Januar| Neujahrskonzert

Aufgeregtes Gemurmel lief durch die Schülermenge, als wir endlich am ort angekommen waren. Die Organisation Care, welche das Konzert sponserte, hatte sogar noch einen Bus gebucht, mit dem wir zum Konzertort und wieder zur Schule gebracht werde sollten.

"Care muss ja steinreich sein." murmelte Anni, als wir aus dem Bus stiegen. Die Fahrt war ohne jegliche Turbulenzen oder Ereignisse verlaufen - schließlich war der Bus auch super-high-tec, mit Heizung und außerdem noch elektromagnetisch.

"Jap." stimmte Lukas ihr zu, und gab die Instrumente weiter. Wir hatten sie im Kofferraum verstaut, mit Ausnahme von den Flöten, Oboen und kleineren Instrumenten - die waren mit in den Bus genommen worden.

"Alles klar!" hörten wir im selben Moment eine Stimme rufen. "Alle hier lang!"

Ich schulterte mein Horn, und ließ mich von der Schülermenge in Richtung der Stimme treiben. Es war mein erstes Konzert mit Orchester, und ich war erstaunt über die Menge des Publikums. 

"Na?" fragte Lukas, und stupste mich von der Seite an. "Aufgeregt?"

"Nein..." erwiderte ich, doch meine Gedanken waren sofort wo anders. Am Rand des wogenden Meeres aus Menschen, waren zwei Mädchen in Jeans, welche mir zuwinkten.

"Lukas? Ich geh kurz, warte hier." sagte ich schnell, und gab ihm mein Horn. Anni blieb auch stehen, und sah wohl ziemlich verwirrt zu, wie ich auf die zwei Mädchen zu rannte.

"Hi." Die melodische Stimme des einen Mädchens ließ mich kurz blinzeln. "Mia."

Ich sah sie irritiert an. "Äh...meinst du mich?"

"Jaahaa." erwiderte das andere Mädchen. Ihre Stimme war zwar nicht so melodisch wie die von der ersten, aber trotzdem jagte sie einem Gänsehaut ein. "Wen denn sonst?"

"Nicht mit solchen Dingen aufhalten." mahnte die erste wieder. "Schau in dein Horn, Mia. Gleich wenn du es auspackst. Das ist wirklich wichtig."

"Wer seid ihr überhaupt?" fragte ich. 

"Wir?"

Plötzlich überkam mich ein Schwindel, und ich taumelte nach hinten. "Was zum..." Mein Murmeln war kaum zu hören, doch ich bekam gerade noch mit, wie die zwei Mädchen verschwanden.

Also nicht verschwinden im Sinne von weg gehen, sondern halt...

Ach, vergesst es.

"Mia?" ließ sich die besorgte Stimme von Lukas vernehmen. "Alles in Ordnung bei dir? Wenn wir uns noch einspielen wollen, müssen wir uns beeilen."

"Ja, klar..." murmelte ich, und nahm mein Horn wieder an mich. "Hast du mitbekommen, dass..."

"...die beiden Mädchen verschwunden sind? Jap." ergänzte Lukas. "Aber du weißt doch, dass es Magie gibt."

"Mhm." antwortete ich nur, und ging hinter Lukas her. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, ihn nicht darüber zu informieren, was die Mädchen mir gesagt hatten - und er hatte schließlich auch nicht danach gefragt.

"Mia?" begann Anni, als wir in die jeweiligen Aufenthaltszelte gingen. "Viel Glück."

Sie klang so, als ob sie gerne noch etwas hinzugefügt hätte, doch in einer viertel Stunde war das Konzert, sie musste noch die Pauken stimmen.

Das glaubte ich zumindest.

"Lukas! Mia! Wo wart ihr denn so lange?" rief Anton, sichtlich besorgt, und schaffte Platz auf dem Tisch, wo die Hornkästen waren.

"Genau, was habt ihr denn getrieben?" fragte Elias mit einem breiten Grinsen.

"Äh...Nichts." antwortete ich. "Gar nichts."

Was jetzt zum Beispiel sehr viel interessanter war - der Umschlag, den ich im Trichter meines Horns sichtete.

Mia, das ist wichtig.
Behalte deine Freundin Tanja im Auge.
G und F

"Wieso ist..." murmelte ich kopfschüttelnd, und ließ den Zettel in meine Hosentasche gleiten. 

G und F...

Das war wohl ein sehr schlechter Scherz von irgendjemandem.

Ein wirklich schlechter Scherz.

"Das Orchterster - das Orchester bitte!" Eine laute Ansage ließ uns alle zusammen zucken. "Auf die Bühne, vom Hintereingang aus."

(Das kennen wahrscheinlich auch sehr wenige, wieder mal ein Insider. In der Oper, wenn der Kinderchor gerufen wird, gibt es immer so eine Ansage "Der Kinderchor, der Kinderchor, Bitte", und zwar mit der monotonsten Stimme überhaupt...)

"Was stand da drauf, auf dem Zettel?" fragte Lukas, als wir auf dem Weg zur Bühne waren. 

Mein Herzschlag setzte kurz aus. "Mann, es war sowieso bescheuert. Und wie hast du das überhaupt mit bekommen?"

Er ignorierte diese Frage gekonnt. "Gib mir einfach den Zettel."

Ich seufzte. Ludwig von Beethoven sollte ja auch ziemlich stur gewesen sein, doch im Gegensatz zu Lukas war er nichts...

"Da." meinte ich, und fischte den Zettel aus meiner Hosentasche. Er las sich den Inhalt mit gerunzelter Stirn durch. "Wir haben ein Problem." verkündete er dann leise.

"Das haben wir immer." erwiderte ich. "Außerdem haben wir jetzt erst mal ein Konzert."

"Nicht trödeln, Turteltäubchen!" rief Anton, und grinste.

Na toll, auch das noch.

"Wessen bekloppte Idee war es, MITTEN IM WINTER EIN OPEN AIR KONZERT ZU ORGANISIEREN?" fluchte Jakob derweil. 

"Beschwer dich bei Care." meinte ich, und zuckte mit den Schultern. "Geht auf deren Rechnung."

Es war wirklich kalt draußen. Ein paar Stunden vor Mitternacht - und wir mussten spielen...

"Tanja..." murmelte ich, als ich sie sah. Sie war zu weit weg, um mich zu hören, doch ich sah sogar von hinten, dass sie verheult war.

"Uund...Einen herzlichen Applaus für das MIC, Musikinternat Callisto! Das heutige Programm besteht aus der 'Feuerwerksmusik' von Georg Friedrich Händel, einem Komponisten der Erdmännchen! Habt viel Spaß!" verkündete eine Mikrofon-Stimme, und wir setzten ein.

Trotz Eiseskälte lief das Konzert bestens. Für die Musiker mit Blechblasinstrumenten war die Kälte allerdings nicht so gut - besser gesagt eine Katastrophe. 

Erinnert ihr euch an die 80-Takte-Pause?

Nur wenn man wirklich Blechblasinstrumente spielt, weiß man, wie es sich anfühlt, auf kaltem Blech zu spielen...

Grauenhaft, ich würde natürlich noch synonyme und weitere Beschreibungen dafür finden, aber jetzt belassen wir es dabei.

Unser Programm verlief ohne irgendwelche Störungen, außer vielleicht, dass jemand im Publikum sehr, sehr laut hustete. Kann ja mal vorkommen.

"Hey Mia!" rief Lukas atemlos, nachdem wir wieder in die Aufenthaltszelte zurück gekehrt waren. "Voll gut gespielt!"

"Du auch, Herr van Beethoven." erwiderte ich grinsend. 

Wieso musste ich immer in seiner Gegenwart grinsen? 

Argh.

"Gehen wir nach draußen? Care hat irgendwie für Essen gesorgt..."

Ich folgte ihm...

...nicht.

Denn genau in dem Augenblick, sah ich eine kleine Silhouette, die klammheimlich am Rande der Bühne verschwand. 

Tanja.


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