Hintergedanken
Erics POV
Max sitzt hinter seinem Schreibtisch und schaut uns jetzt verwundert an, vor allem Fiona.
"Eric, was ist denn hier los?"
"Hallo Max, das ist Fiona." Er mustert sie immer noch unablässig und scheint etwas verwirrt, weil sie ihm offensichtlich unbekannt vorkommt. Als Anführer hat er jeden Ferox mindestens zweimal während der Initiation gesehen.
"Du wirst sie wahrscheinlich nicht kennen.", erkläre ich ihm deswegen.
"Sie ist mir gerade beim Jogging über den Weg gelaufen", fahre ich fort und erkenne im Augenwinkel, wie Fiona während meiner Worte etwas unruhig wird. Vielleicht hat sie Angst, was ich als nächstes erzählen werde.
"Sie schien ziemlich verwirrt zu sein und so wie es aussieht, kann sie sich an nichts mehr erinnern. Sicher ist nur, dass sie augenscheinlich nicht zu den Fraktionslosen gehört" Ich versuche möglichst gleichgültig zu klingen, sonst wäre die ganze Geschichte doch etwas zu unrealistisch.
"OK, Fiona. Aus welcher Fraktion kommst du denn?", wendet sich Max jetzt an sie.
"Also, das weiß ich leider auch nicht mehr. Das einzige, an das ich mich noch erinnern kann, ist das ich Fiona heiße und dieses Jahr meine Initiation habe. Bestimmt war ich gerade auf dem Weg zum Eignungstest. Aber dann muss irgendetwas passiert sein, so dass ich mein Gedächtnis verloren habe. Ich hoffe, dass ihr mir vielleicht helfen könnt", sie schaut kurz zu mir, worauf ich ihr unauffällig zu nicke. Wow, ich bin wirklich überrascht, dass sie so spontan und total überzeugend bei meinem Plan mitspielt. Und da denkt sie, sie würde zu den Candor passen. Innerlich muss ich darüber schmunzeln.
"Ich verstehe, Fiona, das ist eine schwierige Situation für dich. Aber ich weiß nicht, ob wir dir dabei helfen können. Die besten Ärzte gibt es schließlich bei den Ken. Vielleicht solltest du lieber bei ihnen um Hilfe bitten.", erwidert Max nun. Jetzt läuft es aber in die falsche Richtung.
"Darum geht es mir auch gar nicht, sondern um meine Initiation." Kluges Mädchen. Vielleicht würde sie sogar zu den Ken passen. Trotzdem schalte ich mich vorsichtshalber wieder ein.
"Fiona hat mich darum gebeten, dass sie auch ohne Eignungstest und Bestimmungszeremonie die Initiation bei uns durchlaufen kann. Deswegen habe ich sie hierhergebracht.", erkläre ich ihm. Max schaut mich einen kurzen Moment undefinierbar an, bevor er sich erneut Fiona zu wendet.
"Gut, das ist verständlich. Allerdings weiß ich nicht, ob das so einfach möglich ist. Ich würde das gerne mal kurz mit Eric alleine besprechen. Kannst du bitte inzwischen vor dem Büro warten"
Sie stimmt zu und ich halte ihr die Tür auf. Als sie an mir vorbei geht, schaue ich ihr fest in die Augen.
"Du wartest hier. Es wird nicht lange dauern.", sage ich bestimmt. Eigentlich ist es mir nicht so recht, sie einfach alleine zu lassen. Andererseits habe ich momentan aber keine andere Wahl. Jetzt kann ich nur hoffen, dass sie mittlerweile verstanden hat, dass ich ihr helfen möchte und dass sie deswegen nicht mehr die Flucht ergreifen möchte.
Als wir schließlich nur noch zu zweit im Büro stehen, wende ich mich Max zu.
"So Eric, erzählst du mir nun die Wahrheit?" "Du kennst die Wahrheit. Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß.", versuche ich ihn so überzeugen. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, dass Max sich nicht so leicht hinters Licht führen lässt.
"Vielleicht kenne ich die Wahrheit über die Kleine, aber mich interessiert auch der wahre Grund, warum du ihr helfen willst. Was springt für dich dabei heraus?"
"Ich will ihr helfen, weil sie mich um Hilfe gebeten hat." Einen Versuch ist es zu mindestens wert.
"Ach komm schon Eric, du bist ja nicht gerade der Menschenfreund. Da muss doch bestimmt etwas anderes dahinterstecken. Mir kannst du es verraten." War ja klar, dass er alles hinter fragen wird. Trotzdem starte ich einen weiteren verzweifelten Versuch, um mich heraus zu reden.
"Mir war halt gerade danach."
"Eric, wir sind schließlich so was wie Freunde, und ich denke, da kenne ich dich relativ gut. Du machst nichts einfach nur so." Ja, das stimmt, Max ist einer der wenigen, die ich wirklich als meine Freunde bezeichnen würde.
"Zum anderen ist es auch sehr auffällig, dass die Kleine ein T-Shirt von dir trägt. Es ist doch eines von deinen, oder?" Mist, warum muss ihm diese Tatsache zu allem Überfluss auch auffallen?
"Ja", sage ich nur mit zusammen gebissenen Zähnen.
"OK, Eric, kürzen wir das hier einfach etwas ab. Du weißt genauso gut wie ich, dass es kein allzu großes Problem darstellen würde, wenn wir sie die Initiation bei uns durchlaufen lassen würden. Wenn du also meine Zustimmung haben möchtest, sag mir einfach, was du an der Kleinen findest. Kennst du sie irgendwo her? Oder wie hat sie dich sonst um den Finger gewickelt?" Er wird nicht lockerlassen, das ist mir klar. Ich werde wohl oder übel die Wahrheit sagen müssen oder zu mindestens einen Teil der Wahrheit.
"Gut, Max. Ich hatte dir doch vor einiger Zeit von meinen Träumen erzählt." Ja, das hatte ich wirklich. Es war in einem schwachen Moment, denn eigentlich erzähle ich anderen nicht sehr viel von mir, auch nicht denen, die ich so gut leiden kann wie Max. Allerdings haben in diesem speziellen Fall wenig Schlaf und viel Alkohol ihr Übriges getan.
Ich war damals wieder von einem dieser Träume wach geworden und konnte mir keinen Reim darauf machen. Auch das Wiedereinschlafen fiel mir schwer, weswegen ich es irgendwann aufgegeben und mich zur Grube geschleppt hatte. Dort kann man schließlich auch mitten in der Nacht Hochprozentiges erwerben. Also hatte ich meine restliche Nacht in der Grube verbracht und bin am nächsten Morgen auf Max gestoßen, der sichtlich besorgt war, mich in so einem Zustand an zu treffen und natürlich auch gleich nach dem Grund dafür fragen musste. Da mein alkoholbetäubtes Gehirn nicht mehr zu vielem in der Lage war, hatte ich ihm in diesem Moment von meinen Träumen erzählt. Aber vielleicht ist das heute ja sogar von Vorteil.
Nachdem Max zustimmend genickt hat, erzähle ich weiter.
"Ich hatte in den Träumen immer nur braunen Augen gesehen, allerdings waren da heute Nacht auch noch rote Haare. Und dann läuft mir Fiona am selben Tag über den Weg. Ein Mädchen mit genau diesen Augen und dieselben Haare wie in meinen Träumen. Ich möchte jetzt einfach nur herausfinden, was genau es damit auf sich hat.", antworte ich Max ehrlich.
"Ok, das klingt doch schon eher nach dir, Eric. Deine Neugier und den Drang, alles zu verstehen, wirst du wohl nie ablegen. Aber das soll mir recht sein. Und ich muss ehrlich sagen, süß ist die Kleine ja wirklich. Da kann man es nachvollziehen, dass du von ihr träumst. Solche Träume hätte ich schließlich auch sehr gerne." Ich mag es nicht, dass er Fiona die ganze Zeit Kleine nennt und so über sie spricht. Vor allem widert mich gerade sein Gesichtsausdruck an. Er soll bloß nicht denken, dass Fiona Frischfleisch ist, auf das er sich gleich stürzen kann.
Allerdings fährt er in diesem Moment bereits mit seinen Ausführungen fort.
"Ich will dir da keine Steine in den Weg legen. Von mir aus kann sie die Initiation mitmachen, natürlich solltest du sie nicht zu sehr bevorzugen." Ich habe gar nicht bemerkt, wie angespannt ich die ganze Zeit war. Warum ist mir Fiona nur so wichtig?
"Du kennst mich, da solltest du auch wissen, dass ich niemanden bevorzuge.", beruhige ich ihn.
Eigentlich ist jetzt alles geklärt, doch da fällt mir etwas anderes ein. Ich weiß nicht, warum mir dieser Punkt so wichtig ist, aber ich habe das starke Bedürfnis es anzusprechen.
"Da ist noch etwas. Ich möchte nicht, dass sie bei den anderen Initianten schläft." Mist! Nun habe ich es bereits ausgesprochen ohne vorher zu überlegen. Aber warum will ich das nicht? Mh, vielleicht weil ich weiß, wie groß der Konkurrenzkampf unter den Initianten sein kann und es deswegen in den letzten Jahren zu vielen Übergriffen gekommen ist.
"Sondern wo sonst?" Max mustert mich nur undefinierbar, aber das ist mir egal.
"In meiner Wohnung. Da ist es sicherer", sage ich gerade heraus. Jetzt hat Max ein dreckiges Grinsen im Gesicht.
"So sicher, wie es für ein kleines unschuldiges Mädchen in deiner Nähe sein kann." Dabei wackelt er mit den Augenbrauen. Soll er von mir ausdenken, was er will. Vielleicht wird er sie dann wenigstens in Ruhe lassen, wenn er denkt, dass zwischen uns etwas läuft.
"Wenn die Kleine da mitspielt, bin ich einverstanden", fügt er schließlich schulterzuckend hinzu. Heute geht mir seine Art echt auf die Nerven. Das macht er immer so. Den Frauen gegenüber verhält er sich wie der tollste Gentleman, aber sobald sie außer Hörweite sind, sinkt sein Niveau tief unter die Gürtellinie. Im Normalfall stört mich das ja eigentlich nicht, aber mir gefällt es nicht, wenn er so auch über Fiona spricht.
"Ok, dann kannst du die Kleine hereinholen." Er hat sie schon wieder so genannt!
Doch darüber kann ich mir gerade keine Gedanken machen. Jetzt hoffe ich erst mal darauf, dass Fiona wirklich noch vor der Tür wartet.
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