April| Simone geht schon einmal vor, ein paar Köpfe einschlagen (Scherz)

"Alles klar, vergesst es." sagte Simone entschlossen und knackte mit den Fingerknöcheln. (Das Geräusch, das dabei entstand, war schrecklich.) "Anton, ruf kurz Elias und Roland an, dass sie euch abholen sollen.'' Ich - "

" - Ähm..." unterbrach Anton sie, "Also die Holos haben wir nicht hier...Wir haben die im Internat gelassen..." (Dabei hatten wir alle Nano-Ohrstöpsel im Ohr, weshalb Elias und Roland wahrscheinlich alles mithören konnten. Es sei denn, Elias hatte einen Entwicklungsfehler gemacht - höchst unwahrscheinlich.)

"Argh." Simone ließ ein frustriertes Schnauben hören. "Wieso könnt ihr nicht einmal...Mensch..."

Ich sah ihre ratlose Miene und bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen. Nicht, dass ich davor keins gehabt hätte. Nur fühlte sich das jetzt so an, als ob das Gewissen mir mit voller Wucht in den Magen geschlagen hätte.

Ich war kurz davor, Anton vorzuschlagen, dass wir Elias und Roland kontaktieren sollten. Auch wenn es verständlich war, dass er die Dirigentin des Orchesters nicht alleine auf die Suche lassen wollte. Das wollten wir alle nicht.

Doch glücklicherweise nahm Simone mir die Entscheidung ab.

"Wir teilen uns in zwei Gruppen auf." sagte sie und reckte das Kinn. "Anton, Lukas und Jakob. Ihr geht gleich links, wenn wir die Tür öffnen. Mia und Alex, ihr kommt mit mir. Wenn ihr Tanja findet, dann zögert nicht lange. Tut alles, was in eurer Macht steht, um sie zu befreien. Sobald ihr das getan habt, findet so schnell wie möglich eine Fluchtmöglichkeit. Die andere Gruppe braucht ihr nicht zu kontaktieren, so oder so werden wir das schon merken."

Mein Blick wanderte zu Lukas. "Wehe dir passiert etwas." drohte ich, bevor ich mich zu Alex und Simone stellte. Sein Mund formte ein "Gleichfalls", was kurz darauf zu einem breiten Grinsen wurde. Ich fragte mich, wie er in dieser Situation überhaupt noch seine positive Stimmung bewahren konnte.

"Los geht's. Nicht erschrecken, wenn gleich ein Alarm ausbricht. So schnell werden sie uns schon nicht finden." Mit diesen ermutigenden Worten holte Simone ein kleines Gerät hervor, das geräuschlos im Türschlitz verschwand.

Kurz darauf war die Tür offen.

Der Flur, in den wir traten, war so weiß, dass es in den Augen schmerzte. Die armen Mitarbeiter von Care. Strenges Rangsystem und dazu auch noch Kopfschmerzen-fördernde-Wände. In Gedanken notierte ich mir, mich niemals bei Care zu bewerben.

Wir versuchten so leise wie möglich den Gang entlang zu laufen, was eigentlich nicht nötig war. Obwohl vorhin Stimmen zu uns durchgedrungen waren, trafen wir keine Menschenseele.

"Wohin sollen wir? Vielleicht in Kassandras Büro?" flüsterte ich.

Simone nickte und deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte, dass wir vor einer runden Plattform mit etwa fünf Meter Durchmesser standen. "Das ist eine Art Aufzug, nehme ich an." sagte sie, kniete sich auf den Boden und fuhr mit dem Zeigefinger den Kreis nach: "Vermutlich die einzige Methode runterzukommen. Wir werden komplett ausgeliefert sein, aber das müssen wir jetzt in Kauf nehmen."

Alex kniete sich neben sie, und betrachtete die kleine Spalte genauer. "Vielleicht reagiert sie auf Druck?" mutmaßte er leise, "Dann müssen wir uns einfach nur draufstellen. Aber vielleicht..."

Ohne ihn überhaupt ausreden zu lassen, stellte ich mich total draufgängerisch auf die runde Plattform. Keine so gute Idee, im Moment war es mir allerdings egal.

Zunächst passierte erst einmal nichts - bis ich bemerkte, wie eine dünne Glasscheibe aus dem Boden auftauchte. Sie kam aus dem dünnen Schlitz zwischen Plattform und Boden und stieg immer höher und höher.

"Kommt rein!" sagte ich, und zog Alex mit auf die Plattform, Simone schien noch zu überlegen, während Alex und ich besorgt auf die Glaswand blickten, welche immer höher stieg und uns wie ein Kokon zu umschließen drohte. Im letzten Moment sprang Simone knapp eineinhalb Meter in die Luft und landete fast lautlos neben uns.

"Das ist ganz bestimmt eine Falle." murmelte sie düster, woraufhin Alex sich mit einem besorgten Stirnrunzeln zu ihr wandte. "Das ganze hier ist eine Falle." erinnerte er. "Wir müssen einfach nur versuchen, wieder hier rauszukommen, bestenfalls mit Tanja."
Die Glaswand schloss sich, scheinbar nahtlos, über uns und die Plattform begann unerwartet schnell nach unten zu sinken. Die Umgebung veränderte sich rasend schnell - von grauen, tristen und engen Büroräumen zu luxuriösen, aufwändig gestalteten Räumen. Überall arbeiteten Menschen, jedoch bemerkte niemand den gläsernen Aufzug - oder sie schenkten uns einfach keine Aufmerksamkeit.

"Warum sieht uns eigentlich niemand?" überlegte ich laut, nachdem eine junge blonde Frau mit Hochsteckfrisur und einem kanariengelben Hosenanzug gedankenverloren durch uns hindurchstarrte. "Vielleicht ist das hier", Alex klopfte gegen die Glaswand, "Spiegelglas. Das heißt, man sieht von Innen alles, was Außen abläuft, andersherum allerdings nicht."

Ohne jegliche Vorwarnung blieb der Aufzug stehen und der gläserne Schutzkokon fuhr lautlos zurück in den Boden. Ich blickte mich um - wir standen an einer Kreuzung, allerdings sah es in alle Richtungen gleich aus. Graue Wände, Kunststoffboden und schwere Metalltüren ohne Schloss oder Türgriff, welche vermutlich verschlossen waren.

"Ich will nur mal kurz daran erinnern - " wandte Alex nervös ein, " - dass das hier alles eine Falle ist." Simone nickte düster. "wir wissen es alle. Der Aufzug hat nicht grundlos hier gestoppt. Irgendetwas will Kassandra von uns - und ich habe echt ein ungutes Gefühl dabei."

"Na dann." Ich versuchte zuversichtlich zu lächeln und lehnte mich gegen die nächstbeste Metalltür. Es war eine absolut schlechte, leichtsinnige und planlose Idee, denn die vermeintlich verschlossene Tür war offen.

Ich fiel nach vorne, doch jemand fing mich im letzten Moment auf, bevor ich Bekanntschaft mit dem wunderbaren Kunststoffboden schließen konnte.
"Ist das die, die Boss will?" ertönte eine tiefe, gedämpfte Stimme. "Sieht so aus!" erwiderte eine weitere Stimme. Tja, eine Lektion für mein (hoffentlich) weiteres Leben; nicht alle, die dich auffangen, sind dir gut gesinnt.

Davon ging ich jetzt einfach mal aus, denn die Person versuchte, mich über ihre Schulter zu werfen und gleichzeitig ein Stofftuch über meinen Kopf zu stülpen. Offensichtlich war er oder sie nicht besonders talentiert im Multitasking, denn ich hörte ein harsches "Ey, hilf mir doch mal!".

Ich kicherte, obwohl die Situation nicht sonderlich lustig war. Die Hilfe bekam mein Versuchs-Entführer allerdings auf andere Weise, denn Simone hatte auf wunderliche Weise ihren Weg in den Raum gefunden. Die vermummte Gestalt ließ mich los, und fiel mit einem schmerzverzerrten Stöhnen auf den Boden, als Simones Schuhhacke ihren Kopf traf.

"Aua." murmelte ich, allerdings auf die Person am Boden bezogen, denn ich hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Innerhalb eines Wimpernschlags lagen die zwei Mitarbeiter Cares, erkennbar an dem grünen Abzeichen an ihrer Brust, bewusstlos auf dem Boden.
"Ok, ein Problem weniger." kommentierte Alex trocken, der ebenfalls in den Raum gekommen war.

"Oder alle Probleme auf einmal beseitigt." ertönte eine unbekannte, verzerrte Stimme.

Dann wurde alles dunkel.

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