Kapitel 6
Alles Gute und Schlechte hat eine zweite Seite. Ob diese nun wie die erste ist, liegt an ihrem Betrachter.
Headphones fühlte die hölzerne Platte vor sich. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich unverwandt darauf. Um sie herum hörte sie Stimmen. Sie dröhnten in einander verzwickt und unverständlich, als würden alle mit geschlossenem Mund sprechen. Sie fühlte einen Ruck, mit dem die Platte wackelte, auf der ihr Kopf ruhte. Dann noch einen...und noch einen...und wieder einen. Schläfrig spitzte sie ihre Ohren, konnte aber dennoch keine Klaren Worte um sie herum ausmachen. Plötzlich kam wieder ein Ruck. Diesmal war er aber stärker als zuvor und ließ ihren Kopf kurz angehoben hohl auf die Platte schlagen. Verwundert öffnete sie ihre Augen und sah auf. Vor ihr stand Eine große silberne Stute mit schwarz/weißen Locken und streckte ihren Hals, sodass ihr Kopf mit ruhigem Blick über ihr ruhte. „Headphonestar? Der Unterricht hat angefangen." Headphones war noch immer leicht benommen, schreckte aber bei den Worten der Erwachsenen auf. „W-warte, WAS?!" so schnell war sie noch nie von Totmüde zu Hellwach übergegangen." Die Stute schien nicht sehr beeindruckt von ihrem plötzlichen Stimmungswandel. „Du hast mich schon richtig verstanden. Ich dachte nur, dass ich dich besser Wecken sollte bevor du irgendetwas wichtiges verschläfst." Auch wenn sie nicht sehr ernst schien, so hatte sie dennoch einen gereizten Unterton. Verdammt. Sie begann sichtlich zu erröten, als der Rest der Klasse um sie herum zu lachen begann, wie sie es immer taten, wenn jemand einen Schusselfehler machte. Natürlich wollte niemand selbst derjenige sein, der den Fehler begeht, aber es schien sich auch niemand mit seiner Schadenfreude zurückzuhalten.
„V-Verzeihung, Miss Chalkling.", stotterte das mattgoldene Stutfohlen, als die Stute wortlos wieder zum Lehrerpult ging. Headphones sah auf die Uhr über der Tafel und atmete erleichtert auf, als sie sah, dass erst vier Minuten vergangen sind, seit der Unterricht laut Stundenplan begonnen hatte und da Miss Chalkling sich öfters um etwa fünf Minuten verspätete, hat der Unterricht tatsächlich erst jetzt wirklich angefangen. Puh, zum Glück bin ich schon vor dem Unterricht eingeschlafen und nicht erst danach. Allerdings war sie sich auch nicht wirklich sicher, ob sie dem Unterricht bis zum Ende folgen könnte. „Nun, dann lasst uns ohne weitere Verzögerung beginnen. Fehlt heute jemand?" Einen Moment lang herrschte Stille, wären jeder, auch Headphones sich nach fehlenden Schülern umsah. Nachdem aber über längere Zeit noch immer Stille herrschte, ergriff wieder Mrs Chalkling das Wort. „Nun denn, wenn wir vollständig sind, kann ich euch ja eure Tests von letzter Woche wiedergeben. Oh bitte nicht. Ihr graute das Schlimmste. Das konnte aber auch daran Liegen, dass sie keine einzelnen Fächer hatten, sondern nur willkürlich zusammengestellte Themen und sie daher nicht wusste, welcher der drei Milliarden Tests der letzten Woche gemeint war. Headphones fühlte sich noch immer schläfrig. Dennoch war sie sich ihres rasenden Herzens bewusst. Mit größter Wahrscheinlichkeit war es der Test über die das/dass-Regel, bei dem sie, anstatt zu lernen, lieber ein Buch über einen Drachen gelesen hatte, der unbedingt erwachsen werden wollte, wobei er lernte, dass sein Alter egal ist, solange er sich wohl fühlt. Sie musste stark schlucken. Die Lehrerin begann, die Blätter zu verteilen. Dann sah sie aus dem Fenster. Zum Glück hatte sie den Platz bekommen. Das Fenster stand einen Spalt offen. Sie schloss die Augen und genoss das seichte Rauschen des Windes, welcher in vereinzelten Strömen durch den Spalt gibt und sie sanft umschloss. Mit einem Rascheln legte Miss Chalkling einige Blätter vor Headphones auf den Tisch und zog damit ihre Aufmerksamkeit auf sie. Eine leichte Besorgtheit zeichnete sich in ihren Augen ab. „Ist alles okay bei dir, Headphonestar?" Hä? „Verzeihen Sie Miss, aber ich weiß nicht, worauf sie hinaus wollen. Mir geht's bestens." Sie sah sie skeptisch an. „Nun, dennoch würde ich nach dem Unterricht gerne noch einmal mit dir reden." Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie zum Nächsten Schüler. Das war seltsam. Sah sie irgendwie krank aus? Wirkte sie traurig oder niedergeschlagen? Sie selbst konnte sich das nicht erklären, da sie meinte, dass es ihr bestens ging. War es nicht so? Schließlich fühlte sie sich gut. Aber wenn Miss Chalkling sie schon so ansprach, musste es doch einen Grund geben... Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, drehte sie die Blätter mit dem Test um, um ihre Note zu sehen. Vier Minus. Sie sah auf die Überschrift. „Test - das kleine Einmaleins" Na immerhin nicht das Diktat. Daran konnte sie sich gut erinnern. Direkt nachdem sie nach Hause kam, las sie ein Buch, anstatt die x8 Reihe zu üben. Viel mehr interessierte sie das Buch zu dieser Zeit.
Es handelte von einem Seemann, der an seinem Hochzeitstag zu unrecht verhaftet und verurteilt wurde, bis er nach vielen Jahren ausbrach und sich zu einer Insel mit einem Schatz aufmachte, mit dem er sich einen Grafentitel kaufte und Rache an denen nahm, die ihn um seine Liebe und seine Freiheit brachten. Zugegeben, sie musste viele Sätze öfters lesen, da das Buch schon älter war und etwas gehobener geschrieben wurde. Dennoch konnte sie kaum eine Minute durchhalten, ohne zu es zu lesen. Selbst im Unterricht las sie es damals manchmal heimlich. Vor allem der Hauptcharakter faszinierte sie. Er hatte alles verloren und doch hat er jede einzelne Minute seines Lebens damit verbracht, mehr zu erreichen. Er würde ein angesehener Graf, gleichgestellt mit so manchem König, von seinem Stand abgesehen. Den Test hatte sie nun mittlerweile vergessen. Nach und nach fluteten die Erinnerungen an das Buch ihre Gedanken und zogen sie somit immer weiter aus der Realität in die Unwirklichkeit.
„Nicht war, Headphones?" Eine nur allzu vertraute Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Alle sahen sie an und Miss Chalkling warf ihr einen besonders auffordernden Blick zu. Was ist los? Sie konnte die Stille nicht leiden, die im Raum herrschte. „Hörst du mir überhaupt zu?", fragte die Lehrerin entrüstet. Headphones hielt die Luft an. „N-natürlich höre i-ich zu!" Sie hatte nicht zugehört. Die silberne Stute deutete auf die Tafel: „Dann kannst du mir bestimmt auch die Lösung zu dieser Aufgabe hier sagen." Verdammt. Ihr Herz schlug so schnell, als würde es jeden Augenblick durch ihre Brust brechen und herausfallen. Ihr Blut floss aus der Wunde vor ihrem geistigen Auge und hinterließ eine schleimige rote Pfütze. Nachdenklich sah sie an die Tafel und las leise die Aufgabe. In früheren Zeiten gab es in Equestria Katastrophen zu hauf schwarze Magie hielt das Reich in seinen Fängen, doch die Prinzessinnen brachten mit ihrer Ankunft eine ultimative Waffe mit sich, die... warte, das weiß ich! „Sie brachten die Elemente der Harmonie mit sich, eine Waffe bestehend aus 6 Teilen, die jeweils durch eine hervorstechende Eigenschaft repräsentiert werden. Da hätten wir Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Lachen, Loyalität und die aus alle dem resultierende Bindung, oft auch als Magie bezeichnet. Alle Elemente können alleinstehend als Waffe genutzt werden, sowie zusammen von einem einzigen Nutzer, aber ihr volles Potential eröffnet sich nur, wenn jedes Element von jemanden genutzt wird, der in einer innigen Verbindung mit den anderen Nutzern steht. Daher nennt sich ihre Magie auch die Magie der Freundschaft. Nun mustertet sie nur noch erstaunte Blicke. Normalerweise waren ihre Antworten knapp und selten richtig, aber die Legenden von Equestria hingen fest in ihrem Gehirn. Selbst Miss Chalkling schien verwundert. „Nun, du scheinst zur Abwechslung mal etwas über das Thema zu wissen. Könntest du uns das genauer erläutern?"
Die letzten Fohlen tummelten sich um ihre Taschen und kramten ihre Pausenbrote heraus. Noch immer starrte Headphones verträumt aus dem Fenster. Nachdem das Thema „Elemente der Harmonie" vorbei war, hatte sie wieder das Interesse verloren und geistlich abgeschaltet. Als dann auch die Übrigen Fohlen den Raum verließen, trat Miss Chalkling zu ihr an den Platz. „Nun, wie bereits gesagt würde ich gerne noch mit dir reden. Es geht um deine Noten." Dürfte ich auch einfach gehen? Mit einem Seufzer sah sie vom Fenster weg und blickte zu ihrer Lehrerin. Auch wenn sie versuchte, einen munteren, freudigen Gesichtsausdruck aufzulegen, wirkte sie ziemlich niedergeschlagen. Ihre Hufe waren von Papierschnitten übersät und dunkle Ringe umgaben ihre Augen. Ihre lange blaue Mähne war struppig und ungekämmt, während ihr Fell zwar glatt aber von Staub bedeckt war. „Ich weis genauso gut wie du, dass du keine eins-a- Schülerin bist, aber ich bin bei weitem nicht der Meinung, dass du so dumm bist, wie du dich hier manchmal gibst. Erst recht deine Erklärung vorhin hat mich davon überzeugt, dass du so viel besser sein könntest, wenn du wolltest. Warum lässt du dich dann nur so gehen?" Sie sah sie eindringlich fragend an. Headphones nahm es leicht. „Naja, die Legenden Equestrias interessieren mich halt...nur was wir hier sonst so lernen sollen halt nicht." Die Lehrerin zögerte, um die richtigen Worte zu finden. „Nun gut, aber wofür interessierst du dich denn dann? Du weißt, dass ich immer versuche die Wünsche meiner Schüler möglichst gut mit in den Unterricht einzubauen." „Also...", setzte das Fohlen an, „ich mag Bücher." Sie holte ein dunkelblaues Buch hervor, auf dessen Cover der Kopf eines Wolfes abgebildet war. Unter dem Kopf lief ein weiterer Wolf mit gespreizter Pfote auf einem Felsenpfad am Meer vorbei. Wieder wurde die Lehrerin skeptisch. „Ich meinte keine freien Erzählungen, sondern Themen, die auf Fakten basieren." Nach einer Sekunde holte sie ein anderes Buch heraus, auf dem groß Spirit Lake geschrieben stand. Auf dem Cover war ein gefrorener Teich in der Morgendämmerung, an dessen Ufer ein majestätischer Hirsch stand, der einem den Rücken zuwandte. „Es geht um ein Wesen aus den Legenden von den nördlichen Völkern." Miss Chalkling war noch immer nicht überzeugt. „Ich meine etwas, das auf erwiesenen Fakten basiert und nicht auf alten Mumpitz." Erneut überlegte Headphones und Miss Chalkling musste sie davon abhalten, noch ein drittes Buch aus der Tasche zu ziehen. „Hör mir bitte zu, Headphonestar, ja, du magst Bücher und ja, du magst Erzählungen, aber hat du schon mal überlegt deine Nase in ein Mathebuch zu stecken, anstatt in irgendeinen irrelevanten Kram? Es gibt bestimmte Dinge, wichtige Dinge, die man lernen muss und ohne die du eines Tages nicht weiterkommen wirst. Verstehst du das?" Mit einem unwohlen Nicken antwortete sie: „Ja...ich verstehe." „Es ist ganz einfach ein Ziel zu verfolgen, weist du? Sie dir die Leute um dich herum an. Freunde, Eltern, Geschwister, sogar Fremde. Sieh dir an, was sie erreicht haben und wenn es jemanden gibt, der für dich ein Idol sein kann, folge dessen Beispiel bis du meinst, dass du weit genug gekommen bist, um dich davon abzuwenden." Das Fohlen hörte aufmerksam zu. „Nun sag mir, gibt es jemanden, der etwas erreicht hat, was du erreichen willst?" Headphones zögerte kaum. Ihre Augen leuchteten fröhlich. „Ich möchte irgendwann mal sein wie Twilight, die Schülerin von Prinzessin Celestia! Ich hab sie noch nie getroffen, oder gesehen, aber Prinzessin Luna kommt manchmal zu uns ins Heim und erzählt uns von ihr. Sie ist so klug und Mutig und ich möchte irgendwann genauso sein, wie sie!" Mrs Chalkling lächelte sie zufrieden an. „Na dann, fang an."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top