Chapter 39

„Das ist der mieseste Trick, den ich je gesehen habe!“ Voller Hass spuckte Dennis die Worte aus und zermalmte die Schatulle unter seinem Schuh.

„Beruhige dich doch“, rief meine Oma, beinahe selber hysterisch. „Sieh dir diese Anleitung an. Die kann kein Mensch auswendig. Demzufolge braucht der Hausherr ebenfalls die Karte, muss sich also ebenfalls stechen.“

„Bestimmt lässt er jedes Mal einen Diener dabei draufgehen“, knurrte Dennis, der inzwischen wütend auf- und abstapfte, wie ein wilder Tiger.

„Ich bin mir sicher, es gibt ein Gegengift“, fuhr meine Oma in einem Ton fort, der vermuten ließ, dass sie selbst nicht so wirklich dran glaubte.

„Und wo?“ Dennis finsterer Blick schweifte durch den Raum, fand aber nichts mehr zum Zertreten. Langsam schien er sich wieder zu beruhigen.

„Vielleicht ist das Gegengift beim Elefanten“, schlug meine Oma vor. „Aber so oder so werde ich Dora nicht einfach sterben lassen!“

„Hmmm“, wisperte ich. Mit der Zeit war das Schwindelgefühl immer stärker geworden und mein Kopf fühlte sich wie Watte an. Noch eine Sekunde stand ich schwankend auf den Beinen, dann kippte ich um.

Mit einem gewaltigen Satz sprang Dennis zu mir herüber, kam schlitternd zum Stehen, und im nächsten Moment landete ich weich in seinen Armen. Zum Glück wurde das Schwindelgefühl wieder schwächer, aber als ich mich erneut aufrichten wollte, hielt Dennis mich fest.

„Du bleibst schön bei mir“, sagte er, und während er mich mit einem Arm stütze, steuerte er, mit meiner Oma Seite an Seite, auf die Tür zu.

Dann ging die Türklinke herunter. Sofort wich Dennis zurück, aber es war bereits zu spät. Noch bevor wir überhaupt daran denken konnten, uns zu verstecken, schwang die Tür auf und ein alter Mann platzte herein. Wild fuchtelte er mit seinem Gehstock und funkelte uns aus bösen Augen an.

„Diebe! Verbrecher!“, zeterte er. „Dachte ich mir doch, etwas gehört zu haben! Und dich, Mädchen …“ Immer noch wild mit dem Stock herumfuchtelnd deutete er auf mich, „kenne ich doch!“

Schwach hob ich die Hand, um zu winken, aber Dennis packte meinen Arm und zog ihn zurück.

„Das ist ein Missverständnis, Herr. Wir haben uns verlaufen“, sagte Dennis.

„Belügen kann ich mich selber!“, giftete der Mann, der mich an den Hausherren erinnerte, in einer Lautstärke, die meinen Kopf brummen ließ. Hoffentlich würden nicht noch mehr Leute kommen und rumschreien. Das nervte.

Außerdem wäre ein Bett jetzt gar nicht schlecht …

„Ich … ich rufe die Wachen!“, zeterte der Mann weiter. Das war schlecht, oder? Ich war mir nicht mehr ganz sicher.

„Das wirst du ganz sicher nicht tun“, sagte ein Mann, aber es war nicht Dennis. Im nächsten Moment war ein Scheppern zu hören, als die Pfanne den Kopf des alten Mannes traf, dann ging er bewusstlos zu Boden.

„Wer ist das?“, fragte meine Oma überrascht.

„Noch mehr feindliche Verbrecher. Sie haben offensichtlich Verstärkung bestellt.“

Die Verstärkung bestand aus einem ziemlich grimmig dreinstehenden Mann und dem Boss höchstpersönlich, der seinen Begleiter sogar noch in Grimmigkeit überbot. Allerdings konnte ich in meinem benebelten Zustand nicht mehr genau sagen, was überhaupt noch Realität war, und was nicht.

Sicher quellen seine Augen nicht wirklich hervor, dachte ich, stolz über diese Erkenntnis, als Dennis mich an die nächste Wand lehnte und vortrat.

„Nett von euch, dass ihr vorbeigeschaut und unseren Freund erledigt habt“, sagte Dennis mit einem kühlen Blick auf den ohnmächtigen Hausherren. „Aber jetzt wäre es für euch besser an der Zeit zu verschwinden, fürchte ich.“

„Sag, bist du nicht der elende Wicht, den wir vor ein paar Stunden gefesselt im Keller zurückgelassen haben?“, fragte der Boss der bösen Verbrecher finster. „Langsam nervt dein Anblick.“

„Dann rutsch ein Stück zur Seite und starre für den restlichen Abend die Wand an“, riet Dennis ihm, doch seine Stimme war todernst. „Wir jedenfalls gehen jetzt.“

„Das bezweifle ich allerdings“, sagte der Begleiter des Bosses. „Was ist eigentlich mit der Kleinen? Habt ihr sie den falschen Stoff rauchen lassen?“

„Schluss jetzt“, knurrte der Boss. „Mir bleibt langsam das Lachen im Hals stecken. Bringen wir’s hinter uns und sehen dann nach, weshalb diese Trottel den Laden nicht von alleine geplündert haben.“

Ohne ein weiteres Wort ging Dennis zum Angriff über. Mein träges Hirn bekam nicht einmal mit, wie er sein Messer zog, als die Klinge auch schon auf die Pfanne seines Gegenübers traf.

„Mach sie fertig. Sie sind böse“, murmelte ich, in der vollen Überzeugung, etwas Vernünftiges von mir zu geben und robbte langsam aber sicher Richtung Schreibtisch.

Ich muss ihnen helfen, dachte ich, nicht ganz sicher wie, und begann mich an den Schreibtischbeinen hochzuziehen. Niemand beachtete mich, alle waren zu sehr in den Kampf vertieft. Und wie gut sie alle waren. In atemberaubender Geschwindigkeit traf Schlag auf Schlag, in Dennis Falle Messer auf Bratpfanne und bei meiner Oma hieß es Stock gegen Messer. Es war ein bedrohlich langes Messer, aber meine Oma kämpfte schließlich auch nicht wie eine einfache Amme, sondern wie eine, die heimlich mit ihren Stricknadeln Dart spielte.

Ha! Meine Oma!, dachte ich stolz und schob in Zeitlupe die Finger über den Schreibtisch. Schon alleine diese Bewegung forderte unheimlich viel Kraft, und dass die Welt nun auch noch begann, sich immer schneller im Kreis zu drehen, machte es nicht gerade besser.

Im nächsten Moment konnte ich mich nicht mehr halten und ging mit einem Stapel Bücher zu Boden. Nur gut, dass die Kämpfenden mir immer noch keine Aufmerksamkeit schenkten und so auch nicht sahen, wie ich mit klammen Fingern und zusammengebissenen Zähnen einen besonders dicken Wälzer aus dem Haufen zog.

Keuchend und zitternd hob ich ihn hoch, dann verschwamm alles, meine Umgebung löste sich in schmierige Farbstreifen auf und ich kippte um. Der Aufprall brachte mich zu mir, worauf ich das Buch sofort wieder hochhob.

Ich – Muss – Ihnen – Helfen!, dachte ich mühevoll und kämpfte, oder besser gesagt zog mich auf die Beine. Nur schwer gelang mir die Drehung und das Fokussieren der bösen Verbrecher erwies sich als noch schwieriger.

Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und hob das Buch mit aller Kraft über meinen Kopf. Taumelte einen Schritt nach hinten, knallte gegen den Schreibtisch und stolperte wieder nach vorne.

Wieder verschwamm meine Sicht, trotzdem sah ich gerade noch rechtzeitig die Gestalt vor mir, um zumindest zu versuchen, auszuweichen. Aber meine Beine gehorchten nicht, das Buch zog mich nach vorne und ich ging zu Boden. Während meines Schwindelanfalls spürte ich nur, wie das Buch auf Widerstand traf und mir aus den Fingern glitt. Dann fing mich jemand auf.

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