Horizont

Als wir weiter zogen wurde das Wetter besser. Der kalte Wind des Meeres verschwand gänzlich und der Himmel begann sich aufzuklären. Unser Weg am Meer begann sich aufzulösen, also lenkten wir auf eine gering befahrene Straße zu. Rechts sah man, mit einiger Entfernung das Meer, links eine hohe Grasdüne. Vor dem Meer wuchsen nun vereinzelt Büsche und Sträucher und in einiger Entfernung konnten wir Berge sehen, Berge in monströser Größe, Berge mit Schneespitze. Ich hatte Leyla eine Lösung versprochen und bin zu dem tiefenphilosophischen Entschluss gekommen, dass die Lösung ist, eine Lösung zu suchen. Gemeinsam, mit anderen Menschen. Mit jedem den wir treffen werden, mit jedem der uns hilft. Erst hatte sie den das-haben-schon-tausend-Leute-vor-uns-getan- Blick drauf, aber dann veränderte sich ihre Miene. Sie war einverstanden. Ich war erleichtert und überrascht wie simpel die ganze Sache war. Überrascht, wie simpel die Lösung war. Gemeinsam schaffen wir das, gemeinsam. So oft hat man diesen Spruch schon gehört und trotzdem löst er jedes Mal aufs Neue Hoffnung in uns aus. Wir können etwas bewegen. Wir. 

Ich erschauerte und fühlte mich wie ein mieserabler Lügner. Die Hoffnungslosigkeit vom Morgen war noch nicht verschwunden und ich versank wieder in ihr. Es war nicht meine Art, aber irgendwie verschlang sie mich. Zum ersten Mal seit 10 Jahren, zum ersten Mal seit dem ich Leyla getroffen hatte. Sie saß vor mir in der Reihe und ich hörte sie lachen, lachen über einen Witz ihrer Sitznachbarin, lachen in der schönsten Klangfarbe. Damals lud ich sie nach der Stunde zum Essen ein und sie hatte ja gesagt, dabei gelacht und ab diesen Zeitpunkt besaß sie mich. Wir hatten einen schönen Abend, viele schöne weitere Abende und wurden immer intimer. Teilten immer mehr unserer Gedanken, fanden immer mehr Gemeinsamkeiten. Nach unserem Studium seilten wir uns von den anderen ab und flüchteten in unseren Traum und dort schaukelten wir gemütlich die letzten zehn Jahre. Jetzt war es vorbei, unser Haus war erst einmal nicht mehr unseres, unser jetziges Bett eine Campingmatte und unsere Gedanken nicht mehr sortiert. Keiner traut sich mehr dem anderen seine Gedanken anzuvertrauen. 

Dieser Gedanke schoss quer durch meinen Kopf und ich blieb stehen. Leyla schaute mich verdutzt an und Tiana und Johnny warfen ihre müden Blicke auf mich. "Wir sind genug gefahren für heute." beschloss ich und Leylas strahlende, motivierten Augen nahmen einen traurigen Glanz an. "Okay." sagte sie und schob ihr Fahrrad Richtung Wiese. Wir folgten ihr, in einem erschlagenden Trott. Wir bauten die Zelte auf, mittlerweile äußerst geübt und fielen fast augenblicklich in Tiefschlaf.

Nachts weckte ich sie, nur um ein "ich liebe dich auch." von ihr zu hören. Ich klammerte mich an sie, weil sie das einzige, neben Johnny, war was ich jetzt nicht losgelassen hatte. Dieser Gedanke bereitete mir Unbehagen und ich beschloss mich ihr bald anzuvertrauen. Bald.

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