Kapitel 3
Kevin
Kevin lief durch die Straßen, ohne sich bewusst zu sein, wohin.
Weg! Er wollte nur weg!
Weg aus diesem frustrierenden Leben, das alle Kraft aus ihm sog.
Er war 25!
Fuck! 25!
Wie hatte es geschehen können, dass eine einzige Nacht seine ganzen Träume zerstört hatte?
Warum war er in dieser gottverdammten Nacht mit zu Mary gegangen?
Warum hatte er ihr geglaubt, dass er kein Kondom brauchte, dass sie die Pille nahm, dass sie sauber war?
Warum hatte er vor lauter Geilheit sein Leben in die Gosse getreten?
Seine Brüder hatten das gut eingefädelt!
Das musste er ihnen lassen!
Sie hatten vorausgesehen, dass er, die männliche Jungfrau, dem Angebot der aufgetakelten, erfahrenen Frau nicht würde wiederstehen können.
Und Mary hatte genau gewusst, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste, damit er alles vergaß, was er mit seinem Leben vorgehabt hatte.
Ein einziges Mal hatte er mit dem Schwanz gedacht, und alles war kaputt gegangen!
Wenigstens hatte er sich nichts eingefangen in dieser Nacht vor knapp sechs Jahren.
Er lachte bitter auf, kickte einen Stein vom Fußweg.
Eigentlich hätte das ja auch noch zu seinem Glück gepasst, dass er sich mit irgendetwas ansteckte, Trottel, der er gewesen war!
Und jetzt gab es Philip!
Die Liebe zu diesem seltsamen Kind machte ihn wieder einmal atemlos.
Selina weckte nicht die die geringsten Gefühle in ihm, so sehr er sich auch darum bemühte.
Sie war der Klon ihrer Mutter, frech, ungezogen, hässlich.
Sie stieß ihn eigentlich ab, spürte das wohl auch.
Vielleicht hätte er sich mehr um sie bemühen müssen? dachte er auf seinem Weg wohin auch immer.
Aber er hatte einfach nicht die Kraft dazu!
Er schuftete täglich in diesem verdammten Lager, in dem sich Minuten zu Stunden dehnten.
Gut! Die Kollegen waren okay, aber sie waren nicht die hellsten.
Ernsthafte Gespräche konnte er mit ihnen nicht führen.
Sie hatten alle ein sehr eindimensionales Weltbild.
Der Chef war eigentlich ein Glücksfall.
Er erlaubte es immer, dass er Philip mitbrachte, wenn der Junge so sehr außer sich war, dass er ihn nicht zu Hause lassen konnte.
Er hatte sogar eine Liege und einen kleinen Schreibtisch mit Stuhl im Aufenthaltsraum aufgestellt, sein Sohn fühlte sich immer sehr wohl in dem Schonraum.
Als ihn die ersten Regentropfen trafen, kam Kevin zu sich und sah sich um.
Wo war er eigentlich?
Ohne es zu merken, war er von seinem Viertel bis in die Innenstadt gelaufen.
Kurz darauf brach das Gewitter mit voller Kraft los, es goss in Strömen.
Er stellte sich eine Weile in einem Hauseingang unter, doch der Sturm wehte die Wassermassen genau in seine Richtung. Seine Jeans war innerhalb von Minuten durchnässt.
Die Lederjacke, die er sich selbst zum Abitur geschenkt hatte, schützte den Oberkörper noch.
Er sah ein paar Schritte weiter die Altstadtgasse hinunter das Schild einer Bar.
Eine Bar war zwar nicht gerade der beste Aufenthaltsort für einen absoluten Antialkoholiker, aber sie konnten ihm ja nicht verwehren, ein Wasser zu trinken.
Er lief die kurze Strecke, öffnete die Türe.
Der Barkeeper musterte ihn nicht gerade sehr begeistert, fand aber schnell zu seiner Professionalität.
„Ein Mineralwasser bitte!" bestellte Kevin.
Der Mann hob nur eine Augenbraue, ratterte die Liste der verfügbaren Sorten herunter.
„Sin gaz oder con gaz?"fragte er schließlich leicht arrogant.
Das hasste Kevin ganz besonders! Wenn Menschen, die nicht viel mehr verdienten als er, auf ihn heruntersahen! Nur weil sie ein paar Reiche und Schöne am Abend bedienten!
„Bringen Sie mir bitte eine Flasche Pellegrino ohne Kohlensäure! Mit einem Eiswürfel, aber nur einem und einer Scheibe Zitrone, besser noch Limette im Glas!" bat er in perfektem Italienisch.
Der Leistungskurs musste sich ja mal lohnen!
Der Barmann sah ihn verständnislos, aber durchaus ein wenig bewundernd an, und Kevin wiederholte seine Bestellung lächelnd auf Deutsch.
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