Kapitel 9

Angst hat viele Gründe, aber meistens liegen sie an einem selbst.

Schrubb schrubb schrubb. Sie konnte es nicht mehr hören. Schrubb Schrubb Schrubb. Lustlos ließ Headphones den Lappen über den spiegelglatten Boden gleiten. Eigentlich dachte sie, dass sie irgendetwas sortieren soll, oder etwas organisieren, oder etwas inspizieren, vielleicht auch die ganze Zeit hin und her galoppieren und irgendwelche Dinge oder Nachrichten von a zu b bringen, aber nein! Sie wusste unbedingt putzen. Fantastisch. Schrubb schrubb schrubb. Immer wieder rutschte sie zwischen den rhythmischen Zügen mit einem Huf weg und landete frontal auf dem Boden. Einen besseren Job konnte sich sich nicht vorstellen...hust hust. Ihre Nüstern begrüßten mal wieder ihr Spiegelbild, als sich Schritte näherten. Kleine, tapsige Schritte. Mal wieder bekam sie es nicht hin und rutschte bei jedem weiteren Versuch, aufzustehen, weg. Die Schritte wurden lauter, bis sie irgendwann mit dem Quietschen einer Tür verstummten. Glück gehabt. Headphones wollte nicht, dass sie jemand in dieser peinlichen Situation sieht. Vorsichtig setzte sie einen Vorderhuf auf. Dann den anderen. Sie stemmte sich vorsichtig hoch und saß nun aufrecht. Sie verlagerte ihr ganzes Gewicht auf drei ihrer Beine und nahm es vollkommen vom vierten. Langsam hob sie sich auf den drei Beinen hoch und hielt ihr viertes bereit, um sich damit zu stützen, sollte sie vorzeitig wegrutschen.
„Äh, bist du Headphonestar?" „Wa-?", setzte Headphones an, rutschte aber erneut weg, im Versuch sich zu der Stimme zu drehen und landete dumpf mit einem kleinen Au, als sie auftraf, „Ja...die bin ich..." Die Fremde unterdrückte ein Kichern. Ihr Horn hüllte sich in eine grünlich blaue Aura, die nun auch Headphones umgab, sie anhob und ihr aufhalf. Freundlich sah das Einhorn sie an: „Tut mir leid, ich hätte mich vielleicht nicht so anschleichen sollen, nur du sahst...beschäftigt...aus und ich wollte dich nicht stören." Zu früh gefreut. „Ist schon gut. Danke fürs aufhelfen." Headphones musste sich zurückhalten, um ruhig zu bleiben. Sie war sich sicher, dass sie es geschafft hätte, wenn dieses Einhorn sie nicht erschre- äh, überrascht hätte! „Darf ich fragen, was du willst?" Das Einhorn sah sie auf diese Frage leicht peinlich berührt an. „Ah, t-tut mir leid, ich hatte es schon vollkommen vergessen! Also, ich bin Starlight, Starlight Glimmer, die persönliche Schülerin von Prinzessin Twilight Spa-", sie brach ab, als Headphonestar ungewollt einen genervten Blick aufsetzte, „Wie auch immer, ich werde dir einige deiner Befehle übermitteln und soll dir diesen Teppich bringen!" Damit drehte sie sich nicht einmal um, nahm mit ihrer Magie einen Teppich auf, den sie wohl hinter sich abgelegt hatte und übergab ihn Headphones. Ihr veilchenfarbenes Fell erinnerte an die ersten Lichtstreifen des Morgengrauen und ihre türkisen Augen strahlten lebensfroh. Ihr Schicksalsmal war ein Stern, unter dem zwei Strahlen, die Magie repräsentierten, aufstiegen. Einzig ihre Mähne schien Headphones unpassend. Mit ihrem dunklen Rosa mit helleren Strähnen und der jeweils vereinzelten blaugrünen Strähne zwischen drin, erinnerte sie eher an pinke Zahnpasta, die gerade aus der Tube gequetscht wurde. Das gleiche galt für ihren Schweif. Mit einem wirren Danke ließ sie von Starlight ab und musterte den gerollten Teppich.
Es war eine sehr große Rolle und das abstehende Ende gab zu wissen, dass er nicht allzu dick war, was nur e8nes bedeuten konnte. Endlich! Erfreut schlitterte Headphones nach vorne und versuchte zumindest ihren Kopf erhoben zu halten, was nicht die ganze Zeit klappte. Etwas holprig erreichte sie den Hauptgang, auf dem bereits ein Teppich ausgerollt war und wo ebenfalls einige gerollte Teppiche an den Seitengängen lagen. Sofort verstand sie und begann die Teppiche die Gänge entlang auszurollen, erfreut darüber, dass sie nicht mehr den Boden schrubben musst. Immernoch hörte sie innerlich das lästige Schrubb schrubb schrubb.

Seichtes Abendlicht glitt durch die verzierten Fenster, als Headphones die Letzten Meter ausrollte. Vollkommen erschöpft trudelte sie zur Bibliothek und ihre wohlverdiente Ruhe zu haben. Uuuuund wieder hat sie sich zu früh gefreut. Sie öffnete die Tür und direkt kam Twilight ihr entgegen, welche gerade mit Spike, ihrem kleinen Drachen-Assistenten einige Nachforschungen betrieben hatte. Ihr besorgter Blick heftete sich auf Headphones. „Oh, gut dass du da bist, ich wollte dich gerade suchen. Du weißt doch von der Karte, die mich und meine Freunde immer darüber informiert, wenn es in Equestria ein Problem gibt, oder? Sie schickt uns zur dunklen Wüste." Die Augen des kleinen Pegasus weiteten sich. „Hinter die Grenze?! Dahin, wo die Wechselponys leben, die noch von Königin Chrysalis in der Finsternis regiert werden?" Die Prinzessin nickte ernst. „Ich werde morgen früh aufbrechen und in 2 bis 3 Tagen zurück sein...wenn alles glatt läuft. Ich möchte, dass du währenddessen mit Spike auf das Schloss aufpasst." Headphones öffnete ihren Mund, um zu protestierten, hielt sich jedoch selbst davon ab und nickte nur zustimmend. Scheinbar hatte auch Twilight mehr Gegenwind von der mattgoldenen Stute erwartet, aber Headphones war einfach zu erschöpft, um zu diskutieren.
Sie wünschte ihr viel Glück, erhielt ihre Anordnungen und wartete, bis sie mit Spike die Bibliothek verlassen hatte, bevor Headphones sich zu den Regalen umwandte und die Bücher einsortierte. Ihr Blick haftete auf die Mysterien-Abteilung und als sie fertig war, kam sie darauf zurück. Die müsste ich auch noch mal sortieren. Morgen...oder so. Die Bücher standen wirr durcheinander und teils Kreuz und quer im Regal, was die Sache etwas erschwerte, doch Headphones wusste, dass sie finden würde, was sie suchte. So wird das nichts. Sie sah nicht durch. Einzelnd nahm sie die Bücher aus dem Regal und stapelte sie grob alphabetisch geordnet neben sich auf. An die höheren Regalbretter kam sie nicht ran, weil in der gesamten Abteilung keine Leiter stand, also nutzte sie ihre Büchertürme als Treppe. Sie wollte sich jetzt zwar eigentlich ausruhen, aber ein Verlangen packte sie und zog sie durch die Reihen von Büchern. Sie musst es finden! Fast die Ganze Abteilung war ausgeräumt, als sie dann endlich etwas fand. „Die Geschichte Equestrias Band 43 - Kreaturen alter Zeit" behutsam sog sie es raus und brachte es aus der Abteilung zu einem Sessel, auf dem ein Kissen lag, unter dem sie es versteckte, damit keiner reinkommen und es sich nehmen konnte. Noch immer kratzte sie die Neugier, aber die Bücherstapel könnten ihr dennoch einen Haufen Ärger bescheren, weshalb sie nich eine Stunde damit verbrachte, die Bücherstapel so, wie sie sie aufgestapelt hatte, in das Regal zu packen.

Aufmerksam huschte Headphones durch den Gang. Sie hatte sich das Buch unter den Flügel geklemmt, nachdem sie es aus seinem Versteck geholt hatte. Zwischendurch sind Spike und Starlight mehrmals reingekommenen und haben Bücher aus der Mysterien-Abteilung geholt, um Twilight bei ihren Vorbereitungen zu helfen. Von ihren verdutzten Blicken, als sie Headphones' Büchertürme erblickten, hätte sie gerne ein Foto gemacht. Einmal mehr freute sie sich darüber, dass sie den Nachmittag über die Teppiche ausgerollt hatte, denn zum ersten Mal schaffte sie es von der Bibliothek bis zu ihrem Zimmer zu laufen, ohne dabei mit ihrem Gesicht den Boden zu wischen. Schnell verschwand sie in ihrem Zimmer. Es war kleiner als ihr altes in Canterlot, aber dafür war es mit stabileren Möbeln ausgestattet. Gegenüber von ihrem Bett stand ein Schreibtisch, der wie fast alles andere im Schloss aus Kristallen bestand. Auf ihm lag eine kleine Kugel, die Magenta aufleuchtete, als Headphones sie berührte und dennoch ein klares Licht über den Tisch warf. Sie legte das Buch vor sich und begann zu blättern. Wechselponys, Basilisken, Timberwölfe...nein...nein...nein... entschlossen blätterte sie weiter. Dämonen, Windogos, Wendigowak, Werwölfe...auch nicht...Da! Ihr Herz schlug so laut, wie noch nie. „Geister und verlorene Seelen"
Sie sprach die Worte beim Lesen mit und bemerkte, wie sie dabei wimmerte. Sie hatte keine Angst vor Geistern, oder Dämonen, oder solchen Quatsch. Nein. Aber sie hatte Angst vor dem, was sie nicht verstand. Sie spürte den Schweiß auf ihrer Stirn und zog sich ihre Kopfhörer über die Ohren. Sie gaben ihr ein Gefühl der Geborgenheit, als sie leise die Zeilen las.
Geister sind die Seelen der Verstorbenen, die durch ein Versprechen vom Herzen an die Welt der Sterblichen gebunden sind. Die meisten dokumentierten Fälle sind die Ältesten, aus Zeiten bevor vieles über sie bekannt war, als vor allem Meister der schwarzen Magie sich das indirekte Nachleben zunutze machten, um ihr finsteren Machenschaften auch nach dem Tod weiterzuführen. Sie sind dennoch weder lebendig, noch vollkommen tot. Dies wärt, bis sie ihr Versprechen entweder erfüllen, oder eine Erfüllung unmöglich wird. Beides führt dazu, dass die Seelen ins Nachleben übergehen. Sollten sie vor Vollendung ihres Versprechens, ein weiteres, gleichwertiges Versprechen aussprechen, so werden sie bis zu dessen Ende zwischen Leben und Tot gefangen sein, wodurch sie bis in alle Ewigkeit unter uns verweilen können. Nachdem sie ihre physische Form verlassen haben, behalten sie alle ihre früheren Talente und können diese sogar verbessern, soweit diese nicht von ihrer physischen Form abhängig sind. Selbst das kann sie aber nicht aufhalten, da es für sie möglich ist von lebenden Wesen Besitz zu ergreifen und sogar unbemerkt in diesem Wesen Leben und es ohne Vorwarnung übernehmen." Jetzt erst bemerkte Headphones, wie sie Zitterte, obwohl ihr keine der genannten Informationen neu war. Viel mehr war es ihre Enttäuschung darüber, dass sie nicht finden konnte, wonach sie suchte. Sie zog ihre Kopfhörer von den Ohren und atmete kurz durch. Dann blätterte sie weiter. Da ist noch mehr! Mit neuer Kraft sah sie wieder zum Buch. „Sollte es jemanden passieren, dass eine solche Seele von einem Besitz ergreift, da-"
Das Flackern der Lichtkugel ließ Headphones erschaudern. Eine dunkle Präsens umgab sie und sie sah sich panisch um. Sie schlug das Buch zu und umklammerte es schützend, wobei sie ihr Spiegelbild in der Kristallenden Tischplatte sah. Ihr blasses gelbes Fell wirkte plötzlich um einiges strahlender und hatte einen grünlichen Unterton. Ihre Mähne wurde von einer unerklärlichen Brise angehoben und verdunkelte sich. Sofort zog sie ihre Kopfhörer über, kniff die Augen zu und blendete alles aus, bis das Flackern aufhörte. Es dauerte einen Moment, den Headphones wie bewusstlos dasaß.

Ich war so nah dran! Benommen sah sie sich um. Das Buch schien mehr in sich zu haben, als nur ein paar geschriebene Worte...warte. DAS BUCH! Als sie sich die Kopfhörer überzog, hatte sie es losgelassen. Es lag neben ihr auf dem Boden, die Seite geöffnet, die sie eben erst gelesen hatte. Die ersten Zeilen mit den Informationen, die ihr bereits bekannt waren, waren immernoch klar lesbar, doch der Rest des Kapitels war entweder zerrissen, oder mit einer schwarzen Flüssigkeit verschmiert, die an Motoröl erinnerte. „Was willst du?!", rief Headphones in den scheinbar leeren Raum. Es gab keine Antwort. Headphones öffnete ihre Tasche und holte eines ihrer Bücher heraus, sie öffnete die mit Lesezeichen markierte Stelle und lag ein Taschentuch rein. Das Lesezeichen nahm sie heraus, bevor sie das Buch wieder zuklappte und legte es in den zerfetzten Bund aus Papier. Mit einer Klebenotiz schrieb sie das Thema dazu. Behutsam legte sie es unter ihr Kopfkissen, wo auch ihr Tagebuch und einige weitere Informationsquellen lagen.
Ihre Tür knallte auf und ließ sie aufschrecken. „Ist alles okay?!", fragte Twilight, welche soeben reinkam mit geschocktem Ausdruck. „Irgendetwas stimmt nicht! Erst dachte ich, es wäre ein Stromausfall, aber sämtliche magische Ströme zum kurzzeitig vollkommen zusammengebrochen! Es ist als hätte sie jemand mit einer Art Zauber absorbiert...Ist dir heute irgendwo irgendetwas aufgefallen, das verdächtig war?!" Noch immer war Headphones überwältigt und Schuldgefühle nagten an ihr. Sie atmete kurz auf und legte ihre übliche desinteressierte Miene auf. „Ja, mir geht es gut, ich habe aber bei dem Flackern mein Buch fallen gelassen. Und nein, ich habe nichts seltsames bemerkt, außer dass ich bis heute morgen nicht einmal auf Toilette gehen konnte, ohne mir den Schädel einzuschlagen." Scheinbar bemerkte Twilight Headphones' genervten Blick, denn sofort entschuldigte sie sich. „Gut, ich gehe dann mal Spike in Starlight suchen. Aber wenn du etwas bemerkst-" „Sage ich dir Bescheid, ist klar. Also...gute Nacht oder so?" „J-Ja, gute Nacht..." und somit ging sie wieder und schloss die Tür hinter sich.
Headphones ging zur Leuchtkugel und berührte sie, um sie zu erlöschen und öffnete das Fenster um über Nacht zu lüften. Dann legte sich ins Bett. Trotz der kuscheligen Decke, in der sie sich einwickelte, lief ihr ein Kalter Schauer den Rücken runter. Es war, als würde sich ein Schatten höhnisch über ihr aufbauen und sie in ihren finsteren Traum werfen, den sie das letzte Mal hatte, als sie noch zur Schule ging...

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(Base, die ich für den Header benutzt habe)

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