Eiskalte Maske



Erics POV

Nachdem ich die Initianten zum Mittagessen entlassen haben, begebe ich mich ebenfalls dorthin. Dabei versuche ich meine Gedanken zu sortieren. Ich habe absolut keine Ahnung, was mit mir los ist. Irgendwie bin ich zurzeit nicht ich selbst. Und das fing alles mit diesen Träumen an, die mich bereits seit ein paar Wochen verfolgen. Tja, und dann ist Fiona hier aufgetaucht, das Mädchen aus meinen Träumen.

Seitdem sie hier ist, werden die Träume Tag für Tag klarer und ich kann immer mehr erkennen. Allerdings entstehen dadurch auch weitere Fragen. Heute hat mich Fiona im Traum wieder so liebevoll und vertraut angeschaut. Außerdem hat sie etwas zu mir gesagt, was ich aber leider nicht verstehen konnte. Warum verfolgt mich nur dieser Traum? Was hat das alles für eine Bedeutung?

Das muss ich unbedingt herausfinden, damit ich diese ganze Sache endlich abhaken und wieder ich selbst sein kann. Schließlich bin ich kein Typ, der von irgendwelchen Weibern liebevoll oder vertraut angeschaut wird. Natürlich ziehe ich viele Blicke auf mich, aber das sind Blicke voller Lust und Begehren. Denn bei den Ferox weiß jede, dass ich kein Kuschelbär bin, doch nichts gegen ein bisschen Spaß habe.

Vor allem verstehe ich nicht, warum ich mich bei Fiona nicht unter Kontrolle habe. Was ist im Moment nur los mit mir? In ihrer Nähe fühle ich mich irgendwie so ... weich. Aber das darf nicht sein! Immerhin bin ich Eric! Ich habe keine Gefühle für irgendjemanden. Bisher habe ich mich immer nur um mich selbst gekümmert. Andere sind mir dabei total egal. Und ich habe nicht vor, daran irgendetwas zu ändern!

Genau deswegen verstehe ich auch überhaupt nicht, warum ich mich in Fionas Nähe so wohl fühle, warum ich ständig das Bedürfnis verspüre, sie zu beschützen und ihr zu helfen und warum ich mir insgeheim wünsche, dass Fiona mich wirklich mal mit so einem liebevollen und vertrauten Blick anschauen würde. Was macht sie bloß mit mir? Das liegt alles bestimmt nur an diesen blöden Träumen, die mir im Kopf herum spuken.

Inzwischen bin ich im Speisesaal angekommen und lasse mich auf den erstbesten Platz fallen. Nun drehen sich meine Überlegungen um mein weiteres Vorgehen. Ich muss mich um zwei wichtige Dinge kümmern. Als erstes, mehr über diese ganze Sache herausfinden. Das wäre viel einfacher, wenn ich das Buch noch hätte. Wütend balle ich meine Hand zur Faust. Warum hat sie es nur verbrannt?

Klar, sie hat mir heute Morgen was vom Schmetterlingseffekt erzählt und so weiter. Allerdings glaube ich, dass da mehr dahintersteckt. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mir etwas verheimlicht. Da ich mittlerweile aber schon bemerkt habe, dass sie sehr stur sein kann, hatte ich sie nicht weiter gedrängt, mit der Sprache rauszurücken. Sie hätte mir bestimmt nichts mehr Sinnvolles gesagt.

Es ist an der Zeit meine Taktik zu ändern. Ich muss ihr Vertrauen gewinnen, obwohl das überhaupt nicht meine Art ist. Mir ist klar, dass das echt anstrengend wird. Schließlich ist Geduld nun wirklich nicht meine Stärke. Ich bin es gewohnt, immer sofort über alles ins Bild gesetzt zu werden und kann es deswegen überhaupt nicht leiden, etwas nicht zu wissen oder noch schlimmer, wenn jemand etwas vor mir zu verbergen hat.

Trotzdem muss ich es irgendwie schaffen, dass sie mir vertraut. Denn dann könnte ich mehr über sie erfahren, wodurch sich vielleicht auch das Geheimnis um meine Träume lüftet. Außerdem scheint sie das Buch sehr gut zu kennen und dieses Wissen könnte durchaus noch von Vorteil sein. Bei diesem Gedanken wird mir klar, dass es vielleicht doch eine ganz gute Idee von ihr war, das Buch zu verbrennen.

Die Informationen, die es enthalten hatte, sind ja nicht verloren. Allerdings bin ich der einzige, der überhaupt davon weiß. Das Buch hätte jeder finden können. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, an diese wichtigen Daten heranzukommen. Und das werde ich auch schaffen, ich werde dafür sorgen, dass sie mir vertraut! Ansonsten werde ich auf andere psychische Tricks zurück griffen müssen!

Ok, so viel zum ersten Teil meines Planes. Der zweite Teil ist genauso wichtig. Sobald ich alle Geheimnisse um Fiona, das Buch und meine Träume herausgefunden habe, werde ich so weiterleben, wie bisher. Diese Angelegenheit wird rein gar nichts verändern. Deswegen muss ich darauf achten, dass ich in der Öffentlichkeit meinem Ruf treu bleibe und meine eiskalte Maske weitertragen, damit niemand den Respekt vor mir verliert.

Automatisch muss ich dabei an die Situation heute früh denken, als Fiona in den Trainingsraum kam. Es hat mich total aufgeregt, dass Four sofort bei Fiona war und sich auch noch angemaßt hatte, ihr eine Strafe aufzubrummen. Was fällt dem eigentlich ein? Er sollte mittlerweile genau wissen, dass ich hier das Sagen habe und er tun und lassen muss, was ich für richtig halte! Ich hasse ihn total, diesen Spinner!

Und dann muss er zu allem Überfluss von diesen grauen Altruan Spießern kommen. Das ist echt nicht zu übersehen. Er ist im Umgang mit anderen immer noch so aufmerksam. Das kotzt mich total an! Mir ist schließlich nicht entgangen, wie er mich angesehen hatte, als ich Fiona ihre Strafe mitgeteilt hatte. Er war eindeutig überrascht. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet! Ok, das war ja auch das erste Mal, dass ich so eine geringe Strafe erteilt habe.

Aber warum muss ausgerechnet ihm das auffallen? Ich will vor Four nicht schwach wirken. Er soll keinen falschen Eindruck von mir gewinnen! Schließlich scheint er jetzt schon Probleme zu haben, mich zu respektieren. Ich muss mir unbedingt etwas überlegen, wie ich ihm wieder deutlich zeigen kann, dass ich hier den Ton angebe! Mir fällt eine gute Idee ein, die ich heute mit Max besprechen werde.

Meine Gedanken kehren zum Training zurück. Als Fiona so verlassen und verloren vor dem Boxsack stand, wollte ich gerade zu ihr, doch da quatscht sie dieser kleine erbärmliche Initiant an. Mich hat es total wütend gemacht, dass Fiona darauf eingegangen ist. Allerdings ist mir schnell aufgefallen, dass das Gespräch ihr unangenehm wurde, also habe ich die beiden sofort unterbrochen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir Fiona dann zum wiederholten Mal nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Warum soll ihr das Gespräch so unangenehm gewesen sein, wenn dieser Wurm ihr nur seine Hilfe angeboten hatte? Allerdings hatte ich nicht viel Zeit um darüber nachzudenken, weil sie sich kurze Zeit später zu mir umgedreht und mich um Hilfe gebeten hatte. So was gab es noch nie, dass mich jemand von den Initianten um Hilfe gefragt hatte!

Dafür ist schließlich Four verantwortlich. Ich habe bisher niemanden geholfen! Wieso auch? Wer es nicht alleine schafft, gehört nicht hier her! Aber bei Fiona ist es etwas anderes. Bei ihr weiß ich, dass sie wirklich nicht hierhergehört, allerdings denke ich bei ihr, dass sie es schaffen kann. Sie hat viel Potenzial. Am liebsten hätte ich ihr sofort geholfen. Doch Four war gerade in Hörweite und ich konnte seinen Blick auf mir spüren.

Um zu vermeiden, dass er sich irgendwas in seinem Gehirn zusammen spinnt, wenn ich plötzlich, entgegen meinem üblichen Verhalten, einer der Initianten helfen würde, blieb mir nichts anderes übrig, als Fiona die kalte Schulter zu zeigen. Immerhin habe ich ja später, beim Zusatztraining, genug Zeit, um ihr einige Dinge zu erklären. Ich möchte ja, dass nur Fiona diese Tricks kennt und keiner der anderen.

Trotzdem wollte ich natürlich, dass sie auch von diesem Training einen Nutzen hat, deswegen habe ich Four die Übungen wiederholen lassen. Das gab es bisher auch noch nie! Wahrscheinlich war Four deswegen so überrascht. Doch der überraschte Ausdruck auf seinem Gesicht war nur kurzzeitig zu erkennen, danach hatte er mich mit einem undefinierbaren Blick gemustert. Vielleicht sollte ich mir für Four irgendeine Geschichte überlegen. Langsam fängt er nämlich richtig an zu nerven.

Schließlich wollte ich Fiona unauffällig helfen! Warum ist Four nur so aufmerksam? Trotzdem hatte es sich offensichtlich gelohnt, denn im Anschluss konnte ich erkennen, dass Fiona sich sofort einiges abgeschaut hatte. Ihre Auffassungsgabe ist beeindruckend. Allerdings ist ihre Haltung nicht perfekt. Da muss ich später noch einiges korrigieren. Kurz vor der Pause war ich wieder bei ihr angekommen und bemerkte eine weitere Veränderung.

Sie hielt die Spannung im gesamten Körper und nutzte auch ihre Ellbogen, wodurch der Boxsack vor ihr stark hin und her schwang. Natürlich nicht so viel wie bei Peter neben ihr. Trotzdem war ich überrascht. Wer hatte ihr diese Kniffe gezeigt? Schließlich ist sie, was die Kraft und die Größe betrifft, Peter weit unterlegen. Trotzdem hat sie eine Möglichkeit gefunden, um diese Defizite zu reduzieren. Ich sage es doch, sie hat eindeutig Potenzial!

Auf der Suche nach Fiona, lasse ich nun meinen Blick durch den Speiseraum schweifen. Ich will mich davon überzeugen, ob sie ordentlich isst und trinkt, denn das Training wird heute noch anstrengend, da braucht sie genug Energie! Aber ich kann sie beim besten Willen nirgendwo entdecken, nicht bei diesem Ferox Initianten und genauso wenig bei den Fraktionswechslern. Wo ist sie denn schon wieder? Langsam verliere ich echt meine Geduld!

Gereizt stehe ich auf und schlage den Weg zum Trainingsraum ein. Ich frage mich wirklich, warum ich hier eigentlich den Babysitter spiele, doch ich kann es mir selber nicht erklären. Warum ist es mir nur so wichtig, dass es ihr gut geht? Schwungvoll will ich gerade um die nächste Ecke biegen, als jemand aus einem dunklen Gang direkt in mich hineinrennt. Wütend drehe ich mich zu dem Verursacher, um ihm gehörig die Meinung zu geigen.

Allerdings komme ich nicht dazu, da ich jetzt geradewegs in ein Paar braune Augen schaue und in diesem Moment kurzzeitig vergesse, dass ich stinksauer bin. Doch ich fange mich schnell wieder und bluffe Fiona an.

„Was machst du hier? Warum bist du nicht, wie alle anderen beim Essen?" Der eben gerade noch leicht panische Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwindet sofort.

„Sorry, ich habe mich nur verlaufen.", versucht sie mir zu erklären.

Und ein weiteres Mal sagt sie mir nicht die Wahrheit! Wenn sie sich nur verlaufen hätte, warum kommt sie dann so aufgeregt angestürmt? Das regt mich total auf! Aber ich werde es vorerst dabei belassen, schließlich ist die Pause fast vorbei. Da will ich die restliche Zeit nicht mit einer Diskussion verplempern. Misstrauisch schaue ich kurz in den finsteren Gang, aus dem sie gerade gekommen ist, kann allerdings nichts Außergewöhnliches erkennen.

„Ok, wir reden später noch mal. Jetzt solltest du was essen.", sage ich und schlage wieder den Weg zum Speisesaal ein. Fiona folgt mir. Dort angekommen, will sie sofort zu ihren Initiantenfreunden, doch ich schiebe sie schnell in eine andere Richtung und fordere sie auf, sich an den Tisch zu setzen, wo ich vorhin bereits saß und der mittlerweile fast leer ist. Als sie mich nur empört anschaut, drücke ich sie einfach auf die Bank.

„Was soll das denn jetzt? Darf ich nicht mal mehr bei meinen Freunden sitzen?", beschwert sie sich. Währenddessen lade ich ihr eine ordentliche Portion auf den Teller und stelle ihn vor sie. Statt zu essen, verschränkt sie nur die Arme vor der Brust und warte offensichtlich auf eine Antwort von mir.

„Wenn du genügend isst, kannst du von mir aus sitzen, wo du willst. Aber solange du das nicht freiwillig machst, werde ich dafür sorgen! Und jetzt iss endlich!", fordere ich sie harsch auf.

Sie zuckt kurz zusammen und verdreht genervt ihre Augen, fängt dann allerdings an zu essen. Endlich kann ich mich zurücklehnen und lasse meinen Blick schweifen. Die Ferox, die noch bei uns am Tisch sitzen, haben von unserer Auseinandersetzung zum Glück nichts mitbekommen, da sie zu vertieft in ihr Gespräch waren. Das ist sehr gut! Doch als ich mich weiter umschaue, sehe ich direkt in Fours Augen, der mich wieder so undefinierbar mustert. Warum immer dieser Spinner?

Nun sollte ich mir wirklich eine Story für ihn zurechtlegen. Warte mal! Vielleicht wäre das ja eine gute Idee? Ja, ich denke, das könnte klappen!

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Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? Waren Erics Überlegungen halbwegs plausibel? Und was könnte sich Eric wohl für eine Erklärung für sein Eric-untypisches Verhalten überlegen?


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