21: Gefangene Dunkelheit



Idaia saß still in ihrem Bett, die Decke fest um ihren nackten Körper gewickelt, als wäre es das einzige, was sie noch vor der kalten Realität schützen könnte, die sie umgab. Die spärliche Beleuchtung in ihrem Zimmer warf Schatten an die Wände, die sich zu grotesken Gestalten verzerrten. Ein leises, stetiges Tropfen von Wasser hallte in der Ferne wider, das den Raum mit einem unheilvollen Echo erfüllte. Ihr Atem ging flach, ihre Gedanken kreisten wie dunkle Wolken und inmitten all dessen war da dieser seltene Moment der Klarheit, der sich langsam, aber sicher in ihrem Bewusstsein einnistete.

Ihr Körper schmerzte, jeder Muskel fühlte sich angespannt an, als wären ihre Glieder überdehnt worden. Blaue Flecken zeichneten sich auf ihrer Haut ab, wo Denathrius' Griff zu hart gewesen war. Ihre Handgelenke pochten, eine ständige Erinnerung daran, wie er sie festgehalten und sie gezwungen hatte, sich seinem Willen zu fügen. Es war nicht nur der physische Schmerz – es war die seelische Erschöpfung, die sie lähmte. Ihre Haut kribbelte unter der Last seiner Berührung, als hätte er nicht nur die Oberfläche, sondern auch das, was darunter lag, verdorben.

In jedem Atemzug lag ein Zittern, das sie nicht unterdrücken konnte, und doch war da ein seltsames Gefühl der Erleichterung, dass es vorbei war – zumindest für den Moment. Aber die Ruhe war trügerisch, wie die Ruhe vor einem Sturm, der sich bereits am Horizont zusammenbraute. Sie wusste, dass Denathrius ihr bald wieder beiwohnen würde, und der Gedanke daran schnürte ihr die Kehle zu. Die Dunkelheit, die sie umgab, schien sich zu verdichten, während sie das Unvermeidliche erwartete.

Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen? Ihre Gedanken stürzten sich auf sie wie hungrige Wölfe. Wie war sie hier gelandet, in diesem Bett, an der Seite dieses Wesens, das ihre Seele zerriss und ihre Macht unterdrückte, während er sie genüsslich zerstörte?

Idaia wagte es nicht, zur Seite zu blicken, wo Denathrius neben ihr lag. Sein ruhiges Gesicht war ausdruckslos, fast friedlich – doch sie wusste es besser. Sein Frieden war eine Lüge, genau wie alles an ihm. In all den Nächten, die sie mit ihm verbracht hatte, hatte er nie so lange bei ihr verweilt, nie so lange stillgelegen. Schlaf – konnte er überhaupt schlafen? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er sie niemals wirklich allein ließ, nicht einmal in seinen scheinbar ruhigen Momenten.

Langsam glitt ihre Hand über die raue Oberfläche des Nachttisches, suchte blind, bis ihre Finger auf das kalte Metall des Dolches stießen, der immer an seiner Seite war. Denathrius' Waffe – so gefährlich, so vertraut. Sie hob den Dolch an und starrte auf die scharfe Klinge. Ihr Herz klopfte heftig in ihrer Brust, während ihre Gedanken zu rasen begannen. Konnte sie es tun? Konnte sie sich endlich befreien?

Ihre Augen wanderten über die Narben auf ihrer Haut – die feinen, kaum sichtbaren Schnitte, die Denathrius ihr zugefügt hatte. Zeichen seiner Macht über sie. Zeichen ihrer eigenen Schwäche, ihrer Ohnmacht. Doch in diesem Moment spürte sie etwas, das sie lange nicht mehr gespürt hatte: Entschlossenheit.

Idaia wandte sich langsam um und hob den Dolch über sein Herz. Ihre Hand zitterte, doch sie zwang sich, festzuhalten. Ein einziger Stoß, ein einziger Moment, und es wäre vorbei. Alles wäre vorbei.

Doch als ihr Blick auf sein Gesicht fiel, zuckte sie zurück. Da war es wieder – dieses süffisante Lächeln, das so oft ihre Albträume heimsuchte. Seine Augen waren offen, funkelten rot in der Dunkelheit und sein Lächeln war kalt und höhnisch.

„Ich habe mir schon gedacht, dass noch etwas Kampfeswille in deinem Körper steckt," murmelte er mit samtiger Stimme. Langsam, beinahe genüsslich, richtete er sich auf, während Idaia panisch zurückwich, den Dolch noch immer in der Hand.

Sie versuchte, sich von ihm zu lösen, doch seine Hand schnellte hervor, hielt sie mit müheloser Stärke fest. „Das macht alles so viel interessanter," fuhr er fort, seine Stimme weich und gefährlich. Er zog sie näher, bis sie wieder an seinem Körper war, seine Hand wanderte besitzergreifend über ihre nackte Haut. „Was mache ich nur mit dir?"

Idaia wand sich unter seinem Griff, fühlte sich wie eine gefangene Beute, die keine Chance zur Flucht hatte. Sein Körper drängte sich an ihren und sie spürte, wie seine Reaktion auf ihre Bewegungen fast instinktiv war – ein Raubtier, das seine Beute genoss, bevor es zuschlug.

„Bitte nicht," flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar, ein letzter verzweifelter Versuch, ihn zu besänftigen. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass keine Bitte dieser Welt ihn aufhalten konnte. Nicht jetzt. Nicht hier.

Denathrius sah sie an, sein Lächeln weitete sich, als würde er ihre Hilflosigkeit genießen. „Oh, Idaia," sagte er und in seiner Stimme lag kein Hauch von Mitgefühl. Nur Amüsement, vielleicht sogar ein Hauch von Zuneigung – wenn man es so nennen konnte. „Wie niedlich."

Er lachte. Ein dunkles, bösartiges Lachen, das an den Wänden widerhallte und jede Hoffnung, die sie noch hatte, in einem Meer aus Dunkelheit ertränkte.

Der Raum schien still zu stehen, jeder Laut schien gedämpft, als Idaia zitternd den Dolch noch immer in der Hand hielt. Denathrius' Finger gruben sich mit einer trügerischen Zärtlichkeit in ihre Haut und sein Lächeln blieb unerschütterlich. Ein Raubtier, das mit seiner Beute spielte.

„Du wirst es nicht tun", flüsterte er, seine Stimme sanft wie ein Kuss und doch voller Hohn. „Du kannst es nicht."

Ihre Hände zitterten und der Dolch sank ein wenig. Doch dann, in einer plötzlichen Welle der Verzweiflung, riss sie den Arm hoch und stieß die Klinge in Richtung seines Herzens. Ein Ruck ging durch ihre Glieder, als die Klinge durch seine Haut fuhr – tiefer und tiefer, bis sie auf Widerstand stieß.

Sein Körper spannte sich unter der Wucht des Stiches an. Für einen schmerzhaften Moment glaubte sie, es geschafft zu haben. Dass er tatsächlich getroffen war. Ein Röcheln entkam ihm und sein Lächeln wich einem Ausdruck von Überraschung. Idaia atmete scharf ein, ihre Augen weit vor Schock und einer kurzen Welle des Triumphs.

Doch dann... das Lächeln. Es kehrte zurück, langsam, triumphierend. Denathrius' Hand umfasste die ihre, die immer noch den Dolch umklammerte und er zog ihn mit beinahe müheloser Eleganz aus seiner Brust. Kein Blut tropfte. Nichts. Nur Kälte, die in einer unsichtbaren Welle von ihm ausging.

„Oh, Idaia", murmelte er leise, während er sich genüsslich aufrichtete, als wäre nichts geschehen. „Wie naiv du bist."

Der Dolch fiel aus ihrer Hand, als er ihr Handgelenk schmerzhaft zusammendrückte. Die Realität prallte wie ein Schlag auf sie ein und ein Schauer durchlief ihren Körper. Alles, was sie geglaubt hatte, war in einem Augenblick zerstört worden. Der Triumph, der kurze Moment der Hoffnung – alles war eine Illusion gewesen.

„Glaubst du wirklich, du könntest mich verletzen?", fragte er, und seine Stimme war jetzt ein kalter Hauch. Er stand auf und sah herab auf sie, während sie hilflos auf dem Bett zusammensank. Er griff nach seiner Waffe und sah nachdenklich darauf. „Du gehörst mir, Idaia. Das weißt du doch längst."

Sie spürte die kalte Klinge des Dolches an ihrer Kehle, als Denathrius sich vorbeugte und ihn genüsslich an ihrer Haut entlang zog. „Dieser Dolch... war immer nur ein Spielzeug. Ein Symbol meiner Macht. Und du hattest die Dreistigkeit, ihn gegen mich zu erheben." Er lachte leise und ließ die Klinge ihre Haut kaum berühren, doch die Andeutung der Gefahr war schlimmer als jeder Schmerz.

„Es ist nicht der Dolch, der dich verletzt. Es ist die Erkenntnis, dass du niemals frei sein wirst."

Idaia atmete flach, unfähig, sich zu bewegen, ihre Gedanken drehten sich in einem Wirbel aus Verzweiflung und Selbstverachtung. Wie hatte sie so dumm sein können? Wie hatte sie glauben können, dass sie ihm entkommen könnte? Sie hatte nie eine Chance gehabt. Denathrius hatte jeden ihrer Gedanken, jeden ihrer Schritte von Anfang an kontrolliert.

„Du hast geglaubt, du könntest dich mir entziehen", sagte er langsam, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Aber sieh dich an, Idaia." Er ließ den Dolch sinken und berührte stattdessen sanft ihre Wange. Die Berührung war zärtlich, fast liebevoll, doch sie war eine Maske für die tiefe, unerbittliche Kontrolle, die er über sie hatte.

„Du bist nichts ohne mich. Jeder Versuch, dich zu befreien, führt dich nur tiefer in mein Netz. Und das ist es, was du willst, nicht wahr? Du willst diese Macht. Diese Dunkelheit. Sie gehört dir – und du gehörst mir."

Idaia konnte nicht mehr atmen. Der Raum schien enger zu werden, als würde er sie erdrücken. Ihre Hände verkrampften sich um die Bettdecke, doch sie konnte nicht fliehen. Sein Einfluss war wie eine unsichtbare Kette, die sich um ihre Seele gelegt hatte. Alles in ihr wollte schreien, weinen, doch kein Laut kam über ihre Lippen.

„Sei ehrlich zu dir selbst", flüsterte Denathrius, während er sich näher zu Idaia beugte. Seine Stimme war tief und dunkel, triefend vor Verführung und Macht. „Du liebst es. Diese Dunkelheit... diese Macht..."

Er hielt kurz inne, bevor er die letzten Worte aussprach. Seine Augen verengten sich leicht, als er sie ansah, und für einen flüchtigen Moment schien sich etwas in ihm zu verändern, ein winziger Riss in seiner undurchdringlichen Maske. „... du liebst mich."

Der Hauch von Verwunderung in seiner eigenen Stimme schien ihn selbst zu überraschen. Es war fast, als hätte er nicht geplant, diese Worte zu sagen, als hätten sie sich aus den tiefsten, unbewussten Ecken seines Wesens hervorgeschlichen. Einen winzigen Augenblick lang flackerte etwas Unbekanntes in seinen Augen auf - etwas, das ihn ebenso erstaunte wie sie.

Doch bevor Idaia darauf reagieren konnte, verschwand der Ausdruck so schnell, wie er gekommen war, und Denathrius' eiserne Fassade kehrte zurück. Seine Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen Lächeln, als ob nichts geschehen wäre. Aber Idaia hatte es gesehen—diesen winzigen, aber bedeutenden Moment, in dem die Dunkelheit, die ihn umgab, kurz gewankt hatte.

Idaia fühlte, wie sich ein kalter Schauer über ihren Rücken zog. Die Worte drangen wie ein süßer, aber giftiger Nebel in ihr Bewusstsein ein, während sie versuchte, sich von der überwältigenden Anziehung zu lösen. Nein, dachte sie, das kann nicht wahr sein. Er hat mir alles genommen, was ich war.

Doch als sie ihn ansah, stiegen Erinnerungen auf – die Macht, die sie spürte, als sie seinen Befehlen folgte, die unbändige Stärke, die sie in seinen Schatten fand. Ein Teil von ihr wollte ihm glauben, wollte die Sicherheit, die er versprach, auch wenn sie wusste, dass dies ihr Untergang sein könnte.

Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider und sie spürte, wie etwas in ihr zerbrach. Vielleicht war es der letzte Funken Hoffnung, den sie noch gehabt hatte. Vielleicht war es ihre Menschlichkeit. Oder vielleicht... war es einfach nur der endgültige Verlust dessen, was sie einst gewesen war.

„Es gibt keinen Ausweg", sagte er sanft, fast tröstend und zog sie in seine Arme, als würde er sie vor der Welt schützen. Doch sie wusste, dass er derjenige war, der die Welt um sie zerstört hatte.

„Ich werde dich nie gehen lassen, Idaia", flüsterte er an ihrem Ohr. „Aber das ist es doch, was du willst. Du wirst immer mein sein."

Und in diesem Moment, als sie den letzten Funken Widerstand in sich sterben fühlte, begriff sie die grausame Wahrheit. Sie hatte nie eine Wahl gehabt. Nicht wirklich. Denathrius hatte sie längst in den Abgrund gezogen – und sie hatte sich ihm freiwillig hingegeben.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie weinte nicht. Sie konnte nicht. Der Schmerz war zu groß, zu tief, um in Tränen ausgedrückt zu werden. Alles, was sie noch tun konnte, war, in seinen Armen zu verharren, gefangen in einem endlosen Albtraum.

Denathrius lehnte sich zurück und sah sie an, sein Lächeln war nun gänzlich siegreich. „Es gibt nichts, was du tun kannst. Du bist mein."

Und als seine Hand wieder über ihre Haut strich, spürte Idaia, wie sie weiter in die Dunkelheit gesogen wurde. Sie spürte die Veränderung in sich, das letzte Flackern ihres Willens, das langsam erlosch. Schwarze Strähnen breiteten sich in ihrem Haar aus. Ihre Augen, einst strahlend blau, begannen, eine rötliche Glut zu bekommen.

Die Verwandlung war abgeschlossen.

Denathrius hatte gewonnen.

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