„Sehr schön! Geht es wieder?" Ruhig nahm Nicole die Sauerstoffmaske ab und tupfte mit einem weichen Baumwolltuch Johns verschwitze Stirn ab. Neugierig beobachte der noch vor ein paar Sekunden gebrechlich wirkende Mann die Pflegerin vor sich. Nicole schmunzelte erleichtert. Offenbar hatte sie, auch wenn es nur ein kleiner Schritt war, dafür gesorgt ein wenig Johns Vertrauen zu gewinnen.
„Tief im Inneren wissen sie doch genau, dass sie Hilfe brauchen, John." Nicole kniete vor John und hatte ihre Hände locker auf dessen Knie abgelegt. Neugierig sah Nicole einen langen Flur hinunter. Kurz hatte sie das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden, doch offenbar fing sie jetzt auch schon an, paranoid zu werden.
Als John sich räusperte, sah Nicole erneut zu diesem auf. Gab ihm das Tuch und dankbar hielt er sich dies vor dem Mund.
„Sie können mir tatsächlich helfen.", sprach er mit belegter Stimme und innerlich schlug Nicole einen Purzelbaum. Immerhin gab es nichts Anstrengenderes als einen Patienten, der unkooperativ war.
„Gerne doch John. Dafür bin ich hier.", lächelte Nicole aufrichtig, und als dieser sich gerade erklären wollte, schoss eine braunhaarige Frau auf Nicole zu und stieß sie unsanft zur Seite.
„Hey!" Verwundert sah Nicole zu der jungen Frau und eh sie sich versah, umfasste diese ihren Hals und presste sie zu Boden. Geschockt konnte Nicole im ersten Moment nicht einmal reagieren.
„Amanda, hör auf!", ermahnte John die Fremde sofort und wie ein Hund hörte diese und ließ von der blonden Frau ab.
Hustend fasste Nicole sich am Hals und schielte zu Amanda hoch. Diese machte einige Schritte zurück und wandte sich John zu.
„Wer ist das?", dabei deutete Amanda auf die junge Frau und den ersten Schock überwunden stand Nicole auf. Klopfte ihre Handflächen an der Hose ab und funkelte wütend die Verrückte an.
„Was stimmt nicht mit dir?", konfrontierte sie die Braunhaarige. Doch unbeeindruckt ignorierte Amanda Nicole.
„Entschuldige dich bei ihr!", forderte John Amanda auf und stillschweigend stand die Blonde neben den beiden. Eine merkwürdige Stimmung baute sich zwischen ihnen auf und Nicole war sich nicht sicher, in welch einer Beziehung die beiden zueinanderstanden. Eine unausweichliche Stille durchzog den Raum und Nicole hatte nicht sonderliches Interesse, mit der Fremden länger Zeit zu verbringen.
„Schon gut. Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich jetzt gehe. Wir sehen uns morgen, John." „Amanda!", ermahnte der kranke Mann erneut die Fremde, bevor Nicole ganz die Lagerhalle verlassen konnte.
„Na gut.", murrte die Dunkelhaarige. – „Es tut mir leid." Betrübt sah Amanda zu Boden und fragend schielte Nicole zu John, der immer noch auf dem Stuhl saß und sich das Tuch vor den Mund hielt. Dieser sah vorsichtig über seine Schulter hinweg zu den beiden Frauen. Nicole sah wieder zu Amanda, atmete schwer aus und ging einige Schritte auf die junge Frau zu. Sie tat es für ihren Patienten, immerhin stand die Fremde in irgendeiner Beziehung zu John und früher oder später müsste Nicole zumindest zusehen, mit ihr ansatzweise klarzukommen. Obwohl der Angriff auf sie eine extreme Voraussetzung war und die Blonde so etwas zuvor auch noch nie erlebt hatte. Stumm streckte Nicole ihre Hand zu Amanda aus und fragend sah diese zu Nicole.
„Wir hatten einfach einen schlechten Start. Ich bin Nicole Carter ich arbeite für AHN und bin die Pflegerin für John."
Skeptisch nahm Amanda die Geste an und während Nicole die zierlich wirkende Hand ihres Gegenübers schüttelte, konnte sie die selbst zugefügten Narben am Handgelenk deutlich erkennen.
Auch Amanda bemerkte den Blick der Pflegerin und wandte sich ihrer ab.
„Mir gefällt das nicht, wenn sie hier ist.", sprach Amanda erstaunlich gelassen zu John. Allgemein, so etwas wie Feingefühl schien der Frau wohl fremd zu sein.
Nett lächelnd wartete Nicole die unangenehme Situation ab. Sie blieb immer so nett – dachte die Pflegerin, während sie so dastand.
„Im Moment können wir das nicht ändern, Amanda. Lerne dich zusammenzureißen." John griff nach Amandas Hand und wieder schien die Fremde streng Johns Aufforderung nachkommen zu wollen. Langsam nickte diese Auf und Ab und stellte sich ruhig hinter John. Als dieser ihr das Tuch entgegenhielt, nahm sie es ihm, ohne einen Mucks von sich zu geben ab und schien ebenfalls die Situation abwarten zu wollen.
„Ich bitte um Entschuldigung für Amandas Verhalten, doch auch für sie ist die ganze Situation neu."
„Schon gut, John. Wenn es ihnen nicht passt, würde ich einfach morgen wieder kommen."
„Haben sie vergessen, dass ich sie um einen Gefallen gebeten habe?" ,mürrisch rümpfte ihr Patient die Nase.
„Natürlich nicht. Ich dachte nur, falls es ihnen jetzt nicht mehr passt.", dabei lächelte Nicole freundlich zu Amanda. Diese rollte nur mit den Augen.
„Amanda hat noch einige Sachen zu erledigen und sie würde ich bitten, mich zu einer Autogrammstunde zu fahren." Nicole traute ihren Ohren nicht, doch für sie war es nur vom Vorteil, John bei privaten Erledigungen begleiten zu können. Immerhin lernte sie somit ihren Patienten besser kennen und kam gleichzeitig von der Braunhaarigen weg, Gerade bei solch schwierigen Charakteren war es nur vom Vorteil, die Guten Momente in Erinnerung zu behalten, da wollte sie die Chance nicht unversucht lassen.
„Gerne. Mein Wagen steht sowieso vor der Tür."
„Gut.", erwiderte John und stand langsam mit neu gewonnener Kraft vom Stuhl auf.
„John ich...", redete Amanda auf den kranken Mann ein, doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, unterbrach er schon seine Schülerin.
„Schon gut, Amanda. Erledige das, wofür du hier bist." Neutral beobachte Nicole die Reaktion Amandas, diese schien mit der Aufforderung Johns nicht sonderlich einverstanden zu sein und während Nicole auf John zugelaufen kam, würdigte die junge Frau der Pflegerin kein weiteren Blick mehr und verschwand in einen der hinteren Räume. Verwundert sah Nicole Amanda hinterher, dabei fiel ihr Blick erneut auf die teilweise abgedeckten Tische. John schien sehr geschickt zu sein, doch nach wie vor wollte er ihr nichts über seine Arbeit erzählen.
„Also. Wollen wir direkt los?", fand Nicole ihre Worte wieder und lächelte den krebskranken Mann vor sich nett an.
„Ja, desto schneller habe ich es hinter mir." John schnappte sich eine alte Umhängetasche und gemeinsam liefen sie aus der alten Lagerhalle. Sie half ihm in ihr kleines Auto und als sie sich selbst auf ihren Fahrersitz fallen gelassen hat, sah sie erneut zu dem Gebäude auf.
„Wie kommt es eigentlich, dass sie die meiste Zeit hier verbringen?"
„Mich hält nichts mehr zu Hause.", beantworte er kurz ihre Frage und zog sich eine Cap über seine hellen Haare. Gleichzeitig startete Nicole ihr weißes Auto und fuhr langsam von dem alten Firmengelände.
„Warum reden wir eigentlich immer über mich? Sie haben selber auch noch nicht sonderlich viel von sich gegeben!", konfrontierte er die Pflegerin, während John nachdenklich aus dem Fenster sah. Nicole schmunzelte und verwundert sah John zu der blonden Frau.
„Sie haben mich ja auch noch nichts gefragt, John. Sagen sie, wo genau soll es eigentlich hingehen?"
„Wissen sie, wo die Autogrammstunde von Bobby Dagen stattfindet?"
„Der Jigsaw-Überlebende? Natürlich, seit Tagen kommt nichts anderes im Radio." Gleichzeitig holte John ein Buch aus seiner Tasche und strich gedankenverloren über das Bild des in groß aufgedruckten Autor und Opfer Jigsaws.
„Dann kennen sie ja unser Ziel."
„Also gut!" An einer Kreuzung angekommen reite Nicole sich hinter den wartenden Autos ein.
„Dann kommen wir wohl zu mir. Fragen sie, was sie fragen wollen." Kurz sah die Pflegerin zu ihrem Patienten, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf die Ampelschaltung.
„Warum machen sie das?"
„Was genau meinen sie? Meinen Job? Weiß nicht, das liegt mir irgendwie im Blut, finden sie nicht?", Nicole grinste, erntete jedoch einen verachtenden Blick Johns.
„Ich frag mich eher, was sie überzeugt, diesen Job zu machen?"
Nicole überlegte, während sie gleichzeitig losfuhr und sich konzentriert einen Weg durch den amerikanischen Verkehr zu schaffen.
„Wollen wir nicht alle einen Teil dazu beizutragen, etwas zu ändern? Ich helfe Menschen, die Hilfe brauchen und ja, ich mache meinen Job tatsächlich gerne. Er gibt mir das Gefühl, etwas Gutes am Ende des Tages getan zu haben."
Für einen Moment überlegte John und packte nachdenklich das Buch zurück in seine Tasche.
„Es wird immer Menschen geben, die Gutes ausnutzen."
„Aber es wird dafür genauso viele Menschen geben, die Hilfe brauchen und irgendwie wollen wir doch alles etwas dazu beitragen, diese kaputte Welt ein klein wenig besser zu machen, finden sie nicht?"
„Doch, ausnahmsweise haben sie recht." Kühl sah John aus dem Fenster und schmunzelnd brachte Nicole den restlichen Weg hinter sich. Sie musste John nur genügend Zeit geben, doch sie spürte, dass er ihr früher oder später vertrauen würde. Dachte sie zumindest, doch für John mussten zuvor noch einige Fragen geklärt werden. Weshalb er schon gespannt auf die Informationen Hoffmans wartete.
~•~
Neues Kapitel und mehr John Kramer Time <3 Viel Spaß ❤️
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top