16

"Muss das wirklich sein?", fragte ich zum wiederholten Male an Selene gerichtet.
"Ja. Und jetzt halt still.", erwiderte sie entschlossen.
Dabei mussten wir höllisch aufpassen, dass keine meiner Strähnen ihre Hand streifte, damit ich nicht so wie Juliana auf nimmer Wiedersehen verschwand. Darum hatte sich der ganze Prozess auch leicht nach hinten verschoben.
"Es sind nur Haare, die wachsen wieder nach.", fügte sie noch beschwichtigend hinzu. Ich betrachtete diese Sache jedoch etwas kritischer. Viel zu sehr erinnerte mich dieses Herumzupfen und Zurechtmachen an die Zeit, als Tarik mich das erste mal nach Aurora, damals noch entführt hatte. Er war mit mir nach dem Schulball an den Strand gegangen, während er sich für Grant, den beliebtesten Jungen schlechthin ausgab. Ich hätte ja nicht ahnen können, dass sich ausgerechnet dort eine der Energieüberschneidungspunkte zu Aurora befanden und Tarik Grants charmantes Dublikat aus einer fremden Welt war. Auf Aurora sollte ich mich dann als Prinzessin Juliana ausgeben, die ihrerseits ebenfalls entführt worden war. Welch eine Ironie. Damals hatte kein Mensch gewusst, dass ich von Kindesbeinen an von ihr geträumt hatte. Ich nahm immer an, es seien bloß Träume aus meiner blühenden Fantasie gewesen. Ich meine, welches Mädchen hat nicht irgendwann mal davon geträumt eine Prinzessin zu werden? Nie hätte ich angenommen, dass es sich um ein echtes Mädchen handeln könnte, dass mir in so vieler Hinsicht glich.
Mit so etwas rechnet doch niemand!

Selene war vorhin jedenfalls aufgesprungen und hatte begonnen eine Schublade nach der nächsten auseinander zu nehmen. In Leonids sterilem Zimmer hatte es nicht lange gedauert bis sie fand, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Eine Schere. Wieso musste es ausgerechnet eine Schere sein?
"Naschön. Ich rühre mich keinen Milimeter mehr. Fang an.", ich schlug mir die Hände vor die Augen, um das Elend nicht mit ansehen zu müssen.
"Tut mir Leid...", meinte Selene, ehe sie die Schere ansetzte und an dem Haargummi entlang schnitt, dass ich bald wohl nicht mehr gebrauchen werde. Es knisterte ekelhaft, doch kaum eine Minute später war das Werk vollbracht. Selene sprang hektisch nach hinten, als der Zopf auf den Boden fiel. Mein Kopf fühlte sich auf seltsame Art und Weise leichter an.
"Wir sehen mit Kurzhaarfrisur gar nicht übel aus. Das steht uns. Jetzt mach endlich die Augen wieder auf!", forderte Selene streng. Ich traute mich kaum hin zu sehen, aber... Sie hatte recht. Skeptisch musterte ich mein Spiegelbild, aber Selene hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Mein Gesicht sah jetzt viel sportlicher aus. Auch wenn ich wohl kein Fan davon werden würde, konnte ich vorübergehend damit leben.

"Sag mal, was ist eigentlich mit deinem Ende des Parabands los? Du glimmst so schwach. Bist du krank, oder wie?", erkundigte ich mich ehrlich besorgt, aber auch neugierig. So betreten wie Selene dann drein blickte signalisierte mir, dass ich wohl einen wunden Punkt erwischte. Ich klang versehentlich doch ein wenig vorwurfsvoll, weil der Schreck der Begegnung mit den Fadros vorhin noch immer tief saß. Ich schenkte Selene einen mitleidigen Blick.
"Hey, ist schon gut. Das wird wieder."
Die Aufmunterung schien zu helfen, denn sie nickte heftig.
"Ja, den Trank, den sie mir verabreicht haben kann schließlich nicht ewig wirken."
Erschrocken fuhr ich herum.
"Warte: Was?!"
"Das ist es, was meine Energie momentan blockiert..."
Das durfte doch nicht wahr sein! Juliana ist außer Gefecht, weil sie wieder auf Aurora war. Und jetzt auch noch Selene, wegen irgend welchen fiesen Chemiekalien? Na, toll. Zwei von drei wären damit erledigt, und damit unser ganzer Plan Taiga gemeinsam zu retten und unser Paraband zu zerreißen. Am liebsten hätte ich jetzt ausgiebig geflucht, aber das wollte ich unserer sanften Selene nicht antun, also ließ ich es doch bleiben. Aber jetzt brauchten wir eine bessere Idee, wie wir alles wieder ins Lot bringen konnten. Tja, leichter gesagt als getan.
  

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