Kapitel 2

Mein ganzes Blickfeld war schwarz, doch ich könnte die Augen öffnen, jetzt, und wieder sehen, leben. Meine Augen öffnen und weiter existieren, sie geschlossen lassen und vollends sterben. Ich spürte nichts mehr, könnte aber. Wollte nicht mehr, obwohl alles in mir schrie mich aufzurichten, zu leben. Eine Entscheidung über Existenz ein Leben. Ein blinzeln, ein Augenaufschlag, und ich sah die Welt mit vollkommen anderen Augen.

Kein Scherz! Sie war echt irgendwie anders. Ich versuchte mich aufzusetzen, mich umzusehen um einfach nach und in mein Zimmer zu gehen. Ich fühlte mich fast schwerelos, als würde ich durch die Welt schweben. Ich spürte den nassen, kalten Waldboden nicht mehr, aber das lag wohl am Schock. Was war überhaupt passiert? Ich war wohl gestolpert, hingefallen und dann ohnmächtig geworden. Durch die Ohnmacht hatte ich wohl fantasiert einen Zug gesehen zu haben.

Nun schwebte ich los, meinen alltäglichen Weg entlang und doch sah dieser irgendwie anders aus. Ich tastete in meiner Tasche nach meinen Kopfhörern, doch ich erfühlte nur mein Handy. Die Kopfhörer hatte ich wohl bei meinem Sturz verloren. Ein Zug war natürlich nicht zu sehen, wie ich nach einem kurzem Blick um mich herum feststellte. Allgemein war es sehr leise, ich hörte nicht einen lauten Automotor auf der nahen Autobahn. War wohl heute eine Ausnahme, oder hatte ich einen Feiertag vergessen? Egal, einfach weitergehen. Obwohl ich schwören könnte die Autos eben noch gehört zu haben, bevor ich den Boden geküsst hatte.

Endlich war ich bei der letzten Biegung angekommen, hinter der unser Haus zum Vorschein kommen würde. Mein Puls beschleunigte sich allein schon bei dem Gedanken Mum alles zu erzählen. Dad war heute Morgen auch von seinem Geschäftstermin in Georgia wieder gekommen. Wir würden also alle zusammen essen und den Tag genießen!

Nachdem ich um die Kurve gebogen war, tauchte mein Elternhaus auch vor mir auf, doch irgendwie sah es so gar nicht aus wie unser Haus. Eher wie eine Art...Bauernhof? Bei uns gab es keine Bauernhöfe! Ich wohnte in einer Neubausiedlung, verdammt! Vielleicht hatte ich mich auch nur verlaufen, ich hatte schließlich noch nie die andere Abzweigung gewählt.

Zögernd näherte ich mich den Gebäuden, solange bis ich mich entscheiden musste. Links in das größere Gebäude, eine Art Scheune nannte man so etwas vermutete ich, oder in das rustikale Bauernhaus? Eine höhere Wahrscheinlichkeit jemanden zu treffen hatte ich wohl im Haus. Zielsicher marschierte ich also auf die massive, grüne Holztür zu, als plötzlich ein hohes, schrilles Wiehern aus dem Nebengebäude ertönte. Wie erstarrt hielt ich in der Bewegung inne. Ich hatte noch nie ein echtes Pferd gesehen, nur einige male im Fernsehen, aber fasziniert hatten sie mich schon immer.

Kurzerhand änderte ich also meinen Entschluss und wandte mich nach links, in Richtung der Scheune. An dem großen Tor angekommen, begann ich an dem Holzgriff herum zu probieren, doch weder drücken noch ziehen führte zum Erfolg. Nach einer gefühlten Ewigkeit kapierte ich das man die Tür zur Seite schieben musste. Dummerweise quietschte sie beim aufschieben, hatten die noch nie was von Öl gehört? Die Menschen in dem großen Gebäude drehten sich irritiert zu dem Tor um, sagten aber sowohl komischer- als auch glücklicherweise nichts dazu das auf einmal ein fremdes Mädchen den Raum betreten hatte. Vielleicht sah ich ja irgendwie aus wie ihre Tochter oder so.

Nun schauten sie wieder beschäftigt auf das am Boden liegende Tier, nur um kurz darauf wieder aufzuspringen und nach einigen Worten im Laufschritt nach draußen zu gehen. Alle verschwanden durch eine kleinere Nebentür und ich war mit dem um Luft ringendem Pferd alleine. Zögernd trat ich ein paar Schritte auf den zotteligen braunen Riesen zu, allerdings nur um dann abrupt anzuhalten. Die Angsterfüllten Augen des großen Tieres lagen auf mir und ja es war wirklich sehr groß. War das normal? Sie waren jedenfalls größer als im Fernsehen...und überhaupt. Liefen die nicht immer herum?

Langsam, ganz langsam näherte ich mich weiter, das Pferd wieherte panisch und versuchte sich aufzurappeln, während ich dezent verzweifelte. Wie konnte ich ihm, oder ihr, nur helfen? Oder war das normal? Vielleicht hatten Pferde manchmal solche Phasen. Zeitlupenähnlich kniete ich mich neben den Kopf des Tieres und fing an diesen langsam zu streicheln. Dabei machte ich Geräusche wie 'Schhhh' oder 'Pssssst' in der Hoffnung es würde das Pferd beruhigen. Es gab ein Prusten von sich, so als ob es eigentlich Schnauben wollte, dabei gab das Tier seine Versuche aufzustehen auf.

Auf einmal waren von draußen Stimmen zu hören. "Thor brach schon auf dem Feld zusammen, Vater. Ich hatte schon große Schwierigkeiten ihn Heim zu bringen." Mein Kopf schnellte herum, Richtung Tor, noch war niemand eingetreten. "Verstehe, bring ihm einen Eimer Wasser. Ich reite in die Stadt und verständige unseren Tierarzt." verkündete eine zweite Stimme. Man hörte das gedämpfte Geräusch von Schritten im Matsch und kurz danach das sich entfernende Hufgetrappel eines Pferdes.

Einige Augenblicke später hörte ich erneut das quietschen des Tores, nur das diesmal nicht ich es verursachte. Helles Licht fiel in den Raum und eine recht groß gewachsene Gestalt trat ein. Vom Körperbau her würde ich sagen ein Mann.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top