10| Ein Aufeinandertreffen im Regen
Das Wetter. Ein beliebtes Thema für Personen, die verzweifelt das Gespräch suchten.
In Amegakure jedoch, kam es nie zur Sprache, denn selten durchbrach auch nur ein Sonnenstrahl die dunkle Wolkendecke.
Viel mehr herrschte täglicher Dauerregen, genau die Art von Wetter, die man vor allem im Herbst gern drinnen mit Tee oder heißer Schokolade und Gebäck verbrachte.
»Yahiko hatte den Regen gehasst.«
Und doch hatte Nagato die gepiercte Leiche seines Freundes auf den Balkon seines Büro's gelenkt und wachte durch dessen Augen über sein Dorf.
Pain, der Schmerz, den sie als Ame-Waisen hatten erleiden müssen, begleitete ihn nun als ein Name, der in allen Reichen bekannt werden würde. Während des letzten Krieges, der den Menschen den selben Schmerz bringen und sie den Wunsch nach Frieden entwickeln lassen würde.
Doch auch wenn Yahiko den ewigen Regen verabscheut hatte, so hatte dieser jetzt gerade eine beruhigende Wirkung auf das Gemüt des selbsternannten Gottes.
Das Geräusch, wenn dieser auf das Dach des Turm's prasselte. Der Geruch von feuchter Erde, der die Luft erfüllte. Die Tropfen die ihren Weg über sein Gesicht fanden und seinen Mantel durchnässten.
All jenes verband er mit seinem Freund und mit Konan. Ihr Kennenlernen hatte auch bei eben jenem Regen stattgefunden, mit welchem er nun über das Dorf wachte und jegliche Sünden von sich selbst und den Bürgern rein wusch.
Seine Augenlider senkten sich. Er war sich nicht sicher, ob seine letzte Entscheidung richtig gewesen war. Einerseits könnten die Fähigkeiten, die dieser Shinobi besaß von Nutzen für die Organisation sein, andererseits befürchtete er jedoch einen möglichen Verrat.
Der Kreislauf des Hasses war ihm nicht unbekannt und ein Racheakt -seitens der Schwertkämpferin- nicht einmal all zu weit hergeholt. Er kannte die Gerüchte über die Donnerbestie, wusste über ihren Stolz und ihre überstürzten Entscheidungen bescheid.
Fehler durften ihm, so kurz bevor Akatsuki in Erscheinung treten wollte, nicht unterlaufen.
Die violetten Spiralen des Rin'negans kamen erneut unter seinen Augenlidern zum Vorschein, als er Schritte hörte. Wohl wissend, dass es sich um Konan handelte, da niemand sonst ohne Ankündigung sein Büro betrat, begann er zu sprechen, den Blick weiterhin auf die Dächer des Dorfes gerichtet: „Es ist also soweit."
Konan nickte und antwortete ruhig: „Sasori verspätet sich nicht."
•••
Ein schmerzhaftes Zwicken erfüllte ihren Arm. Kasumi kratzte genervt an der Verbindungsstelle, die die Protese mit ihrem eigenen Fleisch verband.
Sasori hatte zwar angedeutet, dass ein hohes Risiko auf so genannte Phantomschmerzen bestand, doch sie selbst hatte diese indirekte Warnung nicht wirklich ernst genommen. Wie denn auch, wenn sie es noch nicht selbst erlebt hatte? Schmerzen in einem nicht vorhandenen Körperteil zu empfinden, klang einfach nur surreal und tatsächlich hatte die Uchiha es anfänglich nur für einen Bluff gehalten.
Um sich abzulenken, betrachtete sie ihre Umgebung etwas genauer.
Regen. Wohin sie auch blickte, überall ereilte sie das Bild von gnadenlosem Dauerregen, der nicht weniger zu werden schien.
Sie selbst stand unter einem Dach, seitlich des Gebäudes, indem sie sich zuvor befunden hatte.
Die Wände und Säulen, die das ganze Konstrukt hielten, hatte den selben tristen Grauton, wie auch der Rest ihrer Umgebung.
Hier würde sie also auf den Anführer der Organisation antreffen, der auch Kakuzu und der Marionettenspieler angehörten.
Sasori war relativ wortkarg gewesen; Hatte sich kaum um ihre Fragen geschert und unbeirrt seinen Weg fortgesetzt.
Doch aus den wenigen Sätzen, die er mit ihr gewechselt hatte war hervorgegangen, dass dieser 'Leader' sich seinen eigenen Respekt verdient hatte.
Dass selbst Kakuzu diesem Unterstand, hatte sie dann jedoch noch mehr beeindruckt. Es lag nicht daran, dass sie Sasori als schwach einschätzte. Vielmehr hatte sie sich in letzter Zeit mit jeglichen Informationen über den Kopfgeldjäger befasst, die sie hatte aufbringen können. Er war geizig und würde jede Drecksarbeit für Geld erledigen. Dass ein solcher Mensch diesem Mann eine gewisse Loyalität entgegen brachte, zeugte in ihren Augen nur davon, dass mit diesem nicht zu spaßen war.
Ihr Blick hob sich. Bewegungen hatten Kasumi's Aufmerksamkeit geweckt und sie aus ihren Gedanken gerissen.
Sasori stand etwas abseits, seine Miene blieb unverändert und im allgemeinen, wirkte er so ruhig, wie eigentlich immer.
Die bräunlichen Augen der Uchiha verengten sich leicht, als die Rauchschwaden vor ihr an einigen Stellen zu rotieren begannen.
So als wäre ihr Misstrauen einer unsichtbaren Macht aufgefallen, verstärkte sich der Regen, nahm ihr nur noch weiter die Sicht.
Auch ihr aktiviertes Sharingan verhalf ihr nicht zur Besserung, denn der Nebel verschleierte jegliche Chakraquellen.
Die Ungewissheit über das, was vor ihr auf der Straße war, bereitete ihr Bauchweh.
Unruhig begann ihr kleiner Finger zu zucken.
Keinen Moment lang ließ sie die Straße aus den Augen.
Missmutig stellte sie fest, dass sie sich über ihre eigenen Gefühle nicht mehr im Klaren war. Die Situation überforderte sie in gewisser Weise. Irgendjemand hatte es geschafft, nicht nur Herr ihrer Aufmerksamkeit zu werden. Nein. Irgendjemand oder irgendetwas schlich sich in ihre Gedanken, beeinflusste ihre Gefühle und ließ sie in hoffnungsloser Ahnungs- und Hilflosigkeit zurück.
Aber wie hätte sie auch unfassbares Unbehagen in Worte kleiden können, wo sie doch schon so manches mal zu stolz dazu war, sich ein gesundes Maß an Angst zuzugestehen.
Wieder einmal machte sich der nicht vorhandene Teil ihres Armes in Form von Schmerzen bemerkbar. Nicht vorhandene Muskelstränge überspannten sich. Haut und Fleisch, welche inzwischen durch Holz und Metall ersetzt worden waren, wurden durch ein imaginäres Schwert in Mitleidenschaft gezogen.
Warme Flüssigkeit -das rot, welches für das Leben stand-, pulsierte an Stellen, wo schon lange keine Blutgefäße mehr waren.
Der kurze Moment der Unachtsamkeit, den die Uchiha dazu verschwendete, sich an den Arm zu fassen - das Trugbild von Schmerzen beenden wollend-, blieb nicht unbeachtet.
Ein Stab, nicht länger, als ein Bleistift, der an vielen Schreibtischen zu finden war, durchbrach das Gebräu aus Grau, welches die Straßen verdeckte.
Aus einem Reflex heraus, wollte Kasumi nach ihrem Enthauptungsschwert greifen, um abzuwehren, doch das koordinieren der Bewegungen, die ihre Prothese machen sollte, stellte sich als schwieriger heraus, als sie zu Anfang angenommen hatte.
Ein gehetzter Sprung nach hinten, rettete sie schließlich.
Der Stab hinterließ lediglich ein reißendes Geräusch, als er den Stoff ihres Mantels, an dessen Enden, zerriss.
Kaum stand sie wieder auf beiden Beinen bemerkte sie drei weitere Stäbe, deren Ziel es anscheinend war, ihren Körper zu durchlöchern.
Eine weitere Ader platzte hinter ihrem Auge, als sie ihr Mangekyou aktivierte.
Tränen aus Blut bahnten sich einen Weg über ihre Haut. Sie waren das einzige Blut, welches durch diese Attacke vergossen worden war, denn die Stäbe hingen unbeweglich in der Luft; nicht dazu in der Lage, ihr Ziel jemals zu erreichen.
Ihr Atem ging hektisch, die Pupillen zitterten, veränderten Grundlos ihre Größe und vereinzelt zuckten die Finger ihrer verbliebenen Hand.
Das sie die Kontrolle über ihre eigenen, körperlichen Funktionen verlor, gefiel ihr nicht.
Ihr Herz raste, ein leichter Schweißfilm bildete sich auf ihrer Stirn und egal wie sehr sie nach Luft rang, es schien so, als würde diese nicht einmal ansatzweise den Bedarf ihrer Lungenflügel decken.
Angst - Es war mehr als ein einfacher, daher gesagter Begriff. Er drückte die Bedrängnis aus, eine Situation als bedrohlich einzustufen.
Erschreckender Weise, ängstigte es Kasumi jedoch nicht, erneut beinahe eine Nahtod-Erfahrung durchlebt zu haben, oder von Massenmördern umgeben zu sein. Nein! Viel mehr ängstigte sie diese dahergelaufene Person, von der sie weder das Aussehen, noch die genauen Fähigkeiten kannte.
Eigentlich war Angst ein Gefühl, ein Empfinden, welches als normal abgestempelt werden konnte.
Doch dieses Gefühl, dieses Empfinden, welches sie jetzt gerade durchlebte, betäubte ihre Sinne. Sinne, die nicht mehr ihre eigenen zu sein schienen.
Endlich begriff sie, dass dieser 'Leader' nicht einfach nur eine einfache Person war. Er wusste sie mit seiner Autorität, die er auch ohne seine direkte Anwesenheit ausstrahlte, einzuschüchtern.
Gerne hätte sie einfach wieder nach der Kontrolle gegriffen. Ihr das zurückgeholt, was rechtmäßig ihr gehörte.
Und doch wusste sie, dass dieser Versuch scheitern würde. Denn Chaos, so wie es gerade in ihrem Inneren vorherrschte, vermochte niemand zu bändigen.
Zwei Silhouetten lösten sich aus dem tristen Grau des Nebels.
„Du solltest dir einen anderen Kampfstil aneignen. In deinem jetzigen Zustand, wäre deine Anwesenheit für Akatsuki unbedeutend. So, wie du jetzt bist, erscheinst du mir für Akatsuki's Pläne ungeeignet und nutzlos."
Die violetten Rin'negan Augen mustertet sie kalt aus der Ferne, als Pain einige Meter vor der Überdachung stehen blieb.
Eine blauhaarige Frau stand leicht versetzt hinter ihm. Es schien nicht so, als wolle sie das Wort ergreifen oder sich anderweitig in die entstehende Unterhaltung einbringen.
Auf Kasumi wirkte sie eher wie ein stummer Beobachter und derzeitig lediglich rein dekorativer Natur, weshalb ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder einzig und allein dem gepircten Mann galt.
„Dein Schwert wirst du nicht mehr führen können.", fügte Pain noch distanziert hinzu, einen kurzen herablassenden Seitenblick auf die Prothese tätigend - dem Grund für einige Sorgen mehr, die er nun am Hals hatte.
Kasumi schüttelte leicht den Kopf.
Verdruss war schlimmer als jegliche körperliche Gebrechen. Das offensichtliche Aufgeben und das Eintauschen des Kampfeswillens gegen Enttäuschung und Unlust, wäre etwas, was die Uchiha nicht mit ihrem Stolz vereinbaren konnte.
Dennoch machte sich Frustration in ihr breit.
Sie hatte so etwas ähnliches bereits durchlebt, als sie ihr Gehör verlor.
Das Ungleichgewicht der gallertartigen Masse, die für den Gleichgewichtssinn zuständig war, ließ die Medic-nin ihres ehemaligen Heimatdorfes schnell zu dem Schluss kommen, dass ihre Verletzungen unheilbar wären.
Der Ausgleich, den sie benötigte, war ein größerer Verlass auf ihre visuellen Fähigkeiten und ihr Sharingan gewesen.
Doch in diesem Fall, erschien es schier unmöglich, dass sich noch eine Kompromisslösung finden würde.
Das Kubikiri Bouchou war ein Zweihänder. Zu schwer, um einen Kampf mit einem verletzten Arm zu bestreiten.
„Deine Herangehensweise an Kämpfe ist unverantwortlich, dein Verhalten von Arroganz und Überschätzung geprägt. Alles Dinge, die wir hier nicht gebrauchen können."
In Gedanken führte sich Pain nochmal vor Augen, dass er bereits genug solcher Menschen in dieser Organisation aufgenommen hatte. Ein Fakt, den er lieber unerwähnt ließ.
„Dennoch könnten sich deine Fähigkeit, für uns, als Bereicherung erweisen.
Sowohl dein Clanerbe, als auch die
Präzision, mit der du deine Aufträge erfüllst, könnten der Organisation von Nutzen sein.
Aus diesem Grund bin ich gewillt, dir eine Frist einzuräumen, in der du dich beweisen kannst. Überzeugst du mich, dass du trotz deiner Verletzung nicht allzu eingeschränkt bist, indem du in der Zeit beispielsweise einen daran angepassten Kampfstil erlernst, nehmen wir dich als ein vollwertiges Mitglied auf.
Schaffst du das nicht, sehe ich mich dazu gezwungen dich zu beseitigen, da dein Aufenthalt unbedeutend wäre."
Ohne eine Antwort ihrerseits abzuwarten wandte Pain sich ab und verschmolz mit dem regnerischen Land, welches er als sein Eigen betrachtete.
Konan folgte ihm wortlos.
Kasumi's gesunde Hand ballte sich zur Faust.
»[...] Mein Leben soll ein ebensolches Ende haben, wie das eure. Ich finde eine Person, für die es sich zu sterben lohnt, um wenigstens eine Kleinigkeit in meinem mickrigen Leben richtig zu machen...«
„...ich verspreche es euch."
Verdammt nochmal, sie würde diesen Zirkus überleben! Dabei war es ihr herzlich egal, welchen Preis sie zahlen müsste... nur den Schwertkampf war sie nicht gewillt aufzugeben. Es war ein Vermächtnis, welches sie auch jetzt noch mit Zabuza und Haku verband.
Der Schlüssel zu Erinnerungen, die sie nicht vergessen wollte.
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