1| Zur Goldgleich herzlichen Gastfreundschaft

Kalt, kälter, noch viel kälter, ein warmes Lagerfeuer, kalt.
Wald, noch mehr Wald, Getreidefeld, Lichtung.
Waldweg, Trampelpfad, Hauptstraße, Waldweg.
Nacht im Freien, Nacht in einer Hausruine, Nacht auf einem Baum, Nacht im Freien auf einer Lichtung.

So in etwa kam Kasumi's neuem Ich die lange Reise gen Süden vor. Mit dem geringsten Maß an Aufmerksamkeit, welches ein tauber Shinobi aufbringen konnte, hatte sie ihren bisherigen, gesamten Weg verfolgt.
Das größte Stück davon, war eine einzige Gedächtnislücke.
Zu tief hatte sie ihren Gedanken nachgehangen.
Einmal glaubte sie sogar, das warme Gefühl einer bekannten Anwesenheit gespürt zu haben.

Wo die Gedanken hingingen war klar...

»Du bist Schuld! Leugne es nicht!
Du, nur du allein! Deine Schwäche wird der Untergang all derer, die dir jemals wieder etwas bedeuten werden.«

Sie wusste, dass 'Hände auf die Ohren pressen' nichts bringen würde, selbst wenn sie noch ihre eigenen, funktionstüchtigen hätte.
Immer weiter flüsterte diese eine Stimme ihr zu, dass sie an dem Ableben all derer, die sie nun betrauerte, schuld wäre.
Immer wieder fand diese Stimme weitere Anschuldigungen, die sie ihr vor Augen führte und in ihrem Inneren wusste Kasumi, dass all diese Dinge wahr waren. Jedes einzelne Wort.

Diese unendliche Leere. Es war wie ein schwarzes Loch in welches sie gefallen war und trotz der fehlenden Gedanken, die sich sonst um Aufträge oder Strategien drehen würden, fühlte sie sich eingeengt. Eine schwere Last beschwerte ihre Lunge und erschwerte ihr das Atmen.

Erenn's Tod war inzwischen fast ein halbes Jahr her, ebenso ihr letzter Besuch am Grab ihres ersten richtigen Sensei's, Zabuza, ihres Kameraden und zeitgleich auch besten Freundes, Haku, und ihres ersten und einzigen Schülers.

•••

Kasumi hatte keine Ahnung, wie das Kaff hieß. Es war lediglich eine kleine Ansammlung an mickrigen Häusern und Höfen, irgendwo auf dem Weg, der in Richtung Land versteckt im Regen, Amegakure, lag.
Sie war bereits auf mehrere solcher Siedlungen gestoßen, nur mit dem Unterschied, dass es im Vergleich zu den Vergangenen, hier ein Wirtshaus gab, welches wandernden Seelen eine Mahlzeit und ein Bett für die Nacht bot. Im Anbetracht ihrer derzeitigen Situation, war dies Luxus.

Es gab ein Dach, welches Kasumi nun über dem Kopf hatte und das war gut.
Ein Gebräu aus dunklen Wolken hatte sich bereits am frühen Nachmittag vor die Sonne geschoben und entlud sich nun, wo diese gerade ihren Zenit erreichte, in einem kräftigen Regenguss über die Ortschaft.

Das Wirtshaus trug den Namen „zur Goldgleich herzlichen Gastfreundschaft", aber dies wirkte beim Anblick des Hausinneren, wie eine schlechte Lüge. Ein Witz, um die Gäste doch noch irgendwie da zu behalten.
Die Schankstube war ein düsteres Loch, gefüllt von zwielichtigen Gestalten, die über ihren spärlichen Mahlzeiten hockten. Das einzige, was das Wirtshaus von Innen erleuchtete, war ein kleiner Kamin zur Rechten des Einganges, in welchem eine Flamme loderte.
An einen der schäbigen Tische, in der Nähe von eben Jenem, bequemte sich die Uchiha.

Die Kapuze eines vom Regen dunkleren Reisemantels spendete ihrem Gesicht genügend Schatten, sodass man sie nicht erkennen würde. An der Vorderseite wurde er von bräunlichen Seilknöpfen bis etwa auf Hüfthöhe verschlossen und die Ärmel waren breit genug geschnitten, um mehrere Waffen und Schriftrollen unbemerkt mit sich zu führen.

Kasumi musste nicht lange warten, da kam auch schon eine Kellnerin auf sie zu, um ihre Bestellung aufzunehmen.

•••

Yun, der jüngste der Wirtssöhne, steuerte missmutig auf seinen Stammplatz an der steinernen Feuerstelle zu. Soeben hatte er sich einen Laib Brot unter dem Thekentisch hervorgeholt und es mit Marmelade beschmiert.
Anders als seine zwei älteren Schwestern, war er noch zu jung, um im Gasthaus seines Vaters zu bedienen und eine Shinobiausbildung, wie sie sein ältester Bruder bekommen hatte, konnten sich seine Eltern nicht noch einmal leisten. Um dennoch irgendwie zu helfen, würde er später tatkräftig mit Saubermachen.

Nachdem er den Teller auf dem Tisch abgestellt hatte, zog er einen der Stühle zurück und setzte sich.
Auf jeder der Tischseiten waren zwei Stühle aus dunklem Holz. Ihm gegenüber saß eine Person, deren Gesicht er einerseits durch die Kapuze eines Mantels, andererseits allerdings auch durch einen langen welligen Pony, der durch den Regen an ihrer Haut klebte, nicht vollständig sehen konnte;
doch das kurze aufblitzen in den rotbraunen Augen entging ihm nicht.
Da der Mantel eher tief verschlossen wurde, sah er auch die weiblichen Körperkonturen, die sich unter dem Stoff abzeichneten.
Eine geflochtene und eine lose, leicht wellige Haarsträhne umrahmten rechts und links das Gesicht der Frau, die eine Schüssel Ramen, aus der Küche seiner Mama, auf ihrem Schoß balancierte.
Sie aß in kleinen Happen mit einem der Stäbchen aus dem Gasthaus und beachtete ihn, seit dem kurzen Blickabtausch nicht mehr. Das war ihm auch ganz recht so. Sie war schließlich ebenfalls nur eine von vielen Reisenden, die täglich das Gasthaus aufsuchten.

•••

Für einen kurzen Moment hatte Kasumi einen Kloß in ihrem Hals gespürt, als sich der Junge ihr gegenüber setzte.
Für einen kurzen Moment war sie an ihre Zeit mit Erenn erinnert worden.

Die selben weißen Haare und der eine Zopf den ihr Schüler immer länger getragen hatte blitzten ihr entgegen, als der Junge sich ihr gegenüber setzte.
Anstatt der warmen roten Seelenspiegel blickten sie jedoch nur die Grünen eines fremden Kindes an, als sich ihre Blicke für diesen einen kurzen Moment kreuzten.
Auch die Sommersprossen, die Erenn's Nase geschmückt hatten, fehlten bei dem Jungen ihr gegenüber.

Innerlich seufzend und den Kopf schüttelnd, wandte sich die inzwischen 27 Jährige wieder ihrem Essen zu.
Der Tod und auch der letzte Grabbesuch lagen ihr noch immer schwer im Magen und sie wünschte zumindest für einen Moment nicht an all die vergangenen Dinge denken zu müssen.

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