Die Regeln


Fionas POV

Da macht Eric etwas völlig Unerwartetes. Seine Hand, die noch an meiner Kehle lag, wandert langsam zu meiner Wange und er streicht mir ganz leicht darüber. Es ist eine absolut zärtliche Berührung, die ich ihm überhaupt nicht zugetraut hätte. Überrascht durch diese Geste, schaue ich ihm wieder direkt in die Augen. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem, was ich darin erkenne.

In seinem Blick liegt schon fast etwas Liebevolles.

"Wie ich dir vorhin bereits gesagt habe, erinnerst du mich an jemanden. Deswegen werde ich mit dir nichts machen, was du nicht möchtest. Ich will einfach nur, dass es dir gut geht und du in Sicherheit bist." Absolut überrumpelt kann ich nicht anders, als ihn weiter mit großen Augen an zu starren.

Ich weiß nicht genau warum, aber in diesem Moment glaube ich ihm voll und ganz, dass er die Wahrheit sagt. Er macht gerade einen absolut ehrlichen Eindruck auf mich, dieser Blick und auch der Klang seiner Stimme sind voller Gefühl. Im Buch wird nichts über seine Vergangenheit geschrieben. Wer weiß, was er vielleicht schon erlebt hat, dass er jetzt so ist wie er ist. Ich beschließe ihm vorerst zu vertrauen.

"OK!"

Es ist als hätte ich ihn wie aus einer Trance geholt, denn schlagartig ändert sich der Ausdruck in seinem Gesicht. Er lässt mich los und geht ein paar Schritte zurück. Ohne irgendein Gefühl in der Stimme meint er nur.

"Lass uns schlafen gehen, es ist bereits recht spät." Zwar bin ich etwas enttäuscht, dass er mir nun wieder nur die kalte Schulter zeigt, denn den anderen Eric mochte ich eindeutig lieber, aber zu Schlafen ist eindeutig eine sehr verlockende Idee.

Eric schmeißt mir eines seiner Shirts zum Anziehen zu, welches noch ein Stück länger ist, als das was ich gerade trage.

"Und nur zu deiner Information: Ich habe keine Probleme Frauen in mein Bett zu holen, nur damit sie nach dem Sex schnellst möglichst wieder heraus zu bekommen." Das war ja klar, dass er diesen Spruch nicht auf sich beruhen lassen kann. Da habe ich wohl etwas an seiner männlichen Ehre gekratzt.

Im Bad ziehe mich schnell um und spüle mir wenigstens den Mund ein wenig aus. Mir ist es wirklich unangenehm, dass ich mir die Zähne nicht richtig putzen kann. Kurze Zeit später liege ich dann bereits im Bett. Es ist sehr bequem und so bemerke ich gar nicht mehr, dass Eric sich später auch ins Bett legt, denn da bin ich schon längst eingeschlafen.

Erics POV

Als ich aus dem Bad zurückkehre, sehe ich, dass Fiona im Bett liegt und offensichtlich bereits eingeschlafen ist. Warum habe ich ihr überhaupt erlaubt in meinem Bett zu schlafen? Selbst die Frauen, mit denen ich Sex habe, dürfen nicht hier übernachten. Was macht diese Frau nur mit mir? Ich habe das Gefühl, dass ich in ihrer Nähe nicht ich selbst bin, dann werde ich irgendwie ... weich!

So wie vorhin. Sie war so respektlos zu mir! Jeder andere, egal ob Mann oder Frau, wäre für solche Bemerkungen sofort auf der Krankenstation gelandet. Doch ihr wollte ich nicht weh tun. Im Gegenteil, als sie mich so mit ihren großen braunen Augen angeschaut hat, hatte ich das starke Bedürfnis ihr nahe zu sein, sie zu berühren und zu meinem großen Entsetzen muss ich mir sogar eingestehen, dass ich kurz davor war sie zu küssen.

Deswegen nehme ich mir ab sofort fest vor, mich besser unter Kontrolle zu haben und ihr nichts dergleichen mehr durchgehen zu lassen. Schließlich ist sie ab morgen ja nur eine dieser kleinen schwächlichen Initianten für mich und sonst nichts anderes. Am besten werde ich sie dann auch gleich auf die Couch verbannen. Mit diesem Gedanken schlafe ich neben ihr ein.

Es ist noch sehr früh, als ich bereits aufwache, weil ich einen Traum hatte. Es war wieder der übliche, aber doch etwas anders. Schlagartig fällt mir Fiona ein. Schnell drehe ich mich zu ihr und bin erleichtert, als ich feststelle, dass sie neben mir liegt und in einer Seelenruhe schläft. Ihre roten kurzen Haare sind jetzt ziemlich durcheinander und stehen in verschiedene Richtungen. Unwillkürlich muss ich schmunzeln.

Dann denke ich an den Traum. Diesmal war es eindeutig Fiona. Ich konnte sie zum ersten Mal ganz klar und deutlich erkennen. Sie hat mich mit einem ganz besonderen Ausdruck angesehen. So sieht man nicht irgendjemanden an. Da war etwas Vertrautes, etwas Glückliches und sogar etwas Liebevolles... Ach, ich weiß auch nicht genau, wie man das beschreiben soll. Zu mindestens hat mich ihr Blick total fasziniert.

Aber das sollte er nicht! Ich werde meinen Plan heute umsetzen, sie wird ab sofort auf der Couch schlafen, ich werde eiskalt zu ihr sein und ihr keine Frechheiten oder dumme Sprüche durchgehen lassen. Am besten wäre, ich würde sie gleich aus dem Bett schmeißen. Ruckartig drehe ich mich zu ihr und will sie gerade wecken. Genau in diesem Moment dreht sie sich zu mir und kuschelt sich im Schlaf an mich.

Diese Geste sorgt dafür, dass ich es doch nicht über mich bringen kann, sie zu wecken. Schließlich war gestern ja ein sehr anstrengender Tag für sie. Da sollte ich sie lieber noch ein wenig schlafen lassen. Außerdem merke ich nun, dass ich auch ziemlich müde bin. Also schließe ich die Augen und bin schon wieder kurz davor einzuschlafen, als mir ein Gedanke siedend heiß durch den Kopf schießt. Der Traum vorhin war anders als sonst, aber was genau war anders? Ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern.

Vielleicht träume ich ja ein weiteres Mal. Mit diesem Gedanken kuschle ich mich schließlich in mein Kissen, dann lege ich meinen Arm um Fiona, so dass es für uns beide bequemer ist und genieße ihre Nähe. Stopp! Eric! Was denkst du da eigentlich? Bist du gerade dabei mit einer Frau zu kuscheln, mit der du noch nicht mal geschlafen hast?! Das geht ja gar nicht!

Sofort schiebe ich sie etwas unsanft auf die andere Bettseite, wo sie einfach weiterschläft, als wenn nichts gewesen wäre. Allerdings bin ich mittlerweile viel zu durcheinander. Woher kommen diese komischen Gefühlsregungen? Also stehe ich langsam auf. Weiterschlafen könnte ich jetzt wahrscheinlich sowieso nicht mehr. OK, dann kann ich die Zeit gleich nutzen, um ein paar wichtige Dinge zu erledigen.

Fionas POV

Ich werde ziemlich unsanft geweckt, indem irgendetwas auf mich geworfen wird. Dadurch schrecke ich hoch und sehe Eric neben dem Bett stehen.

"Jetzt wird es aber Zeit, dass du endlich wieder mein Bett räumst.", motzt er mich gleich an. Was ist denn mit dem los? Ein wenig überrascht setze ich mich langsam auf.

"Du wolltest doch unbedingt, dass ich hier schlafe." meine ich verwirrt, weil ich wirklich nicht verstehe, was gerade sein Problem ist.

Dazu sagt er nichts, sondern zeigt nur auf den Haufen, den er auf mich geschmissen hat.

"Das sind ein paar Klamotten und anderes Zeug, was du vielleicht gebrauchen kannst. Alles andere musst du dir dann selber besorgen. Zieh dich an und mach dich im Bad fertig. Ich warte in der Küche." Damit verschwindet er aus dem Zimmer. Hilfe! Was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen? Eindeutig mit dem falschen Fuß aufgestanden, würde ich vermuten. Oder ist er so drauf, weil heute die neuen Initianten kommen?

Um auf andere Gedanken zu kommen, fange ich nun an den Haufen zu sortieren. Es ist einiges an Kleidung dabei, außerdem Handtücher, eine Zahnbürste, Shampoo und zu meiner großen Freude auch eine Bürste. Nach meinem Aufenthalt im Bad mit einer ausgiebigen Dusche fühle ich mich gleich viel besser. Aber als ich die Küche betrete und Erics Gesichtsausdruck sehe, verfliegt dieses Gefühl schlagartig.

"Wie kann man denn nur so lange brauchen und dann immer noch so aussehen?!" Dabei zeigt er auf mich und mustert mich abschätzig.

"Was hast du heute nur für ein Problem?", fahre ich ihn jetzt aufgebracht an. Und bekomme auch prompt eine Antwort "Dich!" Nun steht er mit vor der Brust verschränkten Armen da. Bevor ich etwas darauf erwidern kann, fährt er bereits fort.

"Wir werden nun erst mal ein paar Regeln festlegen. 1. Du schläfst ab sofort auf der Couch!"

"Das ist mir total Recht", sage ich gleich, was er mit einem finsteren Blick quittiert.

"2. Du unterbrichst mich nicht! 3. Du widersprichst mir nicht!" Jetzt verdrehe ich etwas genervt die Augen, doch es geht noch weiter.

"Und 4. ist am wichtigsten: Du verhältst dich mir gegenüber nicht respektlos. Und dazu gehört auch das Augenverdrehen, wenn ich dir etwas erkläre! Ab heute bin ich dein Ausbilder und dementsprechend musst du dich verhalten."

"Ja, Chef.", sage ich und betone dabei Chef besonders. Wieder straft er mich nur mit seinem Blick.

"Wenn du dich nicht an die Regeln hältst, musst du die Konsequenzen dafür tragen. Hast du das verstanden?", fragt er schließlich nach.

"Ja!", antworte ich genervt.

"Gut, dann setz dich und iss was. Wir haben schließlich nicht ewig Zeit."

Nach einem sehr schweigsamen und angespannten Frühstück, will Eric sofort los. Angeblich, weil ich schon so viel Zeit verplempert habe und wir uns jetzt beeilen müssen. Allerdings schaffe ich es noch mich unter einem Vorwand kurz ins Schlafzimmer zu mogeln. Schnell schnappe ich mir mein Buch und verstecke es in meiner Jacke.

In den Gängen ignoriert mich Eric weiter. Wir sind auf dem Weg zum Dach, um die neuen Initianten in Empfang zu nehmen. Das Schweigen ist mir zu wider, deswegen frage ich ihn.

"Was soll ich eigentlich den anderen Initianten erzählen? Sie werden sich bestimmt wundern, dass sie mich nicht bei der Bestimmungszeremonie gesehen haben."

"Warum fragst du so doof? Du kennst doch die offizielle Geschichte."

Was habe ich ihm heute bloß getan? Gestern war er noch ganz anders drauf, aber gerade ist er wirklich der Eric aus dem Buch. Trotzdem denke ich, dass dieses Gehabe vielleicht nur eine Fassade ist. Also versuche ich an die Gespräche vom Vortag anzuknüpfen.

"Falls es dich interessieren sollte, heute wird unter den Initianten die Altruan aus dem Buch dabei sein." Aber er murmelt nur.

"Da kann sie auch gleich zu den Fraktionslosen gehen."

"Dazu ist sie zu gut.", meine ich gerade heraus. Nun schaut er mich endlich an.

"Das glaubst du doch selber nicht." OK, nun habe ich seine Aufmerksamkeit.

"Sie wird als Erste springen.", sage ich ganz nebenbei und hoffe, dass er darauf eingeht.

"Nie im Leben! So was gab es noch nie! Und wird es bestimmt auch nie geben!" Vielleicht ist er ja berechenbarer als ich gedacht hätte.

"Wollen wir wetten?", frage ich ihn provokant.

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