Der Plan
Erics POV
"Was passiert dann mit mir?" Auf diese Frage hatte ich gewartet. Jetzt kann ich sie in meinen Plan einweihen.
"Also, da habe ich mir bereits etwas überlegt. Ich denke, es müsste möglich sein, dass du hier bei den Ferox bleiben kannst. Natürlich ist es nicht möglich, dass du sofort ein vollwertiges Fraktionsmitglied wirst.", beginne ich mit meinen Ausführungen.
"OK, was muss ich dafür tun?", fragt sie sofort nach.
"Morgen kommen die neuen Initianten. Ich kann mit Max sprechen, so dass du mit ihnen zusammen die Initiation durchlaufen kannst.", erkläre ich weiter. Sie schaut mich unsicher an.
"Aber was willst du ihm denn sagen? Ich glaube kaum, dass er uns diese verrückte Geschichte abkaufen wird." Da hat sie wohl Recht.
"Das lass mal meine Sorge sein. Ich werde mir was einfallen lassen.", versuche ich sie zu beruhigen.
"Allerdings bin ich schon 17, also zu alt für die Initiation." Jetzt hat sie einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
"Ich denke, das sollte uns keine Schwierigkeiten bereiten. Schließlich wissen nur wir beide etwas davon und es muss ja sonst auch niemand erfahren."
"Gut, das klingt logisch. Trotzdem gibt es da immer noch ein großes Problem.", fängt sie an.
"Und das wäre?" Ich versuche bei meiner Frage nicht allzu genervt zu klingen. Schließlich habe ich die ganze Zeit gegrübelt und mir so einen guten Plan zurechtgelegt und nun legt sie mir einen Stein nach dem anderen in den Weg.
"Ich glaube nicht, dass ich eine Ferox bin.", sagt sie gerade heraus und blickt mir dabei fest in die Augen. Was? Damit hätte ich echt am wenigsten gerechnet. Für einen kurzen Moment bin ich wirklich sprachlos. Da fährt sie auch schon fort.
"Ich denke, ich gehöre eher zu den Amite oder den Candor." Was??! Sag mir bitte, dass ich mich gerade verhört habe. Doch ihr Gesichtsausdruck bestätigt mir ihre Aussage, deswegen kann ich mich jetzt nicht mehr zusammenreißen.
"Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich zu diesen tanzenden und singenden Gemüsefressern lasse?!", fahre ich sie an. Was denkt sie sich eigentlich? Als wenn ich sie einfach gehen lassen würde. Ich will zuerst herausfinden, was es mit meinen Träumen auf sich hat. Sie entreißt mir sofort ihre Hände, die ich bis eben noch gehalten hatte. Für einen Moment sieht sie mich nun überrascht und vielleicht auch etwas geschockt an. Aber in der nächsten Sekunde wirft sie mir wieder diesen bösen Blick zu, den ich heute schon mal bei ihr gesehen habe.
"Vielleicht passt die Beschreibung im Buch ja doch ganz gut zu dir.", faucht sie mich nun an.
"Ich würde an deiner Stelle lieber aufpassen, was ich sage.", meine ich bedrohlich zu ihr. Allerdings scheint sie nicht so eingeschüchtert zu sein, wie ich es mir wünschen würde und wie ich es sonst von allen anderen gewohnt bin. Deswegen spreche ich weiter.
"Falls ich dich daran erinnern darf, bin ich schließlich ein Anführer der Ferox, also musst du mir Respekt entgegenbringen."
Selbst dieses Argument scheint sie nicht sonderlich zu beeindrucken.
"Ja, Eric, ich weiß sehr genau, zu was du fähig bist. Trotzdem habe ich keine Angst vor dir. Und falls ich dich daran erinnern darf, ich gehöre nicht zu den Ferox, ich gehöre ja nicht mal in diese Zeit." Irgendwie beeindruckt es mich schon ein wenig, dass sie mir so Kontra gibt. Aber in einem Punkt irrt sie sich.
"Jetzt bist du aber bei den Ferox und hast dich auch an unsere Regeln zu halten. Außerdem denke ich nicht, dass du mich so gut kennst, wie du vielleicht denkst."
"Zu mindestens weiß ich, was im Buch über dich gesagt wird.", erwidert sie schlagfertig.
"Achso, und was soll das bitte sein?" Nun hat sie mich doch etwas neugierig gemacht.
"Es wird zum Beispiel darüber berichtet, wie du mit den Initianten umgehst. Eine Initiantin lässt du 5 Minuten lang über der Schlucht hängen und eine andere stellst du beim Messwurftraining vor die Zielscheibe, während Four sie mit Messern bewerfen muss."
"Als Anführer und Ausbilder kann ich die Initianten so behandeln, wie ich es für richtig und angebracht halte. Aber um dich zu beruhigen, so etwas habe ich noch nie gemacht."
"Hattest du denn jemals einen Jahrgang mit Initianten, die Tris, Christina, Will und Peter hießen?", will sie nun wissen.
"Nein!" Mal ganz abgesehen davon, dass mir diese jämmerlichen Initianten eigentlich ziemlich egal sind und ich mir ihre Namen nur so lange merken, wie unbedingt nötig.
"OK. Dann würde ich mal sagen. Du hast es NOCH NICHT gemacht."
Warum ist sie bloß so frech? Allerdings habe ich momentan absolut keine Lust näher darauf einzugehen. Schließlich haben wir jetzt was anderes zu klären.
"Also, mit deiner großen Klappe würdest du ja schon zu den Candor passen. Aber kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Ich bin ein Anführer der Ferox. Somit kann ich ausschließlich hier etwas für dich tun." Das stimmt zwar nicht so ganz. Bestimmt könnte ich meinen Einfluss auch bei den anderen Anführern spielen lassen. Doch das muss sie ja nicht unbedingt erfahren.
"Ansonsten hättest du nur noch die Möglichkeit fraktionslos zu werden. Und ich denke, dass möchtest du bestimmt nicht.", fahre ich fort. Ich weiß genau, dass ich ihr selbst diese Option nicht gestatten würde. Allerdings ist es ein gutes Argument, um sie zu überzeugen. Und es scheint zu klappen.
"Nein, das möchte ich natürlich nicht.", gibt sie klein bei.
"Außerdem hast du dich heute erfolgreich gegen mich wehren können und das spricht ja wohl eindeutig für die Ferox.", füge ich hinzu und muss mich dabei wieder fragen, wie sie das geschafft hatte.
"Das war nichts Besonderes, nur ein einfacher Trick, um mich zu befreien. Schließlich muss man sich auch im Jahr 2016 zu verteidigen wissen, vor allem als Frau. Aber das ist schon alles, ich kann mich nur verteidigen.", erklärt sie mir und schaut mich dabei mit ihren braunen Augen aufmerksam an.
"Das ist immerhin bereits ein wichtiger Teil der Initiation. Viele Jugendlichen, die zu den Ferox wechseln, haben keinerlei Vorkenntnisse. Da wäre es doch gelacht, wenn du es nicht schaffen würdest, das Kämpfen zu lernen." Ich weiß gar nicht, wo ich diese Worte hergenommen habe. Motivation ist nämlich nicht unbedingt mein Fachgebiet.
"OK! Ich habs verstanden!" Das wird ja auch Zeit, aber etwas muss ich dringend klarstellen.
"Das bedeutet dann aber auch, dass ich ab morgen dein Ausbilder bin und du mich dementsprechend respektvoll zu behandeln hast.", fordere ich sie in einem strengen Ton auf.
"Ich kann es ja versuchen.", meint sie darauf nur mit einem Schulterzucken. Was? Das klingt für mich nicht gerade sehr überzeugend, allerdings habe ich keine Möglichkeit, dem noch etwas hinzuzufügen, da Fiona bereits wieder spricht.
"Warum hilfst du mir eigentlich?" Mist! Das ist eine doofe Frage! Was soll ich ihr jetzt antworten? Die Wahrheit darf sie auf gar keinen Fall erfahren. Also sage ich einfach nur: "Du erinnerst mich an jemanden." Als ich bemerke, dass sie weiter nachfragen möchte, komme ich ihr schnell zuvor. "Aber darüber möchte ich mit dir nicht sprechen!" Ich bin schon regelrecht überrascht, dass sie es damit wirklich auf sich beruhen lässt.
"OK, da wir das nun alles geklärt hätten, sollten wir am besten gleich mit Max sprechen." Voller Tatendrang springt sie vom Sofa auf und will offensichtlich gleich losstürmen.
"Warte. Du solltest dir erst mal etwas anderes anziehen, sonst fällst du zu sehr auf." Ich gehe an den Schrank in meinem Schlafzimmer und hole eines meiner T-Shirts heraus. Nachdem sie es angezogen hat, kommt sie wieder aus dem Badezimmer zurück.
"Und du meinst, dass dieser Kartoffelsack unauffälliger ist?", fragt sie gleich mit einem kritischen Gesichtsausdruck. Sofort mustere ich sie. Das Shirt ist ihr eindeutig zu groß, es ist fast so lang, wie das Longshirt, was sie vorher getragen hatte, aber dazu auch noch viel zu weit.
Trotzdem sage ich nur: "Geht doch, wenigstens ist es schwarz." Damit gehe ich zur Wohnungstür und schließe sie auf. Weil ich nicht möchte, dass Fiona erneut einen Fluchtversuch startet, lege ich meinen Arm um ihre Taille, bevor wir die Wohnung verlassen.
"Was soll das?", fragt sie mit einem verdutzten Blick zu meinem Arm.
"Nicht, dass du wieder abhaust und irgendwo ohnmächtig wirst."
"Das habe ich nicht vor. Schließlich hast du mir ja unmissverständlich aufgezeigt, dass ich keine andere Alternative habe. Also kannst du mich jetzt loslassen.", fordert sie, doch ich meine nur trocken "Sicher ist sicher!", und lasse meinen Arm genau dort, da wo er ist. Dabei komme ich nicht umhin festzustellen, dass es mir irgendwie auf eine seltsame Art und Weise gefällt, sie in meiner Nähe zu haben.
"Und noch etwas: Wenn wir bei Max sind, lässt du mich reden und vor allem widersprichst du mir nicht. Haben wir uns da verstanden?", bei dieser Frage schaue ich ihr fest in die Augen.
"Ja, OK!" Ich hoffe wirklich, sie hält sich auch daran. Dann machen wir uns auf den Weg.
Zum Glück sind wir bisher niemanden begegnet. Ich möchte ungern, dass irgendwelche Gerüchte entstehen. Nur noch um eine Ecke und wir sind am Ziel angelangt. Aber genau in diesem Moment kommt uns Four entgegen. Gerade dieser Spinner! Den kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen! Zu seinem eigenen Glück spricht er mich nicht an, aber schon alleine für die Blicke, mit denen er uns mustert, würde ich ihm am liebsten eine verpassen. Allerdings habe ich im Moment andere Dinge zu klären.
Somit klopfe ich an der Bürotür und öffne sie anschließend sofort, ohne auf eine Reaktion zu warten. Dann schiebe ich Fiona vor mir ins Büro und folge ihr augenblicklich. Max sitzt hinter seinem Schreibtisch und schaut uns jetzt verwundert an, vor allem Fiona.
"Eric, was ist denn hier los?"
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