Chapter 17

Den Geruch nach köstlichem Rührei in der Nase, eine Scheibe noch warmes, duftendes Brot in der Hand und den Blick unverwandt auf eine Tasse mit Milch gerichtet, saß ich im Besprechungsraum.

Wir hatten uns in einen Kreis gesetzt und alles, was wir hatten, gerecht aufgeteilt. Nun füllte nur noch ein einziger Gedanke unsere Gehirne: Essen.

„Legt los“, sagte Dennis und biss im selben Moment in sein Brot.

„Und esst besser langsam. Sonst kotzt ihr alles wieder aus“, mampfte er.

Um ehrlich zu sein: Ich gab mir Mühe, aber der erste Bissen rutschte trotzdem fast ungekaut meine Speiseröhre hinunter. Dann nippte ich an meiner Milch, um ihn vernünftig herunterzuspülen und biss erneut ins Brot.

Auch alle anderen fielen wir ein Rudel ausgehungerter Wölfe über ihr Essen her, und so war es kein Wunder, dass niemand wirklich zufrieden war, als nichts mehr übrig war.

„Ich habe noch Hunger!“, jaulte Aron, was ihm einen Hab-Ich-Doch-Gesagt-Blick von Dennis einbrachte.

„Ihr hättet langsamer essen müssen!“, warf er uns vor, dabei hatte er alles nicht weniger schnell hinuntergewürgt. „Jetzt gibt es eben nichts mehr. Zeit einen Plan zu schmieden. Ich wette, Josh hat auch Hunger.“

„Ich hätte da schon eine Idee“, sagte ich und wischte meinen Milchschnauzer ab. „Aber er ist riskant und wir müssen schnell sein.“

„Das klingt doch mal nach einem vernünftigen Plan“, grinste Dennis.

„Ah. Und wir brauchen natürlich einen Notausgang und eine Möglichkeit, die Tür sicher zu verriegeln.“

Der Notausgang war schnell geschaffen, schließlich führten nicht wenige Türen von den drei Räumen ab, nur, dass sie alle verschlossen waren. Nunja. Nachdem Dennis und Marvin mit ihnen fertig waren, waren sie jedenfalls nicht mehr verschlossen. Schließlich hämmerten Sophie und ich noch eine notdürftige Halterung, in die man ein Holzstück wie ein Riegel legen konnte. Es sah fürchterlich aus, aber es hielt. Auch die Schlösser an unserer Haupttür wurden so ausgebaut, dass sie nur noch von innen zu öffnen waren und nach einer Stunde glich unser kleines Geheimversteck einer Festung.

Auf den Fluchtweg, der fast direkt zur Kanalisation führte, war ich besonders stolz, da ich ihn fast vollständig vom Rest der Fabrik abgeriegelt hatte.

OK, wir machten Lärm. Und was für einen. Jeder Verbrecher, der noch nicht ganz taub war, war inzwischen längst aus dem Bett gefallen, und mit Sicherheit wusste jeder der Männer in Schwarz, was wir hier trieben. Aber niemand kam, um uns daran zu hintern, und so arbeiteten wir unbekümmert weiter.

„Hoffentlich sind sie inzwischen aus ihrem Versteck gekrochen. Ich habe keine Lust, so lange zu warten“, grummelte Marvin.

Wir hatten uns wieder im Besprechungsraum versammelt, und da Dennis auf Erkundungstour gegangen war, hockten Marvin, Sophie und ich wieder mit gefesselten Armen herum.

„Sicher, dass es die sind, für die du sie hältst?“, fragte Sophie leicht besorgt.

„Klar“, sagte ich selbstsicher. „Das sind praktisch meine Erzfeinde. Die würde ich auf zehn Kilometer im Dunkeln erkennen.“ Natürlich stimmte das nicht im geringsten, aber ich hatte zwei der Männer ziemlich eindeutig in Erinnerung und wusste: Es waren dieselben, die mich in der ersten Nacht verfolgt hatten, weil sie mich wohl für die richtige Leibwächterin gehalten hatten.

Und darauf baute mein ganzer Plan auf.

Bleibt nur zu hoffen, dass sie die richtige Leibwächterin noch nicht erwischt haben!, überlegte ich. Sonst fliegt der Schwindel sofort auf.

Trotzdem sagte ich nichts von meinen Sorgen, auch als Aron, der sofort bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte, nachfragte.

Keine Minute später kam Dennis zurückgehuscht, ein vorfreudiges Lächeln auf den Lippen.

„Ich weiß jetzt, wo sie ihr Lager eingerichtet haben. Sie haben den ganzen Maschinenkeller nach außen hin abgeblockt und benutzen die Rampe als Eingang.“

„Dann dürfte es doch leichter als gedacht sein, reinzukommen“, meinte ich, doch Dennis schüttelte den Kopf.

„Die Rampe lässt sich hochklappen, wie ein Burgtor. Aber wenn wir sie Seile durchschneiden, sind wir auf der sicheren Seite.“

„Und nur zur Erinnerung“, fügte Aron in seinem Gangsterton hinzu. „Der Deal gilt immer noch, Sophie. Wenn uns nichts geschieht, wird deiner Familie kein Leid zugefügt. Und wenn wir unser Ziel erreicht haben, wirst du wieder nach Hause dürfen.“

„Und wann wird das sein?“, fragte Sophie und blickte Aron trotzig an.

„In nicht einmal einer Woche findet ein Ball statt. Ein netter, reicher Herr ist der Gastgeber und er besitzt etwas, das uns gehört.“

„Ihr meint doch nicht etwa den Graf von Hochfelden?“, fragte Sophie.

„Woher weißt du das?“, fragte Dennis misstrauisch.

„Ich bin … ich meine, ich war eingeladen. Jetzt, wo ich verschwunden bin, sicher nicht mehr.“

„Wie interessant. Aber eigentlich würde ich mich jetzt lieber der Befreiung von Josh widmen. Ich lasse meine Männer nur ungern warten. Außerdem wird es Zeit, dass unsere Nachbarn lernen, was mit Leuten passiert, die so mit uns umgehen.“

Endlich wurden unsere Hände wieder losgebunden, jedoch nicht ohne eine weitere Drohung, die natürlich in meinem Falle vollkommen sinnlos war.

„Nicht erwähnenswert, dass wir auch Marvins Familie kennen. Also stellst auch du besser keinen Unfug an, Dora“, sagte Dennis, gerade noch ein leises Schmunzeln unterdrückend.

Knurrend stand ich auf und schnappte mir Marvins Hand.

„Pass auf dich auf“, sagte ich und ich meinte es auch so.

„Du erst recht“, sagte Marvin und der Druck seiner Hände durchflutete mich noch ein letztes Mal mit Wärme und Zuversicht, dann ließ er mich los und folgte Dennis aus unserem Versteck.

Plötzlich zog Marvin mich zur Seite und wartete, bis Sophie außer Hörweite war.

„Magst du mich wirklich, oder ist es wegen der Geschichte?“, fragte Marvin leicht unsicher und blickte überall hin, nur nicht in meine Augen, worüber ich ehrlich gesagt ziemlich froh war. Bestimmt lief ich gerade rot an.

„Als ihr das Buch, das Weltentor, klauen wolltet, da warst du auch lieb zu mir. War das wirklich oder war das nur eine Masche?“, fragte ich zurück, zu verlegen, um eine Antwort zu geben.

„Ich hab zuerst gefragt“, konterte Marvin.

„Alter vor Schönheit“, grinste ich.

„Ladies first!“ Nun sah Marvin mir in die Augen, wobei ein breites Lächeln auf seinen Lippen spielte.

„Ich lasse dir den Vortritt“, beharrte ich, immer noch zu unsicher, was ich ihm antworten sollte. „Ich liebe dich“, schien nicht angebracht und würde mir wohl kaum über die Lippen kommen.

„OK, du hast gewonnen“, sagte Marvin. „Es war wirklich.“ Dann zögerte er und sah leicht verlegen drein. „Zumindest von der zweiten Begegnung an.“

„Auch wirklich“, sagte ich. „Die ganze Zeit.“

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