Chapter 25
Es war nicht einfach, einzuschlafen, denn obwohl das gleichmäßige Hämmern uns eigentlich einschläfern müsste, hielt es uns doch wach, auf eine unangenehme Art und Weise. Immer dann, wenn ich doch noch in einen Halbschlaf gesunken war, riss mich ein lautes Klappern aus dem angenehmen Dämmerzustand und an dem Gegrummel der Anderen konnte ich erkennen, dass es ihnen nicht besser erging.
„Diese verdammten Idioten!“, knurrte Dennis missgelaunt nach endlosen und vor allem schlaflosen Stunden. „Wenn sie nicht bald leise sind, dann …“, drohte er, und es war eine makabere Ironie, dass gerade in diesem Moment jemand kräftig gegen die Tür trat und uns schmähende Worte zurief.
„Na, wie geht es euch, edle Herren? Schmorrt doch in euern feinen Kleidern! Nehmt euer Henkersfestmahl ein! Ja, nur zu! Denn es wird euer letztes sein! Lebendig eingemauert und zum Tode verurteilt! Oder sollte ich besser sagen, lebendig eingenagelt? Viel Spaß noch, meine Freunde, denn wir werden jetzt gehen! Lebt wohl! Sterbt wohl!“ Boshaft lachend lief er davon.
Stille. Natürlich fand keiner von uns seine humorlosen Witze auch nur annähernd zum Lachen. Stumm und ängstlich blickten wir uns an, wohl wissend, dass wir in einer Falle hockten.
„Wenn sie jetzt wirklich gehen, haben sie sicher alle Eingänge zugenagelt“, wisperte Sophie, aber ihre Stimme klang leise und verloren in der folgenden Stille. Es war, als läge mir ein riesiger Kloß im Hals, doch ich wollte mich nicht räuspern, da jedes Geräusch mindestens so unangenehm war, wie die Stille. Noch ein letztes Mal Hammerschläge, dann wieder Stille.
Fast eine Stunde saßen wir einfach nur da, keiner legte sich hin, keiner war auch nur annähernd in der Lage zu schlafen.
Was tun wir nun?, fragte ich mich und zog gerade in Erwägung, mich doch zu räuspern, um diese schreckliche Stille abzuschütteln, als Dennis plötzlich sprach.
„Jetzt haben sie den letzten Eingang zugenagelt. Zumindest wollen sie, dass wir das glauben.“
„Du meinst, sie tun nur so, als wären sie weg?“, wisperte Marvin.
„Was würdest du tun?“, fragte Dennis zurück, worauf ein leises Lächeln über Marvins Gesicht huschte.
„Natürlich. Sicher bleiben sie, versteckt, und wenn wir herauskommen und uns trennen, fallen sie über uns her.“
„Nicht, dass das unsere Lage sonderlich verbessert. Wir haben kaum Waffen. Die ganze Truppe hockt wahrscheinlich da draußen und lauert uns auf. Wir brauchen einen Plan. Und zwar einen verdammt guten“, meinte Josh. Daraufhin trat wieder betrübte Stille ein, die sich jedoch auf eine seltsame Art und Weise von der vorherigen Stille unterschied. Sie fühlte sich schwer an, war aber gleichzeitig weniger eine Abwesenheit von Geräuschen, sondern bestand aus vielen winzigen Lauten, die sich zu einer unbehaglichen Stille aufaddierten. Oder, um es anders auszudrücken: Ich glaubte förmlich die ganzen Menschen zu spüren, die irgendwo da draußen auf uns lauerten, bemüht, keine Geräusche zu verursachen. Aber Menschen leben, bewegen sich immerzu. Es ist unmöglich für sie, absolut still zu sein.
Als wir so dasaßen und nicht hörbaren Geräuschen lauschten, kroch das Unbehagen unseren Rücken hinauf und legte sich kalt um unsere Nacken, ließ uns schaudern und immerzu über die Schulter sehen.
„Ich halte das nicht mehr aus!“, brach Dennis schließlich hervor. „Lass uns etwas unternehmen, von alleine schmiedet sich so ein Plan nicht!“
„Was schlägst du vor?“, fragte ich, leicht verschüchtert über die Intensität seiner Worte und mit heiserer Stimme vom langen Schweigen.
„Wir sammlen alles was wir haben …“ Dennis beschrieb mit dem Finger einen Kreis. „… in diesem Raum. Dann sehen wir weiter.“
Froh, etwas zu tun zu haben, machten wir uns an die Arbeit und sammelten alles, was wir finden konnten. Wir schleppten sogar die Truhe, in der Aron und Marvin sich versteckt hatten, in die Mitte.
„Was machen wir eigentlich, wenn wir hier raus sind?“, fragte Sophie, die gerade Holz neben der Truhe stapelte.
„Na, wir suchen uns ein neues Versteck, was denn sonst? Aber eins nach dem anderen“, sagte Josh, jonglierte mit einem Messer und legte es zu den anderen zwei, die Dennis noch aufgetrieben hatte.
Plötzlich huschte ein unbehagliches Gefühl durch meinen Körper, ein Gedanke aus dem hintersten Winkel meines Gehirns versuchte sich zu Wort zu melden, verschwand jedoch wieder, bevor ich ihn fassen konnte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum, aber meine Schultern wurden angespannt, und auf einmal fühlte ich mich, als drücke eine unsichtbare Last auf mich herab. Trotz meiner Versuche konnte ich den Gedanken jedoch nicht wieder hervorlocken, nur ein unangenehmes Gefühl sagte mir, dass er wichtig war.
„Wie spät es jetzt wohl ist?“, wunderte Aron sich und wieder huschte der Gedanke hervor und verschwand augenblicklich wieder. Verdammt!
„Keine Ahnung. Wie soll man das auch sagen, in diesem düsteren Loch?“ Dennis zuckte mit den Schultern und besah leicht unzufrieden die Gegenstände, die wir aufgetrieben hatten.
„Hm. Immerhin drei Messer, einen extra langen Zahnstocher“, Dennis grinste, „und einen Topf sowie eine Pfanne. Eine Gabel, ein paar Nägel, 'nen Hammer und sonstigen undefinierbaren Schrott“, fasste er enttäuscht zusammen.
„Nicht zu vergessen die Truhe und eine Menge Holzscheite“, fügte Sophie hinzu.
„Wobei Letztere bald nicht mehr allzu viele sein werden. Das Feuer ist viel zu hungrig, wenn man es den ganzen Tag brennen lassen muss“, fügte Josh bitter hinzu.
„Aber wir haben auch noch eine Menge Essen“, sagte Aron fröhlich. „Apropos, ich habe Hunger.“
„Alles zu seiner Zeit.“
„Ich habe aber jetzt Hunger!“
„Seht doch mal! Wir haben noch etwas Geld, unsere feinen und unsere zerlumpten Kleider, etwas Wasser, ein paar Seile und Gürtel … und wenn wir diese Zange benutzen, haben wir in Nullkommanichts auch noch ein paar Nägel!“, warf ich ein. „Nicht, dass wir das Offensichtlichste übersehen.“
„Erstaunlich, wie oft das passiert, nicht?“, fragte meine Oma nachdenklich.
„Was mir da einfällt: Wenn wir durch die Gürtel Nägel jagen, haben wir eine ultimative Waffe“, meinte Marvin, verstummte jedoch, als er Dennis Blick bemerkte.
„Mit Gewalt kommen wir nicht durch. Schon klar, die da draußen wollen uns an den Kragen, aber das wird sich nicht zu unseren Gunsten ändern, wenn wir versuchen, sie übers Knie zu legen.“
„Moment“, sagte Sophie nachdenklich. „Vielleicht wollen sie euch totsehen, weil ihr das Geld gestohlen habt. Aber mich oder meine Amme werden sie nicht einfach so umbringen, oder?“
„Das wäre eine Überlegung wert“, murmelte Dennis. „Aber was würde uns das nutzen?“
Keinem von uns fiel eine Antwort darauf ein, und so verwarfen wie die Idee ziemlich schnell wieder.
Nachdenkliches Schweigen. Könnte man Gehirne rattern hören, würde dieser Raum sicher vor Lärm vibrieren, aber so störte nur ein gelegentliches Rascheln die Stille.
„Denkt mal ein bisschen schneller, Leute“, sagte Dennis irgendwann mit einem Hauch von einem Lächeln. „Wir haben schließlich nicht ewig Zeit!“
Wieder blitzte der Gedanke in meinem Gehirn auf und verschwand wieder, ließ nichts zurück bis auf das Gefühl, dass mir erneut etwas ungeheuer wichtiges durch die Lappen gegangen war. Leise fluchend versuchte ich den Gedanken zurückzuziehen, aber er war bereits verschwunden.
„Ich hab’s!“, rief meine Oma plötzlich. Alle drehten sich zu ihr um und Dennis zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen.
„Du?“
„Warum nicht?“, entgegnete meine Oma.
Als sie uns ihren Plan unterbreitete, wurden Dennis Skeptikfalten immer tiefer, bis sich langsam ein Lächeln auf seine Lippen schlich und immer breiter wurde.
„Absolut verrückt, aber genial“, gestand er.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top