Chapter 40

Wahrscheinlich Dennis, dachte ich. Er fühlt sich ziemlich nach Dennis an.

„Njaaa! Nimm das!“, rief in diesem Moment meine Oma, begleitet vom Geräusch eines splitternden Stocks. Klimpernd öffnete ich die Augen und ein Blick bestätigte: Dennis hatte mich aufgefangen.

Ich sah ebenfalls, dass meine Oma gerade einen der Verbrecher mit einem Stock niedergestreckt hatte und der andere bereits ohnmächtig auf dem Boden lag. Neben ihm befand sich der Wälzer, den ich aufgelesen hatte.

„Lass uns abhauen“, sagte Dennis, der mich nur mühevoll auf den Beinen halten konnte. Eigene Kraft hatte ich kaum noch.

„Aber mein Stock!“, beschwerte meine Oma sich. „Dieser Blechschädel hat meinen Stock kaputtgemacht!“

„Du hast ihn auf seinen Kopf gehauen. Du hast ihn kaputtgemacht“, entgegnete Dennis gelassen.

„Jedenfalls kann ich ohne Stock schlecht laufen“, murrte meine Oma und blickte sich suchend um. „Aha! Dann nehme ich mal seinen. Sicher braucht er ihn in nächster Zeit nicht mehr.“

Müde beobachtete ich, wie meine Oma den Gehstock des Hausherrn aufhob und damit ein paar Mal prüfend auf den Boden klopfte.

„Wie fühlst du dich, Dora?“, wollte Dennis besorgt wissen, während er mit mir im Arm auf die Tür zusteuerte.

„Müde“, brachte ich unter Anstrengung hervor. „Will zu Marvin.“

„Wir bringen dich zu Marvin“, versprach Dennis und fragte dann in Richtung meine Oma: „Hast du die Karte, die in der vergifteten Schatulle war?“

„Natürlich.“ Im Höchsttempo zog sie an uns vorbei, öffnete die Tür und eilte auf den Gang hinaus.

„Wir müssen die anderen finden.“

„Los, nach oben! Hoffentlich können sie diese Karte entziffern.“

„Das kann ich auch. Sie mal, dritter Raum, zweiter Korridor, und dann …“

„Spar dir das für später. Wir brauchen Alle.“

„Du hast recht. Wir können es uns nicht erlauben, noch einmal von diesen nervigen Verbrechern aufgehalten zu werden.“

„Dora, geht es dir gut?“

„Dora, mach die Augen auf!“

„Dora!“

Vielleicht hätte ich die Augen öffnen können. Vielleicht. Aber ich fühlte mich zu schwach.

Das nächste, was ich spürte, war eine warme Hand, die wie wild meine Schulter rüttelte, gelegentlich über mein Haar strich und dann wieder begann, mich zu rütteln.

„Dora! Wach sofort auf!“, schrie Marvin mir ins Ohr, aber seine Stimme drang nur schwach und weit entfernt an mein Ohr.

„Dora, hier spricht dein Gewissen. Mach die Augen auf.“ Das war eindeutig Aron. Ich konnte gar nicht anders, ich musste grinsen. Aber dann zögerte ich und fragte mich: Habe ich gerade gelächelt? Das heißt …

Zögerlich, nicht ganz sicher, ob meine Lieder wirklich gehorchen würden, öffnete ich die Augen und sah in fünf erwartungsvolle Gesichter, die alle erstrahlten, als ich sie ansah.

„Mein Gott, sie lebt noch!“, jubilierte Marvin und warf sich mir um den Hals.

„Nicht so schnell“, röchelte ich, erstaunt, wie gut die Worte wieder über meine Lippen kamen. Nicht, dass ich mich sonderlich gut fühlte, aber der Schwindel hatte sich zumindest so weit gelegt, dass ich wieder klar sehen konnte. Nur, dass mir jetzt schrecklich übel wurde, und ich nicht mitten ins Zimmer kotzen wollte.

„Starrt sie nicht so an“, sagte Dennis, der als Erster die Fassung wiedergewann. „Wir haben schließlich immer noch nicht das Gegengift sondern wollten nur testen, ob Dora noch bei Bewusstsein ist.“

„Los, befolgen wir die Anweisungen auf der Karte. Im richtigen Raum sind wir ja schon mal“, meinte Josh.

„Und Schritt eins, nämlich „Tür abschließen“ haben wir auch schon erledigt. Was kommt als Nächstes?“, fragte Aron.

In diesem Moment wurde mir speiübel, alle Farbe wich aus meinem Gesicht und hätte ich nicht mit aller Kraft dagegen gehalten, hätte der Teppich jetzt einen unangenehm riechenden Flecken.

„Blähh“, stöhnte ich, als sich das Übelgefühl wieder legte, und sackte in mir zusammen, da der Schwindel nun in voller Stärke zurückkehrte.

„Schnell“, befahl Dennis angespannt. „Sophie öffnet das Fenster, Aron hängt das Bild schräg, Josh und Marvin schieben das Sofa in die Mulden und ich stelle den Code ein. Wir dürfen keine Zeit verlieren!“

Sofort sprangen alle los, um ihren Auftrag zu erledigen, und so war ich die einzige, die das kurze Rütteln an der Tür hörte.

Hmm?, dachte ich. Zu mehr war ich in diesem Moment nicht fähig.

Einmal verrutschte das Bild, einmal stellte Dennis den falschen Code ein. Ich fühlte nichts. Nicht einmal mehr Schmerzen oder das Übelgefühl. In meinem wattigen Kopf waren die Gedanken so langsam, dass ich sie vergaß, noch bevor ich sie zu Ende gedacht hatte.

Irgendwann, vielleicht eine Ewigkeit, eher ein paar Sekunden später, flog das Fenster auf und die Verbrecher, die wir noch vor Kurzem in ein Zimmer gesperrt hatten, sprangen herein.

„Danke, Freunde, dass ihr uns ein Fenster offen gelassen habt. Wir dachten schon, wir müssten außen herum gehen“, spottete einer, aber ich starrte ihn nur ausdruckslos an, nicht ganz sicher, was seine Worte bedeuteten. Noch ehe ich mir Gedanken darüber machen konnte, gingen Marvin und noch ein paar andere zum Angriff über. Sofort brach ein Kampf los, begleitet von so schnellen Bewegungen, dass mir erneut schwindelig wurde.

Also wandte ich mich ab und richtete meinen Blick stattdessen auf Dennis. Der hatte nämlich eine Luke in der Wand gefunden und holte gerade eine Tierfigur heraus, als einer der Verbrecher auf ihn zukam und sich ihm in den Weg stellte.

„Gib mir die Statue und ich lasse euch noch ein Mal davonkommen“, bot der Verbrecher Dennis an, aber Dennis schnaubte bloß verächtlich.

„Ich lehnte ab“, sagte er und versuchte, an dem Mann vorbeizuwischen. Mit nur einem Haken: Dennis stand in der Ecke und sein Gegenüber zückte ein Messer, das weitaus größer war als Dennis Exemplar.

Plötzlich duckte Dennis sich und warf mir die Tierfigur zu. Wie ein kleiner Komet schoss sie auf mich zu, zu schnell, als dass ich sie ordentlich sehen konnte. Bis ich die Hand gehoben hatte, war der Holzelefant sowieso schon gegen meinen Fuß geschlittert und dort zum Liegen gekommen.

Nun fiel der Blick des Verbrechers auf mich und ein gemeines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Mit zwei Sätzen war er bei mir, gerade, als sich meine Finger um den kleinen Elefanten schlossen.

„Gib ihn mir“, befahl der Mann, der nun groß und übermächtig über mir aufragte. „Gib ihn mir.“

„Irgendwo beim Elefanten muss das Gegengift sein!“, rief Dennis mir zu. „Du musst es nehmen!“

„Besser nicht. Ich glaube, du würdest eine gute Geisel abgeben“, lächelte der Verbrecher böse, doch dann kniff er wütend die Augen zusammen, als ich trotzdem versuchte, die Tierfigur aufzuheben.

„Finger weg, habe ich gesagt, Mädchen!“, fauchte er und trat mit voller Wucht gegen meine Hand. Augenblicklich entwich ein schmerzvoller Schrei meinem Mund, aber ich schrie nicht wegen dem Tritt. Ich schrie, weil sich eine Nadel mit voller Wucht in meine Haut gebohrt hatte.

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