Kapitel 11
Die Sippe
Kevins Brüder und sein Vater saßen saufend im Wohnzimmer. Wie meistens war der Bruder mit seinen Flausen ihr Lieblingsthema. Doch die hatten sie ihm ja vor ein paar Jahre gründlich ausgetrieben.
„Wo steckt das Vögelchen eigentlich?" fragte Dustin schließlich.
„Der wird bei Philip sein! Seinem Augenstern!" vermutete Mary und verdrehte die Augen.
Dustin erhob sich schwankend und torkelte aus dem Zimmer. „Ich schau mal! Muss eh pissen!!" lallte er.
Doch das Kinderzimmer war leer, das Schlafzimmer auch.
„Er ist nicht da!" rief er den anderen zu.
Mary sah auf die Uhr. Halb Zehn! Wo war er denn hin?
Sie sah sicherheitshalber selbst nach, merkte gleich, dass seine Sachen und Philips weg waren.
Der Bastard hatte sich davon gemacht.
Der Kretin war weg und hatte ihr größtes Druckmittel mitgenommen.
Aber damit kam er nicht durch. Sie hatte alle seine Leute auf ihrer Seite.
Er würde bald wieder angekrochen kommen.
„Das Vögelchen ist ausgeflogen! Mit all seinen Sachen!" erklärte sie und ließ sich in den Sessel fallen.
Ronny, der noch am klarsten war, sah sie verdutzt an.
„Wie? Weg? Und wovon willst dann leben?" fragte er.
„Der kommt schon wieder! Ihr müsst ihn halt dazu überreden!" keifte sie.
Dustin grinste, machte ein paar Boxbewegungen. „Das machen wir, Süße!"
Selina hopste noch immer bei den Erwachsenen herum.
„Sei doch froh, dass der Trottel und der Behinderte weg ist!" rief sie aufgedreht. Sie hatte auch das eine oder andere Mal an einer Bierflasche genippt.
Justin lachte laut. „Die Kleine ist richtig!"
Als Mary am nächsten Tag ihren Kater ausgepennt hatte, versuchte sie Kevin anzurufen, doch natürlich ging er nicht an sein Handy.
Sein Handy! Er brauchte eines, sie und die Tochter nicht, da reichte das Geld nicht. Nie reichte das Geld für etwas, das sie beide wollten. Aber der feine Herr leistete sich natürlich alles.
Biobrot, Biobutter, Biowurst.
Apfelsaft, Tee.
Aber wenn sie ihn bat, eine Schachtel Zigaretten mitzubringen, maulte er sie an.
Ein Scheißleben war das. Sie schaltete den Fernseher ein. Nicht einmal Internet hatte sie, oder gar Netflix, wie die anderen Frauen. Die hatten auch ein Auto und schöne Klamotten.
Dass die Mädels alle einen Job hatten, verdrängte sie vor lauter Selbstmitleid.
Verdammter Kerl!
Er war schon ein hübscher Kerl gewesen! War es noch! Es war ihr nicht schwer gefallen, bei dem Plan mitzumachen, den die Brüder ausgeheckt hatten. Es hatte auch schnell geklappt, sie war gleich beim ersten Mal schwanger geworden.
Doch ihr war so langweilig gewesen. Dann hatte sie halt das eine oder andere Schlückchen getrunken. Nicht gesoffen, wie er behauptet hatte.
Aber sie hatte dieses behinderte Kind bekommen. Das lag bestimmt an Kevins Genen, wie Dustin immer behauptete.
Dustin hatte es ihr dann auch immer wieder ordentlich besorgt, weil Kevin, die Memme so rumschmusen wollte, was sie gar nicht leiden konnte. So war eben Selina auch noch gekommen.
Dustin hatte sie nicht aus den Augen gelassen, nicht, dass sie wieder trank.
Kevin, der Trottel, hatte nichts mitgekriegt.
Aber Selina war okay!
Die war richtig!
Die ließ sich nichts gefallen.
Leider hatte Dustin keine Lust zu arbeiten, lebte wie die anderen alle von der Stütze.
Recht hatte er! Sollte der Staat doch was für seine Bürger tun.
Aber er hatte keine Kohle für sie oder die Tochter übrig.
Die Jungs schliefen ihre Räusche aus, frühstückten am Nachmittag eine halbe Bier und einen Joint. Dann waren sie bereit, dem Vögelchen ordentlich aufzumischen und ihn an seine familiären Pflichten zu erinnern.
Nicht, dass Mary auf die Idee kam, dass sie sich um sie und das Balg kümmern müssten.
Mit Justins alter Klapperkiste, deren TÜV schon lange abgelaufen war, fuhren sie zu Kevins Arbeitsplatz.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top