2150 | Der Zweitkörper

Remi fühlte, dass etwas nicht in Ordnung war.

Was bei anderen Menschen ein Symptom beginnender Paranoia sein mochte, war in seinem Fall ein Anzeichen von Berufskompetenz im Endstadium. Als professioneller Gauner, Schmuggler und Kopfgeldjäger musste er immer wachsam und jederzeit fluchtbereit sein. Die Agenten des Galaktischen Sicherheitskorps hatten ihre Spione überall und Tris (das durchgeknallte Alfa-Lundi-Miststück) war vermutlich auch noch immer hinter ihm her.

Vorsichtig spähte Remi hinter einem mannshohen Ständer mit intergalaktischen Holo-Grußkarten hervor. Eine langbeinige Angorianerin in einem neongrünen Einteiler, mit verdrecktem Fell und blutrot unterlaufenen Augen lungerte vor den Lebenszeit-Automaten im hinteren Teil des Tankstellen-Ladens herum. Vermutlich wollte sie sich durch Prostitution ein paar Sekunden Extra-Lebenszeit verdienen.

Remis Blick wanderte zum Eingang des Ladens. Durch mehrere milchig angelaufene Scheiben konnte er auf die Flugplattform der Raumstation hinaussehen, die von weißen Chemolaternen nur unzureichend erhellt wurde und deren Tore zum Weltall hin von einem wabernden Kraftfeld verschlossen wurden. Nur eine Handvoll Landeplätze waren belegt. Bei den meisten Schiffen handelte es sich um private Shuttles oder um kleine, zivile Frachter, aber dazwischen stand auch ein gepanzertes Bergungsschiff. Ein älteres Exemplar. Eines von der Sorte, das über verdächtig viel Stauraum im Boden verfügte und vermutlich von Schmugglern dazu benutzt wurde, um SALZ in die Separatistengebiete zu befördern.

Remi schürzte missbilligend die Lippen. Er hatte sich schon vor Jahren aus dem SALZ-Schmuggel zurückgezogen. Nach der Großen Separation und seit der Gran Keisar verkündet hatte, dass seine Venatori (bekanntermaßen Ankläger, Richter und Henker in Personalunion) das Sicherheitskorps verstärken würden, war ihm die Angelegenheit zu heikel geworden. Wer sich mit den Handlangern des Gran Keisar anlegte, war entweder dumm wie eine deidalische Dörrpflaume oder vollkommen verzweifelt. Und Remi war nichts von beidem.

Als hätte er es mit seinen Gedanken heraufbeschworen (und Remi war abergläubisch genug, um zu denken, dass so etwas prinzipiell möglich wäre), öffneten sich in diesem Moment die Automatiktüren des Tankstellen-Ladens und die Crew des Bergungsschiffs drängte herein. Zu Tarnungszwecken hatten sich die Männer alte, gebraucht aussehende Arbeiterkleidung besorgt, doch Remi konnten sie nichts vormachen. Immerhin hatte er diese Nummer selbst schon ein paar Mal (und ziemlich erfolgreich, wie er fand) durchgezogen.

Deshalb wusste er auch bereits beim Anblick der Männer, dass es Ärger geben würde. Wer soeben das halbe Universum durchquert hatte – in gebrauchten Klamotten, mit einem höchstwahrscheinlich gestohlenen Schiff, auf der Flucht vor den Venatori und mit ein paar hundert Kilo hochgefährlichem Roh-SALZ im Gepäck – war so vollgepumpt mit Adrenalin (und anderen Substanzen), dass jeder Funke zu einer Explosion führen konnte. Und wenn das geschah, wollte Remi nicht in der Nähe sein.

Während die Schmuggler in den Laden einfielen, kurz und wenig erfolgreich mit einem Werbehologramm boxten und sich auf die Regale mit den Snacks stürzten, zog Remi den Kopf ein und huschte zwischen zwei Regalreihen mit Werkzeugen und Ersatzteilen hindurch zur Kasse. Dort erwartete ihn ein schlaksiger Angestellter mit fettigen Haaren, einem massiven Akne-Problem und einem labberigen Shirt, das ein Siebdruck-Porträt von Arren Cosma (der verhassten Separatistenführerin) zierte.

Exzentrisch, dachte Remi und knallte dem jungen Mann eine Packung gesalzene Yoomi-Maden auf den Tresen.

Quälend langsam tippte der Tankstellen-Angestellte den zu bezahlenden Betrag in seine altmodische Rechenmaschine. Dabei zuckte sein Blick immer wieder nervös zu den Neuankömmlingen, die den vorderen Teil des Ladens zerlegten.

Als der junge Mann endlich das erwartete Zeichen gab, wischte Remi mit der Tätowierung an seinem Handgelenk über die in den Tisch eingelassene Scan-Oberfläche. Ein hohes Piepsgeräusch ertönte, gefolgt vom Rattern der Rechenmaschine, was eine erfolgreiche Abbuchung signalisierte – allerdings nicht von Remis Konto. Er hatte die Tätowierung irgendeinem Angestellten des Galaktischen Großreichs aus dem Arm geschnitten und sich selbst angenäht. Eine gute Arbeit (jedenfalls, wenn man nicht so genau hinsah).

Remi schnappte sich seine Yoomi-Maden, wich den SALZ-Schmugglern aus und marschierte zur Tür.

Draußen stank es nach Treibstoff-Gasen, Schmiermitteln und mehrfach gefilterter Luft. Irgendwie dumpf, irgendwie schal, wie altes Frittierfett oder die Sümpfe auf Kall-

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ Remi herumfahren. Instinktiv tastete er nach seiner Pulswaffe, die er in einem Achselholster unter seinem Mantel trug.

»Schau mal, was ich gefunden hab!«

Eine blasse Hand hielt ihm ein altes, vergilbtes Büchlein mit einem abgenutzten Ledereinband hin. Zu der Hand gehörte ein dürres Männlein in einer viel zu weiten Latzhose, mit einem kahlen Schädel und einem teigigen Gesicht, das zu einem Ausdruck immerwährenden Erstaunens erstarrt war.

»Scheiße, Zwoter!«, schimpfte Remi. »Was machst du denn hier? Hab ich dir nicht gesagt, dass du das Schiff nicht verlassen sollst?«

Zwoter zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden. »Ja, schon, aber ...«

Die Automatiktüren glitten auf und die Angorianerin flüchtete ins Freie hinaus.

Zwoter deutete an Remi vorbei auf den Laden. »Die Männer da drinne müssen dieses Ding verloren haben. Am besten geben wir's ihnen zurück.«

Remi warf einen Blick über die Schulter – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einer der Schmuggler eine Pulswaffe zückte und damit auf den pickeligen Tankstellen-Angestellten anlegte.

Sofort ließ Remi die Tüte mit den Yoomi-Maden fallen, zog seine eigene Waffe, packte Zwoter am Arm und zerrte ihn mit sich über die Flugplattform.

Doch offenbar waren die angorianische Lebenszeit-Nutte und er die Einzigen, die den Ernst der Lage begriffen hatten.

»Hey! Hey!«, rief Zwoter und wedelte mit dem Büchlein, um die Schmuggler im Innern des Ladens auf seinen Fund aufmerksam zu machen.

»Sag mal, bist du dämlich?«, zischte Remi (obwohl er längst wusste, wie es um die geistigen Kapazitäten seines Zweitkörpers bestellt war).

»Er hat das Buch!«, rief einer der Schmuggler.

Remi fluchte, hob seine Waffe, stellte den Aktivator mit dem Daumen auf Gelb und feuerte ins Innere des Ladens, was die Schmuggler dazu zwang, hinter einem der Regale in Deckung zu gehen. Dann packte er Zwoters Arm fester und rannte los.

»Warum hast du das gemacht?«, jammerte Zwoter, während er mit ihm Schritt zu halten versuchte.

Remi sparte sich eine Antwort.

Sie hasteten über die Flugplattform, durch die konischen Lichtkegel der Chemolaternen (hell-dunkel-hell-dunkel), und retteten sich über die Laderampe auf Remis Schiff, die Acantha. Ein unauffälliges Reparaturschiff mit drei Greifarmen, das zur Arbeit an den Außenhüllen von Kreuzern und Raumstationen gemacht war.

Genau in diesem Moment stürzten die Schmuggler mit gezogenen Waffen aus dem Laden.

Remi behielt sie durch die Sichtschirme im Auge, ließ die Laderampe hochfahren und startete die Triebwerke. Die Bordelektronik meldete ihm eine Überdruckwarnung, die er jedoch geflissentlich ignorierte. Erst die zweite Warnmeldung ließ ihn innehalten. Offenbar hatten seine Sensoren ein bekanntes Schiff im Umkreis der Raum-Tankstelle ausgemacht.

Die Acuela.

Tris (das durchgeknallte Alfa-Lundi-Miststück) musste ihm bis in diesen abgelegenen Winkel des Universums gefolgt sein – und das nur, weil er sie beraubt hatte. Aber was hatte diese neureiche Schlampe auch erwartet, als sie einen Gauner angeheuert hatte, um ihrem Ex-Mann eins auszuwischen?

Remi ließ sich in den Kapitänssessel fallen, platzierte eine Hand auf dem Regulator und gab Schub. Röhrend erwachten die Triebwerke der Acantha zum Leben.

Die Schmuggler nutzten die Gelegenheit und feuerten mit ihren Pulswaffen auf das Schiff, aber ihre Plasmaprojektile konnten die Schilde, die für ein einfaches Reparaturschiff ungewöhnlich widerstandsfähig waren, nicht durchdringen. Mit einem Lichtblitz prallten sie daran ab, was einen stakkatoartigen Klang, wie von einem Hagelschauer, erzeugte.

Ohne darauf zu achten, steuerte Remi eines der Weltraum-Tore an und verließ die Raumstation genau in dem Moment, in dem die Acuela auf der anderen Seite eintraf.

↼⇁

»Was is das?«, fragte Zwoter, als sie ein paar Galaxien weiter im Cockpit der Acantha zusammensaßen.

Remi lümmelte in seinem Kapitänssessel und blätterte in dem gefundenen Büchlein. Eigentlich hatte er geglaubt, dass Bücher nur noch in Museen oder in den Sammlungen exzentrischer Milliardäre zu finden wären. Deshalb hatte er auch gehofft, in dem mysteriösen Büchlein etwas Wertvolles zu finden. Einen Plan zu den Orten, an denen die Schmuggler ihre Beute versteckten, zum Beispiel, oder geheime Schmuggelrouten durch das Zentraluniversum. Identifikationscodes des Galaktischen Großreichs. Eine Schatzkarte mit einem großen roten X. Doch alles, was er fand, war unleserliches Gekritzel. Kauderwelsch in fremden Sprachen. Zeichen, Symbole und andere Malereien.

»Du willst wissen, was das ist?«, knurrte Remi und knallte das Büchlein auf die Frontkonsole. Dabei fiel eine getrocknete Blume, die zwischen den Seiten geklemmt hatte, heraus. »Reine Zeitverschwendung.«

Zwoter wandte rasch den Blick ab und widmete sich wieder dem Übungstresor, den er schon seit Wochen zu knacken versuchte. Ein altmodisches Teil, das noch echte Handarbeit und Fingerfertigkeit erforderte.

Im Galaktischen Großreich lagen die meisten Schätze hinter unzähligen Türcodes, Cyberwalls und DNA-Scannern verborgen, aber in den Separatistenregionen waren die Menschen vorsichtiger – und das nicht ohne Grund. Die CyberCrawler des Sicherheitskorps konnten so ziemlich jeden digitalen Code im ganzen Universum aufspüren und entschlüsseln. Da war es sicherer, beim Schutz seiner Wertgegenstände auf analoge Verfahren zurückzugreifen. Dazu kam, dass viele Menschen am Rand des Universums viel zu arm waren, um sich eine ausgeklügelte Sicherheitstechnik leisten zu können. Das machte die Separatistenregionen zu einem lohnenden Ziel für alle Arten von Dieben und Gaunern – und mit einem Zweitkörper würde alles noch viel einfacher werden. Das hatte Remi jedenfalls gedacht.

Verstohlen beobachtete er Zwoters Bemühungen. Der hässliche Kerl werkelte an dem Tresor herum, als besäße er zwei linke Hände.

Remi seufzte innerlich.

Im Grunde war ein Zweitkörper eine gute Sache. Alle Wohlhabenden besaßen einen Zwoter. Es hatte Vorteile, sein Aussehen, sein Wissen und seine Fähigkeiten wechseln zu können. Auf diese Weise konnte sich der dickliche SALZ-Magnat auf den Feierlichkeiten zum Geburtstag des Gran Keisar als attraktiver Casanova ausgeben oder die hohlköpfige Milliardenerbin als gebildete Dame.

Doch Zweitkörper waren teuer. Je nach Ausstattung sogar unglaublich teuer. Remi hätte sich selbst das günstigste Modell niemals leisten können. Aber dann hatte er Zwoter gefunden. In den Schrottbergen eines Müllmondes.

Vermutlich Ausschussware, dachte Remi grimmig. Oder ein missglücktes Testmodell. Jedenfalls hatte Zwoter von allem zu wenig abgekriegt. Zu wenig Intelligenz. Zu wenig Geschicklichkeit. Zu wenig Attraktivität und Charme. Kein perfekter Zweitkörper für einen Gauner. So sehr Remi sich auch bemühte, Zwoter sein Wissen und seine Fähigkeiten zu vermitteln, es war, als spräche er mit einer Wand. Er musste sich wohl oder übel eingestehen, dass Zwoter einfach zu blöd und zu hässlich war, um sein Zweitkörper zu sein.

Und dennoch besaß er vielleicht einen Nutzen.

Fast ohne darüber nachzudenken, glitt Remis Hand in die Hosentasche, wo er den Tauscher verwahrte, den er auf Zwoters Parameter eingestellt hatte.

Er konnte seinen Zweitkörper noch immer als Köder benutzen. In Zwoters Körper ein simples, aber profitables Verbrechen begehen und dann, wenn man ihn (zwangsläufig) erwischte, mit einem einzigen Knopfdruck zurück in seinen eigenen Körper wechseln und sich aus dem Staub machen. Dann wäre es sein Zwoter, der im Knast landete. Oder im Sondermüll, wenn die Behörden seine wahre Natur erkannten. Es spielte keine Rolle. Zwoter war bloß ein nutzloser Fleischsack mit einem degenerierten Nervensystem, dem Intellekt eines Kleinkindes und dem Überlebensinstinkt eines Lemmings.

»Vielleicht isses was zu essen«, murmelte Zwoter.

Remi fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Ist es nicht.«

»Wir könnten versuchen, es zu kochen.«

Remi ächzte. »Es ist ein Buch – und Bücher sind nicht essbar.«

»Es sieht aber essbar aus.«

»Nein«, fauchte Remi, rieb sich die Stirn und zog eine Grimasse. »Wieso hältst du bloß alles, was du findest, für Essen?«

Zwoter zuckte mit den Schultern. Sein rundliches Gesicht war ein Ausdruck kindlicher Unschuld. »Du hast gesagt, diese Gummi-Dinger wären nicht essbar – und dann hast du sie doch gegessen.«

Remi warf ihm einen finsteren Blick zu. »Aber nur weil ich nicht wusste, dass du den Gulasch aus Gummidichtungen gemacht hast.«

Schon bei der Erinnerung zog sich sein Magen unangenehm zusammen.

»Wenn dieses Buch nich essbar is, haben wir ein Problem.«

»Wieso? Sind die Vorräte schon wieder alle?«

Zwoter nickte.

»Und der Rohmasse-Tank?«

»Bis auf den letzten Krümel aufgebraucht.«

Remi schürzte verärgert die Lippen. Wenn Zwoter keinen Aufstand wegen dieses dämlichen Büchleins gemacht hätte, wären ihm wenigstens noch die Yoomi-Maden geblieben. »Wir brauchen dringend ein paar Pallas«, stellte er fest.

Zwoter deutete auf die Tätowierung an Remis Unterarm.

»Nein«, seufzte Remi. »Die hilft uns jetzt nicht. Bei den meisten Handelsposten ist dieser Code bereits gesperrt. Und meine Beute aus der Windon-Sache ist noch in Credits angelegt. Wertlos in dieser Gegend.«

Sein Blick wanderte erneut zu dem nutzlosen Büchlein.

Eventuell konnte er doch einen Vorteil aus dem Ding schlagen. Irgendein Verrückter würde schon ein hübsches Sümmchen dafür zahlen.

Remi setzte sich aufrecht hin und startete den Navigationsmodus.

Eine Warnmeldung wies ihn darauf hin, dass er eine veraltete Version benutzte, und empfahl ihm dringend das neuste Update, aber Remi wedelte mit der Hand vor dem Sensor herum, bis die Meldung verschwand. Als ob er dem Galaktischen Großreich für diesen sogenannten Aktualisierungsservice auch nur einen Palli in den Rachen geworfen hätte.

Den Karten entnahm Remi, dass sie sich derzeit am Rand der Suppengalaxie (die Menschen hier waren so arm, dass sie sich nur Suppe leisten konnten) befanden. Kein besonders guter Ort, um ein Artefakt zu verticken.

Artefakt, dachte Remi. Ja, das war ein gutes Wort. Niemand würde ein Vermögen für ein vergammeltes Buch bezahlen, aber für ein Artefakt ... das war eine andere Geschichte.

Voller Vorfreude rieb Remi die Hände aneinander und suchte auf den Karten der angrenzenden Galaxien nach einem Planeten oder einer Raumstation mit einem Handelsposten der Separation. Auf den Handelsposten des Galaktischen Großreichs konnte er sich nicht mehr blicken lassen, wenn er nicht riskieren wollte, wegen SALZ-Schmuggels verhaftet zu werden.

Remi fand keine geeignete Handelsstation, aber dafür etwas Anderes.

»Was hast du?«, fragte Zwoter, dem wohl irgendeine Veränderung an Remis Verhalten aufgefallen sein musste.

»Eine Idee«, erwiderte Remi, legte die Handflächen aneinander und tippte sich mit den Fingern an die Lippen.

»Eine gute Idee?«, fragte Zwoter hoffnungsvoll.

»Keine Ahnung«, murmelte Remi. »Finden wir es heraus.«

↼⇁

Die Raumstation lag im äußersten Quadranten der Maleeni-Galaxie (auch als Pfeifen-Galaxie bekannt). Vor der Großen Separation hatte es zahlreiche Gelehrte aus dem Zentraluniversum in diese Gegend gezogen, doch seit die Separatisten die Kontrolle über die Galaxien jenseits des Nautilus-Gürtels übernommen hatten, war die Maleeni-Galaxie ziemlich heruntergekommen. Im Grenzbereich zwischen dem Galaktischen Großreich und den Separatistenregionen gelegen, war es hier während des Krieges häufig zu kleinen und größeren Scharmützeln gekommen, was die Immobilienpreise ziemlich gedrückt haben musste.

»Was soll das sein?«, hauchte Zwoter, der hinter Remi stand und ihm über die Schulter spähte.

»Sie nennen es die Zentralbücherei«, antwortete Remi.

Zwoter warf ihm einen verständnislosen Blick zu. Seine hervorquellenden Froschaugen besaßen die wenig inspirierende Farbe eines granitgrauen Schlechtwetterhimmels.

Wenn es stimmte, dass die Augen die Fenster zur Seele waren, dann musste es sich bei Zwoters Seele um das Äquivalent eines leeren Kartoffelkellers handeln. Wenn er überhaupt eine Seele besaß. Letztendlich war sein Wegwerfbewusstsein nur dazu gemacht, seinen Körper am Leben und bei guter Gesundheit zu erhalten, damit seine Besitzer ihn nach Bedarf benutzen konnten. Doch selbst dafür war Zwoter zu doof, wie sich am schlechten Zustand seiner Haut und seiner Zähne zeigte.

»Bestimmt hat hier jemand Interesse an einem nutzlosen Büchlein oder kann uns sagen, um was es sich dabei handelt.«

»Es sieht nich gut aus«, murmelte Zwoter. »Wir sollten da nich hingehen.«

»Ach, hör schon auf«, erwiderte Remi. »Das ist ein öffentliches Gebäude – und niemand vom Sicherheitscorps weit und breit.«

Er bemühte sich, zuversichtlich zu klingen, doch er musste zugeben, dass ihm beim Anblick der Zentralbücherei ebenfalls mulmig zumute geworden war.

Die äußere Hülle der Raumstation bestand aus amorphem Stahl, Quarzglas und Aluminium, die sich beim Näherkommen zu einem hexagonalen Gebilde verdichteten, in dessen Zentrum etwas zu lauern schien.

Aber das war natürlich Blödsinn. Seine Berufsparanoia musste ihn an der Nase herumführen.

Mit einem besorgten Grummeln im Bauch steuerte er eines der Tore an.

Die Acantha glitt durch das Kraftfeld, das die Atmosphäre der Raumstation am Entweichen hinderte, und folgte dem einprogrammierten Kurs zum Haupteingang der Bücherei.

Schon bald machten Stahl und Glas einer im Gravitationsfeld schwebenden Steinplattform Platz. Darauf erhob sich ein beeindruckendes Gebäude mit einer Fassade aus weißem Marmor, mit Gesimsen, Pilastern und steinernen Figuren, die vermutlich irgendwelche hochtrabenden Namen besaßen. Typisch für diese eingebildeten Gelehrten. Mussten sich immer als etwas Besseres fühlen und es das ganze Universum wissen lassen.

Das Bauwerk besaß fünf Geschosse. Auf das oberste Geschoss war eine türkisgrün patinierte Kuppel aufgesetzt. Zwei Türme flankierten den Hauptbau. Beide trugen Turmuhren mit jeweils 17 Stunden, die zur selben Zeit stehen geblieben waren.

Remi landete sein Schiff vor dem großen Portal, das ins Innere des Gebäudes führte.

Das unwohle Gefühl in seiner Magengrube wurde stärker.

Jetzt sei kein Idiot, sagte er zu sich selbst. Wenn du jetzt einen Rückzieher machst, stehst du vor Zwoter wie ein Trottel dar und der kleine Mistkerl wird noch glauben, dass er recht hatte.

Remi wandte sich von den Sichtfenstern ab, warf sich seinen alten Armeemantel über, steckte das Büchlein ein und vergewisserte sich, dass er seine Waffe griffbereit hatte. Anschließend tastete er nach dem Tauscher in seiner Hosentasche, überlegte kurz, ob er ihn an Bord lassen sollte, entschied sich dann aber, ihn mitzunehmen.

»Komm schon, Zwoter«, meinte er und marschierte zum Frachtraum, um das Schiff über die Laderampe zu verlassen.

Die Atmosphäre der Raumstation fühlte sich schwer und drückend an. Die Maleeni-Sonne brannte heiß auf sie herunter und ließ den Stahlkäfig, der die Station umgab, lange, spinnenbeinartige Schatten auf den gepflasterten Vorplatz werfen.

»Wieso isses hier so leer?«, wollte Zwoter wissen.

Gute Frage, dachte Remi.

Laut sagte er: »Stell keine so blöden Fragen.«

Er sah sich um und entdeckte ein weiteres Schiff, das etwas abseits stand.

»Sieh doch. Da ist noch jemand.«

Noch während er das sagte, wurde Remi klar, dass dieses zweite Schiff nicht von den Sensoren der Acantha erfasst worden war – und es gab nur wenige Systeme, die die Sensoren seines Schiffs überlisten konnten.

Andererseits ... Remi blinzelte in das grelle Sonnenlicht ... er konnte es nicht genau sagen, aber er glaubte, diesen Schiffstyp zu kennen.

Langsam ging er darauf zu. Die matte Duranium-Carbon-Oberfläche bestand aus vielen kleinen Dreiecken, die einen schlanken, stromlinienförmigen Schiffskörper formten. Am Heck befanden sich zwei Hochleistungs-SALZ-Triebwerke.

Konnte das sein? Hatte er es mit dem Shuttle eines Abramelin-Kreuzers zu tun?

Diese Schiffsklasse wurde hauptsächlich vom Galaktischen Großreich verwendet. Von den Venatori des Gran Keisar.

Remis Puls beschleunigte sich. Sie mussten umdrehen. So schnell wie möglich.

Er fuhr herum und wollte zur Acantha zurückrennen, da bemerkte er Zwoter, der soeben durch das Portal im Innern der Zentralbücherei verschwand.

»Scheiße!«, fluchte Remi.

Sein Blick zuckte zwischen dem Shuttle und dem Portal hin und her. Er musste hier weg. Aber das bedeutete, Zwoter zurückzulassen.

Und wenn schon!

Kein Zweitkörper war es wert, dass man sich deswegen mit einem Venatori anlegte.

Remi zögerte.

Wenn er nur kurz hineinging, Zwoter schnappte und gleich wieder verschwand, dann würde der Venatori gar nicht wissen, dass er hier gewesen war. Mit Sicherheit war der Kettenhund des Gran Keisar nicht wegen ihm gekommen.

»Ach, verfluchter Mist«, schimpfte Remi und stapfte auf das Portal zu.

Er würde Zwoter in den Arsch treten, wenn er wegen ihm in Schwierigkeiten geriet.

Seine Wut überflügelte das unangenehme Gefühl in seinem Magen.

Schnellen Schrittes betrat er die Bücherei und gelangte in ein großes, staatsmännisch wirkendes Foyer mit dunklem Parkettboden, grünen Seidentapeten und großen Kristalllüstern, die im hereinfallenden Sonnenlicht geheimnisvoll funkelten. An der Kopfseite der Halle befand sich ein lang gestreckter Tresen. Dahinter erhoben sich mehrere Bücherregale.

Es roch nach schalem Pfeifenrauch, Bohnerwachs und Ammoniak. Der Geruch erinnerte Remi an das Naturkunde-Museum auf Alfa Kali, das er einst mit seinen Großeltern besucht hatte, kurz, bevor es vollständig digitalisiert und abgerissen worden war.

Auffällig war jedoch, dass überall Staub lag und niemand hier zu sein schien.

»Zwoter?« Remi passierte einen Durchgang links des Tresens, der hinter einem Vorhang verborgen lag. »Zwoter?«

Kaum waren die Worte heraus, wäre er beinahe mit seinem Zweitkörper zusammengestoßen.

»Was sollte das?«, fauchte Remi. »Was machst du hier? Wieso-«

Er hielt inne. Sie befanden sich am Rand einer Empore. Dahinter erstreckte sich eine mehrstöckige Halle mit umlaufenden Galerien, die sich spiralförmig bis unter die gewölbte Decke schraubten. Hier und da zweigten schmale, mit altkeisarischen Ziffern markierte Gänge ab, die tiefer in den Bauch der Bücherei führten. Das einzige Licht fiel durch eine kreisrunde Öffnung im Zentrum der Dachkuppel herein. Es reichte jedoch nicht, um die Halle zu erhellen, sondern führte nur dazu, dass die Konturen verschwammen und die in der Luft tanzenden Staubteilchen wie SALZ-Kristalle funkelten. Das Beeindruckendste aber waren die Bücher. Sie waren überall und stapelten sich in den meterhohen Regalen bis unter die Decke. Remi vermeinte, sie in der Dunkelheit rascheln und flüstern hören zu können. Es war ihm, als hätte er einen fremdländischen Dschungel betreten und würde aus unsichtbaren Augen gemustert. Von wilden Tieren, die sich im Unterholz versteckten.

»Da is jemand«, flüsterte Zwoter und deutete zu einem höher gelegenen Wendelgang hinauf.

»Scheiß drauf«, schnappte Remi. »Lass uns von hier verschwinden.«

»Aber was is mit dem Buch?«

»Scheiß auf das Buch.«

Jetzt war es Remi, der eine Bewegung wahrnahm.

Drei Geschosse über ihnen. Da war etwas.

»Hast du Angst?«, fragte Zwoter.

»Nein. Aber da draußen steht das Shuttle eines Venatori.«

Noch während er das sagte, wurde ihm klar, wie bizarr das alles war. Wo waren die Angestellten der Bücherei? Versteckten sie sich? Hatten sie die Raumstation verlassen? War der Venatori gekommen, um genau das herauszufinden?

Wieder diese Bewegung.

Remi kniff die Augen zusammen.

Da war tatsächlich etwas. Ein kurzes Aufblitzen. Eine Lichtreflexion auf einer spiegelnden Oberfläche.

Zögerlich setzte Remi sich in Bewegung, folgte dem Verlauf der Empore und stieg an deren Ende die Treppe in den dritten Stock hinauf.

Zwoter folgte ihm mit staunend aufgerissenem Mund.

Die Luft schien immer dünner zu werden. Gleichzeitig mischte sich der süßliche Gestank von Verwesung in das säuerliche Aroma langsam zerfallender Bücher.

Wie hypnotisiert näherte sich Remi dem Objekt, das sein Interesse geweckt hatte.

Der Atem stockte ihm im Hals. Sein Magen verschlang sich zu einem engen Knoten.

Vor ihm lag ein regloser Körper in den Überresten einer schwarzen Kampfuniform. Der Leichnam trug die charakteristische, gehörnte Helmmaske eines Venatori, die das hereinfallende Tageslicht reflektierte. Obenrum wirkte der Mann unversehrt, doch von der Taille abwärts ...

Remi schluckte.

Der Unterleib des Venatori war bis auf die Knochen abgenagt worden.

»Is das-«, begann Zwoter.

»Sag es nicht«, fiel Remi ihm ins Wort. Seine Stimme vibrierte wie ein straff gespanntes Seil.

Zwoter schürzte beleidigt die Lippen. »Ich hab gar nich an Essen gedacht.«

Remi vernahm ein Geräusch, das nach einem schweren Aufprall klang.

»Hey!« Er zückte seine Pulswaffe. »Wer ist da?«

Es waren die Bücher, die ihm antworteten. Sie raschelten und knisterten, als würde ein Herbststurm durch einen Laubwald fahren.

»Zwoter«, knurrte Remi. »Hier geht irgendwas Verrücktes vor.«

Eine verlassene Bücherei am Rande des Universums. Ein toter Venatori. Er hätte auf seine innere Stimme hören müssen.

Das Rascheln der Bücher steigerte sich immer weiter, doch dahinter lauerte noch ein anderes Geräusch. Ein dumpfes Reißen und Schmatzen, das rasch näherkam.

»Los, verschwinden wir!«, rief Remi, fuhr herum und rannte los.

Er hetzte den Weg zurück, den sie gekommen waren. Allerdings schaffte er es keine zehn Schritte weit. Auf einmal wölbte sich eines der Regale zu seiner Linken. Die Bücher purzelten heraus wie Lemminge, die über eine Klippe stürzten. Doch es waren nur leere Hüllen. Nur noch lederne Einbände und von Kleber zusammengehaltene Buchrücken. Die Seiten waren verschwunden – und in der Rückwand des Regals prangte ein gewaltiges Loch.

Remi riss die Arme hoch, um sich zu schützen, wurde aber von etwas Großem in die Rippen getroffen. Er flog zur Seite, brach durch das Geländer und stürzte in die Tiefe.

Im letzten Moment gelang es ihm, sich an einem zerbrochenen Längsstreben festzuklammern. Ein schmerzhafter Ruck ging durch seinen Arm. Er gab einen unterdrückten Schrei von sich. Seine Beine baumelten in der Luft. Die Pulswaffe entglitt seinen Fingern und zerbrach viele Meter unter ihm auf dem Boden im Erdgeschoss.

»Zwoter«, keuchte Remi.

Sein Zweitkörper erschien über ihm und streckte die Hände aus, um ihn hochzuziehen.

»Mach schnell«, drängte Remi.

»Ich mach ja schon.«

Doch noch bevor Zwoter ihn zu fassen bekam, wand sich direkt hinter ihm ein riesenhaftes Geschöpf aus dem Loch in der Bücherwand. Ein leichenblasses, augenloses Etwas mit einem langen, schmalen Körper und einem kreisrunden, zahnbewährten Maul.

»Scheiße!«, fluchte Remi.

Zwoter wandte träge den Kopf. Seine regengrauen Augen weiteten sich wie in Zeitlupe.

Und dann – noch bevor er reagieren konnte – wurde er von der Kreatur am Arm gepackt und gegen eines der Regale geschleudert. Er verschwand aus Remis Sichtfeld.

Das Ungeheuer wandte sich Remi zu. Seine ringförmig angeordneten Zahnreihen rotierten wie die Klingen eines Schnetzlers.

»Verfluchte Scheiße!« Remi kramte mit der freien Hand in seinen Taschen und beförderte das seltsame Büchlein ans Tageslicht. »Hey!«, rief er und wedelte damit in der Luft herum. »Siehst du das?«

Die Kreatur grollte leise. Obwohl sie keine Augen zu besitzen schien, wirkte es, als würde sie die Frage bejahen.

»Hier! Fang!« Remi schleuderte das Büchlein in die Dunkelheit.

Der Kopf der Kreatur ruckte herum, aber sie folgte dem Büchlein nicht.

»Du nutzloses Mistding!«, fauchte Remi. »Du bist wirklich das nutzloseste Büchlein im ganzen Universum!«

Die Kraft in seinem Arm ließ nach. Er spürte den Zug an seinen Muskeln und wusste, dass er sich nicht mehr lange halten können würde. Sein Blick wanderte in die Tiefe. Bis zum Boden waren es sicher mehr als zehn Meter. Es war nicht unwahrscheinlich, dass er bei dem Sturz draufging, aber das war ihm immer noch lieber, als gefressen zu werden.

Kaum hatte er das gedacht, entdeckte er Zwoter, der sich im Hintergrund langsam wieder aufrichtete. Remi wurde Folgendes klar: Er konnte auf sein Glück setzen und hoffen, dass er den Sturz überlebte, oder er rettete sich auf einem anderen Weg.

»Lauf, Zwoter!«, brüllte Remi.

Zwoter warf ihm einen verwirrten Blick zu.

»Nun lauf schon!«

Erst nach dieser erneuten Aufforderung setzte Zwoter sich in Bewegung und rannte über die Galerie zur Treppe. Er schien bis auf ein paar Schrammen und Kratzer unverletzt zu sein und er hatte einen guten Vorsprung.

Das Ungeheuer beugte sich über Remi, sodass ihm sein saurer Speichel ins Gesicht tropfte.

Remi lachte. »Du grottenhässliches Mistvieh.« Er fasste nach dem Tauscher in seiner Tasche. »Du kriegst mich nicht!«

Das Ungeheuer schnellte vor.

Remi ließ los und betätigte im Fallen den Tauscher.

Ein brutales Ziehen schoss durch seinen Körper, als würde man ihm das Rückgrat herausreißen. Remi brüllte vor Schmerz, dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Als er wieder zu sich kam, konnte er sich immer noch brüllen hören. Dumpf. Wie aus weiter Ferne. Sein Körper fühlte sich ungewohnt an, schwer und plump. Seine Gedanken waren ähnlich langsam und seltsam zerfahren, sodass es ihm schwerfiel, sich zu orientieren.

Hinter ihm erstarb sein eigener Schrei.

Remi warf einen Blick über seine Schulter. Mehrere Ungeheuer waren aus den ausgehöhlten Bücherwänden gebrochen und hatten seine Verfolgung aufgenommen.

Er zwang seinen Zweitkörper, schneller zu rennen, kam aber auf Zwoters kurzen Beinen nicht halb so gut voran, wie er es von seinem eigenen Körper gewohnt war.

Schwer atmend hetzte er die Treppen hinunter und steuerte auf die Tür zu.

Kurz bevor er den Durchgang zum Foyer erreichte, wurde er von einem der Ungeheuer am Rücken erwischt. Er flog durch den Vorhang, kippte vornüber, schaffte es nicht, sich abzufangen, und landete mit dem Gesicht voraus auf dem staubigen Parkettboden. In nackter Panik rappelte er sich wieder auf und krabbelte auf allen vieren auf den rettenden Ausgang zu. Die Ungeheuer waren an ihm dran. Es war ihm, als könnte er ihre Zähne bereits an seinem Hinterteil spüren. Mit letzter Kraft stemmte er sich in die Höhe, drückte das Portal auf und stürzte ins Freie hinaus. Nach ein paar Stolperschritten sank er erschöpft auf die Knie.

»Du meine Güte ... wer bist du denn?«

Verwirrt sah Remi auf – direkt in das verdächtig faltenfreie Gesicht von Tris (dem durchgeknallten Alfa-Lundi-Miststück). Sie zielte mit der Pulswaffe in einer Hand auf das Portal und streckte die andere Hand aus, um ihm aufzuhelfen.

Remi war zu verwirrt, um sie davon abzuhalten.

»Du armes Kerlchen«, säuselte Tris in einem Tonfall, als wäre er ein verletzter Hundewelpe. »Wie bist du denn hierhergekommen? Die Bücherei ist doch schon seit ein paar Dekaden verlassen und wegen Buchwurm-Befalls der Stufe vier zum Hochrisikogebiet erklärt worden. Nicht einmal die Venatori trauen sich noch hierher, seit sie einen ihrer Aufklärer verloren haben.«

Remi konnte Tris nur geistlos anstarren. Blut tropfte ihm aus der Nase. Seine Gedanken waren wie glitschige Fische, die ihm immer wieder durchs Netz schlüpften.

Buchwurm-Befall?

Wieso hatte er das nicht gewusst?

Wieso hatte sein Navigationssystem ihn nicht davor gewarnt?

Tris flippte sich eine blonde Haarsträhne über die Schulter. »Du hast nicht zufälligerweise einen Mann gesehen, der hier reingestürmt sein muss?« Bei den Worten hielt sie eine Hand über ihren Kopf. »Etwa so groß, alter Armeemantel, keine Manieren und sehr von sich eingenommen? Nennt sich selbst Remi, aber ich nenne ihn bloß den verblödeten Alfa-Kali-Gauner

Remi schüttelte langsam den Kopf.

Tris seufzte. »Oje, du bist nicht der hellste Brennstab im SALZ-Reaktor, was?« Sie lächelte ihm zu. »Aber weißt du was? Du tust mir leid. Ich nehm dich mit nach Alfa Mari.« Sie warf einen letzten Blick zum Büchereiportal. »Wenn dieser dämliche Gauner da rein ist, wird er sowieso nicht lebend rauskommen.« Mit einem lang gezogenen Ausatmen ergänzte sie: »Aber weißt du was? Das ist er selbst schuld.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Nur schade wegen des Geldes, das er mir schuldet.«

Remi sah zu, wie sie ihre Waffe wegsteckte und im gleißenden Sonnenschein zur Acuela spazierte, die direkt neben der Acantha gelandet war. Auch durch den Nebel in seinem Kopf wurde ihm klar, dass ihm keine andere Wahl blieb, als ihr zu folgen. Selbst wenn es ihm gelänge, den Tauscher zu finden, wäre sein eigener Körper inzwischen vermutlich bis auf die Knochen abgenagt. Er musste sich damit abfinden, dass er tot war.

Nein, nicht er. Nur sein Körper. Und mit ihm Zwoters Bewusstsein, das durch den Tausch gelöscht oder in Remis Körper übertragen worden sein musste. Der kleine Mistkerl war draufgegangen, damit er leben konnte.

Remi senkte den Blick und betrachtete Zwoters labbrigen Hände. Seine labbrigen Hände.

»Hey! Kommst du?«, rief Tris. »Dieser verblödete Alfa-Kali-Gauner wird schon seit einer Weile von ein paar fiesen SALZ-Schmugglern verfolgt – und ich wäre gerne weit weg, wenn die hier auftauchen.«

Remi schluckte. Sein Magenhob und senkte sich. Das musste der furchtbarste Tag seines Lebens sein. Unddas alles nur wegen dieses nutzlosen Büchleins! 

DELL_A_STORY

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