20: Schatten der Macht
Idaias Schritte hallten durch die dunklen, labyrinthischen Gänge von Schloss Nathria, als sie sich in Gedanken verloren durch die Schatten bewegte. Die schweren Mauern des Schlosses drückten auf sie, der ewige Dunst und die finsteren Echos machten die Atmosphäre nahezu erdrückend. Die Luft war schwer von dem Geruch nach Moder und alten Geheimnissen, während das gedämpfte Licht auf den Wänden in schaurigen Schattenspielen tanzte. Das Brandzeichen auf ihrer Haut pochte in einem unregelmäßigen Rhythmus, als würde es ihr bewusst machen, dass sie nicht allein war – niemals wirklich allein. In den Hallen dieses verdorbenen Ortes war immer jemand oder etwas, das sie beobachtete.
Ihre Gedanken waren zersplittert, ein Durcheinander von Bildern, die sie kaum zu fassen bekam. Kael'thas, Denathrius, der Schmerz und die Macht, die das Brandzeichen ihr verlieh – all das schien zu einem dichten Nebel in ihrem Kopf zu verschwimmen, bis nur noch eine dumpfe Gleichgültigkeit übrigblieb. Ein kalter Luftzug strich über ihre Haut, als ob die Mauern selbst eine Erinnerung an vergangenes Leid wünschten.
Doch als sie um die nächste Ecke bog, erstarrte sie. Jäger Altimor stand direkt vor ihr, seine Gestalt war wie immer imposant, seine Schultern breit, und seine Hände ruhten auf den gezackten Waffen, die ihm stets zur Seite standen. Seine Augen musterten sie mit einem seltsamen Funkeln, einem Interesse, das sie nervös machte.
„Nun, wen haben wir denn da?" Altimors Stimme war tief und glatt, durchtränkt von einem sadistischen Amüsement. „Idaia, nicht wahr? Denathrius' kleines, braves Spielzeug."
Er trat näher, und sie konnte den scharfen Geruch des Blutes und der Bestien riechen, die ihm folgten wie Schatten. Ein Hauch von Angst kroch ihre Wirbelsäule hinauf, als sie bemerkte, wie seine Bestien in den dunklen Winkeln lauerten, als ob sie nur auf ein Zeichen ihres Meisters warteten, um über sie herzufallen.
„Was führt dich so allein durch die Hallen?" Altimor grinste, und das Lächeln war alles andere als freundlich. „Hast du dich verlaufen?"
Er trat noch näher, und sie konnte den Funken von Bedrohung in seinen Augen erkennen. Sein Finger wanderte über die Halfter seiner Waffen, und für einen kurzen Moment fragte Idaia sich, ob er sich einen Spaß daraus machen würde, Zielübungen auf sie zu vollführen – oder etwas noch Schlimmeres.
„Vielleicht sollte ich meine Tiere auf dich hetzen", murmelte Altimor und sein Blick wanderte zu den Bestien, die in der Dunkelheit lauerten. „Oder vielleicht..." Er ließ die Worte in der Luft hängen, sein Lächeln wurde noch breiter.
Etwas in Idaia, ein alter Trotz, den sie längst verloren geglaubt hatte, regte sich. Sie hob das Kinn und ihre Augen blitzten herausfordernd. „Du könntest es versuchen", erwiderte sie leise, und für einen Moment fühlte sie die alte Flamme in sich brennen. Doch in ihr brodelte auch die Angst, die sie seit ihrer Kindheit begleitet hatte, wie ein Schatten, der nie ganz verschwand. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob du mit den Konsequenzen umgehen könntest."
Altimors Augen weiteten sich vor Überraschung, doch dann lehnte er sich langsam vor, sein Lächeln verschwand und an seiner Stelle trat etwas viel Dunkleres, Beunruhigenderes. Er packte sie plötzlich an der Hand und sie spürte die Kraft in seinem Griff. Seine Augen glitten gierig über ihr Gesicht und der Ausdruck darin ließ ihre Kehle trocken werden. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie spürte, wie das Herz in ihrer Brust hämmerte, als würde es um ihr Überleben kämpfen. Die Kälte, die in Altimors Griff lag, durchdrang nicht nur ihre Haut, sondern schien in ihr Innerstes zu kriechen, bis sie sich wie ein gefangenes Tier fühlte.
Seine Augen funkelten gefährlich, als Idaia aufbegehrte. „Du könntest es versuchen", hatte sie gesagt, doch die Worte hallten schwach gegen die drohende Präsenz, die er ausstrahlte. Er neigte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Raubtier, das seine Beute genau beobachtete, auf jede kleine Regung lauernd. Ein langsames, grausames Lächeln zog sich über seine Lippen, während er ihre Herausforderung in der Luft verhallen ließ, als wäre sie nichts weiter als ein leises Flüstern im Wind.
„Interessant", murmelte er, seine Stimme eine samtige Drohung. „Ich wusste gar nicht, dass unser kleines Vögelchen noch singen kann. Nach all der Zeit unter Denathrius hätte ich gedacht, du wärst längst gebrochen."
Er trat noch näher, bis Idaia den ekelhaften Geruch von Blut, Schweiß und Tod, der von ihm ausging, deutlich riechen konnte. Seine Hand, die immer noch fest um ihr Handgelenk geschlossen war, zog sie näher zu sich heran, und sein Blick durchbohrte sie mit einer unheimlichen, fast animalischen Intensität. Es war, als würde er jeden flüchtigen Gedanken, jedes Zucken ihres Körpers lesen – als hätte er ihre Furcht schon längst in sich aufgesogen und genoss nun das süße Zittern, das sie durchströmte.
„Weißt du, was ich liebe, Idaia?" Seine Stimme war nun kaum mehr als ein Flüstern, doch jedes Wort war durchtränkt von sadistischer Lust. „Ich liebe es, wenn sie glauben, sie könnten entkommen. Wenn sie glauben, sie hätten noch einen Funken Kontrolle. Dieser Glaube... diese Hoffnung, die in ihren Augen aufblitzt, bevor ich sie auslösche."
Er ließ ihre Hand los, doch es war kein Akt der Gnade. Es war das bewusste Loslassen eines Jägers, der seine Beute in die Irre führen wollte, sie in falscher Sicherheit wiegen, bevor er endgültig zuschlug. Er ging langsam um sie herum, wie ein Wolf, der den besten Moment abwartete, um zum Töten anzusetzen. Seine Schritte hallten leise durch den kalten Gang und die Bestien in den Schatten regten sich unruhig, als ob sie spürten, dass das Spiel bald beginnen würde.
„Ich sehe es in dir", fuhr Altimor fort, während er sie mit kalten Augen musterte. „Du zitterst. Dein Herz rast. Du weißt, dass du keine Chance hast. Und trotzdem..." Er beugte sich vor, seine Lippen so dicht an ihrem Ohr, dass sein heißer Atem ihre Haut streifte. „...trotzdem kämpfst du. Das macht es nur umso köstlicher."
Seine Hand strich langsam über ihre entblößte Schulter, seine Berührung leicht, aber dennoch bedrückend, wie das Kratzen einer Klaue, die ihre Beute markierte. Idaia spürte, wie jeder Muskel in ihrem Körper sich anspannte, doch sie konnte sich nicht rühren. Die Angst, die sie erfasst hatte, war wie eine eisige Umarmung, die sie in die Knie zwang.
„Du bist nicht hier, um zu kämpfen, Idaia", sagte er schließlich, seine Stimme wieder ruhig und gefährlich kontrolliert. „Du bist hier, um zu verlieren. Denathrius mag mit dir seine Pläne haben, aber für mich... bist du nur eine weitere Beute. Und ich genieße es, dich zerbrechen zu sehen."
Sein Griff schloss sich plötzlich wieder um ihr Handgelenk, diesmal mit einer unbarmherzigen Härte, die sie aufstöhnen ließ. Altimor zog sie nah an sich heran, seine Augen glitzerten voller verdrehter Freude, als er ihre Angst riechen konnte, wie ein Tier, das den ersten Blutgeruch wahrnahm.
„Lauf, wenn du willst", flüsterte er, seine Stimme ein gefährliches Versprechen. „Aber du weißt genau, dass ich dich finden werde."
Altimors kalter Griff schloss sich fester um Idaias Handgelenk. Sein Atem war heiß und fordernd auf ihrer Haut, als er sich noch näher beugte. „Die Jagd ist erst vorbei, wenn ich es sage," flüsterte er mit einem dunklen, gefährlichen Unterton. Idaia fühlte sich wie ein Tier in der Falle, gefangen in seiner Gegenwart. Die Dunkelheit der Halle schien sich um sie herum zu schließen, und die Bestien in den Schatten regten sich leise, als wollten sie auf das Signal warten, um zuzuschlagen.
Gerade als Altimor seinen Griff weiter verstärkte, hallten schwere Schritte durch den Gang. Der Klang war wie Donner in der Stille, und selbst Altimor erstarrte für einen Moment, bevor er sich umwandte.
„Altimor," erklang die tiefe, samtige Stimme von Denathrius. Seine Worte waren leise, aber sie trugen eine unmissverständliche Schärfe in sich. „Warum," fragte er mit einer tödlichen Ruhe, „berührst du mein Eigentum?"
Altimor ließ sofort los, als hätte ihn eine unsichtbare Macht dazu gezwungen. Er wich einige Schritte zurück, doch seine Augen glühten vor unbefriedigtem Verlangen und einem Hauch von Angst. „Verzeiht, mein Lord," sagte er und senkte leicht den Kopf, doch seine Stimme klang immer noch belustigt. „Ich wollte nur etwas... Spaß haben."
Denathrius trat näher, seine imposante Gestalt überragte beide wie ein Schatten des Untergangs. Er musterte Altimor einen Moment, bevor seine roten Augen zu Idaia wanderten, die noch immer in Angst und Zorn gefangen war. „Spaß?" wiederholte er langsam, als würde er das Wort kosten. Dann sah er Altimor an, seine Augen verengten sich gefährlich. „Du weißt sehr wohl, wem sie gehört."
Altimors Lächeln verschwand endgültig, und er verbeugte sich tiefer. „Natürlich, mein Lord."
Denathrius' Gesicht blieb reglos, als er seine Aufmerksamkeit auf Idaia richtete. „Geh jetzt," befahl er Altimor mit einem leichten Wink seiner Hand, und ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen, entfernte sich Altimor aus dem Saal, seine Bestien folgten ihm wie treue Schatten.
Ein kaltes Schweigen legte sich über den Raum, als Denathrius sich Idaia näherte. Für einen Moment fühlte sie sich beinahe erleichtert – er hatte sie vor Altimor 'gerettet'. Doch diese Erleichterung währte nur kurz, denn sie wusste, dass dies keine Gnade war. Denathrius war kein Retter; er war derjenige, der diese Machtspiele beherrschte.
„Du solltest wissen," sagte Denathrius leise, während er ihre Wange sanft mit seiner Fingerspitze berührte, „niemand darf dich anfassen... außer mir."
Sein Griff war leicht, aber seine Worte waren schwer von Besitzansprüchen, und Idaia spürte die bittere Realität ihrer Situation. Aus einer Bedrohung war sie in die Arme einer noch größeren Macht gefallen, und der Schein von Schutz war nichts als eine weitere Form der Kontrolle.
„In dein Gemach", befahl er ruhig, ohne den Anflug von Zärtlichkeit, der in seiner Stimme in anderen Momenten gewesen war. „Geh und warte dort auf mich."
Idaia nickte stumm, der Schock über das, was gerade geschehen war, lähmte sie fast. Sie konnte nur noch gehorchen. Langsam wandte sie sich ab und lief den dunklen Flur entlang, ohne zurückzublicken. Die Schatten schienen sich um sie zu schließen, als sie auf ihr Zimmer zueilte.
Dort angekommen, setzte sie sich zögerlich auf ihr Bett und ließ die Finger über das Laken gleiten, als könnte sie damit den immer noch pochenden Schmerz an ihrem Handgelenk besänftigen. Sie wusste, dass Denathrius bald kommen würde. Ihr Körper war angespannt, ihre Gedanken ein einziger Wirbelsturm aus Angst, Schuld und seltsamer Erleichterung.
Doch die Ruhe in ihrem Zimmer war trügerisch, und Idaia saß dort, während sie auf das Unvermeidliche wartete.
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