20

*Tarik*

Die Morgenröte stahl sich so langsam über den Horizont und es wirkte irgendwie anmutig, wie sie durch die Häuserschluchten floss. Reflektiert von unzähligen Fenstern, die die Luft zum leuchten brachten. Nur der Betonbau, den wir im Visier hatten, schien dieses magische Licht aufzuhalten. Die morgendlichen Sonnenstrahlen hatten sichtlich Mühe, sich an dem fensterlosen Zweckbau vorbei zu mogeln.

"Also...", der Prinz zog das Wort wie Kaugummi in die Länge, während er um die Ecke spähte, "Die gute Nachricht  ist, ich weiß schonmal das Passwort."
"Und die schlechte?", hakte ich ungeduldig nach. Statt eine Antwort zu geben nickte Cal in Richtung des Gebäudekomplex der ZGB. Genervt folgte ich seinem Blick und sah, was er meinte. Doppelte, wenn nicht sogar dreifache Sicherheitsvorkehrungen.
"Und was garantiert uns, dass das Passwort, jetzt, wo hier ein Haufen Wachhunde rumlungern, nicht geändert wurde?"
"Meine Intuition als Sohn?", Callums Antwort klang mehr nach einer Frage, denn nach allem anderen. Na, super. Ich war zu sehr darauf gedrillt worden mich stumm und unauffällig, wie ein Schatten, zu verhalten, als das ich entnervt gegen die Wand geschlagen hätte, oder laut geflucht. Also begnügte ich mich damit Callum sauer anzufunkeln. Dieser war aber mit seinen Gedanken schon wieder in einem völlig anderem Universum, sodass er es nicht einmal bemerkte. Vermutlich überlegte er sich gerade schon mal, auf welche Details er achten müsste, wenn er diese verdammte Tür zeichnen würde. Typisch. -Denk nach Tarik, denk nach!- Einer von uns beiden musste das ja übernehmen.
Wie das Band der Aurora borealis, begann in meinem Kopf flackend eine Idee zu entstehen, und -zack- war es dann plötzlich ganz dunkel und das Polarlicht kann in seiner vollen Pracht erstrahlen. Das heißt, ich wusste, wie wir rein kommen können.
"Welche Eingänge werden immer am wenigsten bewacht? Selbst wenn die königliche Familie zu Gast ist?", fragte ich leise und schubste Callum bereits vor mir her, weg von der ZGB.

Der Prinz sah mich über die Schulter irritiert an. Die richtige Antwort hätte lauten müssen: Liefereingänge. Die blieben immer offen und es ist oft lediglich die Ware, die kontrolliert wird. Ich zerrte Callum zu seiner Wohnung zurück, ging in sein Arbeitszimmer und Stopfte die erstbesten Taschen, die ich finden konnte, mit Büchern aus seinen Regalen voll.
"Verrätst du mir wenigstens, was das hier werden soll? Wäre echt nett, wenn du schon meine Bude auseinandernimmst."
"Hier.", ich bepackte ihn mit so vielen Büchern, wie nur irgendwie möglich. "Wir stehlen einen Lieferwagen.", Callum fiel erschrocken die Kinnlade runter, "Wir sind doch keine Krimin..."
"-nellen. Nein. Keine Sorge, die Wagen sind auch nicht aus erster Hand. Nur geborgt. Außerdem können wir den danach an die Polizei zurückgeben. Also sind wir die Guten."
"War ja klar.", grunzte der Prinz hinter all den Büchern. Das hatte schon was komisches an sich. Auch ich schnappte mir ein paar Taschen, doch meine Arme mussten frei bleiben, damit ich das Auto noch knacken und kurzschließen kann, nach alter KED -Manier. Kaum waren wir durch die Tür kreischte jemand.
"Wir entrümpeln nur.", erklärte Cal überraschend gelassen. Sein Gesicht verschwand hinter dem Papier, aber ich beschloss, bei seinem Spiel mitzumachen.
"Jap. Alles Bücher. Wollen Sie sich welche ansehen.", ich ging zu der verdatterten, alten Nachbarin und drückte ihr ein Exemplar von die 'Odyssee' in die Hand. Ehe die Dame protestieren konnte stigen wir bereits in den Aufzug.
"Schönen Tag noch."
Ja, ist doch immer nett einen Prinzen undercover in der Nachbarschaft zu haben.

Cal und ich duckten uns hinter ein paar Öl-Kanistern, die an der Süd-Seite der heruntergekommenen KFZ-Werkstatt aufgestapelt worden waren.
"Hier ist es.", ich wieß auf den angrenzenden Abstellplatz. Dreckig- war noch eine Untertreibung.
"Nicht gerade die beste Gegend.", da hatte Cal allerdings Recht. Eher könnte man sagen es ist die vermutlich Schlimmste. Aber genau deswegen fielen wir nicht weiter auf, wie wir durch die schmierigen Gassen zogen, beladen mit augenscheinlich Schmuggelware. Nicht viel anders als alle anderen in diesem Teil der Stadt. Ich gab Callum ein Zeichen, sobald die Luft rein war, während der Mechaniker in der Halle rauchen ging. Welch eine Ironie, aber egal, denn auf den Wagen, an dem er gerade arbeitete, hatte ich es nicht abgesehen. Weiter hinten nahe der Zufahrt parkte ein weißer Kleintransporter, von dem ich zufällig wusste, dass er lief. Er kam erst neulich hier angefahren, als ich ein paar Blocks weiter den Kontaktmann für diverse Einzelteile, wegen des Portals, getroffen hatte. Ich schlich über den toten Hof, dicht gefolgt von Callum, bis hin zu dem Objekt meiner Wahl.
Es dauerte keine zwei Minuten, da konnte ich schon die Fahrertür öffnen.
"Passwort akzeptiert.", murmelte ich leise vor mich hin und widmete mich dann dem Kabelsalat unter dem Lenkrad.
"Bweil dich gefälligst!", befahl Callum, der die Bücher in den Gepäckteil fallen ließ. Wir werden nacher noch halten müssen, um die Bücher ordentlich zu stapeln. Immerhin handelt es sich um wertvolle Fracht für den Adel- zumindest soll man das glauben können.
"Ja, ja.", so, diese beiden Kabel noch verbinden und...
Der Motor sprang ratternd an.
"Hey, hey, was soll das?!", der Meschaniker war in der Sekunde zurückgekehrt, in der der Motor startete und hatte das natürlich trotz dem dröhnenden Krach aus seinem Radio gehört.
"Polizeieinsatz: Idiot! Sei froh, dass dich keiner Verhaftet!", brüllte ich aus der noch offenen Fahrertür, doch ich saß bereits drin, zog sie zu und steuerte den Wagen mit quietschenden Reifen vom Hof. Ich sah noch, wie der Kerl maulend hinter uns her rannte, aber er hatte keine Chance.
"Alter, das war knapp!", fluchte Callum und ich bemerkte, wie er sich gehetzt umsah.
"Darf ein Prinz so was wie 'Alter' überhaupt sagen? Ist das nicht ein Verstoß gegen die Etikette, oder so? Aber wenn dich das schon schockt, warte mal ab, bis wir das Portal gestohlen haben.", kündigte ich lachend an. Im Gegensatz zu Callum verlieh mir das Adrenalin wie immer ein gewisses Hochgefühl. Auch ein Relikt aus meiner Zeit beim KED. Traurig, aber wahr.

Wir reihten uns in die Schlange der Lieferwagen ein, die sich vor der Zufahrt zur ZGB ein. Ein bisschen Trubel ist immer ganz praktisch, wenn man eine Menge zum untertauchen braucht. Callum sah mittlerweile wie ein Security Vertreter aus und der Lieferwagen hatte die Waschstraße hinter sich.

Hawaii-Carwasch, stand auf dem wahnsinnig kitschig gestaltetem Schild gestanden. Vor lauter Palmen und Blumen hatte es gedauert, bis wir den Namen entziffert hatten, aber als der Wagen sauber war hatten wir's dann kapiert.

Schließlich waren wir an der Reihe auf den Hinterhof der ZGB zu fahren, allerdings nur, wenn die grimmigen Leute am Tor uns durchlassen.
"Fahrzeugpapiere und Auftragsbescheid.", lässig reichte ich beide gefälschten Unterlagen durchs Fahrerfenster. Callum starrte -ganz der Sicherheitsbeamte- unbeteiligt aus der Frontscheibe und tat so, als würde er die Situation auf dem Hof analysieren. Ich hingegen tat genau das, wenn auch unauffällig. Der Kontrolleur nickte nach einer Weile zufrieden, stempelte den Auftragsbescheid, gab ihn zusammen mit den Fahrzeugpapieren zurück und ließ uns durch. Endlich rollten wir auf den Platz.

Schelmisch stupste ich Callum am Arm an, "Bereit für eine Verfolgungsjagt mit ausgebildeten Auftagskillern statt gewöhnlichen Straßendieben? Willkommen im nächsten Level."
Callum warf mir einen strafenden Blick zu. Wir beide konnten nur hoffen, dass niemand das fehlen eines Milliarden Dollar Projekts- stillgelegt hin oder her- bemerken wird.
"Nimm nicht so viele!", protestierte der Prinz, als ich mir ein paar Bücher zum Ausladen schnappte. Abwehrend hob ich die Hand und legte ein paar zurück auf den schmierigen Boden des Kleintransporters. Wir betraten die ZGB, indem wir durch den Kofferraum gleich durch den Quadratischen Zugang schlüpften.
Wir hatten auspackhilfe abgelehnt und wegen des hohen Besuchs und der damit einhergehenden Zusatzaufwand aller Angestellten beschwerte sich niemand über weniger Arbeit als gedacht. Jeder hier schien trotzdem alle Hände voll zu tun zu haben. Einschließlich Cal und mir. Ich folgte dem Prinzen zu der verschlossenen Hochsicherheits Tür, hinter der sich nach Callums Informationen zu Folge das Portal befand. Es schien zumindest einleuchtend zu sein. Was sollte man hier sonst noch derartig bewachen?
Cal trat direkt ans Bedienfeld.
"Lös ja keinen Alarm aus. Hier gibts bestimmt keine drei Versuche. Entweder es klappt oder wir sind geliefert, klar."
"Ja, danke. Das war genau die Art von Motivation die ich jetzt brauchte."
Die Tasten waren ähnlich wie die Tür aus hochwertigem Edelstahl. Die Ziffern darauf wurden sanft bläulich beleuchtet. Die Tastatur sah auf eine seltsame, gefährliche Weise hübsch aus.

*Callum* 

Der Code. Was könnte es sein? Ein Versuch ist das letzte, was ich gerade gebrauchen konnte. Aber was blieb uns schon für eine Wahl? Ich könnte Juli doch nicht enttäuschen. Sie zählt auf mich. Wenn ich das vermassle, dann, dann...
"Wir haben nicht ewig Zeit! Also...?"
Ich nickte Tarik zu und gab dann die Nummer ein.
2015182621182351220
-Tor zur Welt- in Zahlen ausgedrückt. So hatte mein Vater mal von den Bemühungen des KED gesprochen, damals war es mir so vor gekommen als würde er etwas verschweigen. Und dann fand ich diesen Ausdruck als Überschrift eines der Artikel wieder, die ich aus der ZGB entwendet hatte. Dieser Ausdruck war mir gleich bekannt vorgekommen.
Einige Sekunden, die mir wie die längsten meines Lebens vorkamen, hielt ich die Luft an, während der Computer rechnete. Auch Tarik schien angespannt zu sein, denn er knirschte mit den Zähnen. Doch dann knackte es. Erleichtert stieß ich einen Schwall meines Atems aus und wischte mir die verschwitzten Handflächen an der Hose ab. Die Tastatur leuchtete jetzt Grün. So ein Glück. Das hätte schlimmer ausgehen können. Die Tür schwang nach innen auf und Tarik und ich schlüpften gleich hinein. Ich registrierte noch, wie Tarik meine armen Bücher neben einem der Regal fallen ließ und es tat ein bisschen weh, doch wir hatten weit aus bedeutenderes im Sinn.
"Das Portal.", entfur es mir.
"Beeilen wir uns!", Tarik stürzte an mir vorbei. Zerrte an irgendwelchen Kabeln, doch ich war wie angewurzelt und könnte nichts weiter tun als auf das Portal zu starren. Nicht oft hatte ich eines gesehen und es erschreckte mich immer noch.
Als Tarik fertig war fuhr er mich an, ich solle mich gefälligst nützlich machen. Mein Ärger über seinen abfälligen Ton riss mich aber aus meiner Starre und holte mich ins hier und jetzt zurück. Ich packte mit an und half Tarik dabei das Gerät anzuheben. Es war schwerer als es aussah, denn es war ja quasi nur ein Rahmen aus Metall. Aber das Portal schien Tonnen zu wiegen, so als wäre ein halber Planet darin eingearbeitet worden.
  
*Juliana*

"Ihr habt es tatsächlich geschafft!", ich fiel Cal um den Hals nachdem er das seltsame Ding, was eindeutig das Portal sein musste, losließ. Tarik verschwand gleich wieder und Cal nahm meine Hand, während er mich aus der Wohnung zog. Ich half dabei seine Bücher wieder hoch zu tragen und als der Wagen, den ich nicht kannte, leer war stieg Tarik ein und fuhr wortlos davon. Ich warf Cal einen fragenden Blick zu.
"Erklär ich dir alles... Kaffee und Kartoffelauflauf?"

Ich konnte nicht fassen, dass die beiden heute schon zweimal entkommen sind. Und das das Portal jetzt im Abstellraum neben dem Staubsauger stand.
"Wir sollten noch heute mit der Reperatur beginnen. Desto schneller können wir nach Taiga und Sasha..."
"Und Selene.", unterbrach ich Tarik kurz.
"...helfen."
Callum schien der gleichen Meinung zu sein. Je länger wir brauchen würden, desto größer wird die Gefahr, dass man uns findet. Nach dem Essen zogen wir uns bequeme Sachen an, nur Tarik konnte sich nicht von seiner 'Arbeitskleidung', wie er es nannte, trennen. Also holten wir Callums Zeichnungen, breiteten sie auf dem Boden aus und machten uns an die Arbeit.

Ich machte mich an einer Packung Kekse zu schaffen. -Goldtaler-, die widerspenstige Verpackung platzte und einige Plätzchen sprangen erst mir entgegen, ehe sie auf dem Boden zerbrachen. Es bleibt keine Zeit zum Aufräumen und da hatte ich auch ehrlich gesagt keine Lust zu. Es ist fast Viertel vor Drei und wir brauchen eigentlich alle eine Pause. Zur Bestätigung dieser Erkenntnis musste ich herzhaft gähnen.
Zu den Keksen stellte ich noch Kaffee bereit, denn die dunkle Brühe war im Augenblick das einzige, was uns wachzuhalten schien.

"Hey, Leute!", rief Tarik aus der Kammer, er klang beunruhigt. Darauf hin folgten wirklich beunruhigende Geräusche.
"Leute!", Cal und ich stürzten in die Abstellkammer, wobei ich noch das Tablett vom Tresen riss und eine Riesen Sauerei verursachte, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was wir in der Kammer erblickten.
"Es funktioniert!", stellte ich überrascht fest, bemerkte an Tariks Gesicht aber, das irgendetwas nicht stimmte.
"Was ist...", ich gesellte mich gemeinsam mit Callum zu Tarik, doch dann schoss ein Lichtblitz aus der Tür und...



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