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"Wo genau gehen wir denn jetzt als erstes hin?", fragte ich Callum beiläufig, während wir die Soldaten der Grenzkontrolle beobachteten.
"Ich habe ein Apartment nicht weit von hier. Als Erholungsort von dem ganzen Trubel im Palast. Da können wir uns erstmal ausruhen.", erwiderte Callum flüsternd.
"Du armer.", ich hatte mir diesen trockenen Kommentar nicht verkneifen können. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich damit auf seine Überheblichkeit als jammernder Prinz abzielte oder, ob mir die Vorstellung nicht gefiel, mich auszuruhen wärend Sascha auf einem anderen Planeten war. Beides - entschied ich mich schnell, ehe ich die Wachposten noch einmal zählte.
"Sechzehn", meinte ich. Callum nickte knapp. Okay, soviel wäre geklärt. Wachwechsel gab es nur auf den Zinnen. Alle zwölf Minuten gab es ein dreiminütiges Fenster, in dem wir zu den Wachen am Tor gehen müssen, und durchkommen. Damit, falls etwas schief laufen sollte, wenigstens die Zahl unserer Gegner so gering wie möglich sein würden. Callum sollte ja eigentlich Juliana heiraten. Würde er vorher inoffiziell das Königreich verlassen, könnte dies als Fahnenflucht gelten. Das wäre natürlich schrecklich und würde schnell als der Skandal des Jahrhunderts bei der Presse landen. Aufsehen konnten wir im Augenblick herzlich schlecht gebrauchen. Also müssen wir so vorsichtig wie nur irgend möglich vorgehen.
"Politik ist doch manchmal echt einfach nur widerlich.", rutschte es mir heraus.
"Wem sagst du das?", Callum klang ziemlich verbittert. Danach schwiegen wir wieder um auch wirklich unsichtbar zu bleiben.

Ich zählte die Sekunden ab, bis wir uns in der Warteschlange an dem Tor vorschmuggelten. Cal gab sich sogar für ihn übertrieben gönnerhaft, aber es schien zu wirken. Er zahlte für ihn und mich den Zollbetrag. Himmel, er sollte Juliana endlich heiraten, damit dieser ganze Grenzstreit endlich ein Ende nimmt. Lange genug sind Kämpfe an den Grenzen ausgetragen worden. Etliche Leben sind dafür gelassen worden. Eine tragische, traurige Angelegenheit. Wobei der Frieden in Person quasi direkt vor mir ging.

Wir schoben uns quälend langsam vorwärts. Zumindest kam es mir so vor. Als wir beinahe das Tor erreicht hatten kontrollierte ich, ob das Zeitfenster des Wachwechsels schon begonnen hatte. Eindeutig. Ich warf einen Blick auf meine schmale Armbanduhr. 2 Minuten 47 Sekunden. So viel Zeit blieb uns noch ehe die nächste Truppe Stellung beziehen würde. Solange hatten wir es mit immerhin nur Acht Soldaten zu tun.

"Pass. Einreisepapiere.", forderte der Grenzkontrolleur. Callum reagierte souverän, so weit ich das beurteilen konnte, immerhin befand sich seine Mimik außerhalb meines Sichtfelds. Doch bevor wir die gefälschten Papiere hervorholen konnten, entstand Unruhe. Ich warf einen Blick nach hinten und erkannte sogleich was vor sich ging. Ein ganzer Trupp Grenzsoldaten zwängte sich durch die Reihen der Wartenden und schubste die Leute auf Seite. 1 Minute 03 Sekunden. Aber diese Feststellung war nun wohl hinfällig.
"Halt! Halt, stehen bleiben!", schrie der Truppenführer. Ich beobachtete wie Callum hektisch nach Luft schnappte, bei mir aber stellte sich das gewohnte Gefühl von Leere ein, dass mich überkam, sobald eine Situation brenzlig wurde. Es war eine zarte Leere, in der stille Kraft und ausnahmslose Konzentration lag. Schon als ich noch beim KED war, hätte ich immer die Fähigkeit dazu gehabt in keiner Situation die Kontrolle zu verlieren und so war es nun auch. Noch immer kamen die zusätzlichen Soldaten zielstrebig auf uns zu, aber der Mann, der unsere Papiere eingefordert hatte machte keinerlei Anstalten uns festzunehmen. -Irgend etwas anderes war hier im Gange.- Kaum hatte ich das Gedacht fiel mir auch auf, was es war.
Nach uns kam eine kleine Karawane mit zwei Frauen, die einen altmodischen Karren zogen. Plötzlich wurde die Plane auf dem Wagen zurück geschoben und ein Mann sprang hervor. Die Frauen begannen zu kreischen und das Gemüse, das in faulen Körben auf dem Wagen gelagert hatte purzelte auf die dreckige Straße und wurde zertrampelt. Der Mann packte sich einen kleinen Jungen der ebenfalls in der Schlange gestanden hatte. Zusammen mit seinen Eltern, die nun auch verzweifelten. Sie weigerten sich die Hände ihres Kindes loszulassen bis der Mann das Messer in der narbigen Hand auch ihnen entgegen streckte. Nun waren wirklich alle von dem Schauspiel abgelengt.
Irgend jemand brüllte: "Verriegelt das Tor!"
Oh nein! Jetzt oder nie, wir mussten uns beeilen. Die dicken Stahltüren begannen bereits sich zu schließen. Ich packte Cal grob am Arm und zerrte ihn hinter mir her. Alle waren damit beschäftigt diesen Verbrecher zu schnappen, der uns unwissentlich einen Gefallen getan hatte.
In letzter Sekunde gelang es uns durch das Tor zu schlüpfen.

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