Verwirrung
Fionas POV
Als Max mich aus dem Büro geschickt hatte, habe ich bemerkt, wie Eric mich angeschaut hatte. Wahrscheinlich hat er Angst, dass ich wieder verschwinde. Doch wo sollte ich hin? Mittlerweile glaube ich, dass wirklich etwas an der Sache dran sein könnte. Zuerst Eric, dann die Grube und Uriah, vorhin schließlich Four und jetzt auch noch Max. Ich wüsste nicht, was das sonst bedeuten sollte.
Also, bleibt mir ja nichts anderes übrig, als zu warten, zu mindestens vorerst. Allerdings verstehe ich absolut nicht, warum mir Eric helfen will. Er ist doch hier einer der Bösewichte, obwohl er sich bemüht, sich mir gegenüber anders zu verhalten. Es würde mich wirklich nicht wundern, wenn er etwas im Schilde führt. Ich muss auf jeden Fall unbedingt auf der Hut bleiben und darf ihm nicht blind vertrauen. Nur gut, dass ich die Bücher so genau kenne. Das wird sich in den nächsten Tagen bestimmt als Vorteil für mich erweisen.
Nach ein paar Minuten frage ich mich langsam, was die beiden so ewig zu besprechen haben. Max macht ja eigentlich einen ganz netten Eindruck, aber da kann ich mich auch täuschen. Im Buch wird nicht so viel über ihn berichtet. Deswegen muss ich mir von ihm wohl erst eine eigene Meinung bilden. Dann wandern meine Gedanken allmählich nach Hause. Ich denke an Phil. Was wird er wohl gerade machen und wird er mich schon vermissen?
Da ich so sehr in meine Gedanken vertieft bin, bemerke ich überhaupt nicht, dass sich mir jemand nähert. Logischerweise erschrecke ich mich deswegen, als ich plötzlich von der Seite angesprochen werde.
"Hey Süße, da bist du ja wieder." Ich zucke so heftig zusammen, dass er sofort bei mir ist und mich an den Armen festhält.
"Alles in Ordnung?", fragt er sichtlich besorgt.
"Ja, alles OK. Du hast mich nur etwas erschrocken."
Nun lockert er seinen Griff um meine Arme, lässt mich aber nicht ganz los.
"Ich wusste ja noch gar nicht, dass ich so eine umwerfende Wirkung auf Frauen habe.", antwortet er jetzt mit seinem typischen Uriah-Grinsen. Obwohl, eigentlich weiß ich überhaupt nicht, ob das sein typisches Grinsen ist, allerdings habe ich es mir immer so vorgestellt. Offen, ehrlich und freudig.
"Schön, dass es dir wieder besser geht? Ich muss sagen, ich hatte ziemliche Angst um dich, als Eric dich einfach weggetragen hat." Damit bringt er mich zum Lachen.
"Na ja, bei dem weiß man doch nie!", fügt er noch hinzu.
"Nein, alles in Ordnung. Er hat sogar was für mich gekocht.", beruhige ich ihn.
"Was!!! Das kann ich echt nicht glauben! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Eric so etwas überhaupt kann!", meint er fast schon geschockt.
Daraufhin nicke ich nur bestätigend. Mittlerweile hält er meine Arme nicht mehr, dafür er hat meine Hände in seine genommen.
"Jetzt aber mal ein anderes Thema. Wer bist du eigentlich, meine Hübsche? Und wie kann es sein, dass du mir bisher noch nie aufgefallen bist?"
"Mein Name ist Fiona", stelle ich mich vor.
"Was für ein schöner Name genauso schön wie die Trägerin." Unwillkürlich muss ich lächeln.
So habe ich mir Uriah immer vorgestellt. Ein Charmeur durch und durch!
"Jetzt erzähl mir mal was von dir.", fordere ich ihn auf.
"Ich bin Uriah, der bei weitesten am bestaussehende Ferox von allen. Außerdem weiß ich genau, wie man ein Mädchen richtig behandelt. Allerdings werde ich in den nächsten Wochen etwas beschäftigt sein, da ab morgen meine Initiation beginnt, doch für jemanden wie dich werde ich trotzdem genug Zeit finden."
Und wieder muss ich über seine Worte herzhaft lachen.
"Na, da freue mich schon.", erwidere ich. Damit hat er mir unbewusst auch verraten, dass morgen Tris und die anderen hier her wechseln werden. OK, dann weiß ich, wo ich mich zeitlich befinde. Jetzt zieht Uriah erneut meine Aufmerksamkeit auf sich.
"Mich würde aber wirklich interessieren, ob wir uns irgendwo her kennen?" Dabei sieht er mir aufmerksam in die Augen.
"Nicht, dass ich wüsste", meine ich nur vage.
"Warum kanntest du dann aber meinen Namen?", will er verwirrt wissen. Ups, daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht und ich habe gerade keinen Plan, wie ich ihm diese Tatsache erklären soll. Mit der offiziellen Story von wegen Gedächtnisverlust passt es natürlich nicht zusammen.
Zum Glück kommt mir in diesem Moment der Zufall zu Hilfe, denn die Bürotür öffnet sich und Eric schaut raus. Als er mich sieht, scheint er zuerst erleichtert, doch dann wandert sein Blick zu Uriah und schließlich zu meinen Händen, die immer noch von ihm gehalten werden. Der Ausdruck auf seinem Gesicht wird immer finsterer. Dann knurrt er Uriah regelrecht an.
"Verschwinde!" Das lässt dieser sich nicht zweimal sagen.
Sobald Uriah weg ist, packt Eric mich am Arm und zieh mich in das Büro.
"Aua!", beschwere ich mich. Doch anschließend konzentriere ich mich erst mal wieder auf Max.
"Also, Fiona. Wir wollen dir gerne die Möglichkeit geben die Initiation bei uns zu durchlaufen. Du wirst genauso wie alle anderen bewertet und musst die gleichen Leistungen bringen. Aufgrund deiner Vorgeschichte wollen wir dich aber nicht im Initiantenschlafraum unterbringen."
"OK, und wo sonst?", frage ich etwas unsicher.
"Solange bis wir eine bessere Lösung gefunden haben, hat sich Eric bereit erklärt, dass du bei ihm schlafen kannst."
"Was??? Warum denn das?" Kurz bin ich wirklich entsetzt. Das hat er doch bestimmt mit Absicht so eingefädelt. Ich schaue zu ihm. Er steht mit vor der Brust verschränkten Armen neben der Tür und sein Gesichtsausdruck verrät einfach alles.
"Das ist zu deiner eigenen Sicherheit.", meint er nur mit einem selbstgefälligen Ausdruck und scheint dabei äußerst zufrieden zu sein.
"Ja, Eric hat recht. Du kannst dich an nichts erinnern, also wissen wir nicht, was dir genau passiert ist. Es kann natürlich einfach nur ein Unfall gewesen sein oder ... jemand hat es vielleicht auf dich abgesehen. Da wäre es in so einem leicht zugänglichem Raum wie dem Schlafsaal zu gefährlich für dich.", stimmt Max ihm zu. Prima! Wenn ich also hierbleiben will, muss ich wohl oder übel zustimmen. Vielleicht kann ich später etwas daran ändern. Zu mindestens hoffe ich es.
"Gut, ich bin einverstanden.", sage ich deswegen, auch wenn ich mir sicher bin, dass das letzte Wörtchen hier noch nicht gesprochen ist.
"Schön, dann haben wir ja alles geklärt. Ach ja, und sobald du dich an etwas erinnern kannst, sag bitte sofort Eric oder mir Bescheid." Max wirkt zufrieden, während ich ihm zustimmend zu nicke.
Eric steht bereits an der Tür und will mich gerade wieder hinterher ziehen, als Max ihn darum bittet, vor der Tür auf mich zu warten. Er meint, dass er kurz etwas mit mir alleine besprechen müsste. Allerdings scheint das Eric nicht sonderlich gut zu gefallen.
"Es ist doch alles geklärt.", meint er in einem Ton, der eigentlich keinen Widerspruch duldet. Aber Max lässt nicht locker. Somit geht Eric schließlich widerwillig ohne mich aus dem Raum.
Als Eric die Tür hinter sich geschlossen hat, kommt Max um den Schreibtisch herum und bleibt vor mir stehen.
"Fiona, du solltest wissen, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, falls du hier Probleme hast." Es ist mir rätselhaft, warum er mir das erzählt und wahrscheinlich merkt man mir meine Verwirrung auch an. Somit tritt Max noch einen Schritt näher zu mir.
Dann nimmt er eine meiner Hände in seine Hände. Ich verstehe nicht, warum mich heute alle anfassen müssen. Aber im Gegensatz zu vorhin bei Uriah fühlt sich diese Berührung von ihm unangenehm an und ich verspüre den starken Drang ihm meine Hand augenblicklich zu entreißen. Krampfhaft versuche ich diesem Bedürfnis zu widerstehen und höre ihm weiter zu.
"Ich weiß, wie Eric sein kann. Wenn es also zu Schwierigkeiten kommt, werden wir schon eine andere Lösung finden."
Ich weiß nicht genau warum, aber irgendwie läuft es mir bei seinen Worten eiskalt den Rücken herunter. Vielleicht liegt es an der Art und Weise, wie er es sagt oder dem Blick, mit dem er mich dabei förmlich durchbohrt. Deswegen bringe ich nur noch ein zaghaftes "OK, danke!" über meine Lippen und bin dann richtig erleichtert, als er mich endlich loslässt, anlächelt und mir ein Zeichen gibt, dass ich nun gehen darf. Und da lasse ich mich bestimmt nicht zweimal bitten. Schnell verabschiede ich mich und bin im nächsten Atemzug bereits aus der Tür heraus gestürmt.
Das Eric hier wartet ist nicht viel besser, allerdings erscheint er mir zurzeit nicht ganz so unheimlich wie es bei Max gerade der Fall war. Ich bin so fluchtartig aus dem Büro gefegt, dass Eric nicht sofort reagieren konnte. Erst nachdem ich ein paar Schritte gelaufen bin, drehe ich mich um und frage: "Kommst du?" Als er aufgeholt hat und neben mir läuft, will er wissen, was Max von mir wollte.
"Irgendwas davon, dass ich jederzeit zu ihm gehen kann, falls es Probleme gibt.", murmle ich nur. Eigentlich will jetzt nicht darüber sprechen und laufe deswegen ein bisschen schneller. Doch Eric hält mich am Arm fest und dreht mich zu sich.
"Was hast du? Was war wirklich los?", fragt er mich eindringlich.
"Nichts. Ich finde Max nur sehr unsympathisch und etwas unheimlich.", gebe ich schließlich ehrlich zu, weil ich keine Lust auf ewige Diskussionen habe. Eric scheint zufrieden mit meiner Antwort.
"Können wir dann weiter. Ich bin echt müde." Außerdem merke ich, dass ich von diesem ganzen Tag leicht genervt bin. Als wir endlich wieder in seiner Wohnung ankommen, fällt mir aber noch etwas ein.
"Was sollte eigentlich der Mist mit dem 'nicht-im-Schlafsaal-schlafen'? Das hast du dir doch bestimmt überlegt.", fahre ich ihn verärgert an. Aber er ist nur so frech und zuckt mit den Schultern.
"Also, ich habe kein Problem damit", meint er dann zum allem Überfluss grinsend.
"OK, dann verrate mir bitte mal, wo ich denn hier schlafen soll?", hake ich nach. Er macht eine Kopfbewegung in Richtung Schlafzimmer.
"Mein Bett ist groß genug und wie du inzwischen ja bestimmt festgestellt hast, auch sehr bequem." Ich bin mir nicht sicher, ob er das wirklich ernst meint oder mich nur provozieren will, aber so oder so, das geht jetzt eindeutig zu weit.
"Was? Das kannst du gleich vergessen. Nur weil anscheinend nicht so viele Frauen freiwillig in dein Bett wollen, gibt das dir noch lange nicht das Recht, zu solchen miesen Tricks zu greifen.", fahre ich ihn wütend an. Sofort ist mir klar, dass ich den letzten Satz lieber nicht hätte aussprechen sollen. Allerdings stehe ich in diesem Moment bereits mit dem Rücken zur Wand und spüre seine Hand an meiner Kehle.
"Langsam reicht es mir mit dir. Was fällt dir eigentlich ein?", raut er mir zu.
"Oh, Entschuldigung, ich habe ganz vergessen, dass ich hier ja mit Eric, dem großen und tollen Anführer spreche. Der hat bestimmt keine Probleme damit Frauen aufzureißen." Meine Stimme trieft nur so von Sarkasmus. Er schaut mich bedrohlich an und kommt noch ein Stück näher an mich heran.
"Kennt ihr im Jahr 2016 eigentlich nicht die Bedeutung von Respekt? Dann solltest du das schnellst möglichst lernen, ansonsten ..."
"Ansonsten was?", unterbreche ich ihn. Irgendwie kann ich mich selber gerade nicht stoppen.
"Willst du mich dann dazu zwingen, bei den Ferox zu bleiben? Oder mich einsperren?" Ich kann es einfach nicht lassen.
"Ich könnte dich genauso gut über der Schlucht hängen lassen oder jemanden mit Messern auf dich werfen lassen, wenn dir das lieber ist."
"Bitte! Tue dir keinen Zwang an! Hier würde mich sowieso niemand vermissen.", sage ich nur leise, schaue ihn dabei aber nicht mehr an.
Ich weiß nicht, woher dieser plötzliche Stimmungswechsel kommt. Doch jetzt bin ich einfach nur noch traurig und zutiefst verzweifelt. Vielleicht realisiere ich erst in diesem Moment richtig, dass das hier wirklich alles echt ist und ich möglicherweise nie wieder nach Hause zurückkomme. Oder es liegt daran, dass es so ein langer und anstrengender Tag gewesen ist und ich inzwischen dringend ins Bettchen müsste.
Ich weine nicht, ich bin nur todunglücklich. Ob Eric meinen momentanen Zustand als Schwäche ansieht, ist mir gerade völlig egal. Da er nichts sagt, wage ich einen kurzen Blick in sein Gesicht. Der finstere Ausdruck ist verschwunden. Jetzt schaut er mich undefinierbar an. Wahrscheinlich versteht er nicht, was mit mir los ist. Und warum auch immer, versuche ich mich ihm zu erklären.
"Mensch Eric, ich verstehe einfach nicht, was das alles soll. Warum ich in dieser Zeit bin und ob ich jemals wieder nach Hause zurückkehren kann? Außerdem verstehe ich überhaupt nicht, was du für eine Rolle bei dem ganzen Theater spielst. Warum soll ich unbedingt in deiner Wohnung bleiben und darf nicht bei den anderen Initianten schlafen? Was willst du eigentlich?"
Da macht Eric etwas völlig Unerwartetes.
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