Chapter 13
Mein Herz rutschte in die Hose, rutschte noch ein Stück tiefer und zerschellte auf dem Boden, als große Hände mich packten. Für einen Moment fühlte es sich an, als würde mein Herz auseinanderspringen und dabei versuchen, in alle Richtungen gleichzeitig zu schlagen. Als natürliches Ergebnis dieses Prozesses schlug es gar nicht.
Nur einen Schlag lang, aber das reichte, um mir jedes Gefühl zu rauben. Mir wurde schwarz vor Augen, und hätte jemand mich nicht kräftig geschüttelt, wäre ich sicher bewusstlos umgekippt.
„Dora! Du darfst jetzt nicht in Ohnmacht fallen!“, raunte Josh. Intensiv starrte er mich an, als könne er mich so wieder zu Bewusstsein bringen.
„Josh“, murmelte ich und versuchte, meine Finger in seinen Ärmel zu krallen, die jedoch sinnlos abglitten. „Josh.“
„Alles wird gut. Du hattest nur einen Schock. Alles ist gut. Keiner tut dir was. Ich bin ja bei dir.“ Seine Augen waren immer noch groß vor Sorge, als er mich an sich drückte und beruhigend auf mich einredete. Doch gerade, als sich mein Puls wieder einigermaßen beruhigt hatte, und ich meinen Kopf aus Joshs T-Shirt hob, blickte ich direkt in ein Augenpaar und bekam den nächsten Schreck.
Sophie!, war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf wirbelte. Wie sollte ich ihr das bloß erklären? Würde sie mir glauben?
Aber die Person, die nun mit erhobener Krücke um die Ecke geschlurft kam, war nicht Sophie. Es war eine alte Frau, die, soweit ich es im Dunkeln erkennen konnte, nicht sonderlich erfreut war, uns zu sehen.
„Lauf, Sophie“, sagte Josh leise und versetzte mir einen Stoß. Ich taumelte einen Schritt zurück, verwirrt, warum er mich mit Sophie ansprach, jedoch sicher, dass Josh seinen Grund hatte.
„Lauf schon“, wiederholte er, worauf die alte Frau noch schneller auf uns zugeschlurft kam. Sofort wich ich in den Schatten zurück und zeigte mich auch nicht, als die Frau leise rief: „Bleib hier, Sophie. Du musst dich nicht verstecken, das weißt du doch!“
Stattdessen wirbelte ich herum, schoss an der alten Frau vorbei und floh. Keine Sekunde später tat Josh es mir gleich. Nur, damit wir uns keine zehn Meter weiter in der nächsten Sackgasse wiederfanden.
„Langsam wird mir das Nachtleben der Dienstboten unheimlich. Das hätte ich nicht von dir gedacht, Sophie“, murmelte die alte Frau und schlurfte langsam davon. Sie verfolgte uns nicht, dabei musste sie wissen, dass wir beide in eine Sackgasse gelaufen waren.
Groß und unerschütterlich lehnte Josh neben mir an der Wand, ein unergründliches Lächeln auf den Lippen. Hier standen wir nebeneinander in dem Gang, warteten auf die Frau, die nicht kam und mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu wundern.
„Was ist mit Sophie?“, wollte ich leise wissen. „Was ist mit Sophie und dir?“
„Was soll schon sein? Ich wollte bloß verhindern, dass diese Frau denkt, es wären Fremde in ihrem Haus“, antwortete Josh gelassen.
„Du weißt, dass wir, wenn alles glattgeht, in weniger als einem Monat diese Welt und damit Sophie für immer hinter uns lassen?“, wisperte ich.
„Daran musst du mich wohl kaum erinnern.“ Josh grinste mich an. „Außerdem läuft zwischen uns wirklich nichts. Egal was du denkst. Es war nur, als ich sie fesseln sollte, hat sie sich gewehrt, und plötzlich lag sie auf dem Boden. Naja. Da haben wohl die vielen Jahre mit einem kleinen Bruder durchgeschlagen. Ich musste sie einfach kitzeln, als sie so dalag.“
„Na gut. Wie du meinst.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Dann kümmern wir uns jetzt besser um das Geld, das wir besorgen müssen.“
„Ganz deiner Meinung.“ Im nächsten Moment war Josh an mir vorbeigehuscht und spähte um die Ecke.
„Sie ist weg. Auf geht’s!“
„Sei vorsichtig, Josh!“, warnte ich gerade noch, als er um die Ecke bog und plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Gerade noch sah ich, wie ein Stock einen Millimeter vor seiner Nase durch die Luft sauste und mit bedenklicher Wucht auf den Boden knallte. Der Schlag ließ mich zurückzucken, aber Josh sprang nach vorne und hielt der alten Frau den Mund zu, noch bevor sie schreien konnte. Mit der anderen Hand kämpfte er mit ihr um den Stock, aber die alten Finger waren stärker als gedacht.
Egal, dachte ich mir. Soll Josh doch kämpfen. Aber wenn sie mich entdeckt, fliegt der ganze Schwindel endgültig auf. Also huschte ich in einem unbemerkten Moment wie ein geölter Blitz an den beiden Kämpfenden vorbei, und hastete auf Zehenspitzen die Treppe hinauf.
Hier oben war alles prunkvoll und so vermutete ich, nah an den Schlafräumen der Hausherren zu sein. Ob sie wohl wirklich mit ihrem Geld unterm Kopfkissen schliefen? Gut möglich.
Wenn es unter einer Fußbodenleiste versteckt war, bestand jedenfalls keine Chance, es zu finden, also was für eine Wahl blieb mir schon?
Nur ein leises Knarren verriet mich, als ich die Tür am Ende des Gangs öffnete. Es war eine Flügeltür, deshalb erhoffte ich mir hier das Schlafgemach der Hausherren, aber ich wurde enttäuscht. Der Raum war groß, prunkvoll verziert aber größtenteils leer und wäre das helle Mondlicht nicht ein vielfaches verlockender als der zappendüstere Gang, wäre ich sicher auf der Stelle umgekehrt. So ließ ich mich dazu verleiten, einen genaueren Blick ins Zimmer zu werfen.
War das etwa ein Kleiderschrank? Oder einfach eine Wand, die aus zwei Schiebetüren bestand?
Neugierig schlich ich näher, nicht länger eine furchtvolle Einbrecherin, sondern einfach ich selbst, ein viel zu neugieriges Mädchen, das denkt, wenn keiner zu sehen ist, ist sie in einem verlassenen Haus.
So war ich nicht länger auf der Hut, sondern schob interessiert eine der Schiebetüren beiseite. Etwas bewegte sich, und ich taumelte vor Schreck einen Schritt rückwärts. Wieder eine Bewegung, diesmal stärker. Mit einem leisen Schrei wich ich in die Mitte des Raums zurück, sah die Gestalt, die ebenfalls zurückgewichen war, und starrte einen Moment in riesige, angsterfüllte Augen, bis ich realisierte, dass das meine Augen waren. Die Angst vor meinem eigenen Spiegelbild hätte mich beinahe die Wände hochgetrieben!
Leicht beschämt, jedoch immer noch mit einem Herzen, das wild in meiner Brust herumwirbelte, wandte ich mich wieder dem Schrank zu, dessen Türen ich nun als Spiegeltüren identifiziert hatte.
Ok. Ganz ruhig blieben, dachte ich und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Wenn das so weiterging, würde ich noch einen Herzinfarkt bekommen. Einbrechen war eindeutig kein guter Sport für mich.
Noch ein nervöser Blick über die Schulter, dann wandte ich mich wieder dem Schrank und seinem Inhalt zu. Die Dunkelheit in meinem Rücken ließ mich schaudern, aber beim Anblick der wundervollen Kleider, der sich mir bot, vergaß ich das schnell.
Reihenweise hingen sie da, eins prunkvoller als das andere, und – ich konnte mein Glück kaum fassen – dort, zwischen kostbarer Seide, stand auch eine kleine Schmuckkiste, aus der mir goldene Broschen und sogar ein echter Edelstein an einer schillernden Silberkette entgegenfunkelten.
Tarraaaaaa!, dachte ich mir voller Freude. Das musste ein Vermögen wert sein!! Viel mehr, als ich unter jedem Kopfkissen finden könnte.
Mit einem beinahe wahnsinnigen Grinsen hob ich die Schatulle hoch und drehte sie im Kreis. Mein Grinsen wurde breiter. Selbst die Schatulle musste mehr wert sein, als ich in meinem ganzen Leben je besessen hatte.
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