Streit

Fionas POV

Mit diesen Worten stürme ich aus seiner Wohnung und eile durch die Gänge. Als ich um die nächste Ecke laufe, renne ich zu allem Überfluss direkt in jemanden hinein.

Ich blicke auf, um zu sehen, mit wem ich jetzt das Vergnügen habe und bin gleich etwas erleichtert. Es ist nur Four. Das ist sehr gut, denn er ist nicht so aufdringlich. Nach dieser Begegnung mit Max möchte ich nämlich nur noch meine Ruhe haben. Deswegen entschuldige ich mich bei ihm und will bereits weiter gehen, um von hier zu verschwinden. Doch da habe ich mich scheinbar zu früh gefreut.

"Warte, Fiona!" Verwundert bleibe ich stehen und drehe mich wieder zu ihm.

"Ich habe beim Abendessen von den anderen deine Geschichte erfahren.", fängt er an. War ja auch ziemlich klar! Schließlich saß Christina mit an seinem Tisch.

"Ja, und?", ich bemühe mich wirklich nicht genervt zu klingen, allerdings glaube ich, dass es mir nicht so gut gelingt. Vor allem, weil ich nicht verstehe, was er von mir möchte und warum er mich nicht einfach in Ruhe lassen kann. Ich hoffe gerade nur, dass er möglichst schnell auf den Punkt kommt.

"Nachdem ich dich gestern bereits mit Eric gesehen hatte, wo ihr einen recht vertrauten Eindruck auf mich hinterlassen habt, hatte ich dich falsch eingeschätzt und das tut mir leid. Nun kenne ich die Hintergründe und das erklärt einiges. Du musst wissen, dass Eric und ich uns nicht besonders gut verstehen und man bei ihm sehr vorsichtig sein sollte. Deswegen wollte ich dir auch raten, dich von ihm fernzuhalten."

Hilfe! Der nächste, der sich Sorgen macht. Oder was soll das sonst?

"Mir ist bereits bewusst, wie Eric tickt und dass er sehr gefährlich sein kann. Allerdings ist es nicht so einfach, mich von ihm fernzuhalten.", meine ich nur. Er wirkt etwas irritiert. Komisch! Weiß er etwa gar nichts davon.

"Weil im Schlafsaal nur neun Betten stehen, muss ich bei Eric schlafen.", erkläre ich deswegen.

"Was?" OK, offensichtlich wusste er wirklich nichts.

"Das ist mir gar nicht aufgefallen. Mhh, also ich würde dir gerne helfen. Vielleicht kann ich versuchen, ob sich nicht eine andere Lösung finden lässt." Scheinbar steckt irgendwo in ihm immer noch der Altruan.

"Nein, mach dir keine Sorge. Ich komme damit zurecht.", winke ich ab. Ein weiteres Mal möchte ich mich gerade von ihm verabschieden, um endlich hier zu verschwinden, als sich seine Augen schlagartig weiten und er mich besorgt mustert.

"Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?", fragt er wieder nach.

"Ja, ich bin nur müde und möchte meine Ruhe! Warum fragt mich das denn heute jeder!", antworte ich genervt. Was wollen denn alle bloß von mir.

"Ich frage nur, weil du gerade zitterst!", meint er sichtlich beunruhigt. Nun bin ich verwirrt. Wie ich zittere? Ich hebe meine Hände und betrachtet sie. Tatsache! Sie zittern unkontrolliert. So wie mein restlicher Körper. Doch warum?

Die einzig logische Erklärung ist, dass mir diese unerfreuliche Unterhaltung mit Max noch in den Knochen steckt und mir seine perverse Art mehr zugesetzt hat, als ich dachte. Inzwischen hat Four den Abstand zwischen uns überwunden und steht direkt vor mir.

"Ich werde dich lieber auf die Krankenstation bringen." Oh nein, da will ich jetzt auf keinen Fall hin.

"Nein, alles OK. Ich hatte nur eine unangenehme Begegnung, die mich etwas geschockt hat.", versuche ich ihn abzuwimmeln.

"Was aber, wenn es etwas mit deinem Gedächtnisverlust zu tun hat." Warum kann er nicht einfach lockerlassen?

"Bitte Four! Lass mich in Ruhe!" Doch da will er bereits meinen Arm um seine Schulter legen, um mich zur Krankenstation zu bugsieren. Allerdings wird er dabei durch eine scharfe Stimme hinter uns unterbrechen.

"Fiona, sofort mitkommen!" In diesem Moment bin ich fast schon erleichtert Erics Stimme zu hören, obwohl dieser Befehl auch nicht gerade sehr freundlich klingt.

"Eric, ich glaube es wäre besser sie zur Krankenstation zu bringen. Sie ..." Eric lässt ihn gar nicht aussprechen.

"Ist mir egal, was du für besser hältst. Immerhin hat sie gerade gesagt, dass du sie in Ruhe lassen sollst. Also, verschwinde gefälligst!", brüllt er Four an. Eigentlich wollte er mir wirklich nur helfen. Da muss Eric ihn echt nicht so blöd anmachen. Das wollte ich wirklich nicht.

"Ist schon OK!", wende ich mich an Four, der mich zögerlich loslässt, aber weiter sorgenvoll mustert.

Im nächsten Moment ist Eric bei mir, packt mich grob am Arm und schleift mich mit sich. Ich weiß nicht, ob ich immer noch zittere, aber dafür fühlen sich meine Beine jetzt wie Wackelpudding an. Ich habe das Gefühl, dass sie jeden Moment unter mir nachgehen und somit fällt es mir äußerst schwer, Erics Tempo mithalten zu können. Wahrscheinlich stolpere ich mehr hinter ihm her als sonst irgendetwas.

Dazu kommt jetzt auch noch der Umstand, dass es mir schwindlig wird, deswegen brauche ich dringend eine Pause.

"Eric, warte bitte kurz!" Selbst meine Stimme ist nichts weiter als ein leises Wispern. Aber entweder kann er mich nicht hören oder er will mich nicht hören, zu mindestens hält er nicht an. Als nächstes versuche ich mich von ihm los zu reißen, obwohl das ziemlich aussichtslos ist. Schließlich habe ich schon im Normalzustand kaum eine Chance gegen ihn, wie soll es mir also jetzt in so einer geschwächten Verfassung gelingen?

Natürlich scheitert dieser Versuch, wie ich bereits befürchtet hatte und führt nur dazu, dass sich sein Griff um meinen Oberarm schmerzhaft verstärkt. Nun bin ich mir absolut sicher, dass ich dort bald einen blauen Fleck erwarten kann. Allerdings verlangsamt er dafür seinen Gang ein wenig. Kurze Zeit später sind wir bei seiner Wohnung. Er öffnet die Tür und schleudert mich gleich darauf regelrecht in den Flur.

"Spinnst du?!", bringe ich mühsam hervor.

So ein Arsch! Was läuft denn bei dem nur verkehrt?! Durch diese Aktion kann ich mich wirklich nicht mehr auf den Beinen halten und sacke in seinem Flur in mich zusammen. Doch anstatt mir zu helfen, steigt er nur wortlos über mich drüber und geht ins Wohnzimmer.

"Was ist eigentlich dein verdammtes Problem?!", versuche ich ihm hinterher zu schreien, aber dazu reicht meine Kraft nicht mehr.

Somit kauere ich jetzt alleine im Flur und zittere mittlerweile wie Espenlaub. Dazu habe ich eiskalte Finger und mir ist immer noch schwindlig. Aber warum? Das kann schließlich nicht nur an Max liegen. Ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Kalte Finger, Schwindel, unkontrolliertes Zittern. Gegessen habe ich eigentlich genug. Das kann es nicht sein. Doch was ist mit Trinken. Beim Abendessen bin ich gar nicht dazu gekommen, weil Max mich da bereits angesprochen hatte. Das bedeutet, ich habe heute früh, das letzte Mal etwas getrunken. OK, daran kann es natürlich liegen. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.

Bis zur Küche ist es von hier aus auch nicht so weit. Ganz langsam richte ich mich an die Wand gestützt auf. Dann taste ich mich Richtung Küche vor. Dort angekommen, schaue ich mich nach einem Glas um. Zum Glück finde ich schnell das richtige Fach, denn ich habe jetzt wirklich keine Lust hier alles auf den Kopf zu stellen. Und auf der Arbeitsplatte kann ich eine Flasche Wasser erkennen. Mit zittrigen Händen versuche ich sie zu öffnen. Was sich als äußerst schwierig erweist.

Da reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

"Das kann man sich ja echt nicht mit ansehen." Eric. Er steht direkt neben mir. Ich hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. Allerdings bin ich gerade viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Deswegen habe ich mich wahrscheinlich auch nicht erschreckt. In diesem Moment reißt er mir die Flasche bereits aus der Hand, schüttet mir etwas davon in das Glas und hält es mir unter die Nase. Natürlich nicht ohne einen blöden Spruch los zu lassen.

"Hoffentlich hört dann dieses spastische Zittern endlich auf."

Ich blicke ihn nicht mal an, sondern widme mich ausschließlich meinem Glas und kippe es in einem Zug herunter. Sofort merke ich, wie es mir gleich etwas besser geht. Ich greife erneut nach der Flasche und mache mein Glas ein weiteres Mal voll, während Eric mich dabei beobachtet. Als sich meine Körperfunktionen langsam wieder normalisiert haben, meint er: "Na, das ist doch schon besser! Also, was ist los? Hast du auf einmal so eine Heidenangst vor mir oder was sollte sonst dieses kranke Rumgezappel?"

Falls der wirklich erwartet von mir darauf eine Reaktion zu erhalten, kann er lange warten. Wenn ihm mein Wohlbefinden aufrichtig interessieren würde, soll er gefälligst auch anständig danach fragen. Schließlich muss ich mir nicht alles von ihm gefallen lassen. Und jetzt ist er eindeutig zu weit gegangen. Anstatt ihm zu antworten, trinke ich nur mein zweites Glas aus. Dann drehe ich ihm den Rücken zu und will ins Bad gehen. Allerdings stellt sich Eric mir in den Weg.

"Denkst du etwa, dass du mich einfach so stehen lassen kannst?!", fährt er mich aufgebracht an. Aber ich starre ihn nur stur an und sage kein Wort.

Das macht ihn noch wütender!

"Antworte mir gefälligst!", schreit er mich an.

"Du hast doch gesehen, dass ich das kann!" Im nächsten Moment hat er mir bereits eine schallende Ohrfeige verpasst. Das sieht ihm ähnlich! Genau das ist sein wahres Gesicht, der wahre Eric. Wie konnte ich ihm nur jemals glauben, dass er nicht so wäre? Auch auf die Gefahr hin, mir gleich eine weitere Schelle zu fangen, schaue ich ihm wieder direkt ins Gesicht, dabei lege ich so viel Hass in meinen Blick, wie mir nur möglich ist.

Dann sage ich mit einer ruhigen und erstaunlich festen Stimme.

"So viel zu deinem tollen Versprechen! Ich merke gerade echt, dass du mich wirklich nicht verletzten willst." Der harte Ausdruck auf seinem Gesicht weicht etwas anderem, was ich absolut nicht definieren kann. Da er mir scheinbar nichts erwidern will und mich nur weiter so undefinierbar anschaut, mache ich einen Bogen um ihn herum, um endlich ins Badezimmer zu gelangen.

Dort schließe ich mich ein und lasse meinen Tränen freien Lauf. Warum ist hier alles nur so kompliziert? Erst die Sache mit Max, dann Eric wie er mich hier her geschleift hat, mich bei meinem Zusammenbruch einfach mir selbst überlassen hat und letztendlich noch doofe Sprüche darüber gerissen hat. Der hat anscheinend keine Ahnung, wie man mit anderen richtig umgeht. Kann er sich nicht vorstellen, wie mich das verletzt hat. Und dann erwartet er allen Ernstes eine Antwort von mir! Der hat sie echt nicht mehr alle!

Klar, ich soll ihm Respekt erweisen! Doch dabei weiß er selber nicht mal, was Respekt eigentlich bedeutet! Und dass man einen gewissen Respekt jedem gegenüber an den Tag legen sollte. Der Höhepunkt war natürlich die Ohrfeige. Wie soll man jemanden wie Eric respektieren, der bereits nach ein paar Stunden seine Versprechen bricht. Er hat absolut keinen Respekt verdient. Und nach heute wird er den von mir auch garantiert nicht mehr bekommen. Ist mir egal, ob ich mir dafür noch mehr Ärger einhandeln werde.

Allerdings ist mein größtes Problem, dass ich einfach nur nach Hause will. Zu Phil, der genau weiß, wie man andere behandelt und der mich wirklich noch nie verletzt hat. Nur ich weiß nicht wie. Soll ich doch Max um Hilfe bitten? Aber dann müsste ich ihm alles erzählen und jetzt habe ich natürlich den einzigen halbwegs glaubhaften Beweis, mein Buch, verbrannt. Und selbst wenn er mir glauben würde, wird er bestimmt eine Gegenleistung erwarten und dazu bin ich absolut nicht bereit.

Da bleibt nur noch Four. Er hat mir ja indirekt auch seine Hilfe angeboten. Allerdings wird er nicht allzu viel ausrichten können, schließlich ist er kein Anführer. Obwohl, da gibt es schon etwas, wobei mir Four behilflich sein könnte. Das ist eine gute Idee. Ich nehme mir fest vor, ihn schnellst möglichst darauf anzusprechen. Vielleicht komme ich ja doch bald nach Hause. Dieser Gedanke motiviert mich gerade ungemein und lässt meine Tränen versiegen.

Ich rapple mich wieder auf und stelle mich unter die Dusche. Das warme Wasser baut mich zusätzlich auf. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie lange ich mittlerweile hier drinnen bin oder wie spät es inzwischen ist, ist mir bewusst, dass ich morgen fit sein muss. Also mache ich mich schnell fertig und hoffe, dass Eric sich mittlerweile hingelegt hat. Oder mich zu mindestens nicht mehr nerven wird!

Natürlich bin ich mir eigentlich relativ sicher, dass er diese Sache nicht auf sich beruhen lassen wird. Allerdings hoffe ich darauf, dass wir dieses Thema vielleicht auf morgen verschieben könnten. Als ich das Bad verlasse, bemühe ich mich gar nicht erst, besonders leise oder vorsichtig zu sein. Denn mir ist klar, wenn Eric heute noch darüber sprechen möchte, werde ich so oder so nicht drum herumkommen.

Kaum bin ich durch die Tür, sehe ich ihn auch bereits. Er steht scheinbar fast noch an derselben Stelle wie vorhin. Den Blick hält er gesenkt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er hat ein schlechtes Gewissen. Aber wir sprechen hier von Eric, also ist das nicht möglich. Wahrscheinlich ist das nur ein neues Spiel von ihm. Wie kann man so krank sein? Da er nichts sagt, versuche ich einfach an ihm vorbei Richtung Couch zu gelangen.

Doch als ich genau neben ihm bin, hält er mich leider am Arm fest.

"Warte!" Sein Griff ist nicht so stark, allerdings erwischt er natürlich dieselbe Stelle von vorhin, weswegen ich kurz vor Schmerz zusammenzucke und er mich wieder loslässt. Ich schaue ihn aber nicht an.

"Wir sollten noch mal reden!", meint er mit relativ sanfter Stimme. Erst jetzt blicke ich ihn an. In seinen Augen liegt ein trauriger, ja fast schon reuevoller Ausdruck.

Aber darauf falle ich nicht mehr herein.

"Ich wüsste nicht warum! Hast du mich etwa noch nicht genug fertig gemacht? Oder willst du mich ein weiteres Mal schlagen? Hat es dir vorhin nicht gereicht?", lege ich gleich los. Er will gerade etwas erwidern, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen.

"Eric, bitte lass mich einfach in Ruhe. Ich bin müde und kaputt. Außerdem wird es morgen bestimmt sehr anstrengend. Deswegen wäre es wirklich sehr nett, wenn wir diesen ganzen Mist später ausdiskutieren könnten. Dazu habe ich heute nämlich keine Nerven mehr. Vor allem nicht nach dieser ganzen Sache mit Max."

Ich schmeiße ihm alles an den Kopf, was mich gerade beschäftigt. Und wahrscheinlich wäre ich noch lange nicht fertig gewesen. Allerdings kann ich nicht mehr weitersprechen, denn plötzlich spüre ich seine Lippen auf meinen.

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