich warf einen Blick auf den Bildschirm und begann zu singen.

„I don't want a lot for Christmas
There is just on thing I need
I don't care about the presents underneath the Christmas tree"

Harry stimmte mit ein und gemeinsam sangen wir die die nächsten Zeilen. Irgendwann drehten wir uns zueinander und schauten uns beim Singen in die Augen. Nach dem ersten gemeinsamen Refrain übernahm Harry die zweite Strophe und ich den Background-Gesang.

„Oh-oh, all the lights are shining so brightly everywhere (so brightly, baby)
and the sound of children's laughter fills the air (oh, oh yeah)
and everyone is singing (oh yeah)
I hear those sleigh bells ringing
Santa, won't you bring me the one I really need? (oh yeah)
Won't you please bing my baby to me?"

Dann sagen wir gemeinsam weiter. Irgendwann nahm Harry meine Hand und es fühlte sich in dem Moment richtig an, Funken flogen zwischen uns hin und her. Wir sahen uns an, hielten unsere Hände und sangen uns an, unsere Stimmen verschmolzen zu einer Harmonie.

„All I want for Christmas is you, baby
all I want for Christmas is you, baby
all I want for Christmas you, baby
all I want for Christmas (all I really want) is you, baby
all I want (I wand) for Christmas (all I really want) is you, baby"

Unsere Stimmen verklangen, aber weder unsere Blicke, noch unsere Hände lösten sich. Ein angenehmes Kribbeln und eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper und ein warmes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Auch Harry schien die Situation und das Gefühl zwischen uns zu genießen. Bis lauter Jubel erklang und wir auseinanderzuckten. David pfiff und der Applaus war lauter als bei allen anderen Auftritten bisher. Ich bemerkte, dass mein Kopf feuerrot anlief und auch Harry schien verlegen zu sein. Mit gesenktem Kopf, setzte ich mich wieder auf meinen Platz und ärgerte mich erneut, dass ich meine Zigaretten zuhause vergessen und somit keine Chance hatte, der Situation zu entkommen. Harry nahm ebenfalls wieder Platz und drehte nervös sein Weinglas in der Hand hin und her.

James hingegen schien mehr als glücklich zu sein: „Hach, da passen eure Outfits ja perfekt zur Liedauswahl", rief er euphorisch und klatschte erneut in seine Hände, „mögt ihr das Duett nicht aufnehmen? Ihr landet damit sicherlich auf Platz 1 der Charts. Und ich kann dann stolz sein, dass das mein Werk ist", er strahlte über das ganze Gesicht, „aber genug dazu. Seid ihr auch so hungrig wie ich? Ich denke, es wird Zeit für die Hauptspeise." Mit lautem Glockengebimmel machte James sich auf den Weg in die Küche und ließ uns am Tisch zurück.

Davids Blick wanderte fragend zwischen Harry und mir hin und her, während wir uns nicht trauten, uns anzusehen. Verdammt, das Knistern zwischen uns war immer noch wahrnehmbar. Hoffentlich nur für mich und nicht für alle im Raum. Aber als wir gemeinsam gesungen hatten, hatte sich das einfach richtig angefühlt. Einen kurzen Moment später kam James auch schon vollbeladen wieder zurück. Wann hatte er denn die Hauptspeise fertiggestellt? Er war doch die gesamte Zeit hier bei uns im Raum gewesen. James stellte vor jeden von uns einen Teller mit einer knusprigen Entenbrust, etwas Rotkohl und den anderen Beilagen. Von dem heißen Essen stieg ein angenehmer Geruch auf. James tauschte noch schnell unsere Gläser aus und gab uns einen anderen Wein.

„Das riecht toll, James. Aber verrat mir mal bitte dein Geheimnis, wen hast du für dich kochen lassen, während du mit uns gesungen hast?", fragte ich nach.

„Ach, hast du gar nicht gemerkt, dass Jamie Oliver bei mir in der Küche steht?", war James schmunzelnde Antwort. „Weißt du Louis, nicht jeder kocht so ungern wie du", konnte er sich den Seitenhieb nicht sparen, „ich habe alles vorbereitet und mein Backofen hat für den Rest gesorgt. Schließlich will ich heute meinen Spaß mit euch haben."

„‚Spaß...'", ich unterstützte meine Aussage mit angedeuteten Gänsefüßchen, "aber gut, ich glaube dir mal und werde keine Punkte abziehen", grinste ich zurück.

„Dann haut rein!" Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und begannen genüsslich zu essen. Die Ente schmeckte wirklich hervorragend und die Haut war schön knusprig. Wir aßen mehr oder weniger schweigend, nur ab und zu unterbrochen von Geräuschen, die darauf hindeuteten, dass es allen gut schmeckte.

„Oh, Mist", sprach James auf einmal und ich blickte zu ihm. Ein paar Rotkohlflecken zierten seine Brust, offenbar war ihm seine Portion von der Gabel gefallen.

„Das hättest du mal besser mit der Suppe gemacht, das hätte farblich besser zu deinem Tannenbaum gepasst, als der Rotkohl", zog ich ihn auf.

„Lach du nur, Tomlinson. Warst du nicht derjenige, der hier vorhin den Tisch gebadet hat?"

„Ich sag ja gar nix mehr", schmunzelte ich, bevor er noch auf andere dumme Ideen kommen konnte.

Viel zu schnell waren die meisten Teller mehr oder weniger leer. Harry hatte einen Teil der Ente nicht aufgegessen und bei mir waren noch ein paar Kürbisstückchen übriggeblieben.

„Möchte noch jemand Nachschlag?", erkundigte sich James bei uns. Aber obwohl es wirklich lecker gewesen war, lehnten wir alle ab. Ich für meinen Teil freute mich sehr auf das Bratapfeltiramisu und wollte dafür auf jeden Fall noch Platz lassen. James räumte die Teller in die Küche und setzte sich wieder zu uns.

„Okay Leute, wir haben jetzt zwei Optionen. Möglichkeit 1: wir nutzen die wunderbare Weihnachtsdekoration meiner ebenso wunderbaren Frau für Fotos in unseren mindestens ebenso hübschen Outfits. Dann muss nur einer von euch sein Handy in das Stativ da vorne stecken. Oder Möglichkeit 2: wir entledigen uns der Outfits und schwimmen eine Runde im Pool. Das hatte doch irgendwer schon am Sonntag bei Harry vorgeschlagen. Was sagt ihr?"

„Ich hab' kein Schwimmzeug mit, da bin ich raus", sagte David, „von mir also eine Stimme für Nr. 1."

„Vorhin war es doch schon sehr frisch, daher bin auch ich für Option 1, außerdem müssen wir doch auch eigene Erinnerungsfotos an den heutigen Abend haben, nicht nur die Fernsehausstrahlung", meinte Harry.

„Louis, komm, unterstütz mich, lass uns in den Pool gehen", zwinkerte James mir auffordernd zu.

„Sorry James, du hast die Chance vertan, ich habe meine Schuld schon mit dem Karaoke-Duett eingelöst. Von daher bin ich bei der Wahl auf der Seite von Harry und David", schüttelte ich den Kopf.

„Ihr seid langweilig!", murrte James, platzierte uns aber dennoch vor der geschmückten Wohnzimmerwand. Harry klemmte sein Handy in das Stativ und die Kamerafrau erklärte sich dazu bereit, die Fotos von uns zu machen. Neben Gruppenfotos, posten wir auch einzeln vor der Kamera. Dann machten Harry und James gemeinsam ein Selfie. Danach wollte James auch jeweils mit David und mir ein Foto haben. Wir zogen wilde Grimassen und hatten eine Menge Spaß dabei. Immer mehr Fotos füllten Harrys Bildergalerie.

„So, jetzt lasst mal noch unser Karaoke-Duett-Paar gemeinsam vor die Kamera", forderte James von uns. Und Harry und ich stellten uns in Position. Da ich leider ein wenig kleiner war als er, stellte er sich schräg hinter mich und legte sein Kinn auf meine Schulter, seine Locken kitzelten meinen Nacken. Harry drehte seinen Kopf ein wenig und unsere - oder besser die unseres Kopfschmucks - Ohren stießen aneinander. Wir kicherten kurz. „Hört mal auf zu zappeln, das sollen schöne Fotos werden", rief uns James zurecht.

Harry veränderte deswegen ein klein wenig seine Position und legte seine rechte Hand auf meiner rechten Hüfte ab, Stromstöße schossen durch meinen Körper. Dass ich seine Körperwärme gleichzeitig an meinem Rücken spürte, war der ganzen Situation keineswegs förderlich. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „So ist es besser, bitte weiterhin so Lächeln", kamen weitere Anweisungen von James.

Ich drehte meinen Kopf vorsichtig in Harrys Richtung und schaute auf sein Profil. Seine weiche Wange lag direkt vor mir und ich konnte gar nicht anders, als ganz kurz meine Lippen darauf zu drücken. Harrys Griff an meiner Hüfte wurde fester. Ich atmete vorsichtig durch die Nase ein, um möglichst viel von Harrys Geruch wahrnehmen zu können, dann drehte ich den Kopf wieder nach vorne. „Das sollten wir als Cover für eure Weihnachts-Single nehmen, Louis", schmunzelte James und David grinste ebenfalls. Ich trat einen Schritt vor, um die Nähe zwischen Harry und mir ein wenig zu unterbrechen. Automatisch rutschte Harrys Hand ab und streifte dabei meinen Po. Erneut schossen heiße Stromstöße durch meinen Körper und ich wollte nichts lieber, als mehr davon zu fühlen. Aber das hier war weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt dafür. Also machte ich einen weiteren Schritt nach vorne.

„Haben wir dann jetzt genug Fotos?", fragte Harry.

„Eigentlich hätte ich ja gerne noch eins, auf dem man eure beiden Pullis sieht, eben hat Louis ja deinen Pulli verdeckt", meinte James, „aber ihr habt Glück, ich entlasse euch mal."

„Kann ich dann bitte mein Handy wieder haben?"

James nahm das Handy aus der Halterung und reichte es Harry. „Aber nur, wenn du uns die Fotos schickst. Soll ich eine Gruppe mit euch allen machen?"

Harry nahm das Foto entgegen und schüttelte den Kopf. "Nee, eine Gruppe ist nicht nötig. Ich schicke euch die gleich. David, gibst du mir dann noch deine Nummer?"

Die beiden tauschten die Nummern aus und kurz darauf hörte man Davids Handy brummen. Wir drei Gäste setzten uns wieder an den Tisch, während James erneut in der Küche verschwand. Auch mein Handy vibrierte kurz darauf in der Hosentasche. Ich zog es heraus und entsperrte es. Statt des Messengerdienstes war noch die Fotogalerie offen und zeigte ein Foto von Freddie, der auf meinem nackten Oberkörper lag. Nun ja, eigentlich sollte man Freddie sehen, aber aktuell sah man mehr von meiner Schulter und dem Tattoo-Schriftzug auf meiner Brust. Ich schmunzelte, hatte Harry etwa in das Bild gezoomt? Ich blickte kurz auf und sah Harry an. Der war aber offenbar noch damit beschäftigt, die Fotos von eben an alle zu verteilen. Erneut blickte ich auf mein Foto. Soso, der Herr wollte also wissen, wie mein Oberkörper nackt aussah. Der einfachere Weg wäre sicherlich gewesen, die Google-Suche zu bemühen, denn bei der letzten Tour neigten die Fans dazu, mir meine Tops vom Körper zu reißen, so dass ich regelmäßig oben ohne auf der Bühne stand. Davon gab es tausende Fotos im Internet. Aber irgendwie war das niedlich, dass er neugierig war. Und irgendwie auch süß. Ich öffnete unseren Chat und bevor ich mir die Fotos ansah, die er mir geschickt hatte, tippte ich schnell eine Nachricht.

Louis: „War da jemand vorhin neugierig?"

Dann sperrte ich mein Handy wieder und steckte es in die Tasche. Die Fotos in den albernen Kostümen konnte ich mir auch später noch anschauen. Harry starrte in sein Handy und seine Ohren - nicht die Rentierohren - wurden rot. Er krauste seine Nase und hob vorsichtig den Kopf, um zu mir zu schauen. Ich schaute ihm in die Augen und prompt senkte er wieder den Kopf, um auf sein Handy zu schauen. Dann räusperte er sich, steckte sein Smartphone in die Tasche und trank einen Schluck Wein. Ich lächelte ihn kurz an, was er vorsichtig erwiderte.

James kam mit einem großen Tablett zurück zu uns und stellte jedem von uns eine kleine, ovale Schale mit dem Bratapfeltiramisu hin. Das roch sehr verführerisch. Oben auf das Tiramisu hatte er zur Dekoration noch einen Zimtstern gelegt. Ja, er zog das Weihnachtsthema wirklich konsequent durch.

„Unser letzter Gang steht an. Am liebsten hätte ich euch den noch gar nicht serviert, um das Ende möglichst lang hinauszuzögern. Als wir uns zum ersten Mal bei David getroffen haben, hätte ich nicht gedacht, dass wir vier so tolle Abende haben würden. Erlaubt ihr mir, als Gastgeber des letzten Abends, kurz unsere jeweiligen Dinner Revue passieren zu lassen?", setzte James zu einer abschließenden Rede an. Wir stimmten ihm nickend zu. „bei David hatten wir ein tolles, klassisches Menü und mussten erstmal miteinander warm werden. Der zweite Dinnerabend führte uns zu Louis, der uns ein eher ungewöhnliches Menü auftischte und die Überdosierung des Salzes mit fehlendem Wein kompensierte", er zwinkerte mir zu und ich wusste, dass er das nicht böse meinte. Dennoch konnte ich das so nicht stehen lassen.

„James, darf ich dich erinnern, dass dein Abend noch nicht vorbei ist und ich immer noch die Punktemacht habe", schmunzelte ich und erhob spaßeshalber meinen Zeigefinger.

„Oh, Mr. Tomlinson, ich vergaß, dass du ja schon den ganzen Abend dabei bist, mich zu sabotieren... Also weiter. Der dritte Abend führte uns zu Harry, der uns Fine-Dining servierte. Aber seltsamerweise sein Dinner ebenfalls mit Bier abschloss", James schüttelte kurz seinen Kopf und fuhr dann fort, „und heute seid ihr endlich alle bei mir. Ich habe mich schon seit meiner Anmeldung bei der Show auf den heutigen Abend gefreut. Und ihr kennt mich, bei mir gibt es nicht nur Essen, sondern das volle Programm. Ich hoffe, dass ihr genauso viel Spaß wie ich bisher hattet", er hob sein Weinglas, „wollen wir dann auf den letzten Gang anstoßen? Unseren letzten gemeinsamen Moment? So jung kommen wir nicht mehr zusammen."

Wir stießen an und ich probierte einen kleinen Schluck von dem Dessertwein. Dann nahm ich meinen Löffel, weil ich endlich das Tiramisu probieren wollte. Doch Harry meldete sich noch einmal zu Wort.

„Darf ich auch noch was sagen, bevor wir essen und gleich ins Food-Koma fallen?", wir stimmten erneut zu, „mir haben die Abende mit euch auch wirklich gut gefallen und ich würde das gerne wiederholen und euch alle wiedersehen. Ich habe eine Silvesterparty bei mir im Haus mit einigen Leuten geplant. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch alle kommt. James hat sowieso schon zugesagt, aber David und Louis, ich fänd's toll, wenn ihr auch dabei seid, selbstverständlich dürft ihr jemanden mitbringen."

„Sorry Mate, wir fliegen direkt am 26. in die USA zu Brooklyn und feiern dann dort auch Silvester. Deswegen bin ich leider bei deiner Party raus. Dabei hätte ich gerne mal gesehen, wie eine Party bei dir abläuft, Harry", entschuldigte sich David.

„Louis, du kommst aber?", wendete sich Harry an mich und sah mich aus großen Augen fragend an.

„Ich..., ich kann das noch nicht sagen", stammelte ich und ich sah, wie ein trauriger Schleier sich über Harrys Augen legte, „es tut mir leid. Ich wäre gerne dabei, aber ich kann jetzt echt noch nicht zusagen", versuchte ich mich zu entschuldigen, „weißt du, Freddie ist ab Weihnachten bei mir und ich muss ihn zu Silvester wieder in L.A. abliefern. Wir haben noch keine Flüge gebucht, aber ich lasse meinen kleinen Mann nicht alleine fliegen. Und dann hängt es ja davon ab, für wann ich den Rückflug bekomme. Selbst wenn ich dann pünktlich zurück bin, kann ich immer noch nicht 100%ig zusagen. Meine kleine Schwester, Phoebe, bekommt doch ihr Baby. Und sie hat mich gebeten, als großer Bruder die ganze Zeit im Krankenhaus - nicht im Kreißsaal - dabei zu sein. Das wird meine erste Nichte, da kann ich mein Versprechen nicht brechen. Also, so gerne ich würde, Harry, und glaube mir, ich würde sehr, sehr gerne Silvester mit dir verbringen, ich kann dir jetzt nicht zusagen."

Es tat mir im Herzen weh, Harrys Blick zu sehen. Er sah wirklich traurig aus. Aber ich hatte es halt wirklich Phoebe versprochen und Freddie ging auch immer vor. Und wenn ich ehrlich war, tat es mir nicht nur wegen Harrys traurigen Augen leid, sondern auch für mich selbst. Mit ihm ins neue Jahr zu starten wäre mit sicherlich der perfekte Anfang für ein tolles 2024 geworden. Ich seufzte.

„Okay, Louis, ich verstehe, dass du Verpflichtungen hast", sagte Harry mit leiser Stimme.

„Bevor hier jetzt traurige Stimmung aufkommt, fangt mal an zu essen", versuchte James abzulenken. Demonstrativ schob er sich einen vollen Löffel Tiramisu in den Mund. David und ich folgten seinem Beispiel, während Harry immer noch auf seinen Teller schaute und keine Anstalten machte, sich seinen Löffel zu nehmen.

„Das schmeckt toll, James", sagte David, „richtig schön weihnachtlich. Ich hatte ja erst ein bisschen Angst, dass es zu sehr nach Marzipan schmecken würde, aber durch den Apfel ist es gleichzeitig frisch."

„Das stimmt", stimmte ich David zu, „ich hätte es zwar so nicht ausdrücken können, aber das ist verdammt lecker. Und ich liebe sowieso Tiramisu!"

„Danke, ihr beiden. Harry, was sagst du zu meinem Dessert?", fragte James nach. Harry griff sich endlich seinen Löffel und begann zu essen. Hoffentlich hatte ich ihn nicht zu sehr verletzt. Aber ich wollte nichts zusagen, was ich nicht halten könnte.

Zwischen James und David entspann sich derweil ein Gespräch über Marzipan und James erzählte, dass er traditionell zu Silvester kleine Marzipanschweinchen verschenken würde. So kamen wir auf andere Silvestertraditionen zu sprechen und beide erzählten, dass ihre Jungs total auf Feuerwerk standen und es nichts Schöneres für sie gab, selbst Raketen anzuzünden. Ich selbst sah zwar eigentlich gerne Feuerwerk und hatte auch keineswegs was gegen ein bisschen Pyrotechnik auf der Bühne, aber Silvester war für meinen vierbeinigen Freund immer eine Qual. Er hatte Angst vor den lauten Knallern und versteckte sich am liebsten irgendwo. Oder kroch auf meinen Schoss.

Das Gespräch wurde insgesamt wieder fröhlicher und Harry berichtete, was er an Catering er für Silvester geplant hatte. Es sollte eine Art Flying-Buffet geben, also kleine Snacks, die auf Tabletts angereicht wurden. Das klang lecker und ich hoffte, Silvester weder im Flugzeug noch in einem sterilen, nach Krankenhaus riechenden Warteraum verbringen zu müssen. Zu gerne hätte ich mit Harry gefeiert. Schneller, als es uns bewusst war, waren unsere Dessertportionen aufgegessen und James meldete sich wieder zu Wort.

„Ich hoffe, es hat euch geschmeckt. Bevor ihr gleich eure Punkte abgeben müsst", er sah mich warnend an, „wollte ich euch noch kurz sagen, dass ihr die heutigen Outfits natürlich behalten dürft. Das ist mein kleiner Dank dafür, dass ihr den heutigen Abend so gut mitgemacht habt."

Wir dankten ihm, auch wenn ich den Pulli zuhause in die letzte Ecke schmeißen würde. Den Haarreifen würde ich ggf. behalten und zum traditionellen Tomlinson-Geschwister-Weihnachts-Pyjama-Foto wieder aufsetzen. Zumindest Freddie und Lucky, wahrscheinlich auch Ernie und Doris würden das bestimmt lustig finden. Vielleicht sollte ich James fragen, ob er noch ein paar hätte, dann würde ich für jeden meiner Geschwister und die beiden Kleinen welche mitnehmen. Das käme bestimmt gut an.

Während ich also James danach fragte, wurde David zur Punktevergabe rausgebeten. Als er zurückkam, war Harry an der Reihe, James begann derweil den Tisch abzuräumen. Außerdem stellte er vier Champagner-Gläser und einen großen Sektkühler bereit. Dann wurde ich auch schon hinaus gebeten.

„Hallo Louis", wurde ich von JP begrüßt, den ich heute Abend noch gar nicht gesehen hatte. Das Kamerateam hatte er heute nicht unterstützt. Offenbar war er erst jetzt zum Finale des Abends aufgetaucht, weil er auch gleich das Preisgeld übergeben müsste, „ihr hattet heute einen wilden Abend, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, wie geht es dir?"

„Soweit ganz gut, danke. Ich muss sagen, als ich heute den Pullover ausgepackt habe, hätte ich den am liebsten nicht angezogen. Aber ich wollte kein Spielverderber sein. Und was den Abend angeht: er hatte Höhen und Tiefen. Es ist mir immer noch ein bisschen peinlich, dass ich den Tisch unter Wasser gesetzt habe."

„Ach, mach' dir deswegen keine Sorgen, ich glaube, James nimmt dir das nicht übel", versuchte er mich zu beruhigen, „magst du dann deine Punkte vergeben? Wie du weißt, kannst du maximal zehn Punkte für den ganzen Abend vergeben und neben dem Essen solltest du auch die Gastgeberqualitäten und die heutige Stimmung bewerten."

„Alles klar. Also, hm... für die Vorspeise gebe ich James zwei Punkte, die war zwar lecker, aber letztlich war es immer noch Suppe. Die Hauptspeise bekommt von mir drei Punkte, die Ente war wirklich toll und der Rotkohl hat mich an ein Essen meiner Grandma erinnert. Kürbis ist zwar nicht so mein Fall, aber dafür ziehe ich keinen Punkt ab, das kann James ja nicht wissen. Das Bratapfeltiramisu bekommt von mir ebenfalls drei Punkte, das war richtig toll."

„Dann wären wir bis jetzt bei acht Punkten, was sagst du noch zum Rest?"

„Okay, er bekommt dafür jeweils noch einen Punkt für die Stimmung und seine Gastgeberqualitäten dazu, mehr als zehn Punkte darf man ja nicht vergeben."

„Der Abend war also eine 10 von 10 für dich?", hakte JP erstaunt nach und sah mich fragend an.

„Nein, ich war noch nicht ganz fertig... einen Punkt ziehe ich für diesen hässlichen Pullover ab. Und James kann mir nicht weismachen, dass er die Pullover für Harry und mich nicht extra so ausgesucht hat. Einen weiteren Punkt muss ich leider dafür abziehen, dass er mich zweimal dazu gezwungen hat, Karaoke zu singen. Und dann auch noch zwei Lieder, die so gar nicht in mein übliches Repertoire passen - nichts gegen meine Kolleginnen, aber meine Wahl wäre auf andere Lieder gefallen."

„Alles klar, dann sind wir insgesamt bei acht Punkten für James. Danke Louis. Da du der letzte bei der Punktevergabe warst, darfst du jetzt zu den anderen zurück gehen. Ich mache hier derweil mal die Auswertung und komme dann zu euch", erklärte JP mir noch kurz.

Zurück am Tisch, der mittlerweile fast leer geräumt war, herrschte eine gespannte Stimmung. James war noch in der Küche, kam dann aber zu uns und stellte die Champagnerflasche in den Kühler und eine große Schale mit Weihnachtsplätzchen vor uns auf den Tisch.

„Bedient euch. Die Plätzchen haben meine Kinder extra für euch verziert."

Ich streckte die Hand aus, um mir einen Keks zu nehmen und offenbar hatte Harry das zeitgleich ebenfalls getan, denn unsere Fingerspitzen berührten sich. Erneut breitete sich ein Kribbeln über meine Hand und meinen Arm aus. Ich hob kurz den Kopf und lächelte ihn an, was er erwiderte. Keiner von uns machte Anstalten, die Hand wegzuziehen. Dann nahm ich mir aber doch ein Plätzchen, bevor das hier zu seltsam wurde, und schaute mir den Keks an. Ich hatte einen Pinguin erwischt und eines der Kinder hatte ihm Kopfhörer mit Zuckerguss aufgemalt. Ich grinste breit, erinnerte mich das Plätzchen doch sehr an das Tattoo auf meiner Pobacke. „Hübsch", sagte ich in James Richtung und biss dem Pinguin den Kopf ab, „und lecker!"

„Hast du jetzt den armen Pinguin geköpft?", frage Harry lachend.

„Wie hätte ich den sonst bitte essen sollen?"

„Du musst ihn ja nicht direkt töten, Pinguine sind Freunde", schmunzelte er, biss dann aber seinerseits in einen Stern.

„Aber dem armen Stern darfst du die Strahlen abbeissen, oder was?", kicherte ich zurück.

Bevor wir uns weiter über die Plätzchen unterhalten konnten, kam JP in den Raum und gespannte Stille breitete sich aus. James öffnete die Flasche und schenkte jedem ein Glas Champagner ein, während JP uns jeweils einen Umschlag in die Hand drückte. Ich war versucht, diesen direkt zu öffnen und knibbelte vorsichtig an der Rückseite, was mir einen strafenden Blick von Harry einbrachte.

„Danke, liebe Dinnerteilnehmer, dass ihr teilgenommen habt", wandte sich JP an uns, „wie ihr wisst, ist das ein besonderes Weihnachtsdinner und dient einem guten Zweck. Jeder von euch sollte sich im Vorfeld ein bis zwei Organisationen überlegen, an die das Preisgeld gespendet werden soll. Unser Fernsehsender stellt in diesem Jahr ein Preisgeld von 20.000 Pfund bereit", er hielt einen Scheck hoch, „derjenige von euch, der mit seinem Abend die meisten Punkte erzielt hat, bekommt das Preisgeld und darf dann entscheiden, welche Organisation bedacht werden soll. In euren Umschlägen findet ihr eure Punkte. Darf ich vorschlagen, dass ihr die Umschläge gleichzeitig öffnet und dann die Punktekarten auf mein Zeichen hin umdreht? Dann können wir direkt filmen, wer von euch gewonnen hat."

Wir stimmten gespannt zu und widmeten uns unseren Umschlägen. Ich zog meine Karte heraus und starrte auf die Punktzahl „25". Das hätte ich nie erwartet, ich hatte mit einem Schnitt im guten Mittelfeld, also 18-20 Punkten gerechnet. Schließlich wusste ich, dass ich nicht der beste Koch war. Ein breites Lächeln zog sich über mein Gesicht, als ich in die Runde blickte. Die anderen schauten ebenfalls gespannt hoch.

„Dann dreht mal um", forderte JP uns auf.

Mein Blick wanderte durch die Runde: David hatte solide 24 Punkte, James ebenfalls und auf Harrys Karte prangte eine große 25. Ich schaute noch einmal auf meine Karte, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verguckt hatte. Aber nein, dort standen ebenfalls 25 Punkte. Krass. Ich lachte und stand auf, um Harry zu umarmen.

„Harry, Louis, habt ihr gepfuscht?", kam es von James, „ihr habt euch doch gegenseitig die Punkte zugeschoben, oder?"

„Herzlichen Glückwunsch, Jungs, ich freue mich für euch", entgegnete David.

Ich konnte es noch gar nicht fassen und umarmte Harry fester und spürte auch seine Arme um mich. Er gab mir das Gefühl, in seinen Armen sicher und geborgen zu sein.

„Glückwunsch, Lou, du hast das verdient", flüsterte er in meine Haare, was mir prompt eine Gänsehaut auf der Kopfhaut bescherte.

„Danke. Dir auch einen herzlichen Glückwunsch. Dein Essen war so viel besser als meins, Harry", ich löste unsere Umarmung und nahm mir mein Glas, „ich danke euch für eure Punkte, das hätte ich nie erwartet."

„Wir auch nicht", kam es von James, der daraufhin einen Klaps auf den Hinterkopf von Harry kassierte, der seine Glöckchen zum bimmeln brachte.

„Ich danke euch ebenfalls sehr", sprach Harry, „das war eine tolle Erfahrung und ich hatte vier tolle Abende mit euch. Eigentlich hätten wir alle vier gewinnen sollen und es ist ja auch echt knapp ausgegangen. Aber ich freue mich, dass ich mir den Gewinnerplatz mit Louis teile. Lasst uns anstoßen."

Harry und ich bewegten unsere Gläser aufeinander zu und verhakten unsere Blicke miteinander. Am liebsten wäre ich für den restlichen Abend in seinen Augen versunken. Als wir uns wieder lösten, stießen wir mit den anderen an und tranken dann auf die erfolgreiche Sendung.

„Ich will euch ja ungern in eurem Freudentaumel unterbrechen", ließ sich JP vernehmen, „aber ich habe hier noch einen Scheck für euch...", er drückte Harry das Plakat, das den Scheck symbolisierte in die Hand, „Louis, fass mal bitte die zweite Seite des Schecks an und dann dürft ihr verkünden, wer das Geld bekommen soll."

Ich hatte mir vorher etliche Gedanken gemacht und hatte ursprünglich überlegt, meinen Gewinn auf mehrere Organisationen, wie eine Anti-Drogenkampagne in Andenken an meine Schwester Fizzy und eine Regenbogen-Gruppe für queere Jugendliche aufzuteilen. Letztlich hatte aber mein Herz sich entschieden.

„Also mein Teil des Gewinns geht an eine Organisation für die Krebsforschung", so wollte ich verhindern, dass andere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene das gleiche Schicksal wie meine Geschwister und ich erleiden musste, als unsere Mum uns viel zu früh verlassen hatte. Ich sah auffordernd zu Harry hinüber.

„Meinen Teil möchte ich gerne der Organisation zukommen lassen, die meine Mum unterstützt. Sie setzen sich für die Erforschung von Parkinson ein." Oh, das gefiel mir, dass Harry ebenfalls seine Mutter unterstützen wollte. Er schien genauso an seiner Familie zu hängen wie ich. Ein weiterer Pluspunkt auf meiner ganz geheimen Liste.

„Das sind schöne Ziele für das Preisgeld", meldete JP sich zu Wort, „James, David, mögt ihr sagen, an wen ihr gespendet hättet, wenn ihr gewonnen hättet?"

Während David einkommensschwachen Kindern und Jugendlichen Sport ermöglicht hätte, hätte James sein Preisgeld zugunsten von Gewaltopfern verwendet. Das waren auch beides tolle Ziele und insbesondere Davids Organisation klang für mich vielversprechend. Damals, bevor ich bekannt geworden war, hatten wir als Großfamilie ebenfalls dazu gehört und nicht jeder von uns Kindern konnte die Sportart ausüben, die er oder sie gerne gewollt hätte. Da hatte ich als fußballbegeisterter Knirps ein bisschen mehr Glück als meine Schwestern, die gerne Reiten lernen wollten.

Das Plakat wackelte in unseren Händen, als Harry sich zu mir neigte und mir ins Ohr wisperte: „Sag mal, was hältst du davon, wenn wir von unserem eigenen Geld etwas an die Ziele von James und David spenden würden? Ich finde, wir haben eh alle gewonnen." Ich nickte bestätigend und flüsterte zurück: „Das ist eine gute Idee." Dann hob ich meine Stimme an und verkündete etwas lauter: „Hört mal, Harry und ich haben gerade beschlossen...", ich schaute fragend zu Harry, weil wir uns auf keinen Betrag geeinigt hatten. Prompt kam „2.000" von ihm und ich beendete meinen Satz, „2.000 Pfund von unserem eigenen Geld an jede eurer Organisationen zu spenden, weil wir im Grund eh alle gewonnen haben."

JP schaute uns überrascht an. „Wow, das ist eine große Geste."

Er wurde von David unterbrochen, der nach einem kurzen Blickwechsel mit James verkündete: „Wir ziehen mit und spenden die gleiche Summe an unsere Organisationen."

„Das nenn' ich mal eine spendable Runde", grinste JP begeistert und wir anderen vier ließen erneut unsere Champagnergläser aneinander klirren.

Nachdem dieses Abschlussbild von den Kameras eingefangen war, begannen JP und sein Team das ganze Equipment zusammen zu packen. JP verabschiedete sich noch von jedem von uns und ich war mir sicher, dass ich das Fernsehteam wirklich vermissen würde, sowohl die quirlige Antje aus den Interviews als auch JP, der uns immer souverän durch die Abende begleitetet hatte. Irgendwann hatten alle uns verlassen und wir waren zu viert am Tisch zurück geblieben. Die Champagnerflasche war leer und auch der Plätzchenteller sah gut geplündert aus.

„So, ich sollte mich mal langsam auf den Heimweg machen", David streckte sich auf dem Stuhl aus und seine Gelenke knackten. James gähnte herzhaft und ergänzte: „Ja Kinder, wir sollten so langsam alle an unsere Betten denken."

Harry und ich tauschten einen kurzen Blick aus und auch ich konnte ein Gähnen nur schwierig unterdrücken. Doch ja, ich war durchaus müde, auch wenn ich den heutigen Abend am liebsten nie beenden wollte. Die kommenden Wochen würden anstrengend genug werden, da wollte ich diese Auszeit noch eine Weile genießen. Dennoch erhoben wir uns alle von unseren Plätzen und fanden uns kurz darauf im Hausflur wieder, wo James uns unsere Winterkleidung reichte. Ich schlang mir den schwarzen Schal einmal um den Hals und zog dann meine Jacke darüber, bevor ich den Haarreifen in den Beutel packte, in der der Fußball für Freddie und die Haarreifen für meine Geschwister lagen, um die ich James vorhin gebeten hatte, als die anderen beiden ihre Punkte verteilt hatten. Dann zog ich mir meine blaue Strickmütze über die Ohren. Harry hatte seine Schiebermütze ebenfalls wieder aufgezogen und die Hände in seinen Manteltaschen vergraben. David verabschiedete sich gerade von ihm. Dann wandte er sich an mich. „Und wir, Louis? Wir bleiben auch in Kontakt, oder? Du musst mir noch sagen, ob deinem Kleinen der Ball gefallen hat."

„Sofern er den jemals bekommt", warf Harry grinsend ein, was ihm einen Ellbogencheck meinerseits einbrachte.

„Aua!", übertrieben schmerzhaft verzog er sein Gesicht und zog einen Schmollmund, während er dramatisch über seine Flanke rieb.

„Hey, lass' Harry ganz oder ich lasse dich doch Kabeljausperma essen", kam es prompt beschützend von James. Er zählte mir noch weitere Speisen auf, die ich in seiner Show erwarten könnte und erneut bereute ich meine unvorsichtige Zusage. Wahrscheinlich wäre ein Sketch oder meinetwegen auch Karaoke die bessere Alternative als ein Spiel um Geheimnisse und grässliches Essen. Ich war hier ja schließlich nicht im Dschungelcamp. Kurze Zeit später hatte David sich dann wirklich auf den Heimweg gemacht und Harry fragte mich, wo Cliff heute den Abend verbracht hatte. Wie sprachen darüber, wie cool es doch war, dass wir beiden gemeinsam gewonnen hatten, auch wenn ich bedauerte, dass es keine Trophäe gab, die ich meiner Familie hätten zeigen können. Wobei Harry und ich uns dann das Sorgerecht für den Pokal hätten teilen müssen. Dann erklärte er mir noch kurz, wie toll er meine Performance und meine Singstimme fand und dass sein plötzlicher Aufbruch gar nichts damit zu tun gehabt hätte. Er habe lediglich etwas im Auge gehabt, was wohl sehr unangenehm gewesen sei. Da ich das Gefühl kannte, da mir ab und an mal eine Kontaktlinse verrutschte, wenn ich sie denn überhaupt trug, stimmte ich ihm zu und vergewisserte mich mit einem prüfenden Blick in seine Augen, dass jetzt wieder alles in Ordnung war. Harry nickte eifrig und schwärmte dann von unserem gemeinsamen Lied und dass wir doch wirklich mal darüber nachdenken sollten, gemeinsam ins Studio zu gehen, weil unsere Stimmen so gut miteinander harmonierten. Eine Vorstellung, die mir durchaus gefiel. Gemeinsam mit ihm im Tonstudio... Ich musterte ihn und mir fiel auf, dass wir nur noch zu zweit im Flur standen. „Oh. James ist gegangen?", ich war so auf unser Gespräch fixiert gewesen, dass mir das bis dato gar nicht aufgefallen war. Ich steckte meine Hände in meine Jackentaschen, weil ich plötzlich nicht mehr wusste, wohin damit.

Harry schien es ähnlich zu gehen, doch stattdessen zog er etwas aus seiner Manteltasche heraus und hob seinen Arm über unser beider Köpfe.

„Schau mal, was ich habe mitgehen lassen", sprach er mit leiser, tiefer Stimme. Das, was er da hochhielt, war der verdammte Mistelzweig von vorhin. Und jetzt schwebte er über uns beiden. Ein breites Grinsen ließ meine Mundwinkel nach oben wandern, ich hatte ja bereits zuvor vermutet, dass Harry auf sowas wie Mistelzweige und die Symbolik dahinterstand.

„So?", fragte ich provokant, sah Harry in die Augen und machte einen Schritt auf ihn zu. In dem engen Flur war kaum noch Abstand zwischen uns beiden und langsam streckte ich mich ihm entgegen. Mein Atem beschleunigte sich spürbar und vermischte sich mit seinem, als unsere Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Als ich diese letzten Millimeter gerade überbrücken wollte, um endlich seine Lippen auf meinen zu spüren, standen wir plötzlich im Dunklen.

„Gute Nacht, ihr beiden", rief James von oben. Mein Kopf rutschte wieder ein Stückchen zurück und innerlich verdrehte ich die Augen. Es sollte wohl nicht sein. Nicht heute und nicht hier.

„Gute Nacht, Harry", verabschiedete ich mich flüsternd und sank zurück auf meine Fußsohlen. Leise drehte ich mich in Richtung der Türe und öffnete diese. Draußen wartete schon der Fahrer, der mich gleich nach Hause bringen sollte. Ich schloss die Tür hinter mir und zwang mich, nicht zurückzublicken. Ich ließ mich auf die warme Rückbank des Wagens sinken und schloss die Augen. Vor meinem inneren Auge liefen die letzten Minuten wie ein Film erneut ab. Ich atmete tief ein und aus Harrys Schal umströmte mich erneut sein angenehmer, Harry-typischer Geruch. Ich seufzte und kuschelte mich tiefer in den Schal, darauf bedacht, nicht schon im Auto einzuschlafen, sondern stattdessen gleich zuhause, mit diesem warmen, angenehmen Gefühl ins Land der Träume zu wandern. Dort würde ich von einem perfekten Dinner und einem Koch mit den perfektesten grünen Augen, den weichsten Locken und den schönsten Händen, die so gut zu meinen passten, als wären sie zwei Teile eines Puzzles, träumen.


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