Kapitel 18
Kathi, Kevin und Philip
Die Erwachsenen standen sich bewegungslos gegenüber.
Kathi musste als Erste lächeln, ein offenes, freudiges Lächeln.
Kevins Mundwinkel gingen erleichtert nach oben. Sie schien nicht sauer auf ihn zu sein!
Sie reichte ihm die Hand. „Kevin! Du heißt doch Kevin?" fragte sie leise.
„Ja, Kathi, ich meine, Frau Dr. Dr. von Arnfeld, Kevin Berger." Er nahm ihre Hand, die so weich und zart war, wie er sie in Erinnerung hatte.
Philip sah vom Papa zu der netten Frau Doktor, die zaubern konnte. Der Papa mochte die Frau Doktor, das sah er ganz genau. Dann würde er sie auch mögen.
Er ging einen Schritt nach vorne, nicht, dass sie ihn vergaßen, dass die Frau Doktor vergaß, seine Angst wegzuzaubern, weil sie den Papa ansehen wollte.
Viele Frauen sahen den Papa an.
Kathi ging vor dem Kleinen in die Hocke, der ihrem hübschen Kevin wie aus dem Gesicht geschnitten war. Den kann er aber nicht verleugnen! dachte sie. Will es wohl auch nicht.
Und was hatte sie gedacht, da eben? Ihrem Kevin?
Ja, dem Kevin, der seit knapp zwei Wochen in ihrem Herzen wohnte, ob sie es wollte oder nicht.
„Und du bist sicher Philip Berger?" fragte sie.
Der Junge nickte, deutete auf Kevin. „Papa!" sagte er.
Kathi lächelte ihn an. „Ja, das ist dein Papa." Sie gab dem Kleinen die Hand. „Ich bin Kathi. Monika hat mir erzählt, dass du gerade ein wenig Angst gehabt hast, dass du vom Papa weg musst?"
Philip schüttelte den Kopf, wiederholte die Worte, die ihn schließlich beruhigt hatten: „Niemals, Philip!"
„Genau, das darfst du nie vergessen. Niemals, Philip! Niemals wird der Papa etwas tun, das nicht gut für dich ist. Niemals."
Philip lächelte die nette Frau Doktor an. Der Papa hatte nicht geschwindelt. Sie konnte wirklich zaubern. Seine Angst war schon ganz klein.
„Philip, das wird dir jetzt vielleicht nicht so gut gefallen, aber ich müsste mit deinem Papa ein wenig alleine reden. Weißt du, so von Erwachsenem zu Erwachsenem. Deshalb wäre es toll, wenn du da in dem anderen Zimmer so lange spielen würdest. Da sind ganz viele Sachen zum Aufbauen und Umwerfen, und auch viele Bücher zum Anschauen. Würde das gehen? Wäre das in Ordnung?
Du kannst auch immer wieder durch das große Fenster sehen und deinem Papa winken."
Kurz flackerte die Panik wieder in den Augen des Jungen auf, doch dann nickte er tapfer.
„Du bist ein toller Junge!" Sie führte ihn in den Nebenraum, er hatte vertrauensvoll ihre Hand ergriffen.
Kevin sah den beiden nach. Seine Kathi! Sie war noch tausendmal schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war Ärztin, sein Traumberuf war ihrer.
Sie kam zurück, setzte sich gegenüber von ihm an den Schreibtisch. „Du hast also einen Sohn!" Er hielt ihren Blick fest, wich ihm nicht aus.
„Deshalb bin ich auch gegangen, ohne ein Wort gegangen. Es war spät, ich musste zur Arbeit, und Philip war immer sehr unruhig, wenn ich weg war. Ich war nie weg, also eine Nacht lang, seit er auf der Welt ist. Ich habe mir Sorgen gemacht. Er hatte am Abend zuvor einen schweren Anfall."
Kevin hatte das Gefühl, ihr alles in ein paar Sätzen erklären zu müssen, und wusste doch, dass sie schon lange verstanden hatte. Er sah es in ihren Augen.
„Du lebst mit der Mutter deines Sohnes zusammen?" fragte sie.
„Nicht mehr. Seit dieser Samstagnacht ist viel passiert, auch mit mir passiert. Ich bin am Sonntag ausgezogen, in ein Hotel, mit Philip."
Ihre Blicke verhakten sich ineinander. Schließlich konnte Kathi sich lösen. Sie musste ihre Professionalität zurückbekommen. Hier ging es nicht um sie beide, hier ging es um ein krankes Kind. Ein Kind, das ihre Hilfe brauchte.
„Welcher Idiot hat diagnostiziert, dass Philip geistig behindert ist?"
Kevin berichtete von dem alten Hausarzt, der wegen Marys Sauferei sicher war.
„Und du hast das so hingenommen?" Ihre Worte trafen ihn hart.
„Ja! Ich war 20, als Philip zur Welt kam!" verteidigte er sich. „Ein Jahr später kam dann Selina, aber ich habe gerade erfahren, dass sie nicht meine Tochter ist, sondern die meines älteren Bruders."
Mein Gott, wie sich das anhörte!
„Kann ich dir meine Geschichte der Reihe nach erzählen? So kommt ein ganz schiefes Bild raus!" bat er.
„Natürlich!" erklärte sie. Eigentlich hätte sie sich ja auf die Krankengeschichte des Kindes beschränken müssen, aber sie musste nun endlich hinter die Geheimnisse dieses schönen, intelligenten Mannes kommen, der mit 20 Vater geworden war.
Schließlich hatte sie ja schon eine Weile frei, konnte sich die Zeit dafür ruhig nehmen.
Sie drückte die Sprechtaste. „Monika? Sie können Schluss machen. Das dauert heute länger, und ich denke nicht, dass ich Sie noch brauche."
„Danke, Frau Doktor!" kam es zurück.
Dann begann Kevin zu sprechen. Von seiner Sippe, die ihm so fremd war, von seinen Träumen, den Absprung zu schaffen, seinem Ehrgeiz, seinem Erfolg, seinem Absturz wegen zwei Flaschen Bier, die seine Brüder ihn genötigt hatten zu trinken.
Von Mary, die ihm danach ganz ansehnlich vorgkommen war, von seinem ersten Mal. Von der ungeplanten Schwangerschaft, davon, dass er seinem Kind ein besserer Vater sein wollte als seiner es ihm gewesen war.
„Ich habe gedacht, ich setze ein Jahr aus, dann kommt Philip in eine Kita, Mary arbeitet, und ich kann studieren. Aber dann kam Selina, was mich schon ein wenig verwundert hatte, weil ich bei den seltenen Malen, wenn ich mit ihr geschlafen habe, immer Kondome benutzt habe. Und seitdem sitze ich nun im Hamsterrad." schloss er seinen langen Vortrag.
Er hatte schon bemerkt, dass Kathi das eine oder andere Mal ihre Stirne etwas gerunzelt hatte, als würde sie ihm nicht alles glauben, aber er hatte nur die gnadenlose Wahrheit gesagt.
Sie atmete tief ein. Dann wäre das Rätsel des intelligenten Lagerarbeiters auch gelöst. Nicht alles klang für sie nachvollziehbar, aber natürlich glaubte sie ihm jedes Wort. Sie kam eben aus einer anderen Welt, dieses Milieu kannte sie nicht.
„Gut! Harter Tobak, das muss ich zugeben, aber du scheinst ja jetzt deinen Weg irgendwie zu suchen. Dann zu deinem Sohn. Dr. Holbruck, der Vater eines Kollegen, hat mich schon ein wenig vorinformiert. Das alles deutet natürlich auf eine Form von Autismus hin, von geistiger Behinderung nicht die geringste Spur. Ich werde jetzt zu Philip ins Spielzimmer gehen und ein wenig mit ihm sprechen, also, ich werde sprechen.
Morgen machen wir dann zur Sicherheit ein EEG und ein CT. Ich hoffe, er schafft das mit der Röhre. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm."
Sie stand auf, betrat das Nebenzimmer. Philip hatte ein Buch auf den Knien, nahm sie gar nicht wahr. Sein Finger glitt die Zeilen entlang, als würde er lesen.
Sie lächelte.
Von wem er das wohl abgeschaut hatte? Sie setzte sich neben ihm in das Bällebad, das er sich als Sitzplatz ausgesucht hatte, beobachtete ihn noch eine Weile.
Da stieg ein positiver Verdacht in ihr hoch. Vorsichtig nahm sie ihm das Buch aus der Hand, legte es zwischen sie beide, damit er mit hineinsehen konnte.
Sie legte ihren Finger auf die Stelle, an der er stehen geblieben war und fing an zu lesen.
„Hans und Willi waren Brüder."
Von dem kleinen Jungen kam ein unwilliges „Pf".
„Nein?" fragte Kathi, tat sehr erstaunt.
Er schüttelte den Kopf, fuhr demonstrativ die Zeile noch einmal entlang. „Lies doch richtig!" schien das zu heißen, und Kathi wusste, dass sie recht gehabt hatte.
Dann las sie, was da wirklich stand. „Sofie und ihre Schwester Tanja waren wunderschöne Prinzessinnen."
Er nickte zustimmend. „Du kannst lesen, kleiner Mann? Du steckst nicht nur deine Nase da rein, du verstehst alles, was da steht?"
Wieder nickte er. Sie holte aus einem Regal einen Block und einen dicken Malstift. „Und schreiben?"
Lächelnd nahm er die Utensilien, deutete auf sie. „Ah, ich soll dir etwas sagen. Also: Philip ist ein ganz kluger Junge."
Flüssig wie ein Achtjähriger schrieb er in perfekten Druckbuchstaben die Worte auf. Dann dachte er nach und ließ den Stift weiter über das Papier flitzen. Als er ihr den Block hinhielt, las sie und war total platt.
So etwas hatte sie noch nie erlebt.
Philip ist nicht behindert
Philip muss nicht ins Heim
Papa passt auf Philip auf
Die nette Frau Doktor passt auch auf Philip auf
Philip hat fast keine Angst mehr
Kathi wischte sich die Tränen aus den Augen. „Warum sagst du die Worte nicht, die du schreiben kannst?" fragte sie.
Er schüttelte vehement den Kopf, machte schnell Drehbewegungen mit beiden Händen vor seinem Kopf.
„Ah, ich verstehe. Die Worte sind so durcheinander in deinem Kopf, dass du sie nicht sagen kannst, nur aufschreiben."
Er nickte.
„Und warum hast du bisher für deinen Papa nichts geschrieben?"
Er fing wieder an zu schaukeln.
Vor - zurück – vor – zurück
Sie gab ihm den Block zurück, den Stift hielt er noch umklammert.
„Selina" schrieb er und summte leise.
„Du hast Angst vor Selina, nicht wahr? Was hat sie gesagt?"
„Schreiben ist verboten
Wenn Philip schreibt muss er ins Heim" las Kathi.
Mein Gott! dachte sie. Was hatte der Junge ausgehalten.
Was hatte der Vater ausgehalten.
„Zeigen wir dem Papa, was du geschrieben hast? Selina hat großen Quatsch erzählt! Aber jetzt hat dich der Papa ja von ihr weggebracht."
Philip nickte und zog sie an der Hand zurück ins andere Zimmer. Er fiel Kevin um den Hals, lachte ihn lautlos wie meistens an. Als hätte er Angst vor seiner eigenen Stimme.
Kathi legte wortlos den Block vor den hübschen Mann, der sie anstrahlte.
Er las die Worte auf dem Block, sein Gehirn fasste kaum, was seine Augen sahen.
„Hast du das geschrieben?" fragte er ungläubig.
Philip nickte.
Kathi fasste ihre Beobachtungen zusammen. „Also, dein Sohn kann fließend lesen und fehlerlos schreiben. So könnt ihr in nächster Zeit kommunizieren. Selina hat ihn wohl einmal beobachtet, hat ihm eingeredet, dass Schreiben verboten ist. Aber das hast du ja gelesen."
„Dann hat er wohl frühkindlichen Autismus, der mit einer Inselbegabung einhergeht!" stellte Kevin fest.
„Ganz recht, Herr Kollege!" stimmte sie zu, und ihre Augen hingen ein wenig zu lange an seinem schönen Mund fest. Wenn sein Weg wie geplant verlaufen wäre, könnten sie genau das heute sein: Kollegen!
"Aber sicher nur eine ganz leichte Form!" schob sie beruhigend nach.
„Wir machen noch eine Reihe von Tests, aber ich denke, die Diagnose ist klar. Dann braucht Philip eine logopädische Behandlung, damit er es wagt zu sprechen. Das wird sich so ein halbes Jahr hinziehen. Parallel dazu eine Verhaltenstherapie, damit er seine Angst verliert, vor allem vor Kindern oder Lautstärke. Diese Angst wird aber immer ein Teil seines Lebens sein, er wird immer mehr Ruhe brauchen als andere Kinder, wird immer Erholungsphasen nötig haben."
„Ich habe gelesen, dass Autismus zum Teil genetisch bedingt ist und zum Teil eine Entwicklungsstörung!" sagte er aus seinen Gedanken heraus.
„Ja, das stimmt. Der Gendefekt wird von der Mutter übertragen, Selina hat sicher auch etwas abbekommen, aber bei ihr ist es meiner Meinung nach eher ADHS. Marys Trinkerei hat dann wohl schon seine Entwicklung beeinträchtigt, aber das hat er sicher mittlerweile aufgeholt!" antwortete sie.
Kevin atmete auf. Er war nicht schuld.
Kathi stand auf. Sie merkte, dass Philip müde wurde. „Dann sehen wir uns morgen früh um acht. Kommt erst rauf zu mir, ich begleite euch dann in die Röntgenabteilung." Sie schob eine Visitenkarte über den Tisch. „Da ist meine Handynummer drauf. Du kannst mich jeder Zeit anrufen."
Als er schnell nach der Karte griff, berührten sich ihre Hände. Ein Blitz durchzuckte beide. Sie sah ihn offen an. „Auch darüber müssen wir sprechen. Dein Sohn ist mein Patient."
„Ich weiß!" antwortete er und legte seine rechte Hand aufs Herz. Trotzdem hast du da drinnen einen Platz! sollte das bedeuten, und Kathi verstand.
Kevin war auf der Rückfahrt in Gedanken versunken. Zu viel war heute auf ihn eingestürmt. Sein Sohn las und schrieb, und er würde sprechen lernen, würde ein fast normales Leben führen können.
Philips Ärztin war seine Kathi, die Liebe einer Nacht.
Einer Nacht, die sein Leben verändert hatte.
Aber sie war eben die Ärztin seines Sohnes, das würde natürlich schwierig werden.
Stopp! rief er sich selbst zur Räson. Schritt für Schritt. Nicht schon wieder in die Zukunft planen.
Im Hotel hatte Albert zum Glück gekocht, sie hatten beide einen Bärenhunger.
Nach dem Essen schlief Philip am Tisch ein, Kevin brachte ihn nach oben ins Bett.
Dann konnte er nicht mehr warten. Die Visitenkarte brannte ein Loch in seine Hosentasche. Wie von selbst sprangen seine Finger über die Tasten, atemlos hörte er, wie es durchläutete.
Dann endlich meldete sie sich. „Ja, bitte?"
Kathi war wie aufgedreht durch die Wohnung getigert.
Kevin! Sie hatte ihn wiedergesehen!
Was es doch für Zufälle in ihrer beider Leben gab.
Die Luft brannte zwischen ihnen, das stand außer Frage.
Doch sein Sohn war ihr Patient!
Sollte sie Philip an Pascal abgeben?
Nein! Das wäre höchstunprofessionell!
Aber sollten sie so tun, als ob zwischen ihnen nichts wäre?
Ging das?
Schafften sie das?
Und wenn nicht?
Wenn das dann rauskam?
Das konnte sie ihren Job kosten!
War er das wert?
Was wusste sie im Grunde von ihm, von dem Mann, der er heute war?
Würde er sich melden?
Sie hatte sich ihm ja mehr als deutlich angeboten!
Verdammt!
Was dachte er jetzt von ihr?
Warum hatte sie die Dinge nicht auf sich zukommen lassen?
Warum hatte sie ihn auf ihre Nummer hingewiesen?
Na, wenn er nicht anrief, wusste sie wenigstens, woran sie war.
Da läutete ihr Handy.
Unbekannte Nummer!
Es wäre möglich!
„Ja, bitte?" meldete sie sich, ihr Herz raste.
„Kathi!" flüsterte er. „Ich habe mich gar nicht bei dir bedankt."
„Wofür?" Sie versuchte einen Scherz. „Für die Nacht oder für meine Arbeit?"
Er lachte gequält. „Eigentlich für beides! Du warst bei beidem phänomenal."
Einen Augenblick lang verschlug es ihr den Atem, war in ihrem Gehirn nur Watte.
„Du ... du ... du bist auch umwerfend! Als ... als Vater, meine ich!" stammelte sie.
Sein Lachen klang freier. „Und als Liebhaber?" Woher hatte er jetzt den Mut genommen, so etwas zu fragen?
„Nicht schlecht!" antwortete sie, aber ihre Stimme kiekste leicht.
„Ich muss halt noch viel üben!" schlug er vor. Er musste langsam machen. Die Jeans spannten ordentlich bei dem Geplänkel.
„Und mit wem hast du vor zu üben?" Warum hörte sie mit diesem gefährlichen Spiel nicht auf?
„Mit einer wunderschönen Frau! Einer Ärztin! Mit langen, blonden Haaren, dunklen Augen, einer Traumfigur! Mit weicher Haut, zärtlichen Händen und Lippen zum Niederknien! Kennst du da eine?" Seine Stimme war kaum noch zu hören.
„Ja! Entfernt! Ich kenne eine, die einen verdammt gutaussehenden, hochintelligenten Mann, mit dunklem, wildem Haarschopf und knallblauen Augen und Lippen, die verdammt gut küssen können, sehr gut leiden kann."
Da war es um seine Beherrschung geschehen. Er konnte nicht mehr!
„Ich muss dich sehen! Bitte! Komm bei mir vorbei! Ich weiß, dass wir das nicht tun sollten, dass wir uns privat nicht treffen sollten! Aber bitte! Komm zu mir! Ich wohne im Hotel Kappl!" Er klang ziemlich atemlos.
So atemlos, wie sie sich fühlte.
„In einer halben Stunde bin ich da!" versprach sie.
„Ich überlebe aber höchstens noch 25 Minuten! Also beeile dich!" bat er und legte auf.
Er raste zu Albert. „Kannst du heute bei Philip schlafen? Hast du ein akzeptables Zimmer, das man schnell herrichten kann? Kathi kommt! Ich muss noch duschen! O Mann! Ich dreh durch!"
Albert lachte. „Kathi? Die Traumfrau? Ab unter die Dusche! Ich richte Zimmer Nummer sieben her, mach euch ein paar Schnittchen, stell sie mit einem Piccolo in die Minibar! Und ja! Natürlich schlafe ich bei Philip! Ich halte ihm auch die Ohren zu, wenn das Bett zu laut quietscht!"
Der ehemalige Hotelbesitzer, der selbst die große Liebe nie gefunden hatte, weil er es nicht zugelassen hatte, rannte los, um Kevin, dem jungen Mann, der seinem Herzen so nah gekommen war, bei der Planung der Liebesnacht behilflich zu sein.
Während er das Bett bezog, während er den Imbiss liebevoll vorbereitete, dachte er an ein Mädchen, das fast geschafft hätte, die Mauer seiner männlichen Eitelkeit und Überheblichkeit zu durchbrechen.
Doch die Opfer, die er hätte bringen müssen, waren ihm damals als zu groß erschienen.
Je älter er wurde, um so öfter dachte er an sie. An das Kind, das sie erwartet hatte, für dessen Abtreibung er ihr Geld gegeben hatte, an die Tränen in ihren Augen, als sie sich noch einmal umgedreht hatte, bevor sie das Hotel verlassen hatte.
Das Kind wäre heute in Kevins Alter. Vielleicht hätte er es lieben können? Und das Mädchen auch!
Wenn.... ja, wenn er nicht so von sich überzeugt gewesen wäre, wenn er nicht gedacht hätte, noch Zeit genug für die Liebe zu haben!
Zeit hatte er gehabt, aber die Liebe war nie gekommen!
Frauen, ja! Viele Frauen! Doch von Mal zu Mal war das Gefühl schaler geworden, wenn er mit ihnen geschlafen hatte.
Dann war ihm bewusst geworden, dass es die jungen Dinger nur auf sein Geld abgesehen hatten, und er hatte die Jagd eingestellt. Ein paar kurze Episoden mit Frauen, die bei ihm gewohnt hatten, die mehr als bereit gewesen waren, sich ihre Einsamkeit von ihm vertreiben zu lassen.
Seufzend stellte er das Tablett in Zimmer Nummer 7, das romantisch dekoriert und so etwas wie die Honeymoon-Suite war.
Kathi brauchte nur 20 Minuten. Zum Glück hatte sie nach dem Dienst geduscht, nun musste sie nur noch die Unterwäsche wechseln. In bravem Feinripp wollte sie nicht zu Kevin fahren!
Ohne lange nachzudenken schlüpfte sie in das rote Kleid, das ihre Mutter ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Damals hatte es ihr die Sprache verschlagen. Nie im Leben würde sie so etwas anziehen! hatte sie gedacht. Ein geschnürtes Mieder, das mehr zeigte als verbarg, ein weitschwingender, kurzer Rock, der sehr viel Bein sehen ließ.
Danke, Mama! dachte sie grinsend, während sie in die halbhohen, roten Sandalen schlüpfte.
Bevor sie auch nur einen klaren Gedanken hatte fassen könne, saß sie schon in ihrem kleinen Flitzer.
Auf dem Parkplatz vor dem Hotel sah sie auf die Uhr. Verdammt! Sie war zu früh!
Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus, versuchte, ihre verwirrten Gedanken auf die Reihe zu bekommen.
Was sie hier machte, konnte beruflicher Selbstmord sein! Der Vater eines Patienten musste absolut tabu sein!
Aber tausend Gefühle trieben sie zu dem jungen, gutaussehenden Mann, der ein so fürsorglicher Vater, aber auch ein so begnadeter Liebhaber war.
Kurz war sie versucht, wieder umzudrehen!
Ihn anzurufen, die Seiten zu klären, auf denen sie standen.
Aber zu groß war die Sehnsucht.
Nach seinen Händen.
Nach seinen Lippen.
Nach seinem Körper.
Sie würde das Risiko eingehen!
Wer, wenn nicht er, würde es wert sein?
Sie betrat das Hotel, ein Schild stand an der Rezeption: Nummer 7, links.
Lächelnd folgte sie den Angaben und klopfte.
Albert ging in das Zimmer, das Kevin mit Philip bewohnte, versuchte nicht daran zu denken, was in der Nummer 7 wohl ablaufen würde.
Dort hatte er sich mit dem Mädchen immer vergnügt, wie er es bei sich genannt hatte. Ein paar Monate lang hatte es keine andere Frau für ihn gegeben.
Sie hatte alle seine Bedürfnisse gestillt.
Sie hatten Spaß, hatten viel gelacht, hatten fantastischen Sex. Er hatte gedacht, das würde ewig so weitergehen, bis sie schwanger geworden war. Da war sie aus seinem Leben verschwunden. Er sah den hübschen schlafenden Jungen lange an.
Hätte sein Kind so ausgesehen?
So schön?
So friedlich?
Waren all die Weiber, die nach ihr gekommen waren, es wert, dass er nicht zu ihr gestanden hatte?
Dass sein Kind nicht hatte leben dürfen?
Dass er nicht hatte lieben dürfen?
Kevin war einem Ohnmachtsanfall nahe.
Kathi!
Kathi würde kommen!
Bald!
Zu ihm!
Kurz hielt er inne, um zu Atem zu kommen.
Griff er nach den Sternen?
Die Ärztin und der Lagerarbeiter?
Das passte doch niemals!
Aber sie hatte ihm ihre Visitenkarte gegeben!
Mit ihrer Handynummer!
Warum hatte sie das getan?
Etwas war zwischen ihnen!
Eine Spannung, eine Anziehung!
Er zog sich schnell an, Albert hatte ihm ein weißes Leinenhemd hingelegt, eine Nobelmarke, das ihm hervorragend passte, seine Oberarmmuskeln betonte.
Noch nie in seinem Leben hatte er ein weißes Hemd getragen, nicht einmal auf diesem folgenschweren Abiball!
Da hatte er sich von einem Kumpel ein hellblaues geliehen.
Während er noch überlegte, ob er nicht doch eines seiner T-Shirts anziehen sollte, klopfte es.
Zaghaft, leise, vorsichtig.
Er riss die Türe auf, und bevor er nachdenken konnte, pfiff er durch die Zähne.
Vor ihm stand ein Wesen aus einer anderen Welt.
Ein wunderschönes Wesen!
Kathi lachte leise. Da schien sie beim Outfit nicht wirklich einen Fehler gemacht zu haben!
„Hallo, Kevin!" sagte sie leise, konnte den Blick nicht von dem schönen jungen Mann lösen.
Seine Haare waren noch feucht von der Dusche, seine knallblauen Augen strahlten sie an.
„Hallo, Schönheit!" antwortete er, vollkommen überwältigt.
Sie standen sich gegenüber, beide fasziniert vom Aussehen des anderen.
„Darf ich reinkommen?" fragte Kathi schließlich lächelnd.
Er schüttelte den Kopf. „Nein! Sorry! Ich muss mich erst ein paar Stunden an dir satt sehen!"
Ihr Lächeln vertiefte sich. „Ist okay! Ich schau dich auch gerne ein paar Stunden an!"
Das Blau seiner Augen verdunkelte sich, als er ihre Worte hörte, als er ihre Blicke sah, als er die seinen über sie gleiten ließ.
Zuerst nahm er den Gesamteindruck wahr, sah die Lady in Red.
Doch dann blieben seine Männeraugen natürlich an dem hängen, was seine Hormone vollends zum Kochen brachte.
Das Dekolleté, die süße Wölbung ihrer Brüste.
Da passt kein BH drunter! dachte er vollkommen vernebelt. Umso besser!
Die schlanke Taille, die wunderbaren Hüften, die seine Hände unbedingt umfassen wollten.
Die endlosen Beine, von denen sehr viel zu sehen war.
Er riss seinen Blick los, ließ ihn zurückwandern in das perfekt geformte Gesicht, zu den dunklen Augen, die an ihm klebten, ihn in sich aufzusaugen schienen.
Ihre Zunge spitzte durch die vollen Lippen hervor, die langen Wimpern senkten sich halb, sie atmete tief ein.
Es scheint ihr wirklich zu gefallen, was sie sieht! dachte er.
Vorsichtig fasste er sie an der Hand, fast, als fürchtete er, eine Berührung würde das Traumbild vertreiben.
Ich will sie! schrie es in ihm. Aber er konnte sie nicht einfach in seine Arme reißen und in den Wahnsinn küssen!
Konnte er nicht?
O doch!
Er konnte!
Er tat genau das, schubste die Tür ins Schloss.
Albert hörte den leisen Schlag, lächelte vor sich hin. War sie also da!
Philip öffnete ein Auge, sah Albert auf Papas Bett sitzen.
Das war in Ordnung!
Der Opa war da!
Er schlief weiter, träumte von einer Fee mit langen blonden Haaren, die einen Zauberstab schwang und seine Ängste wegwischte. „Nie wieder, Philip!" versprach sie.
„Nie wieder, Philip!" sagte Papa, der plötzlich auftauchte und die schöne Fee in die Arme nahm.
Der tat das zu diesem Zeitpunkt wirklich. Seine Küsse waren zärtlich, leidenschaftlich, hungrig, fordernd.
Er liebte es, sie zu küssen!
Diese weichen Lippen, die zarte Haut ihres Halse, ihres Nacken, ihre Lippen, den Ansatz ihrer Brüste.
Er war schon mutiger als an dem Abend vor der Bar.
Seine Hände wagten mehr, wagten es, ihre Nippel zu berühren, durch den Stoff zu reiben, bis sie ganz hart wurden.
Sein Mund trank ihr Stöhnen, als sie dabei zum ersten Mal kam. Das hatte er nicht gewusst, dass eine Frau davon so erregt werden konnte, aber es gefiel ihm außerordentlich, dass sie so auf ihn reagierte.
Noch nie hatte eine Frau ihm gestattet, sich so ihrem Körper zu widmen. Er war mehr der Typ, der es langsam, genussvoll wollte, das spürte er in Kathis Armen.
Er wollte geben, unheimlich viel Zärtlichkeit geben.
Mary hatte das nie zugelassen, auch nicht in der Anfangszeit. Sie forderte immer, dass er schnell erledigte, was zu erledigen war! Er hatte nicht einmal eine Ahnung, ob sie etwas davon gehabt hatte!
Wahrscheinlich nicht, sonst hätte sie sich nicht dem derben Dustin zugewandt!
Warum um Gottes Willen dachte er jetzt, hier, wo er dem Himmel so nah war, an Mary?
Weil er sonst keine Vergleichsmöglichkeiten hatte, wahrscheinlich!
Kathi hob ab und flog, als er mit ihren Brustwarzen spielte.
Sanft, zart, streichelnd.
Nicht quetschte und drückte wie Christian.
Es ging diesem hübschen Kerl um sie, das fühlte sie genau.
Sie war ihm wichtig, ihr wollte er gut tun!
Ah! Sie hatte nicht gewusst, dass sie einen Orgasmus erreichen konnte, nur unter seinen zärtlichen Händen an ihren Brüsten.
Was war Christian doch für ein Versager gewesen!
Warum nur musste sie hier in diesem Zimmer an den alternden Gigolo denken?
Weil sie nicht sehr viele Vergleichsmöglichkeiten hatte, wahrscheinlich.
Dann hörte sie auf zu denken und gab sich zum ersten Mal einem Mann vollkommen hin, mit allen Sinnen.
Sie schmeckte seinen Pfefferminzgeschmack auf ihren Lippen.
Sie hörte seine liebevoll geflüsterten Worte.
Sie roch den frischen Duft seines männlichen Körpers.
Ihre Haut brannte nach seinen Berührungen.
Sie drängte nicht, wusste, sie würden mehr Zeit haben als diese eine Nacht. Sie nahm alles an und genoss.
Als er zum ersten Mal in sie eindrang, kam sie fast sofort.
Sie war fassungslos.
Die erste Nacht war unvergleichlich gewesen, doch hier und heute konnte sie alles in Ruhe wahrnehmen.
Dann widmete sie sich seinem Körper, um jeden Millimeter zu erforschen und zu genießen.
Kevin legte sich lächelnd zurück, spürte, dass sie nun geben wollte. Sie liebkoste seine Haut, und er hatte keine Ahnung gehabt, wie wunderbar und erregend das sein konnte, wenn zärtliche Hände wie Schmetterlingsflügel über ihn glitten.
Die Erregung baute sich beinahe schmerzhaft in ihm auf, doch er konnte sich beherrschen. Er lernte in dieser Nacht, mit seinem Körper umzugehen, sie war eine begnadete Lehrerin. Als sie sich auf ihn setzte, konnte er noch immer so lange durchhalten, dass er sie zum Höhepunkt mitnehmen konnte.
Sie ritt ihn langsam, machte immer wieder Pausen, während denen sie ihn küsste, leicht, fordernd, heiß.
Als er sie berühren wollte, hielt sie seine Hände fest.
Jetzt bist du dran! schien das zu heißen, und er genoss einfach weiter.
Irgendwann in dieser Nacht begann ihr Magen zu knurren. Er musste herzhaft lachen, krabbelte unter die Bettdecke und küsste ihren Bauch. „Haben wir ein kleines Wölfchen da drin?" flüsterte er, während er an ihrer Haut knabberte.
Da meldete sich auch sein Magen, und sie lachten gemeinsam, bis ihnen die Tränen übers Gesicht rannen. Sie wälzten sich durchs Bett, waren sich so nah, so vertraut, wie sie es beide noch nie erlebt hatten.
Kevin erinnerte sich an die von Albert versprochenen Brote, sah in der Minibar nach.
„Tata!" verkündete er stolz, als er mit der Platte zurück kam.
„Wow!" antwortete sie und streckte sich wohlig.
Wieder musste er lachen. „So gesprächig heute, Frau Dr. Dr.?"
„Mhm!" gab sie von sich und grinste ihn frech an.
Da war er sicher, dass er keinen großen Fehler gemacht hatte.
Aber dieses freche Grinsen turnte ihn schon wieder gewaltig an, und verwundert sah er an sich hinunter, wo sich schon wieder ein respektabler Ständer aufbaute.
Sie erstickte beinahe am nächsten Lachanfall, dieser verwunderte Blick war schon zu komisch!
„Brauchst gar nicht so zu lachen!" wies er sie schelmisch zurecht. „Wer, meinst du denn, ist dafür verantwortlich?"
Er setzte sich auf sie, ließ seinen Schwanz ein wenig mit ihr spielen, während er in einer Hand den Teller hielt und sie mit der anderen fütterte.
„Da schau her! Man kann durchaus das Nützliche mit dem Schönen verbinden!" scherzte er und wunderte sich, wie frei und offen er mit ihr sprechen konnte.
Kathi fasste kaum, was sie mit diesem jungen Mann, der vor ein paar Tagen ein einziges Rätsel für sie gewesen war und der jetzt wie ein offenes Buch für sie war, erleben durfte.
So schön konnte Sex also sein!
Nicht die ungeschickten Penetrationen der Jungs, die von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt hatten!
Nicht das eigensüchtige Gerammele, das Christian für Liebe machen gehalten hatte!
Diese vollkommene Hingabe an einen anderen Menschen, dieses Vergnügen, dem anderen Vergnügen zu bereiten.
Das war vollkommen!
Das war das, was sie wollte!
Er neckte sie mit den Schnittchen, während er immer weiter in sie eindrang. Erst kurz vor dem Orgasmus brachte er den Teller in Sicherheit, küsste ihre etwas fettigen Lippen, die nach Mayonnaise und Tomaten schmeckten.
„Hm! So könnte ich mich auf Dauer ernähren!" murmelte er.
Und sie lächelte auf dem Weg zum nächsten Orgasmus über die Wortgewandtheit des Mannes, der mit 20 Vater geworden war.
Der beste Vater, den ein Kind sich wünschen konnte.
Außerdem der beste Liebhaber, den eine Frau sich wünschen konnte.
Sie rollte sich in seinen Armen zusammen, er hielt sie engumschlungen.
„Wir sollten schlafen, Süße!" flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich habe um acht Uhr einen Termin bei einer wunderbaren Ärztin!"
Sie schrak hoch. „Wie spät ist es denn?"
„Fast vier!" antwortete er und strich ihr eine Locke hinters Ohr.
Sie ließ sich in die Kissen zurückfallen. „O Gott! Sind wir verrückt?"
„Klar!" antwortete er. „Volle Kanne! Aber das ist gut so!" Er küsste sie noch ein letztes Mal und ergab sich dem Schlaf der absoluten Erschöpfung.
Kathi stellte noch schnell ihren Handywecker auf sieben, sie musste sich vor dem Dienst noch umziehen, konnte ja schlecht in rotem Georgette in der Klinik auftauchen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top