Kapitel 23

Die nächsten Monate IV

Dann erzählte Kevin von dem Coup, wie sie Dustin ausgetrickst hatten. Er musste noch immer herzhaft lachen, wenn er an das Ganze dachte.

Angelika lachte nicht, sie sah ihren Sohn nur stolz und glücklich an. Er hatte nicht eine Minute daran gedacht, das Geld zu behalten! Er hatte es diesem verdammten Weib gebracht, für sie und ihre Göre, mit der er nicht das Geringste zu tun hatte.

Kevin verstand ihren Blick, und es wurde ihm warm ums Herz. Seine Mutter war zufrieden mit ihm, das war ein schönes Gefühl.
„Du fragst dich, warum ich das Geld nicht behalten habe? Weißt du nicht, dass eine prima Mutter mich erzogen hat? Wenn sie es gerade mal durfte? Wenn die anderen aus dem Haus waren?"

Seine Stimme war leise und liebevoll. „Außerdem hätte mir die Süße den Kopf abgerissen, wenn ich Drogengeld eingesteckt hätte!" Er küsste Kathi auf die Wange. „Oder?"
„Mindestens!" antwortete sie lächelnd und küsste ihn auf seinen schönen Mund. Es war schon eine Weile her, dass sie ihn geschmeckt hatte, und das ging ja gar nicht!

Angelika sah dem verliebten Paar lächelnd zu, sah die sehnsüchtigen Blicke, die sie tauschten, die sanften, zärtlichen Berührungen, die sie sich unbedingt schenken mussten.

Leise ging sie in die Küche, um einen kleinen Imbiss vorzubereiten.
Sie musste an Albert denken, den einzigen Mann, der je zärtlich zu ihr gewesen war. Fast glaubte sie, seine streichelnden Hände auf ihrem Körper zu fühlen.

Im Bett war er schon gut gewesen! dachte sie und grinste wegen dieser frivolen Gedanken vor sich hin. Sie hatte nur den Fehler gemacht, dass sie guten Sex mit Liebe verwechselt hatte. Aber sie war so jung gewesen! War gefangen in dieser schrecklichen Ehe, mit zwei Kleinkindern, hatte geträumt von einem Ritter auf einem weißen Pferd, der sie retten würde.

Doch seine Reaktion, als sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger war von ihm, hatte sie schnell aus dem Traumland in die grausame Wirklichkeit zurückgeholt.
Danach hatte sie sich eigentlich aufgegeben. Nur Kevin hielt sie noch am Leben.
Kevin, dieser geliebte, wunderbare Sohn, mit den dunklen Haaren seines Vaters und ihren blauen Augen.

Er war von Anfang an ein ausnehmend braves Baby gewesen, anders als die anderen fünf, die fürchterliche Schreikinder gewesen waren.
Und es eigentlich auch immer geblieben sind!

Oft hatte sie sich gewundert, dass Herrmann keinen Verdacht geschöpft hatte. Aber er wusste nichts von ihrem Job im Hotel, die beiden Kinder hatte ihr eine kinderlose Tante immer für ein paar Stunden abgenommen. Er hatte damals noch gearbeitet, war am Abend entweder zu müde oder zu besoffen gewesen, um seine ehelichen Rechte einzufordern, wie er es immer genannt hatte.

Als sie wusste, dass sie schwanger war, dass Albert sie nicht wollte, hatte sie wohl oder übel mit Herrmann schlafen müssen, sonst wäre er misstrauisch geworden.

Dass Kevin ein Siebenmonatskind war, das aber voll entwickelt war, hatte er mit männlicher Überheblichkeit geschluckt. „Meine Söhne sind eben schon nach sieben Monaten richtige Kerle!" hatte er getönt.

Sie riss sich aus den Erinnerungen, den guten wie auch den schlechten, los und machte mit dem Essen weiter. Sie arbeitete als Küchenhilfe in einer Werkskantine, hatte sich eine Menge von den durchaus guten Köchen dort abgeschaut.

Sie konnte auch immer wieder Lebensmittel, die übriggeblieben waren, mitnehmen. Dadurch brauchte sie kaum Geld für sich.
Deshalb konnte sie heute auch besonders leckere Salate und Fingerfood für Kevin und seine süße Freundin zubereiten.

Die beiden tauchten gerade nach einem ziemlich heißen Kuss mit ein paar noch heißeren Fummeleien auf, erinnerten sich, wo sie waren, lachten leise.

„Oh! Oh! Jetzt haben wir deine Mutter verschreckt!" scherzte Kathi.
„Das war es mir durchaus wert, Lady!" antwortete er grinsend. Dann sah er sie ernst an. „Sie mag dich!"

„Ich mag sie auch, weil sie dich liebt! Immer geliebt hat!" stellte sie fest.
„Ja! Seltsam, oder? Ich habe immer gedacht, sie ist eine verantwortungslose Schnapsdrossel, aber plötzlich erinnere ich mich an so viele Einzelheiten, wie sie sich um mich gekümmert hat!" sagte er leise.

Angelika hörte seine Worte, als sie das Essen brachte. Erst wollte sie sich unbeteiligt geben, doch dann entschied sie sich anders. Sie sah ihn offen an. „Ich habe für dich getan, was ich konnte! Die anderen waren mir egal. Das sollte eine Mutter nicht sagen, ich weiß! Aber du warst das einzige Kind, das für mich gezählt hat!"

Sie stellte die Platten auf den Tisch. Kevin wischte sich die Tränen aus den Augen, Kathi schniefte ein wenig.

„Jetzt sag bloß nicht, dass du auch noch kochen kannst!" scherzte Kevin, und wieder schoss eine Erinnerung durch sein Gehirn. „Iss schnell, bevor die anderen kommen!" hatte sie ihn oft und oft aufgefordert.

Dann die polternde Stimme seines Nicht-Vaters. „Nach was stinkt es denn hier? Nach Gemüse?"

Und ganz plötzlich wusste Kevin, dass sein Gehirn von einer ganzen Reihe falscher Erinnerungen blockiert gewesen war. Er hatte über dieses Phänomen in einem von Kathis Lehrbüchern gelesen.

Und genauso plötzlich tauchten echte Erinnerungen auf.
Wie sie ihn angewiesen hatte, seine Bettwäsche einmal pro Woche zu waschen, seine Zähne mindestens zweimal am Tag zu putzen, sich regelmäßig zu duschen und die Haare zu waschen.

„Hast du dem Kerl schon wieder das stinkende Zeug gekauft?" hatte der Vater gebrüllt. „Es reicht hinten und vorne nicht, aber der Prinz muss natürlich stinken wie ein Schwuler!" Dann hatte sie wieder einmal ein paar Ohrfeigen eingefangen, sie stoisch weggesteckt.

Oder der Tag, als ein Klassenlehrer bei ihnen aufgetaucht war.
„Der Junge muss auf ein Gymnasium! Ich habe einen der Stipendium-Plätze bei den Domspatzen für ihn organisiert, weil er sehr musikalisch ist!" hatte Herr Müller erklärt.
Herrmann hatte sich an dem Schluck Bier verschluckt, den er gerade in sich hineingeschüttet hatte.

„Gymnasium? Musikalisch? Ich lach mich tot!"
Angelika hatte sich ganz ruhig vor ihm aufgebaut. „Wir machen das so, Herr Müller! Und Dankeschön!" hatte sie erklärt.
Was ihr wiederum ein paar nicht so leichte Schläge eingebracht hatte. Aber erst, als der Lehrer weg war.

So ging es weiter. Seine Mutter kämpfte um ihn, nahm die Prügel hin, kaufte ihm bessere Klamotten als den anderen, steckte die Ohrfeigen weg. Das alles hatte er verdrängt gehabt, das alles brach mit einem Mal wieder durch.

„Ich habe deine Liebe nicht wahrgenommen!" stöhnte er. „Ich war von den anderen verblendet!"
„Das macht nichts!" erklärte Angelika lächelnd. „Ich habe es ja gewusst, wie sehr ich dich geliebt habe!"

Er wischte sich wieder einmal die Augen trocken. Was hatte er für eine Mutter gehabt! Sie hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war!
Dann widmeten sich die Gäste dem wahnsinnig guten Imbiss.

„Hm! Das war lecker!" seufzte Kevin später und leckte sich genüsslich die Finger ab. Wortlos reichte ihm Angelika eine Serviette.

Wie ein Lausbub grinste er Kathi an. „Siehst du! Sie erzieht mich noch immer! Gleich wird sie sagen: Putz dir die Zähne nach dem Essen!"
Die beiden Frauen hielten sich den Bauch über den aufgedrehten Kerl.


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