23: Der Fluch der Nähe



Tage waren seit dem Ereignis im Spiegelsaal vergangen. Tage, in denen Denathrius sie zu belanglosen Aufträgen geschickt hatte – Aufgaben, die sie früher mit Leichtigkeit erledigt hätte, doch nun fühlten sie sich wie Bürden an, die immer schwerer auf ihren Schultern lasteten. Die Zeit verging schleppend, und mit jeder weiteren Aufgabe schien die Dunkelheit in ihr tiefer zu wachsen, sich wie ein kaltes Gift in ihren Adern auszubreiten.

Idaia kniete am Boden in ihrem Gemach, ihre Hände zitterten, und die Dunkelheit kroch in ihr hoch wie kaltes Gift, das ihre Sinne einnebelte. Jeder Atemzug fiel ihr schwer, als ob die Luft um sie herum plötzlich zu einer bleiernen Last geworden war. Sie fühlte, wie die Dunkelheit sie erdrückte, wie sie langsam, aber unerbittlich ihren Verstand umschloss und ihre letzten Kraftreserven aus ihr zog. Ihre Knie sanken tiefer in den harten Stein, als sie die Augen schloss. In diesem Moment schien es verlockend, sich der Leere einfach zu ergeben.

Plötzlich spürte sie eine Präsenz – eine, die sie sofort erkannte, noch bevor sie seine Schritte hörte. Denathrius.

Sein Umhang raschelte leise, als er näher kam, und Idaia öffnete widerwillig die Augen, spürte jedoch sofort den Drang, sie wieder zu schließen. Sein Anblick zog sie auf eine Weise in seinen Bann, die sie nicht verstand und auch nicht verstehen wollte. Der dunkle Herrscher stand über ihr, blickte auf sie herab, und für einen Augenblick schien er größer und mächtiger als die Dunkelheit selbst.

„Du kannst nicht weglaufen, Idaia," sagte er, seine tiefe Stimme war ein Flüstern, das sich wie ein dunkles Versprechen in ihren Gedanken festsetzte. „Nicht vor dir selbst. Nicht vor dem, was in dir steckt."

Seine Hand, kühl und doch sanft, legte sich auf ihre Schulter, und ein Schauder lief ihr über den Rücken. Obwohl sie es hasste, musste sie zugeben, dass seine Berührung etwas in ihr weckte, etwas, das nicht nur mit ihrer Angst oder der Dunkelheit zu tun hatte. Seine Nähe brachte eine gefährliche Wärme mit sich, die ihre Haut prickeln ließ. Sie wusste, dass sie widerstehen sollte, doch sie konnte es nicht.

„Aber du musst es auch nicht allein ertragen." Er ging in die Hocke, sodass sein Gesicht näher an ihres kam, und sie konnte seinen Atem an ihrer Wange spüren. Sie wollte sich abwenden, doch ihre Muskeln gehorchten nicht. „Die Dunkelheit in dir ist stark, das weiß ich – denn ich kenne sie nur zu gut."

Idaia hob den Blick und sah ihn direkt an. Seine Augen funkelten im Halbdunkel wie zwei kalte Sterne, und für einen kurzen Moment war da mehr als nur Manipulation in seinem Blick. Da war ein Funken von etwas Menschlichem, einer tiefen Einsamkeit, die sie überraschte. Doch es verging so schnell, wie es gekommen war.

Er neigte sich noch näher zu ihr, seine Lippen nur einen Atemzug entfernt. „Lehne dich an mich," flüsterte er, „lass mich deine Führung sein." Seine Worte waren wie Gift und Honig zugleich –verlockend und gefährlich. Seine Hand strich sanft über ihre Schulter, ließ ihre Haut brennen und kühlte gleichzeitig die Dunkelheit in ihrem Inneren.

Idaia wollte ihm widerstehen, wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Der Sturm in ihrem Inneren tobte heftiger denn je, und sie wusste, dass er es war, der dieses Chaos in ihr auslöste – und gleichzeitig der Einzige war, der es beruhigen konnte.

„Aber wage es nicht zu glauben," fügte er hinzu, während er ihren Blick festhielt, „dass es jemals anders enden wird. Ohne mich würdest du verlieren." Seine Worte waren ein Schlag, der sie tief traf, doch seine Stimme hatte etwas Verführerisches an sich, etwas, das sie gleichzeitig abstoßen und zu ihm ziehen wollte.

Idaia wusste, dass er recht hatte. Sie hasste es, aber er hatte recht. Und in diesem Moment – einem Moment purer Schwäche und Verzweiflung – ließ sie sich fallen. Nicht vollkommen, aber genug, um seine Worte und seine Nähe zuzulassen. Ihre Hände griffen nach seinem Umhang, ihre Finger krallten sich in den Stoff, als wäre er der einzige Halt, den sie noch hatte.

Denathrius' Gesicht kam noch näher, und für einen kurzen Moment berührten seine Lippen beinahe ihre. Er zog sich jedoch im letzten Moment zurück, ein kaum merkliches Lächeln auf seinen Lippen. „Es wird nie enden, Idaia," flüsterte er, und obwohl seine Worte grausam waren, fühlte sie sich auf eine verdrehte Art und Weise verstanden. „Wir sind in diesem Kreislauf gefangen, du und ich."

Idaias Herz hämmerte in ihrer Brust, ihre Atmung ging flach und schnell. Die Dunkelheit in ihr hatte sich beruhigt, doch sie wusste, dass der Preis dafür hoch war. Sie hasste ihn für die Macht, die er über sie hatte. Und doch... sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn in diesem Moment brauchte – vielleicht mehr, als sie sich selbst eingestehen wollte.

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