Chapter 27
Während Marvin und Josh um die Wette Holzscheite am Türrahmen festnagelten, stand meine Oma wieder Wache und ich begann mit Sophies Hilfe, die ersten beiden Türen aneinander zu nageln.
Dennis und Aron waren bereits mit den anderen beiden beschäftigt und hämmerten wie verrückt. Da es uns an Hämmern mangelte, benutzten wir Holzscheite, und wir konnten von Glück reden, dass die letzte Tür so gut zugenagelt gewesen war; sonst würde es uns jetzt auch an Nägeln mangeln.
Wie verrückt hämmerten wir, sodass mit Sicherheit jeder unserer Nachbarn wusste, wo wir waren uns was wir trieben, egal wo sie sich versteckt hatten. Trotzdem ließ sich keiner blicken, und so lief alles eigentlich wie am Schnürchen, bis Sophie plötzlich abrutschte und mit voller Wucht ihren Finger traf.
Schmerzerfüllt schrie sie auf, der Holzscheit fiel klappernd auf den Boden und Tränen traten in ihre Augen, die sie jedoch sofort wieder wegblinzelte.
„Oh Gott!“, murmelte ich, als ich den Finger sah, der sich langsam bläulich-lila verfärbte. An einer Stelle war die Haut so aufgerissen, dass Blut über ihren Finger lief.
„Kühlen! Er muss sofort gekühlt werden!“, rief Aron nach einem Blick und füllte in Windeseile etwas von unseren Trinkwasserreserven in eine halb zersprungene Tasse, die einzige, die wir hatten.
„Sicher? Direkt ins Wasser?“, fragte meine Oma leicht hysterisch, die sofort zu Sophie gerannt war.
„Hast du etwa Kühlpakete?“, entgegnete Aron und schob Sophie die Tasse hin.
„Niemand wird dir etwas vorwerfen, wenn du weinst“, sagte Josh behutsam und wischte eine heimliche Träne weg, die über Sophies Wange gelaufen war.
„Es geht schon“, murmelte Sophie mit heiserer Stimme, flüchtete jedoch ohne zu zögern in Joshs ausgebreitete Arme.
„Lass mich das besser machen!“, sagte meine Oma und wollte zu Sophie eilen, aber Marvin zog sie zurück.
„Ähm, das Wasser.“ Behutsam tunkte Dennis Sophies Finger in die Tasse und schob die beiden ein Stück abseits. „Ihr kriegt eine Pause, der Rest arbeitet weiter! Worauf wartet ihr denn noch? Wir sind so gut wie fertig und ich will keine Zeit mehr verlieren!“
„Tut mir leid“, kam Sophies Stimme gedämpft aus Joshs T-Shirt.
„Schon gut. Ruh dich ruhig ein bisschen aus“, sagte Dennis wesentlich sanfter als zuvor und legte ihr behutsam eine Hand auf den Rücken.
Dann ging das Hämmern wieder los, diesmal jedoch etwas vorsichtiger.
„Und vergesst nicht, irgendwie müssen wir noch reinkommen!“, mahnte er, leider jedoch zu spät.
„Hups. Jetzt ist aber alles schon zugenagelt“, sagte Aron kleinlaut und schenkte Dennis ein unschuldiges Engelslächeln.
„Dann kriechen wir eben unten durch. Der Raum ist ja zum Glück ein bisschen höher als die Tür.“ Dennis zuckte mit den Schultern. „Ah, und wir brauchen noch ein paar Haltegriffe innen, damit wir unseren Schutzwall besser tragen können.“
„Welche Haltegriffe denn?“, fragte ich.
„Nehmt die von der Truhe. Oder von dem Pseudo-Küchenschrank. Mir doch egal.“
„Wird gemacht, Boss.“
Leider war Sophies Unfall nur der Anfang allen Unglücks. Nicht nur, dass ich das unangenehme Gefühl hatte, etwas extrem Wichtiges vergessen zu haben (dieser Gedanke nervte mich schon den ganzen Tag und so langsam würde ich ihn am liebsten in eine Mülltonne treten, wenn es sowas hier gäbe), zu allem Überfluss fiel Marvin auch noch ein Holzscheit auf den Fuß, weshalb er nur noch hüpfen konnte. Fluchend beendete er seine Arbeit, verwünschte die ganze Fabrik samt Inhalt und war auch ansonsten ziemlich missgelaunt, so lange, bis wir unser letztes Essen zubereiteten und unseren hungrigen Mägen endlich zu einem Mittagessen verhalfen. Danach waren wir so satt wie schon lange nicht mehr, da es uns an Lebensmitteln wirklich nicht mangelte.
„So. Unsere Mägen sind voll, unser wandelnder Schrank fertiggebaut, das brennende Holz aus der Tür entfernt und nur noch ein kurzer Weg trennt uns von der Kanalisation und somit von der Freiheit!“, verkündete Dennis mit so viel Enthusiasmus wir nur irgend möglich.
„Psst! Nicht so laut. Sonst fallen unsere Nachbarn noch über uns her, bevor wir überhaupt den Schrank betreten haben“, warnte Josh.
„Du meinst wohl: Bevor wir reingekrochen sind“, murrte Marvin.
„Sollten wir nicht zuerst unsere feinen Kleider anziehen? Jetzt in Lumpen zu fliehen, bring es schließlich auch nicht“, meinte Aron und nahm sich seinen Anzug.
„Wir ziehen uns dann mal im Nachbarraum um“, bestimmte meine Oma und zog Sophie und mich mit sich fort.
„Und vergesst nicht: Besser, wir nehmen Messer und Pfannen mit, falls wir uns doch noch verteidigen müssen!“, rief ich, bevor ich um die Ecke gezogen wurde.
„Außerdem sollten wir möglichst bald das Feuer löschen, damit die Verbrecher nicht auf die Idee kommen, uns samt Schrank anzuzünden“, schlug Sophie vor, was einstimmig bejaht wurde.
Kurz darauf löschten vier Gentleman mithilfe von drei feinen Damen das Feuer und tasteten sich anschließend im Stockfinsteren Richtung Schrank.
„Autsch!“, fluchte Marvin. „Das war mein Fuß!“
„Tschuldigung“, erklang Dennis Stimme rechts von mir.
„Hups!“, sagte ich in diesem Moment, als ich über jemanden stolperte, der auf dem Boden lag.
„Achtung. Ich versuche gerade, in den Schrank zu kommen“, meldete sich Josh zu Wort.
„Gute Idee. Wo ist er denn?“, fragte ich und tastete mich vor. Erst hatte ich Joshs Rücken, dann Arons Haare und schließlich Holz in der Hand.
„Wer hat da gerade meine Frisur ruiniert?“, beschwerte Aron sich, worauf ich ihm freundschaftlich in die Seite stoßen wollte, ihn jedoch verfehlte und dafür Dennis knuffte.
Das war ein Fehler. Ehe ich auch nur reagieren konnte, hatte er meinen Arm gepackt, umgedreht und mich rückwärts auf den Boden geworfen.
„Verflucht, was soll das?“, beschwerte ich mich.
„Ach, du bist’s. Sorry. Man kann nie vorsichtig genug sein. Hast du dir wehgetan?“
„Nein, ich bin weich gelandet.“
„Das liegt daran, dass du auf mir gelandet bist“, knurrte Marvin.
„Echt? Ich fragte mich schon, seit wann der Fußboden Haare hat.“
„Na danke.“
„Hey, keine Sorge. Sie sind richtig weich.“
„Hörst du wohl auf, meine Haare durchzuwuscheln?“, fragte Aron und schob mich sanft von sich weg. Da hatte ich wohl mal wieder den Falschen erwischt.
„Hat eigentlich jemand an die Messer gedacht?“, fragte Aron.
„Ups!“ Ich spürte nur an dem Wind, dass Dennis umdrehte und noch mal zurücklief.
„Bringt mir jemand was mit? Ich bin schon drinnen“, drang Joshs Stimme gedämpft aus dem Türenschrank.
„Hat noch mal jemand Feuer?“, fragte Dennis. „Ich sehe nichts.“
„Ich glaube, ich habe ein Messer“, verkündete ich fröhlich und hob meinen Fund vorsichtig auf. „Und hier ist noch eins.“
„Und ich hab eine Pfanne!“, verkündete Dennis fröhlich.
„Ich auch.“
„Aron, ich glaube, du hast meine Pfanne“, bemerkte Dennis.
„Ich würde eher sagen, du hast meine.“
„Sagen wir einfach, ihr habt beide dieselbe gefunden“, sagte ich und schlenderte zurück zum Schrank. Zumindest schlenderte ich dahin, wo ich den Schrank vermutete, verfehlte ihn jedoch und fand mich schließlich an einer Wand wieder.
„Josh, wo bist du?“, rief ich.
„Hier“, antwortete er von nicht einmal allzu weit weg.
„Ich habe den unangenehmen Eindruck, dass wir gerade ziemlich leichte Opfer sind“, stellte Dennis besorgt fest.
„Dann schnell zurück zu unserem Schrank. Die Waffen müssen reichen.“
Wieder brach das große Chaos aus, als jeder versuchte, in den Schrank zu kriechen. Mal stolperte ich über jemanden, dann stieß ich meinen Kopf an Marvins, trat Dennis auf die Füße, als ich versuchte, aufzustehen, und stolperte gegen Sophie, als ich versuchte, dem hereinkommenden Dennis Platz zu machen. Alles in allem wurde es ein lautes Gefluche, ausgelöst von zu wenig Platz, zertrampelten Füßen und ziemlich vielen Zusammenstößen.
„Puh. Endlich. Alle da?“, fragte Dennis.
„Eng genug ist es jedenfalls“, meinte Sophie.
„Oder anders herum gefragt: Ist jemand noch draußen?“
„Nö.“
„Nö.“
„Glaub nicht.“
„Ist Sophie hier?“, fragte Josh.
„Bin da“, antwortete Sophie, die dicht neben mir stand.
„Dann packt euch alle einen Griff.“
Zwar verursachten wir erneut ein leichtes Chaos, aber schließlich hatte jeder einen der Griffe gefunden und es konnte losgehen. Wir bewegten uns erst langsam und stolpernd und nicht wirklich in eine Richtung, aber Dennis übernahm schnell die Führung. Zumindest, bis wir gegen eine Wand knallten.
„Das war wohl die falsche Richtung“, kommentierte ich.
„Überhaupt nicht. Irgendwo hier muss die Türöffnung doch sein!“, entgegnete Dennis. „Da bin ich mir ganz sicher.“ Also liefen wir nach links und nach rechts, so lange, bis wir tatsächlich die Öffnung fanden.
„Jetzt seitwärts und vorsichtig, damit wir nicht stecken bleiben.“
Zugegeben, den Türschrank zu manövrieren war nicht einfach, aber wir schlugen uns nicht schlecht. Und zu unserer Verteidigung musste ich hinzufügen, dass wir sogar ziemlich weit kamen, bevor unsere Nachbarn über uns herfielen. Nichts war zu hören, doch plötzlich krachte und splitterte das Holz einer Tür und eine Speerspitze steckte in unserem Schrank. Es war nur eine Sache von Millimetern, dass sie nicht in mir steckte.
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