Kapitel 33
Veränderungen II
Die zweite Semesterparty stand an. Kathi tauschte ihren Dienst mit Pascal, um nicht mitzumüssen.
Sie wusste, dass das die erste Lüge von vielen war, dass es schwer werden würde, die Beziehung zu retten.
Aber noch gab sie nicht auf.
Bei der dritten Fete fragte Kevin nicht mehr, ob sie mitkäme.
Ein anderes Mal wollte er ins Kino, sie schaffte es nicht rechtzeitig, nach Hause zu kommen, fand eine Nachricht auf dem Handy.
„Bin mit Max gegangen! Schade, dass du es nicht geschafft hast."
Sie wartete die halbe Nacht auf ihn in ihrer Wohnung, vom Kino aus lag sie näher als Alberts. Doch er tauchte nicht auf, meldete sich auch nicht mehr.
Erst am nächsten Morgen um zehn kam eine Textnachricht: „Sorry, Süße! Wir waren noch bei Max! Freue mich auf heute Abend!"
Pascal spürte, dass etwas im Argen lag zwischen Kathi und Kevin. Es wäre verdammt schade, wenn die beiden es nicht schaffen würden.
„Stimmt was nicht mit euch beiden?" fragte er dann eines Tages auch gerade heraus.
Kathi sah an ihm vorbei. „Ich weiß nicht? Er wird immer jünger und aufgedrehter, und ich fühle mich jeden Tag älter!" fasste sie ihre Gefühle in Worte.
„Aber du hast doch auch gewollt, dass er studiert, oder? Da ist es doch ganz natürlich, dass er sich den jungen Leuten anpasst. Er kann nicht den ganzen Tag den besorgten Vater und sehnsüchtigen Liebhaber geben!"
„Ja! Schon! Klar! Ich habe das auch irgendwie geahnt, habe es mir für ihn gewünscht!" räumte sie ein. „Aber er ist nicht mehr der Selbe!"
„Du vielleicht auch nicht? Du suchst nach Veränderungen, weil du sie erwartet hast, weil du dich bestätigt sehen willst! Vielleicht mag er die skeptische Kathi auch nicht so gerne wie die vertrauensvolle, lustige?"
Seine harten Worte gaben ihr zu denken. Sie würde wieder offener werden müssen, an seinem Leben mehr teilhaben, auch wenn es ihr zur Zeit nicht leicht fiel.
Zu groß war die Angst vor der Zukunft.
Als er die nächste Fete ankündigte, sagte sie vorsichtig: „Das wäre in meiner freien Woche!"
Er stutzte kurz, schien sich aber dann ehrlich zu freuen.
Der Abend wurde für Kathi der Horror. Diese unsägliche Josefine hing wie eine Klette an Kevin, machte immer wieder Andeutungen, wie toll die letzten Feiern mit Kevin gewesen waren, wie lustig der Film war, den sie zu dritt angesehen haben, machte Andeutungen über den Abend danach bei Max..
Kathi kämpfte gegen die Eifersucht, erstickte aber fast daran.
Warum hatte er ihr nicht erzählt, dass dieses Weibsbild dabei gewesen war?
Warum hatte er immer nur von Max gesprochen?
Kevin bemerkte von alldem nichts. Er hielt Hof mit seinen Verehren und Verehrerinnen, winkte ihr hin und wieder zu.
„War nicht der Hype für dich, oder?" fragte er auf der Heimfahrt, und sie vermisste schmerzlich das Lächeln in seiner Stimme.
Sie wollte wegen Josie fragen, wollte eine Szene machen und ließ es doch erschöpft sein. „Wir haben jetzt nicht wirklich viele Gesprächsthemen, die anderen und ich!" sagte sie nur.
„Vielleicht solltest du dich etwas anpassen? Nicht immer nur ernsthafte Gespräche führen wollen? Einfach das Leben genießen?" schlug er vor, und das Lächeln wurde durch eine seltsame Kälte ersetzt.
Was war los mit seiner aufgedrehten, lebenslustigen Kathi, die ihm die Leichtigkeit zurückgegeben hatte? Seit wann hingen ihre Mundwinkel immer nach unten? Seit wann war sie immer müde und gestresst?
Sollten sie reden?
Aber er hatte kein Recht, sie zu maßregeln.
Aber, wenn es ihr nicht gut ging?
Wenn sie Probleme in der Arbeit hatte?
Sie hatte schon lange nichts mehr erzählt!
„Ist alles okay mit dir?" fragte er, und dieses Mal klang er echt besorgt.
„Ja! Klar!" Sie schloss die Augen, um die Tränen am Laufen zu hindern, biss die Zähne zusammen. Ich muss das schaffen! schrie sie sich zu.
In dieser Nacht schliefen sie nicht miteinander, drehten sich zum ersten Mal, seit sie sich kannten, beim Einschlafen den Rücken zu.
Sie versuchte es in der nächsten Zeit immer wieder, fröhlich zu sein, Unternehmungen zu planen.
Zu zweit oder zu dritt.
Aber er hatte kaum Zeit.
Einmal war er mit Max im Fitness-Studio verabredet.
Sie hatte gar nicht gewusst, dass er da seit längerem hinging.
Einmal war eine Geburtstagsparty, zu der sie nicht eingeladen zu sein schien.
Sie fragte nicht nach, wer denn feierte.
Einmal hatte er Karten für ein Konzert, den Künstler konnte sie nicht leiden, wie er wusste.
Im Bett klappte es noch einigermaßen, da schien er fast der alte Kevin zu sein.
Aber ein gemeinsames Leben gab es praktisch nicht mehr.
Philip nahm die Veränderungen nicht spürbar wahr. Wenn sein Papa da war, war er lieb, fürsorglich, interessiert.
Und der Papa musste ja studieren, damit er ein Arzt werden konnte.
Kathi kam öfter vorbei, ging mit ihm spazieren, ließ sich seine Geschichten vorlesen, lachte mit ihm.
Von den Spannungen zwischen den Erwachsenen bekam er nichts mit.
Anders sah es bei Albert aus. Er spürte durchaus Kathis Traurigkeit, ihre Einsamkeit neben Kevin.
Doch er wollte sich nicht noch einmal einmischen.
Die beiden waren erwachsen. Und er war ja mit Sicherheit kein Experte in Beziehungsfragen.
Er traf sich regelmäßig mit Angelika, aber auf rein freundschaftlicher Basis, weil sie das so wollte.
Kevins Mutter machte sich ebenfalls Sorgen. Sie bekam ihren Sohn kaum noch zu Gesicht.
Wenn, dann kam Kathi mit Philip vorbei. Auch sie sah die Schatten in Kathis Blick, doch auch sie wollte sich nicht aufdrängen mit guten Ratschlägen.
Sie war froh, dass es Kevin gut zu gehen schien, dass er das Studium genoss. Die beiden würden es schon hinkriegen.
Gregor versuchte, mit Kathi zu sprechen. Er war etwas wütend auf den jungen Mann, von dem er so viel gehalten hatte. Er schien ihm so egozentrisch zu werden wie seine baldige Ex-Frau.
Das hatte seine Tochter nicht verdient, nach allem, was sie für ihn getan hatte.
Doch Kathi wiegelte seine Bedenken ab, setzte ein falsches Lächeln auf, spielte die glücklich Verliebte.
Doch sie konnte ihn nicht täuschen. Er würde Kevin im Auge behalten.
Wenn er ihr wehtat, gnade ihm Gott!
Dann kam Kathis Geburtstag. Sie hatte zwei Tage frei. Sie wollten den Abend nur zu zweit feiern, er wollte kochen für sie wie früher.
Doch am Nachmittag hatte er noch eine schwierige Klausur, die er ordentlich versemmelte, weil er nicht viel gelernt hatte in den letzten Wochen. Er war sauer auf sich, auf seine Blödheit, auf die Welt und auch auf Kathi, weil sie ihn nicht zum Lernen angehalten hatte.
Weil sie ihn immer losziehen ließ mit den Freunden, ganz so, als wäre sie froh, ihn los zu sein.
Die Ungerechtigkeit seiner Gedanken kam ihm nicht im Mindesten in den Sinn.
Josie gab ihm ein Bier, als er ziemlich kaputt auf den Stufen zum Hörsaal saß.
„Trink einen Schluck, dann geht's dir besser!" meinte sie.
Ohne nachzudenken griff er nach der Flasche, leerte sie zur Hälfte. Der ungewohnte Alkohol ging ihm sofort ins Blut, gegessen hatte er auch nicht viel.
Er grinste Josie an, die heute ziemlich hübsch aussah.
„Stimmt!" sagte und leerte die Flasche. Der Frust über die verhaute Arbeit löste sich auf. Josie zog noch eine Flasche aus ihrem Rucksack, die sie gemeinsam leerten.
Dann tauchte in seinen vernebelten Gehirnwindungen eine Erinnerung auf. Irgendetwas war doch heute noch?
Wie der Blitz traf ihn der Gedanke an Kathis Geburtstag. „Ich muss los!" Er lallte ein bisschen. Fahren konnte er in diesem Zustand nicht mehr, also lief er zum Taxistand.
Josie grinste ihm hinterher. Sie war auf einem guten Weg, sie würde ihn schon noch rumkriegen!
Die Olle, die seine Freundin war und die seit längerem keiner mehr gesehen hatte, würde verlieren!
Kathi wartete und wartete. Wie lange dauerte denn so eine Klausur?
Sicher nicht länger als drei Stunden!
Wo blieb er denn bloß?
Sie hatte am Vormittag nach seinen Bestellungen eingekauft, abends den Tisch gedeckt.
Immer wieder läutete das Handy, aber immer wieder war es nicht er.
Viele Menschen riefen an, um ihr zu gratulieren, sie plauderte ein wenig mit allen, nur bei ihrer Mutter ging sie nicht dran.
Nach jedem Gespräch kontrollierte sie ihre Mailbox, in der Hoffnung , er hätte ihr eine Nachricht hinterlassen.
Aber nichts, auch keine Textnachricht!
Kurz dachte sie, ob ihm wohl etwas passiert war, aber das erschien ihr dann doch zu unwahrscheinlich.
Die Tränen begannen zu rollen, sie wischte sie wütend weg.
Nein! Sie würde nicht heulen um den verdammten Kerl!
Nicht noch einmal! Nicht an ihrem Geburtstag!
Sie erinnerte sich an die Tage, an denen sie zu Hause gesessen war, um auf Christian zu warten.
Alle Festtage, alle Feiertage!
Sie würde sich umziehen und weggehen!
Vielleicht hatte Pascal oder Jakob Zeit!
Oder sie besuchte ihren Vater, ging mit ihm zum Essen!
Da hörte sie den Schlüssel im Schloss, ein etwas derangierter Kevin stolperte herein. Er zog sie in seine Arme, murmelte eine Entschuldigung, sie roch den Alkohol in seinem Atem und machte sich frei.
„Hast du getrunken?" fragte sie entsetzt.
„Nur ein Bier! Ich habe die Arbeit versaut!" gestand er und versuchte seinen Ich-bin-der-arme-Kevin-Blick an ihr, der sonst nie sein Ziel verfehlte, gegen den sie aber heute immun war, vollkommen.
„Und Bier verbessert schlechte Noten?" fragte sie süffisant.
Er wurde wütend.
Was war denn los?
Er war doch da!
Er hatte sich entschuldigt!
„Ah! Die Frau Dr. Dr. ist nicht zufrieden mit ihrem Lover!" knallte er ihr hin.
Kathi blieb einen Moment lang die Luft weg. Sie hatten sich immer wieder einmal aufgezogen, früher – in einem anderen Leben!
Aber das, was er gesagt hatte, war verletzend gewesen, er wollte ihr weh tun!
Und sie sah das Ende glasklar vor sich!
Vielleicht half ein klärendes Gespräch, vielleicht war noch etwas zu retten, aber sicher nicht heute!
„Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst!" sagte sie leise.
Da begriff Kevin, dass er ordentlich Mist gebaut hatte. Er versuchte, sie in die Arme zu nehmen, streichelte sanft ihr Gesicht.
„Es tut mir leid, Süße! Wirklich! Ich wollte doch kochen! Ach! Alles Gute zum Geburtstag!" Er kramte ungeschickt in seiner Mappe, zog ein Päckchen heraus.
Sie öffnete es trotz ihrer Verärgerung, fand eine CD, beschriftet mit „Die Berger-Boys".
„Philip und ich haben sie für dich aufgenommen. Da gibt es so ein Musikprogramm auf seinem Computer. Wir haben viel geprobt, ich hoffe, man kann sie anhören!"
Sie las die Titel, es waren lauter Love-Songs, die sie in ihren ersten Monaten so gerne gehört hatten.
Hoffnung stieg wieder einmal in ihr auf. Vielleicht bekam sie ja ihren Kevin doch zurück!
Wenn sie geduldig war, wenn sie ihm einfach die Zeit zum Jungsein ließ, die er brauchte!
„Dankeschön!" sagte sie leise und wischte eine Träne weg. „Ich leg sie gleich mal ein!"
„Dann koche ich jetzt etwas Feines für meine Süße, ja?" Dieses Mal verfehlte sein intensiver Blick seine Wirkung nicht.
Kevin atmete auf. Gerade noch einmal die Kurve gekriegt.
Er war sich schon klar darüber, dass er sich verändert hatte, aber das taten Menschen nun mal!
Doch sie beschwerte sich ja nie!
Wenn sie etwas an ihm störte, musste sie es halt sagen, dann würden sie schon einen Weg finden. Zusammen!
Denn dass sie neben Philip der wichtigste Mensch in seinem Leben war, würde sie ja hoffentlich mittlerweile wissen!
Die paar Ausrutscher, die ihm passiert waren, konnten sie beide doch nicht auseinanderbringen!
Gut, das heute war etwas mehr als ein Ausrutscher gewesen, aber sie würde ihm schon verzeihen.
Sie war doch seine Kathi!
Er gab sich extra viel Mühe mit dem Kochen, als sie sich setzten, war sie schon fast wieder die Alte.
Vergessen schienen die schrecklichen Worte: „Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst!"
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