Kapitel 51

Ein neuer Anfang

Kevin stellte keine Fragen, es war unwichtig, warum sie hier war, es war nur wichtig, dass sie hier war!
Er riss sie in seine Arme, küsste sie wie ein Ertrinkender, und sie wusste, dass es die beste Schnapsidee ihres Lebens gewesen war, nach Spanien zu fliegen!

Sie hielt ganz still und genoss.

Ich träume! dachte Kevin.
Das kann gar nicht sein!
Sie kann gar nicht hier sein!

Aber ich halte sie doch in meinen Armen!
Ich küsse sie doch!
Ich werde gleich aufwachen!

So oft habe ich in den letzten Tagen von ihr geträumt!
Aber niemals, dass sie nach Spanien kommt!
Sie ist mir nicht mehr böse!
Sie lässt sich küssen!

Er holte kurz Atem und küsste weiter, bevor der Traum sich im Nichts auflösen konnte.
Philip führte einen ausgelassenen Indianertanz um sie herum auf. „Huka Haka, Kathi! Huka Haka Kevin!" sang er ununterbrochen.

Irgendwann, vielleicht nach Ewigkeiten, drang die Stimme des Kleinen in Kevins Bewusstsein, und er musste so lachen, dass er nicht mehr weiterküssen konnte. Er hielt seinen Sohn am Kragen fest. „Hör auf, du Monster! Du störst!"

Doch der Kleine machte sich frei, tanzte und sang weiter.
Kevin griff ihn sich am Gürtel, hob ihn daran hoch.
„Ich schmeiß ihn die Klippe hinunter!" flüsterte er an Kathis Ohr. „Was hältst du davon?"
Philip juchzte und kickste vor Lachen.

In sein Ohr flüstern und dabei ein wenig knabbern konnte sie auch. „Würde ich nicht machen!" Sie genoss sein leises Stöhnen. „Er ist schließlich schuld daran, dass ich hier bin!"
Gut!
Wenn sie es so wollte?
Ließ er halt seine Zunge mit ihrem duftenden Ohr etwas spielen. „Du bist also nur wegen Philip hier?"

Noch immer quietschte der Junge vor Vergnügen, noch immer hielt Kevin ihn fest. Kraft im Arm hatte er dafür noch genug.
Um die Beine war es da schon anders bestellt.
Die Knie zitterten, wurden butterweich.
Wenn sie nicht aufhörte, sich so hocherotisch mit seinem Ohr zu beschäftigen, würde er gleich umkippen.

„Natürlich!" antwortete sie, verließ zu seiner Erleichterung eine seiner erogensten Zonen.
Aber nur um an seinem Hals weiterzumachen.
Da war nicht wirklich etwas gewonnen.
„Oder meinst du, ich hätte das geringste Interesse an seinem Vater?" krächzte sie etwas heiser, leckte ein wenig an seiner Haut, die nach Aftershave und ein wenig Schweiß schmeckte.

Er setzte Philip vorsichtig ab.
Nicht, dass sie beide die Klippen hinunterstürzten!
Jetzt, wo Kathi da war!
Er trat sicherheitshalber einen Schritt von ihr weg.
Da war!

Ja, sie war wirklich da.
Er erwachte nicht aus einem seiner sehnsüchtigen Träume.
Er stand auf dieser Klippe, sein glücklicher Sohn hielt sich den Bauch vor Lachen, und Kathi war noch immer da.

Er räusperte einen Frosch aus seiner Kehle.
Sein Gehirn begann langsam wieder zu arbeiten, seit er wieder atmete.
„Warum..... warum ist Philip schuld?" brachte er schließlich heraus.

Sie sah den kleinen, schlauen Kerl fragend an, er nickte strahlend.
Ja!
Jetzt durfte der Papa erfahren, wie er ihn ausgetrickst hatte!
Jetzt, wo der Papa Kathi geküsste hatte, sich freute, dass sie da war!

Kathi zog alle Karten, die sie bekommen hatte, aus ihrer Handtasche, hielt sie Kevin hin.
Der las die erste, ließ sich auf den Boden fallen, achtete nicht auf den felsigen Untergrund.
Manchmal lachte er leise, manchmal krauste er ein wenig die Stirne, manchmal schüttelte er den Kopf.

Kathi ließ sich neben ihm nieder, zog Philip auf ihren Schoß.
Beide beobachteten sie den Mann, der gerade ungläubig von der Cleverness seines Kindes erfuhr.
Philip war etwas unsicher, wie der Papa regieren würde, drückte sich eng an Kathi, die ihm beruhigend über den Rücken strich.

Als er die letzte Karte gelesen hatte, sah er Philip eine Weile an. „Die anderen lesen wir dann wohl, wenn wir zu Hause sind?" sagt er leise. „Ich hoffe, du schreibst heute auch noch eine!"
Er streckte seine Hand nach seinem unglaublichen Sohn aus. „Komm her, mein größter Schatz!" flüsterte er, weil ihm die Stimme brach.

Philip kletterte auf seinen Schoß. „Hab ich das gut gemacht?" fragte er zu Sicherheit.
„Verdammt gut! Fucking gut!" antwortete Kevin leise.

Philip kicherte. „Das sagt man aber nicht!"
„Doch! Wenn ein Vater einen so verdammt klugen Sohn hat, der so abgefuckte Sachen macht, darf man das sagen! Es darf nur niemand hören!" erklärte Kevin lachend.

Er küsste seinen unglaublichen Sohn ab, fühlte dabei Kathis Fuß, der zärtlich seinen Unterschenkel hinauf strich – und wusste oder fühlte oder ahnte oder war sich sicher, dass er jetzt Prioritäten setzen musste.

Er ließ Philip los, um sich der Traumfrau, die heute ganz und gar Wirklichkeit war, zu widmen. Der Junge verstand grinsend, dass der Papa im Moment lieber Kathi küssen wollte als ihn, setzte sich an den Rand der Klippe.
„Sei vorsichtig!" bat Kevin, bevor er sich dem heißen Käfer neben sich zuwandte.

Philip saß ganz still, brachte das Grinsen aber nicht aus seinem Gesicht. Er war verdammt stolz auf sich, fucking stolz!
Morgen würde er die schlimmen Worte wieder vergessen, aber heute durfte er sie denken, weil der Papa sie sogar gesagt hatte!

Er beobachtete die feiernden Menschen unten am Strand. Sie waren auch glücklich!
So glücklich wie er!
Er war ein schlauer Junge!
Er war nicht behindert!
Nur ein wenig autistisch!
Aber das war gar nichts Schlimmes!

Da entdeckte er die Gruppe der Italiener, die etwas abseits von den anderen saßen.
Sie lachten nicht so laut, denn sie hatten Sorgen, wie ihm der Papa erzählt hatte. Laura, die kleine Tochter von Sophia und Pietro war sehr krank.
Sie waren alle zusammen die ganze Strecke gegangen, um den lieben Gott zu bitten, dass er sie wieder gesund macht.

Schnell betete er: „Lieber Gott! Danke, dass du Kathi geschickt hast. Aber jetzt hast du Zeit, um Laura gesund zu machen! Bitte! Bitte! Ich denke auch die schlimmen Worte nicht mehr!"

Er drehte sich zu Papa und Kathi um und lächelte. Die beiden hielten sich engumschlungen und küssten sich die Tränen weg.

Das waren sicher Glückstränen, und die waren etwas sehr Schönes, hatte der Papa mal gesagt.
Da entdeckte Antonella den lieben kleinen Jungen, der alleine da oben auf dem Felsen saß.
Ungewöhnlich!

Sein Vater hatte doch immer ein Auge auf ihn, ließ ihn nie alleine. Sie stand auf, stieg ein Stück den Pfad hinauf.
Als sie in Rufweite war, fragte sie: „Wo ist denn Kevin?"
Philip lachte und legte den Finger auf den Mund.

Sie kam noch etwas näher.
„Kathi ist gekommen!" sagte Philip leise. „Ich habe es gut gemacht!"
„Nein!" rief die Italienerin.
Das hatte sie nie im Leben für möglich gehalten, dass die Deutsche aufs Geradewohl bis nach Spanien flog.
Aber sie hatte dem Kleinen natürlich seine Hoffnung nicht rauben wollen, wusste auch zu wenig über die Frau und den Grund für die Trennung.

Kevin tauchte aus einem Strudel der Leidenschaft auf, als er die Frauenstimme hörte.
Puh!
Das war knapp gewesen!
Viel hatte nicht gefehlt, und er und Kathi wären wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden.

Er setzte sich auf, wischte sich übers Gesicht, zog auch die Süße hoch.
Antonella kam zu ihnen, ging in die Hocke.
Sie steckte Kathi die Hand hin. „Hallo! Ich bin Antonella! Ich bin überglücklich, dass du da bist! Denn wenn der liebe Gott Kevin erhört hat, hilft er vielleicht auch uns!"

Kathi sah Kevin etwas verwundert an, ihr Gehirn funktionierte auch noch nicht so gut.

Antonella ließ sich neben den beiden nieder, erzählte die traurige Geschichte ihrer kleinen Nichte.

In Kathi erwachte von einer Sekunde zur anderen die Ärztin. Sie stellte viele Fragen nach den bisherigen Behandlungen des Mädchens.

Dann schüttelte sie den Kopf. „Für diese frühkindliche Leukämie gibt es ein wahnsinnig gutes neues Medikament, das unglaublich sicher wirkt!"
Antonella senkte den Kopf. „Ja! Die Ärzte haben davon gesprochen! Aber es ist sehr teuer. Und unsere Krankenkasse hat die Kostenübernahme abgelehnt!"

Kathi sprang auf. Sie hasste es wie die Pest, wenn Leben oder Gesundheit vom Bankkonto abhingen! Noch dazu bei einem vierjährigen Kind!

Sie zog ihr Handy aus der Tasche, ging ein paar Meter weg, sprach sehr energisch und sehr wütend mit jemandem, wurde dann lockerer und freundlicher, lachte am Ende glücklich auf und bedankte sich strahlend.

„In welchem Krankenhaus liegt Laura?" rief sie Antonella zu.
„In der Klinik von Bergamo!" stammelte die Italienerin.
Kathi sprach noch eine ganze Weile mit wem auch immer, gestikulierte, wurde lauter, dann wieder versöhnlicher, bis sie erleichtert aufatmete und auflegte.

Dann ließ sie sich wieder neben Antonella nieder und holte tief Luft. Sie wirkte etwas erschöpft, aber auch zutiefst zufrieden mit sich.
Ihr Gesichtsausdruck glich ein wenig dem von Philip.

„Also!" begann sie. „Ich habe mit meinem Chef telefoniert. Wir haben einen Fonds für Kinder aus Entwicklungsländern, die eine medizinische Behandlung brauchen, die in ihrer Heimat nicht möglich ist. Durch Zufall habe ich vor ein paar Wochen erfahren, dass der im letzten Jahr nicht ausgeschöpft wurde und eine gewisse Summe in einem Monat verfällt. Ich habe Dr. Berneck also überredet, dass er das Geld für Lauras Behandlung zur Verfügung stellt. Ein Heli mit einem Ärzteteam wird die Eltern morgen hier abholen und nach Bergamo bringen, weil wir ja die Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten brauchen!"

Dass sie den Transport aus eigener Tasche bezahlen würde, musste jetzt niemand wissen. „Dann machen sie in der Klinik alles klar und bringen Laura und die Eltern nach Regensburg!"


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