März| Dam Dam!
Stromausfall bei einem Konzert, das ausgerechnet von der Firma gesponsert wird, welche für Strom-und-Wasserversorgung in Callisto zuständig ist.
Was für eine Ironie.
"Mia? Bist du da?" erklang Lukas' Stimme aus der Dunkelheit. So nach dem Motto: "Hello, Darkness my old friend" von dem Erdmännchen-Song. Allerdings klang seine Stimme ziemlich panisch, was in Anbetracht dieser Situation aber auch selbstverständlich war.
"Ja." sagte ich laut, damit er mich hören konnte. Lukas' Stimme klang seltsam entfernt, obwohl er doch vor ein paar Sekunden noch direkt neben mir gestanden hatte. "Wo bist du?"
"Hier." erwiderte er. Ich folgte dem Klang seiner Stimme, und zählte dabei meine Schritte. Sonderlich groß war das Zelt indem wir waren nicht, doch es fühlte sich trotzdem wie eine halbe Ewigkeit an, bis ich bei ihm angekommen war.
"Lukas? Bist du das?" fragte ich.
"Hinter dir." ertönte eine verstellte Stimme. "BUH!"
Ich wäre vor Schreck beinahe in Lukas reingefallen. Aber nur beinahe.
"Nicht der richtige Zeitpunkt." bemerkte ich trocken, und versuchte dabei meinen Herzschlag auf irgendeine Weise zu beruhigen. "Es ist stockdunkel, die Atmosphäre schreit grad nicht so nach Party, und wir sind in einem Zelt eingeschlossen, weil - "
" - irgendein Witzbold auf die geniale Idee gekommen ist." vollendete Lukas meinen Satz. "Aber genau deswegen musste ich ja die Stimmung ein wenig auflockern..."
Ich seufzte nur leise.
"Was denn?" fragte er. Da ich wegen der Dunkelheit sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich nicht genau, ob er das nun ernst meinte, oder nicht.
"Nichts. Sollen wir nicht nochmal checken, ob die Tür wirklich verschlossen ist?" schlug ich vor. Schließlich konnte ich jetzt keine coole Nummer mit aus-dem-Zelt-teleportieren veranstalten, da mein Horn (schlauerweise) noch auf der Bühne war.
Eine kurze Stille entstand.
"...Okay." war aus der Dunkelheit zu vernehmen. Ich spürte, wie Lukas sich von mir entfernte, und vorsichtig in Richtung Tür entlanglief. Ab und zu fluchte er, vermutlich weil sein Fuß gegen irgendeinen Stuhl gestoßen war.
Ich kicherte kurz in mich hinein, als Lukas einen Stapel Flüche losließ. Es war einfach zum totlachen wenn er fluchte, keine Ahnung warum.
"Und? Ist es wirklich abgeschlossen?" fragte ich in die Dunkelheit hinein.
Es ertönte kurz ein rattern, dann war deutlich zu hören wie jemand verzweifelt an der Türklinke rüttelte. "Fuck..." murmelte Lukas. "Wir sind hier eingesperrt. Was machen wir jetzt?"
Ich tastete mich an den großen Tisch heran, und zog mich rauf. "Keine Ahnung. Vielleicht warten? Höchstwahrscheinlich hat sich jemand einen blöden Scherz erlaubt oder so..."
"Hm." erwiderte Lukas, der wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht war. "Könnte sein...Ich hab vorhin irgendein Kichern gehört. Aber das war vermutlich nur Einbildung..."
Wir schwiegen eine Weile. Von Draußen drangen keine Geräusche in das Zelt, vermutlich da die Wände schalldicht waren. Alleine wäre es vielleicht wirklich gruselig gewesen.
Naja, zu zweit war es auch gruselig, aber wenigstens nicht so sehr.
"Ähm...Mia?" brach Lukas das Schweigen. "Kann ich dir was erzählen?"
"Ja, klar? Was denn?" fragte ich leicht verwundert, da seine sonst-so-selbstbewusste-und-humorvolle-Stimme ziemlich verunsichert klang.
"Ähm..." Er schien tief Luft zu holen. "Ich bin Trans. Schon seit dem ich 12 bin. Ich wollte schon lange Zeit davor ein Junge sein, aber meine...mein...Die Person, die ich gemocht habe, konnte das nicht akzeptieren. Er wollte jemand...normales. Er wollte eine normale Beziehung mit einem Mädchen. Dafür kann ich ihm keine Vorwürfe machen, er wurde so erzogen."
Eine kurze Pause entstand, ehe Lukas fortfuhr.
"Dann ist er plötzlich verschwunden, wegen seinem Vater. Der musste wegen der Arbeit wo anders hin. Von einem Tag auf den anderen war er weg. Ich mochte ihn wirklich gerne, und habe nie verstanden, wieso er mir...nicht einmal bescheid gesagt hat..." Seine Stimme brach für einen kurzen Moment ab. "Aber dann hat meine Mutter mir gesagt: Sei die Person, die du sein willst. Keiner hindert dich daran."
Er schluckte.
"Und ich hab gemerkt - Davor hat mich auch keiner gehindert. Die einzige Person, die mich daran gehindert hat, die Person zu sein, die ich sein will, war...ich. Finn wollte es nicht, aber letztendlich war ich selber verantwortlich. Und...Ja. Das wollte ich dir irgendwie nur...sagen."
Ich streichelte ihm leicht unbeholfen die Schulter. "Ja, klar. Ist doch total in Ordnung. Mir wäre das nie in den Sinn gekommen, wenn du es mir nicht erzählt hättest, aber...Es ist cool, dass du du selbst bist."
"Ich wollte nur fragen, ob das in Ordnung für dich ist...Also ob du es akzeptierst..?"
"Bist du doof? Das ist keine Frage von akzeptieren-oder-nicht-akzeptieren! Das ist etwas total normales, du hättest es mir auch nicht sagen müssen. Lukas, wir sind in Callisto. Nicht irgendwo anders, wo die ganze Welt homophob ist." erwiderte ich.
Er schien sich kurz zu sammeln. "Ja, das stimmt...Ich wollte es dir nur sagen, weil...Naja...Ach, keine Ahnung. Es ist wirklich sonderlich, dass wir uns schon so gut angefreundet haben, nach der kurzen Zeit. Normalerweise ist es schwierig für mich, Freunde zu finden..."
"Ernsthaft?" Ich musste lachen. "Für dich? Schwierig? Freunde finden? Lukas, du bist die freundlichste, offenste, lustigste Person die ich jemals kennen gelernt habe! Wieso sollte es für dich ein Problem sein, Freunde zu finden?"
"Ich hab mich auch verändert." Trotz der Dunkelheit merkte ich, dass Lukas wieder sein alltägliches Grinsen aufgesetzt hatte. "Du bist auch eine super Zuhörerin, Mia. Ich glaube, deswegen verstehen wir uns so gut. Ich labere die ganze Zeit, während du mir zuhörst."
Ich grinste. "Ja, das könnte sein, Herr van Beethoven."
"Walküre."
Von einem Moment auf den anderen wurde mir bewusst, dass unsere kleinen Finger sich während des Gespräches ineinander verhakt hatten.
"Ähm..." murmelte ich, und zog meine Hand ein Ticken zu langsam weg. Mein Gesicht fühlte sich so an, als ob tausend Feuerameisen darüber kriechen würden.
Obwohl - das würde vermutlich ziemlich weh tun.
"Ähm." sagte auch Lukas, und die Verlegenheit war deutlich zu spüren. "Ja..."
Die Stille und Dunkelheit im Zelt war unheimlich. Es war beinahe so, als ob es außer Lukas, mich und der Dunkelheit nichts gäbe.
"Ähm." wiederholte ich, nur um die unangenehme Stille zu beenden.
Aber die unangenehme Stille wollte nicht enden! (Manche unangenehme Stillen sind auch wirklich rücksichtslos)
"Miaichmagdichsehrsehrgernesogernedassich..." flüsterte Lukas, sodass ich kein einziges Wort mitbekam. "Ähm...Miamöchtestdu..."
"Lukas..." flüsterte ich. "Love you."
Dann berührten sich unsere Lippen, und in meinem Kopf schien ein Feuerwerk zu explodieren. Alles andere um uns -der Stromausfall, die unheimliche Dunkelheit und Stille- war egal.
"Walküre..." murmelte Lukas leicht-benommen. "Vielleicht sollten wir - "
Ich würde seine "geniale" Idee niemals erfahren, denn im selben Moment ging das Licht wieder an, und verdrängte die Dunkelheit.
Kennt ihr diese peinlichen Momente, wenn ihr gerade jemanden im dunklen geküsst habt, aber dann plötzlich das Licht angeht, und ziemlich viele andere Personen in den selben Raum hereinstürzen?
Genau das passierte.
"Oh, hey ihr bei - "
Mitten im Satz brach Roland ab, und versteckte sich hinter Elias. Seine Miene war leicht zu deuten - Verlegenheit und unglaublich viel Freude.
"Hi..." erwiderte ich. Blut schoss in mein Gesicht, als mir die Erkenntnis kam, dass Lukas und ich noch immer sehr nah beieinander saßen. Verlegen rutschte ich vom Tisch, und blinzelte in das helle Licht. "Was war denn das?"
"Der Stromausfall? Ähm, keine Ahnung. Irgendwas ist bei Care falsch gelaufen..." erklärte Anton halbwegs ausführlich. "Aaaaber, was war denn bei euch los?"
Roland, Elias, Anton, Alex und Jakob grinsten von einem Ohr bis zum anderen, so dass ich begann, mir ernsthaft Sorgen um ihre Mundwinkel zu machen.
Simones Ansage rettete uns. "Das Konzert wurde vorzeitig beendet..." ertönte ihre Stimme über die Lautsprecher hinweg. "Ein paar Lichter bleiben defekt, so wie manche Anlagen. Alle Musiker und Musikerinnen kommen bitte zur Bühne."
"Okay, lass uns gehen..." sagte Lukas eilig, und schlang seinen Arm um meine Schulter. "Komm."
Wir grinsten uns wie bescheuert an, und liefen in Richtung Künsterlereingang, begleitet von dem Kichern der restlichen Horn-Gruppe.
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